Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 5. Juli 2011
Aktenzeichen: 5 U 104/10
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 05.07.2011, Az.: 5 U 104/10)
Tenor
Auf die Berufungen der Kläger zu 1., 2. und 3. wird das am 14.06.2010 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main teilweise abgeändert und insgesamt zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 26.05.2009
zu TOP 3 €Entlastung des Vorstandes für das Geschäftsjahr 2008€,
zu TOP 4 €Entlastung des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr 2008€,
zu TOP 10 €Schaffung eines neuen genehmigten Kapitals (mit der Möglichkeit zum Bezugsrechtsausschluss unter anderem gemäß § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG) und Satzungsänderung€ und
zu TOP 11 €Schaffung eines neuen genehmigten Kapitals zur Bar- oder Sachkapitalerhöhung (mit der Möglichkeit zum Bezugsrechtsausschluss) und Satzungsänderung€
werden für nichtig erklärt.
Im Übrigen werden die Klagen der Kläger zu 2. und 3. abgewiesen und
die weitergehenden Berufungen der Kläger zu 2. und 3. sowie die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten sowie den außergerichtlichen Kosten der Beklagten beider Instanzen haben die Beklagte 14/19, die Kläger zu 2. und 3. jeweils 2/19 und der Streithelfer der Kläger zu 5. 1/19 zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen der Kläger zu 1. und 4. sowie des Streithelfers der Kläger zu 6. hat die Beklagte zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen der Kläger zu 2. und 3. haben die Beklagte zu 3/5 und im Übrigen die Kläger zu 2. und 3. selbst zu tragen.
Der Streithelfer der Kläger zu 5. hat seine eigenen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen selbst zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den jeweiligen Vollstreckungsschuldnern wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit mehrerer auf der Hauptversammlung der Beklagten am 26.05.2009 gefasster Beschlüsse. Die Beklagte ist eine börsennotierte deutsche Großbank. Die Kläger sind Aktionäre der Beklagten.
Am 12.09.2008 schloss die Beklagte mit der A AG eine Vereinbarung über den Erwerb einer Beteiligung an der börsennotierten A-Bank AG. Am 12.09.2008 verkaufte die A 29,75 % der Aktien der A-Bank AG an die Beklagte zu einem Preis von 2,79 Milliarden € bzw. 57,27 € je Aktie. Zur Finanzierung führte die Beklagte im September 2008 eine Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital unter Ausschluss des Bezugsrechts über 40 Millionen neue Aktien zu je 55,00 € durch. Der Brutto-Emissionserlös belief sich auf insgesamt ca. 2,2 Milliarden €. In der Folge führte auch die A-Bank AG eine Kapitalerhöhung durch.
Am 22.12.2008 vereinbarten die Beklagte und die A AG, den Vollzug der am 12.09.2008 vereinbarten Transaktion zu verschieben. Mit Ad-hoc-Mitteilung vom 14.01.2009 gab die Beklagte bekannt, dass sie und die A AG eine Nachtragsvereinbarung betreffend den Erwerb von Aktien der A-Bank AG getroffen hätten. Nachdem die A AG von ihrem in der Nachtragsvereinbarung eingeräumten Wahlrecht (Bar- oder Sacheinlage bei der Beklagten) für den Erwerb der 50 Millionen A-Bankaktien am 21.01.2009 dahingehend Gebrauch gemacht hatte, eine Kapitalerhöhung mit gemischter Sacheinlage bei der Beklagten zu wählen, führte die Beklagte eine weitere Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital gemäß § 4 Abs. 9 ihrer Satzung über 128 Millionen € gegen Ausgabe von 50 Millionen neuen auf den Namen lautenden Stückaktien durch. Das Bezugsrecht der Aktionäre wurde ausgeschlossen. Am 25.02.2009 schlossen die Beklagte und die A AG einen Einbringungsvertrag. Die Anmeldung der Kapitalerhöhung wurde am 06.03.2009 in das Handelsregister der Beklagten eingetragen. Mit der Übertragung der neuen 50 Millionen Aktien an die A AG finanzierte die Beklagte den Erwerb der 50 Millionen A-Bankaktien, die sie von der A AG erhielt.
Am 29.10.2008 gaben Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten eine Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG ab, wegen deren Wortlauts auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Seite 5, Bl. 1289) Bezug genommen wird. Hinsichtlich der Behandlung von Interessenkonflikten enthielt der Aufsichtsratsbericht an die Hauptversammlung gemäß § 171 Abs. 2 AktG (Anhang Jahresbericht 2008) u. a. Folgendes:
€Der Risikoausschuss befasste sich mit den nach § 15 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) erforderlichen Kreditgenehmigungen. Dabei nahmen diejenigen Aufsichtsratsmitglieder an der Erörterung und Abstimmung nicht teil, die zum Zeitpunkt der Beschlüsse Mitglieder der Organe des betreffenden Kreditnehmers waren. Herr Dr. C nahm an drei Beschlussfassungen des Aufsichtsrats am 29. Oktober 2008 nicht teil, da diese ihn persönlich betrafen. Die Beschlüsse wurden vom Aufsichtsrat zu diesen Punkten unter Leitung von Herrn B gefasst. Gelegentlich bestanden bei einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern latente Interessenkonflikte. So waren zum Beispiel im Berichtszeitraum Frau D, Frau E und Frau F als Arbeitnehmervertreter auch Mitglied des Aufsichtsrats der G-Bank € AG und Herr I war zeitweise Vorsitzender des Aufsichtsrats der H-Bank AG. Sie haben an Beratungen zu den entsprechenden Themen, die zum Teil auch in den Ausschüssen stattfanden, denen sie nicht angehörten, nicht teilgenommen. Besonderer weiterer Maßnahmen im Hinblick auf diese latenten und lediglich punktuellen Interessenkonflikte bedurfte es nicht.€
Mit Anzeige im elektronischen Bundesanzeiger vom 27.03.2009 lud die Beklagte zu ihrer Hauptversammlung am 26.05.2009. Auf dieser wurden u. a. den Vorschlägen der Verwaltung folgend
unter TOP 2 über die Verwendung des Bilanzgewinns für das Geschäftsjahr 2008, unter TOP 3 über die Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr 2008,
unter TOP 4 über die Entlastung des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2008, unter TOP 5 über die Wahl des Abschlussprüfers für das Geschäftsjahr 2009 und für die prüferische Durchsicht des verkürzten Abschlusses und des Zwischenlageberichts zum 30. Juni 2009 und der Konzernabschlüsse sowie
unter TOP 10 und 11 über die Schaffung neu genehmigten Kapitals Beschlüsse gefasst.
Wegen der Einzelheiten der Tagesordnung und des Verlaufs der Hauptversammlung wird auf das notarielle Protokoll nebst Anlagen (Anlage B 1, Anlagenband) Bezug genommen.
Die Kläger haben geltend gemacht, dass die streitgegenständlichen Beschlüsse nichtig bzw. anfechtbar seien. Sie haben im Wesentlichen gerügt,
- der Einlass zur Hauptversammlung sei wegen organisatorischer Mängel nur stark verzögert gewesen,
- es habe ein unzuständiger Versammlungsleiter die Hauptversammlung geleitet,
- die Redezeit eines Teils der Aktionäre sei unzulässig beschränkt worden,
- zahlreiche Fragen seien nicht bzw. nicht ausreichend beantwortet worden,
- der Aktionär Dr. J sei fälschlich nicht aufgerufen worden,
- über die Übernahme der A-Bank sei kein hinreichender Bericht erstattet worden,
- das Verhältnis der Werte für die Beklagte und die A-Bank bei der abgeschlossenen Transaktion sei zu Lasten der Aktionäre der Beklagten nicht angemessen gewesen,
- die Beschlüsse zu TOP 10 und 11 seien gemäß § 241 Nr. 3 AktG nichtig, da hierdurch gegen die Grenze des § 202 Abs. 3 AktG verstoßen worden sei,
- es sei eine falsche Erklärung nach § 161 AktG abgegeben worden, da über Interessenkonflikte von Aufsichtsratsmitgliedern nicht bzw. unzureichend berichtet worden sei. Auch dem Bericht des Aufsichtsrats hafte dieser Mangel an.
Der Kläger zu 1. hat beantragt,
die Beschlüsse zu TOP 3, 4, 10 und 11 für nichtig zu erklären.
Die Kläger zu 2. und 3. haben beantragt,
die Nichtigkeit der Beschlussfassungen zu TOP 2, 3, 4, 5 und 11 festzustellen bzw. die Beschlüsse für nichtig zu erklären.
Der Kläger zu 4. hat beantragt,
die Beschlüsse zu TOP 3 und 4 für nichtig zu erklären.
Der Streithelfer zu 5. ist den Klägern zu 2. und 3. beigetreten und hat beantragt,
die Nichtigkeit der Beschlussfassung zu TOP 2 festzustellen bzw. diesen Beschluss für nichtig zu erklären.
Der Streithelfer zu 6. ist den Klägern beigetreten und hat beantragt,
die Nichtigkeit der Beschlussfassungen zu TOP 3 und 4 festzustellen bzw. diese Beschlüsse für nichtig zu erklären.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass die auf der streitgegenständlichen Hauptversammlung gefassten Beschlüsse wirksam seien. Insbesondere hat sie vorgetragen,
- dass ausreichende Zugangskapazitäten zur Hauptversammlung vorhanden gewesen seien,
- Herr Dr. C als Aufsichtsratsvorsitzender der zuständige Versammlungsleiter gewesen sei,
- die von Herrn Dr. C angeordneten Redezeitbeschränkungen zulässig gewesen seien,
- alle gestellten Fragen im gebotenen Umfang ausreichend beantwortet worden seien,
- der Aktionär Dr. J nicht zu Unrecht nicht aufgerufen worden sei,
- der Bericht über die durchgeführten Kapitalerhöhungen ausreichend gewesen sei,
- die durchgeführte Sachkapitalerhöhung wie überhaupt die Übernahme der A-Bank nicht zu beanstanden seien,
- die Entsprechenserklärung gemäß § 161 Abs. 1 AktG zutreffend sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, Seite 4 ff. (Bl. 1288 ff.) Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 23.02.2010 (5 Sch 2/09) hat der Senat hinsichtlich der Beschlussfassungen zu TOP 10 und 11 gemäß § 246a AktG die Freigabe erteilt.
Mit Urteil vom 14.06.2010 hat das Landgericht den Klagen hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 3 und 4 stattgegeben. Im Übrigen hat es die Klagen abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass Herr Dr. C berechtigt gewesen sei, die Hauptversammlung zu leiten. Der Zugang sei nicht rechtswidrig beschränkt worden. Ebenfalls seien die angeordneten Redezeitbeschränkungen zulässig gewesen. Ein Verstoß gegen den aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß § 53 a AktG habe nicht vorgelegen; zudem könnten sich die Kläger nicht auf eine Verletzung der Rechte anderer Aktionäre (Dr. J) berufen. Die Beschlussfassungen zu TOP 10 und 11 seien nicht anfechtbar, da zwar die Berichterstattung über die Ausnutzung genehmigten Kapitals nicht ausreichend, dies jedoch hinsichtlich der Beschlussfassungen zu TOP 10 und 11 nicht relevant gewesen sei. Die Voraussetzungen des § 202 Abs. 3 AktG hätten vorgelegen. Hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 2 und 5 hätte keine wesentliche Verletzung von Informationsrechten vorgelegen.
Die Beschlussfassungen zu TOP 3 und 4 (Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat) seien hingegen anfechtbar, da der Bericht hinsichtlich der Ausnutzung genehmigten Kapitals nicht ausreichend gewesen sei, weil er keine Einzelheiten des Vorgehens zur Frage des Bezugsrechtsausschlusses und des Ausgabebetrages enthalte. Zudem sei nicht feststellbar, dass die Verwaltung zur Werthaltigkeit der Sacheinlage hinreichend berichtet habe. Einen Verstoß gegen § 161 Satz 1 AktG hat das Landgericht hinsichtlich der Einhaltung der Empfehlung 5.5.3 des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) für möglich gehalten, dies im Ergebnis jedoch offen gelassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe (S. 28 ff. des Urteils, Bl. 1312 ff.) Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung wenden sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung hinsichtlich der Beschlussfassungen zu TOP 3 und 4., der Kläger zu 1. gegen die Klageabweisung hinsichtlich der Beschlussfassungen zu TOP 10 und 11 und die Kläger zu 2. und 3. gegen die Abweisung ihrer Klage hinsichtlich der Beschlussfassungen zu TOP 2, 5 und 11. Die Streithelfer sind dem Verfahren auch im Berufungsrechtszug beigetreten. Die Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Kläger zu 1., 2., 3., 4. sowie die Streithelfer zu 5. und 6. beantragen,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger zu 1. beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Beschlüsse zu TOP 10 und 11 für nichtig zu erklären.
Die Kläger zu 2. und 3. beantragen,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Nichtigkeit der Beschlüsse zu TOP 2, 5 und 11 festzustellen bzw. diese Beschlüsse für nichtig zu erklären.
Der Streithelfer zu 5. schließt sich dem Antrag der Kläger zu 2. und 3. hinsichtlich der Beschlussfassung zu TOP 2 an.
Die Beklagte beantragt,
die Berufungen der Kläger zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufungen sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache haben die Berufung der Beklagten keinen, die Berufung des Klägers zu 1. in vollem Umfang und die Berufungen der Kläger zu 2. und 3. teilweise Erfolg.
1. Berufung der Beklagten
a) Beschlussfassung zu Tagesordnungspunkt 3 (Entlastung des Vorstandes für das Geschäftsjahr 2008)
Die Beschlussfassung zu TOP 3 war auf die Anfechtungsklagen der Kläger zu 1., 2., 3. und 4. gemäß § 243 Abs. 1 AktG für nichtig zu erklären, da die dem Vorstand erteilte Entlastung wegen Verstößen gegen §§ 131, 161 Abs. 1 Satz 1, 203 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. 186 Abs. 4 AktG gesetzeswidrig war.
aa)
Das Landgericht hat die Beschlussfassung zu TOP 3 im Ergebnis zutreffend gemäß § 243 Abs. 1 AktG für nichtig erklärt, da der Vorstand der Beklagten entgegen §§ 203 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. 186 Abs. 4 AktG keinen hinreichenden Bericht über die im September 2008 durchgeführte Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss gegeben hat.
Gem. § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG hat im Falle einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen der Vorstand der Hauptversammlung einen schriftlichen Bericht über den Grund für den teilweisen oder vollständigen Ausschluss des Bezugsrechts zugänglich zu machen; in dem Bericht ist der vorgeschlagene Ausgabebetrag zu begründen. Unmittelbar gilt diese Regelung nur für eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen gemäß §§ 182 ff. AktG. Im vorliegenden Fall nutzte die Beklagte hingegen gemäß § 202 ff. AktG genehmigtes Kapital. In dem Genehmigungsbeschluss war dem Vorstand die Befugnis eingeräumt worden, das Bezugsrecht der Aktionäre auszuschließen, was in dem Beschluss vom 22.09.2008 auch geschah. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedarf es im Falle der Ausnutzung genehmigten Kapitals zwar keines vorherigen Berichts gemäß bzw. analog § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG; dafür hat jedoch der Vorstand auf der nachfolgenden Hauptversammlung der Gesellschaft zu berichten und Rede und Antwort zu stehen (BGH, Urteil vom 23.06.1997, II ZR 132/93, BGHZ 136, S. 133 ff., zitiert nach Juris, Rn. 23 € Siemens/Nold; Urteil vom 10.10.2005, II ZR 148/03, BGHZ 164, S. 241 ff., zitiert nach Juris, Rn. 8 € Mangusta/Commerzbank I).
Vorliegend hat die Beklagte im Zusammenhang mit der Ausübung des genehmigten Kapitals am 22.09.2008 eine Ad-hoc-Mitteilung sowie eine Presseinformation herausgegeben sowie im Rahmen ihres Jahresberichts 2008 (dort S. 27) und ihres Finanzberichts 2008 (dort S. 212) Angaben zu der Kapitalerhöhung gemacht. Wegen des Wortlauts im Einzelnen wird auf die Berufungsbegründung der Beklagten vom 20.09.2010, S. 5 ff. (Bl. 1481 ff.) Bezug genommen. In ihren Mitteilungen teilte die Beklagte mit, dass die Kapitalerhöhung zur Finanzierung des Erwerbs einer Minderheitsbeteiligung an der A-Bank AG in Höhe von 29,57 % von der A AG unter Aufrechterhaltung der starken Eigenkapitalausstattung auch nach Durchführung des Erwerbs diene. Den Platzierungspreis gab sie mit 55,00 € pro Aktie an, den Bruttoemissionserlös auf rund 2,2 Milliarden €. Angaben zu dem Grund für den Ausschluss des Bezugsrechts sowie zu dem beschlossenen Ausgabebetrag machte die Beklagte weder in ihren schriftlichen Mitteilungen noch auf der streitgegenständlichen Hauptversammlung. Jedenfalls aus diesem Grund verstieß der Vorstand der Beklagten gegen die ihm nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs obliegende Berichtspflicht, weswegen die Anfechtung des Entlastungsbeschlusses begründet ist.
Nach der zitierten Rechtsprechung des BGH muss der Vorstand, soweit er von der ihm erteilten Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss Gebrauch gemacht hat, über die Einzelheiten seines Vorgehens auf der nächsten ordentlichen Hauptversammlung der Gesellschaft berichten und Rede und Antwort stehen. Wie aus dieser Formulierung deutlich wird, geht die Pflicht des Vorstands über die Beantwortung auf der Hauptversammlung gestellter Fragen (€Rede- und Antwort stehen€) hinaus. Vielmehr hat der Vorstand von sich aus einen Bericht zu liefern. Nur so ergibt die Trennung der Voraussetzungen €zu berichten€ sowie €Rede und Antwort€ stehen einen Sinn.
Der Umstand, dass auf der streitgegenständlichen Hauptversammlung keine Fragen hinsichtlich des Bezugsrechtsausschlusses und des Ausgabewerts der Aktien bezüglich der Ausnutzung von genehmigtem Kapital im September 2008 gestellt wurden, entlastet den Vorstand mithin nicht. Die vereinzelt in der Literatur vertretene Ansicht, der Vorstand müsse (nur) auf Nachfrage erläutern, wo genau das Gesellschaftsinteresse an der Ausnutzung des genehmigten Kapitals lag und welche Gründe den festgesetzten Ausgabebetrag trugen (z. B. Kubis, DStR 2006, S. 188, 192), überzeugt daher nicht und widerspricht der zitierten Rechtsprechung des BGH.
Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Vorstand vor der Hauptversammlung einen schriftlichen Bericht entsprechend § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG abzugeben hat oder ob eine mündliche Information auf der Hauptversammlung ausreicht, bedarf keiner Entscheidung, da vorliegend weder das eine noch das andere geschehen ist.
Der zu erstattende Bericht muss jedenfalls die nach § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG geforderten Informationen (Grund für den Ausschluss des Bezugsrechts, Grund für den Ausgabebetrag der Aktien) nennen (so ausdrücklich Kubis, DStR 2006, S. 188, 192; ähnlich Bungert, BB 2005, S. 2757, 2758). Dies ergibt sich aus dem Urteil des BGH vom 23.06.1997 (a.a.O. € Siemens/Nold, Rn. 20 ff.). Dort heißt es u. a.: €Es (ist) Pflicht des Vorstandes, im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens sorgfältig zu prüfen, ob der allein ihm bekannte vollständige Sachverhalt die Durchführung des Hauptversammlungsbeschlusses, der den Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre umfasst, im Gesellschaftsinteresse rechtfertigt. Ist das der Fall, kann der Vorstand dem Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung folgend von dem genehmigten Kapital unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre Gebrauch machen. Andernfalls hat er die Durchführung des geplanten Vorhabens zu unterlassen. In gleicher Weise ist zu entscheiden, wenn die Hauptversammlung den Vorstand zum Ausschluss des Bezugsrechtes ermächtigt hat. €Der Vorstand hat die Erfüllung dieser Voraussetzungen im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens sorgfältig zu prüfen. Die Einhaltung der Bedingungen unterliegt der Kontrolle des Aufsichtsrats und der Hauptversammlung. ... Soweit er (der Vorstand) von der ihm erteilten Ermächtigung Gebrauch gemacht hat, ist er gehalten, über die Einzelheiten seines Vorgehens auf der nächsten ordentlichen Hauptversammlung der Gesellschaft zu berichten und Rede und Antwort zu stehen. Ihm kann bei Verletzung der ihm obliegenden Pflichten die Entlastung verweigert werden.€
Aus dem geschilderten Zusammenhang wird deutlich, dass der zu erstattende Bericht den Zweck hat, der Hauptversammlung die Überprüfung zu ermöglichen, ob der Vorstand bei dem Bezugsrechtsausschluss sein unternehmerisches Ermessen zutreffend im Gesellschaftsinteresse ausgeübt hat. Dies ist nur möglich, wenn € wie § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG dies vorsieht € der Grund für den Ausschluss des Bezugsrechts und den Ausgabebetrag der Aktien mitgeteilt wird. Die von der Beklagten insoweit vertretene Auffassung, einer Begründung bedürfe es nicht, soweit die Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen 10 % des Grundkapitals nicht übersteige und der Ausgabebetrag den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreite, überzeugt demgegenüber nicht. Zwar erklärt § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG einen Ausschluss des Bezugsrechts €insbesondere€ unter diesen Voraussetzungen für zulässig. Die € hier nicht in Rede stehende € Zulässigkeit des Ausnutzung des genehmigten Kapitals unter Bezugsrechtsausschluss ist jedoch von der in § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG geregelten bzw. vom Bundesgerichtshof in den zitierten Entscheidungen angeordneten Berichtspflicht zu trennen, die über die reine aktienrechtliche Zulässigkeit hinaus den Aktionären die Möglichkeit eröffnen soll zu überprüfen, ob der Vorstand wirtschaftlich sinnvoll im Interesse der Gesellschaft handelte, also bei seinen Geschäften eine €glückliche Hand€ zeigte.
Aufgrund der mangelhaften Berichterstattung über die im September 2008 durchgeführte Ausnutzung genehmigten Kapitals ist der Entlastungsbeschluss des Vorstandes für das Jahr 2008 anfechtbar. Denn die Aufzählung möglicher Sanktionen im Urteil des BGH vom 23.06.1997 (a.a.O., Rn. 23) € Schadensersatzklage gemäß § 93 Abs. 2 AktG sowie Feststellungs- oder € soweit noch möglich € Unterlassungsklage € ist ersichtlich nicht abschließend. Insbesondere führt der BGH ausdrücklich an, dass dem Vorstand die Entlastung verweigert werden kann.
bb)
Ein weiterer zur Anfechtbarkeit der Entlastung des Vorstands führender Gesetzesverstoß liegt in einer unzutreffenden Erklärung gemäß § 161 Abs. 1 Satz 1 AktG.
Bereits das Landgericht hält € ohne sich im Ergebnis zu entscheiden € einen Verstoß gegen diese Vorschrift für möglich, da in dem gemäß § 171 Abs. 2 AktG erstatteten Bericht des Aufsichtsrats keine Angaben zu den Gründen des Interessenkonflikts von Herrn Dr. C gemacht werden. Hinzu komme, dass zu den Interessenkonflikten der anderen in dem Bericht namentlich genannten Aufsichtsratsmitglieder nur rudimentäre Angaben gemacht würden und die Namen dieser Personen nur €beispielsweise€ für das Vorliegen und die Behandlung von Interessenkonflikten genannt würden, was nicht ausschließe, sondern es vielmehr nahelege, dass auch bei anderen Personen des Aufsichtsrats Interessenkonflikte bestanden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Seite 43 ff. des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gemäß § 161 Abs. 1 Satz 1 AktG haben Vorstand und Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft jährlich zu erklären, dass den vom Bundesministerium der Justiz bekannt gegebenen Empfehlungen der €Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex€ (DCGK) entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden und warum nicht.
In Ziff. 5.5.3 bestimmt der DCGK: €Der Aufsichtsrat soll in seinem Bericht an die Hauptversammlung über aufgetretene Interessenkonflikte und deren Behandlung informieren. Wesentliche und nicht nur vorübergehende Interessenkonflikte in der Person eines Aufsichtsratsmitglieds sollen zur Beendigung des Mandats führen.€
Vorliegend haben Vorstand und Aufsichtsrat mit einer € hier nicht relevanten Einschränkung € erklärt, den Empfehlungen des DCGK entsprochen zu haben, obgleich dies tatsächlich nicht der Fall war.
Hinsichtlich des Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. C teilt der Bericht des Aufsichtsrats gemäß § 171 Abs. 2 AktG nämlich lediglich mit, dass dieser €an drei Beschlussfassungen € am 29. Oktober 2008 nicht teil(nahm), da diese ihn persönlich betrafen.€ Weder wird angegeben, um welches Thema es bei den Beschlüssen ging, noch weshalb Herr Dr. C persönlich betroffen war. Den Anforderungen von Ziff. 5.5.3 der DCGK genügt dies nicht. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der bestehende Interessenkonflikt benannt werden, weswegen der BGH z.B. das bekannte Bestehen von €Vorwürfen€ gegen ein Aufsichtsratsmitglied ohne nähere Darlegung nicht ausreichen ließ (Urteil vom 16.02.2009 - II ZR 185/07 € Kirch/Deutsche Bank, Hauptversammlung 2002, BGHZ 180, S. 9 ff., zitiert nach Juris, Rn. 22; ihm folgend OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 20.10.2010, 23 U 121/08, WM 2011, S. 221 ff., zit. nach juris Rn. 166 ff. ). Einer genaueren Bezeichnung des aufgetretenen Interessenkonflikts hätte es nicht zuletzt auch deshalb bedurft, da die Kodexempfehlung hinsichtlich der Aktionärsvertreter im Aufsichtsrat auch die Aufgabe hat, den Aktionären bei nächstfolgenden Wahlen zum Aufsichtsrat einen Überblick über die aufgetretenen Konflikte zu geben, die ggf. bei den Wahlentscheidungen berücksichtigt werden können (Ringleb/Kremer/Lutter/v.Weber, Kommentar zum DCGK, Rn. 1138).
Noch weniger aussagekräftig ist der Bericht hinsichtlich weiterer €gelegentlich€ gegebener €latenter€ Interessenkonflikte €zum Beispiel€ von Frau D, Frau E, Frau F, die als Arbeitnehmervertreter auch Mitglied des Aufsichtsrats der G-Bank € AG gewesen seien und Herrn I, der €zeitweise€ Vorsitzender des Aufsichtrats der H-Bank gewesen sei. Insofern werden weder die Zahl, noch die Art der Interessenkonflikte, sondern nur mitgeteilt, dass die (ohnehin nur beispielhaft!) genannten Aufsichtsratsmitglieder €an Beratungen zu den entsprechenden Themen, die zum Teil auch in den Ausschüssen stattfanden, denen sie nicht angehörten, nicht teilgenommen€ hätten. Auch dies genügt den dargestellten Anforderungen von Ziff. 5.5.3 DCGK nicht.
Der Verstoß gegen die Regelungen des DCGK selbst begründet zwar noch keine Anfechtbarkeit des Entlastungsbeschlusses für den Vorstand, denn zum einen trifft die verletzte Pflicht unmittelbar nur den Aufsichtsrat selbst und zum anderen hat der DCGK keine Gesetzeskraft. Sie folgt jedoch aus der gemäß § 161 Abs. 1 Satz 1 AktG auch vom Vorstand abgegebenen Entsprechenserklärung, die wegen der Mängel auch für diesen ersichtlichen Mängel des Aufsichtsratsberichts unzutreffend war. Diese Unrichtigkeit führt zur Anfechtbarkeit des Entlastungsbeschlusses auch für den Vorstand (BGH a.a.O., Rn. 28).
cc)
Hinzu kommen zumindest drei Verletzungen gegen das Auskunftsrecht der Aktionäre gemäß § 131 AktG:
Nach dieser Vorschrift ist jedem Aktionär auf Verlangen in der Hauptversammlung vom Vorstand Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit dies zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist. Ein Hauptversammlungsbeschluss ist anfechtbar, wenn die von einem Aktionär in der Hauptversammlung verlangte und zu diesem Tagesordnungspunkt erforderliche Auskunft nicht erteilt worden ist, obwohl der Vorstand zur Verweigerung der Auskunft nicht berechtigt war ( BGH, Urteil vom 18.10.2004, II ZR 250/02, BGHZ 160, S. 385 ff., zit. nach juris, Rn 8 ff., OLG Stuttgart, Urteil vom 17.11.2010, 20 U 2/10, AG 2011, S. 93 ff., zit. nach juris Rn. 506 ff. € Porsche/ VW). Entscheidend ist dabei, ob die Erteilung der begehrten Auskunft zur Beurteilung des Tagesordnungspunkts, zu dem der angefochtene Beschluss gefasst wurde, erforderlich war, wobei Maßstab für die Erforderlichkeit die Sicht eines objektiv urteilenden Durchschnittsaktionärs ist, der die Gesellschaftsverhältnisse nur aufgrund allgemein bekannter Tatsachen kennt und daher die begehrte Auskunft als nicht nur unwesentliches Beurteilungselement benötigt (BGH, OLG Stuttgart a.a.O.).
In seiner Klageschrift (Frage 18, Bl. 57) rügt der Kläger zu 1. die Nichtbeantwortung folgender, von dem Aktionär K auf der streitgegenständlichen Hauptversammlung gestellter Frage:
€Im Zeitraum 13. November bis 26. November 2008 hat die A-Bank wegen der Finanzkrise eine Kapitalerhöhung durchgeführt, die von der A geleistet wurde. 50 Millionen Aktien, also fast alle diese neuen A-Bankaktien sind unmittelbar im Anschluss an die G-Bank weitergereicht worden. Der Rest soll noch folgen. War diese Verwässerung der vertraglich vereinbarten Beteiligung mit Ihnen abgesprochen€ Wie konnten Sie dem zustimmen€ Warum haben Sie nicht von der Transaktion Abstand genommen€€
Eine direkte Antwort auf diese zulässige gestellte Frage hat die Beklagte auf der Hauptversammlung unstreitig nicht gegeben. Sie vertritt insoweit (Schriftsatz vom 25.08.2009, S. 71, Bl. 348) die Auffassung, die Frage sei im Rahmen anderer Fragen bereits beantwortet worden, woraus sich ergebe, dass der Änderungsvertrag an dem Barwert der Transaktion von 4,9 Mrd. € für das Gesamtpaket der von der A gehaltenen A-Bank-Aktien nichts ändere und eine €Verwässerung der vertraglich vereinbarten Beteiligung durch die Kapitalerhöhung der A ausgeschlossen gewesen sei, da im Kaufvertrag vom 12.09.2008 eine feststehende Beteiligung von 29,75 % der A-Anteile vereinbart worden sei.€
Die Auffassung der Beklagten überzeugt nicht; auf der Hauptversammlung wurde die gestellte Frage nicht im gebotenen Umfang beantwortet. Denn unstreitig hat die Beklagte auf dieser keine Stellung dazu genommen, ob eine Verwässerung vorlag und weshalb der Verfahrensweise der A zugestimmt bzw. sich an dieser beteiligt wurde. Soweit dies in dem Schriftsatz vom 25.08.2009 geschieht, vermögen die nun gegebenen Auskünfte die Verletzung der Informationsrechte der auf der Hauptversammlung erschienen Aktionäre nicht zu heilen. Da es sich um ein großes und wesentliches Geschäft des Jahres 2008 handelte, war die Beantwortung der gestellten Frage aus Sicht eines objektiven Aktionärs zur sachgemäßen Entscheidung über die Entlastung des Vorstands für diesen Zeitraum erforderlich, weswegen der dennoch gefasste Beschluss anfechtbar ist (BGH, OLG Stuttgart, a.a.O.; Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 131 Rn. 12, 44).
Der Umstand, dass der Aktionär K seine Frage keinem Tagesordnungspunkt zugeordnet hat, ist unschädlich, da die Beklagte eine Generaldebatte zu allen Beschlusspunkten angesetzt hatte (OLG Brandenburg, Urteil vom 6.6.2001, 7 U 145/00, AG 2003, S. 328, zit. nach juris Rn. 35; Schmidt/Lutter/Spindler, AktG, 2. Aufl., § 131, Rn. 98 m.w.N.)
dd)
Ein weiterer Verstoß gegen § 131 AktG folgt aus der mangelnden Beantwortung folgender Frage des Aktionärs K zur A-Bank-Transaktion, die der Kläger zu 1. in seiner Klageschrift (S. 57, Bl. 58, Frage 20) gerügt hat:
€Am 22. September 2008 hat die G-Bank 40 Mio. neue Aktien herausgegeben. Dies geschah laut Veröffentlichen der Bank auch zur Finanzierung der Akquisition von A-Bank-Aktien, die dann auf andere Weise erfolgte. Wer hat die Aktien gezeichnet und wie wurden die Mittel aus der Kapitalerhöhung verwendet€€
Die Beklagte beantwortete die Frage wie folgt:
€Die Kapitalerhöhung vom September 2008 wurde bei institutionellen Investoren im Bookbuilding-Verfahren platziert. Die Kapitalerhöhung diente ursprünglich der Vorbereitung der im September 2008 erwarteten Kapitalbelastung aus der A-Bank-Transaktion. Die Sachkapitalerhöhung vom März 2009 wurde von der A AG gezeichnet. Das geschaffene Kapital diente ursprünglich zur weiteren Kompensation der Kapitalbelastung aus der A-Bank-Transaktion. Und Sie haben ja gesehen, dass wir, obwohl wir die A-Bank mit einem signifikanten Anteil übernommen haben, doch unsere Zielgröße für die Kapitalquote von über 10 % halten konnten. Da waren natürlich gewisse Kapitalmarkttransaktionen notwendig.€
Diese Antwort ist nicht ausreichend, da aus ihr nicht deutlich wird, wofür das ursprünglich für den Barerwerb der A-Bank-Aktien geschaffene neue Kapital tatsächlich verwendet wurde. Dass sich €aus dem Zusammenhang mit anderen in diesem Zusammenhang bereits gegebenen Antworten€ ergibt, €dass die Mittel aus der Kapitalerhöhung auch nach der geänderten Transaktionsstruktur in Form eines cash collaterals in die Akquisition der A-Bank-Aktien floss€, ist entgegen der Auffassung der Beklagten (Schriftsatz vom 25.08.2009, S. 73, Bl. 350) jedenfalls für den durchschnittlichen Aktionär nicht ersichtlich.
Da es sich bei dem Erwerb der A-Bank um ein herausragendes Geschäft der Beklagten handelte und zudem die Aktionäre ein erhebliches Interesse an der Verwendung des in Anspruch genommenen genehmigten Kapitals hatten, führt die Verletzung des Informationsrechts aus § 131 AktG auch insoweit zur Anfechtbarkeit der Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr 2008.
ee)
Ein weiterer gemäß § 243 Abs. 1, 4 AktG zur Anfechtbarkeit des Entlastungsbeschlusses zu TOP 3 führender Verstoß gegen § 131 AktG liegt in der von dem Kläger zu 4. gerügten Nichtbeantwortung folgender Fragen des Aktionärs M (Klageschrift S. 39 ff, Bl. 214 ff., Fragen 12 und 13):
- €Als Beispiel für latente und lediglich punktuelle Interessenkonflikte nennen Sie Frau D, Frau E und Frau F, die als Arbeitnehmervertreter auch Mitglied des Aufsichtsrats der G-Bank, und Herrn I, der zeitweise Vorsitzender des Aufsichtsrats der H-Bank war.
Bitte nennen Sie sämtliche Aufsichtsratsmitglieder, für die im Berichtszeitraum ein wie auch immer gearteter Interessenkonflikt bestand. Bitte legen Sie sämtliche Interessenkonflikte und den Umgang mit diesen Interessenkonflikten umfassend dar.
-€ Frage zu TOP 3 und 4 Dr. C, laut Geschäftsbericht Seite 60, haben Sie an drei Beschlussfassungen des Aufsichtsrats am 29. Oktober 2008 nicht teilgenommen. Worüber wurde am 29. Oktober beschlossen€ € Bitte legen Sie die vorliegenden Interessenkonflikte umfassend dar.€
Auf diese Fragen hat die Beklagte unter Hinweis auf den Bericht ihres Aufsichtsrats keine weitere Antworten erteilt. Wie im Rahmen des Verstoßes gegen § 161 Abs. 1 Satz 1 AktG ausgeführt, wäre die Beklagte € erst recht € auf die konkrete Nachfrage des Aktionärs M verpflichtet gewesen, alle Aufsichtsratsmitglieder, hinsichtlich derer Interessenkonflikte bestanden, zu benennen sowie die Konflikte genau zu bezeichnen.
ff)
Aufgrund der dargestellten Verstöße des Vorstands gegen seine Pflichten aus §§ 131, 161 Abs. 1 Satz 1, 186 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. 203 Abs. 2 Satz 2 AktG ist die Anfechtung der Beschlussfassung zu TOP 3 gemäß § 243 Abs. 1 AktG erfolgreich. Auf mögliche weitere Verstöße, insbesondere gegen § 131 AktG, kommt es für die Entscheidung nicht an.
b) Beschlussfassung zu TOP 4 (Entlastung des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2008)
Hinsichtlich der Nichtigerklärung der Beschlussfassung zu TOP 4 (Entlastung des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2008) hat das landgerichtliche Urteil ebenfalls Bestand. Denn da die Pflicht zur Abgabe einer zutreffenden Entsprechenserklärung gemäß § 161 Abs. 1 Satz 1 AktG Vorstand und Aufsichtsrat in gleicher Weise trifft, ist, da diese € wie ausgeführt € unrichtig war, auch die Entlastungsentscheidung des Aufsichtsrats gemäß § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar. Darauf, dass die Pflicht aus §§ 203 Abs. 2 Satz 2, 186 Abs. 4 Satz 2 AktG nur den Vorstand, nicht aber den Aufsichtsrat trifft (anders aber offenbar das Landgericht, Urteil S. 38 ff.), kommt es für die Entscheidung somit nicht an.
2. Berufungen der Kläger
a) Beschlussfassungen zu TOP 2 (Verwendung des Bilanzgewinns 2008) und TOP 5 (Wahl der Abschlussprüfer für das Geschäftsjahr 2009) € Berufung der Kläger zu 2. und 3.
Die Berufung der Kläger zu 2. und 3. hinsichtlich der Beschlussfassungen zu TOP 2 und 5 sind unbegründet. Mögliche Nichtigkeits- oder Anfechtungsgründe bestehen insoweit nicht.
aa)
Die Kläger haben keine Gründe vortragen, die zu einer Nichtigkeit der Beschlussfassungen führen.
Lediglich der Streithelfer zu 5. rügt in seinem Schriftsatz vom 29.01.2011 (Bl. 1840), in dem er auf als Anlage zur Akte gereichte Schriftsätze in anderen Verfahren Bezug nimmt, die Beurkundungspraxis der Beklagten, was grundsätzlich einen Nichtigkeitsgrund gemäß § 241 Nr. 2 AktG in der bis 31.8.2009 geltenden Fassung darstellen könnte. Seine Auffassung, dass die auf der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse nichtig seien, da der Notar in der Versammlung sich zunächst nur Notizen machte, auf deren Grundlage er in der Folge das Versammlungsprotokoll erstellte, greift jedoch nicht durch. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 16.02.2009, II ZR 185/07, BGHZ 180, S. 9 ff., zit. nach juris, Rn. 9 ff.) genügt es, wenn der Notar in der Versammlung lediglich einen Entwurf - auch in Form nur für ihn lesbarer Kürzel oder unter Hinzuziehung von Protokollanten € erstellt und dann im Nachhinein das Protokoll in Reinschrift anfertigt, wobei Änderungen und Ergänzungen aus der Erinnerung des Notars ohne Weiteres möglich sind (ebenso OLG Frankfurt, Urteil vom 20.10.2010, 23 U 121/08, WM 2011, S. 221 ff., zit. nach juris, Rn. 105 €Hauptversammlung der Beklagten 2007; Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 130 Rn. 11).
bb)
Ebenso sind die Beschlussfassungen zu TOP 2 und 5 nicht wegen der von den Klägern zu 2. und 3. behaupteten Behinderungen am Eingang zur O1er €halle anfechtbar. Nach ihrem Vortrag bildeten sich ab 9.30 Uhr lange Schlangen vor dem Haupteingang, weswegen zahlreiche Aktionäre bzw. Aktionärsvertreter € u. a. der Vertreter und jetzige Prozessbevollmächtigte der Kläger zu 2. und 3. € nicht bis zum Beginn der Hauptversammlung um 10.01 Uhr im Versammlungssaal anwesend sein konnten. Nach seinem Vortrag benötigte er nahezu eine Stunde, um nach Sicherheitsüberprüfung, Einlasskontrolle und Tausch der Eintrittskarten in Stimmkartenblöcke in den Versammlungsraum zu kommen und meldete sich kurz danach zu Wort. Die Antragstellerin trägt demgegenüber vor, dass Tausende von Aktionären pünktlich zu Beginn der Hauptversammlung im Sitzungssaal anwesend gewesen seien und sie sich im erforderlichen Maß um eine hinreichende Kapazität zur Gewährleistung eines zeitnahen Zugangs der Aktionäre bemüht habe. Von den weiteren 46 Aktionären oder Aktionärsvertretern, die im Rahmen der Generaldebatte neben dem Vertreter der Kläger zu 2. und 3. das Wort ergriffen hätten, hätten 40 Redner ihre Wortmeldungen vor dem Vertreter der Kläger zu 2. und 3. abgegeben. Erstmals in ihrer Berufungsbegründung behaupten die Kläger zu 2. und 3., dass nach den Erfahrungen ihres Vertreters aus den Vorjahren € unstreitig hatte er auch an den Hauptversammlungen der Beklagten in den Vorjahren teilgenommen € ein Zeitraum von 30 Minuten vollkommen ausreichend gewesen sei, um die Sicherheitskontrolle am Eingang zu passieren, an den Schaltern im ersten Stock die Eintrittskarte in einen Stimmkartenblock umzutauschen und sich anschließend € ohne Aufenthalt an den Auslagen, in den Toiletten oder an der Garderobe € in den eigentlichen Versammlungsraum zu begeben, um dort an der Hauptversammlung teilzunehmen.
Der neue € zudem nicht unter Beweis gestellte € Vortrag ist zum einen gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO präkludiert, zum zweiten auch unerheblich. Denn selbst wenn der Prozessbevollmächtigte der Kläger zu 2. und 3. in den Vorjahren jeweils nur ca. 30 Minuten benötigte, um vom Einlass in den Versammlungsraum zu gelangen, konnte er angesichts der zu erwartenden Teilnahme von mehreren tausend Aktionären bzw. Aktionärsvertretern nicht darauf vertrauen, dass dies auch im Jahr 2009 gelingen würde. Es war daher ein entsprechender Zeitpuffer einzuplanen. Unabhängig hiervon ist ein Verschulden der Beklagten nicht ersichtlich.
So haben die Kläger zu 2. und 3. weder vorgetragen, dass etwa weniger Personal bei der Sicherheitskontrolle vorhanden war als in den Vorjahren, noch dass (und welche) Möglichkeiten bestanden hätten, angesichts des offenbar gegen 9.30 Uhr aufgetretenen Staus die Zugangskontrolle kurzfristig zu beschleunigen.
Hinzu kommt, dass die Kläger zu 2. und 3. nicht vortragen, dass ihrem Vertreter infolge seines zu späten Erscheinens etwa das Stellen von Fragen oder die Teilnahme an der Diskussion nicht mehr möglich gewesen wäre.
cc)
Kein Anfechtungsgrund folgt des Weiteren daraus, dass die Hauptversammlung von dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Antragstellerin, Herrn Dr. C, geleitet wurde. Insoweit hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 23.02.2010 (5 Sch 2/09) Folgendes ausgeführt:
€€ gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 Alt.1 der Satzung der Antragstellerin hat die Versammlungsleitung durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrats zu erfolgen. Ein von dem Aktionär Dr. L gestellte Antrag auf Abwahl des Versammlungsleiters wurde von der Hauptversammlung abgelehnt.
Der Umstand, dass gegen die Wahl von Herrn Dr. C zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats durch die Hauptversammlung im Jahre 2008 Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklagen anhängig sind, ist insoweit unschädlich. Denn zwar hat das Landgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 27.08.2009 den Klagen stattgegeben. Über die hiergegen von der Antragstellerin eingelegte Berufung ist jedoch noch nicht entschieden. Bis zur Rechtskraft eines kassatorischen Urteils ist die Versammlungsleitung durch den gewählten Aufsichtsratsvorsitzenden jedoch rechtmäßig (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 8.6.2009, 23 W 3/09, AG 2009, S. 549, zit. nach juris Rn. 18). Hinzu kommt, dass die Anfechtbarkeit eines Beschlusses, welcher unter der Leitung eines unzuständigen Versammlungsleiters zustande gekommen ist, nur möglich ist, wenn konkrete Maßnahmen des an sich unzuständigen Versammlungsleiters sich im Sinne der Relevanz auf den angefochtenen Beschluss inhaltlich ausgewirkt haben (vgl. Beschluss des Senats vom 18.3.2008, 5 U 171/06, ZIP 2008, 738, zit. nach juris Rn. 28 € nicht rechtskräftig; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 243, Rdnr. 16). Auf den Umstand als solchen, dass die Wahl von Herrn Dr. C angefochten wurde, kann eine Anfechtung des Beschlusses zu TOP 11 daher nicht gestützt werden. €€
Hieran hat sich auch dadurch, dass zwischenzeitlich der Senat das landgerichtliche Urteil vom 27.08.2009 bestätigt hat (Urteil vom 15.06.2010, 5 U 144/09), nichts geändert. Denn über die vom Senat zugelassene und von der Beklagten eingelegte Revision (Az.: II ZR 124/10) ist noch nicht entschieden, weswegen das Urteil nicht rechtskräftig ist. Ergänzend wird auf die zutreffenden Ausführungen im landgerichtlichen Urteil (S. 28 € 30) Bezug genommen (ebenso mit ausführlicher Begründung: OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 20.10.2010, 23 U 121/08, zit. nach juris Rn. 106 ff. € zur Hauptversammlung der Beklagten 2007).
dd)
Auch aus der (mehrfachen) Beschränkung der Redezeit folgt ebenfalls kein Anfechtungsgrund. Nach der Rede des Vorstandsvorsitzenden und einem Antrag des Streithelfers zu 5. auf Abwahl des Versammlungsleiters beschränkte Letzterer vor Beginn der ersten Fragerunde die Redezeit für die Aktionäre um 12.00 Uhr auf 10 Minuten. Als gegen 15.15 Uhr noch weitere 48 Redebeiträge ausstanden, beschränkte er die Rede- und Fragezeit auf 5 Minuten. Um 16.55 Uhr waren noch immer 30 Wortmeldungen offen, woraufhin der Versammlungsleiter die Rede- und Fragezeit auf 3 Minuten beschränkte. Insgesamt endete die Hauptversammlung um 22.02 Uhr.
Die Kläger rügen eine Ungleichbehandlung der verschiedenen Aktionäre, da einige 10 Minuten, andere nur 5 oder 3 Minuten sprechen konnten. Sie machen geltend, dass bereits von vornherein absehbar gewesen sei, dass die um 12.00 Uhr vorgenommene 10-minütige Redezeitbeschränkung angesichts der zu diesem Zeitpunkt bereits vorliegenden 51 Wortmeldungen nicht ausreichen würde. Es hätte daher von Anfang an die Rede- und Fragezeit für alle Beteiligte auf 5 Minuten beschränkt werden müssen. Die Beklagte trägt demgegenüber vor, dass sich der Zeitbedarf für die bereits zu Beginn vorliegenden 51 Wortmeldungen nicht von vorneherein habe abschätzen lassen. Denn erfahrungsgemäß würden keineswegs alle Redner die ihnen zur Verfügung gestellte Zeit auch ausnutzen. Zudem komme es erfahrungsgemäß im Verlaufe der Debatte zu einer inhaltlichen Ausdünnung der Redebeiträge und zu einer Wiederholung von Fragen. Fragen zur Geschäftspolitik könnten ggf. durch einen Verweis auf auslegende Unterlagen kurz beantwortet werden.
In seinem Freigabebeschluss vom 23.02.2010 hat der Senat hierzu Folgendes ausgeführt:
€Da der Versammlungsleiter auch eine übermäßige, unangemessene Begrenzung der Redezeit der zunächst aufgerufenen Redner vermeiden muss, ist ihm bei der Entscheidung darüber, ob er zunächst eine großzügigere Redezeit vergeben wollte, die dann ggf. im Laufe der Versammlung zu kürzen sein würde, oder ob er sogleich eine kürzere Zeit (5 min.) vorgeben wollte, ein Ermessen einzuräumen (i.E. ebenso OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 8.6.2009, 23 W 3/09, AG 2009, S. 549, zit. nach juris Rn. 19; MünchKomm-Kubis, AktG, 2. Aufl., § 119, Rn. 154 hält den Versammlungsleiter sogar für verpflichtet, den die Redezeit zunächst großzügiger zu bemessen und dann bei sichtbar werdender Zeitknappheit zu verkürzen.).
Das Ermessen wäre allerdings überschritten, wenn das gewählte Vorgehen (zunächst 10 min. Redezeit, dann Verkürzung) gezielt dazu missbraucht worden wäre, zunächst der Unternehmensführung €genehme€ Aktionäre aufzurufen und befürchtete €Querulanten€ in ihrer Redezeit durch einen späteren Aufruf gezielt zu benachteiligen. Ein derartiges Vorgehen, welches die Antragsgegnerin zu 3) in ihrer Klageschrift vom 26.06.2009, S. 17 ff (Bl. 513 ff d. A.) behauptet, hat sie jedoch nicht glaubhaft gemacht. Zwar erfolgte die Erteilung des Wortes unstreitig nicht in der Reihenfolge der Meldungen. Dass dies auf unsachlichen, diskriminierenden Erwägungen beruhte, ist jedoch nicht dargetan.€
Zwar hatte der Senat im Rahmen von § 246 a Abs. 2 Nr. 3 AktG lediglich das Vorliegen eines besonders schweren Rechtsverstoßes zu prüfen. Tatsächlich bedeuten die vorgenommenen Redezeitbeschränkungen aus den genannten Gründen jedoch überhaupt keinen Gesetzes- oder Satzungsverstoß. Ergänzend wird auf zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil (S. 31 € 33) Bezug genommen.
ee)
Ebenso wenig sind die gefassten Beschlüsse wegen eines Verstoßes gegen § 53a AktG anfechtbar, weil einigen Klägern nach Schließung der Rednerliste nicht zum zweiten Mal das Wort erteilt wurde. Wie das Landgericht zutreffend ausführt (Urteil S. 33), ist es sachgerecht, dass der Versammlungsleiter darauf geachtet hat, dass die Beschränkung der Rede- und Fragezeit nicht durch mehrfaches Zu-Wort-Melden umgangen wird. Auch ein mögliches Übergehen einer Wortmeldung des Aktionärs Dr. J führt nicht zu einer Anfechtbarkeit der auf der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse. Insoweit haben die Kläger zu 2. und 3. vorgetragen, dass ihr Vertreter, der in der streitgegenständlichen Hauptversammlung außerdem den Aktionär Dr. J, welcher auch selbst anwesend war, vertrat, gegen 13.45 Uhr kurz vor Schließung der Rednerliste eine Wortmeldung für Letzteren abgegeben habe. Dennoch wurde Herr Dr. J € was unstreitig ist € in der Folge nicht aufgerufen. In ihrer Klageschrift vom 26.06.2009 (S. 68, Bl. 152) haben die Kläger zu 2. und 3. im Einzelnen Folgendes vorgetragen:
€(Der Aktionär Dr. J) füllte € das in seinem Stimmkartenblock enthaltene Formular €Vollmacht an Dritte€ aus, unterschrieb es und gab das Formular dem Unterzeichner (Rechtsanwalt RA1), der sich daraufhin an den aus Sicht der Aktionäre auf der linken Seite befindlichen Wortmeldetisch begab und dort unter Vorlage der Vollmacht eine Wortmeldung für Herrn Dr. J abgab. Der Mitarbeiter der Beklagten, der das Wortmeldeformular ausgefüllt hatte, wollte zunächst wissen, ob der Unterzeichner Herr Dr. J sei; dies hat der Unterzeichner verneint und darauf hingewiesen, dass er die Wortmeldung für Herrn Dr. J abgebe. Daraufhin vermerkte der Mitarbeiter beide Namen auf dem Wortmeldeformular, nachdem er im Teilnehmerverzeichnis Nachschau gehalten hatte.€
Angesichts dieser € in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 17.05.2011 von dem Prozessvertreter der Kläger zu 2. und 3. nochmals bestätigten - Sachlage begegnet es keinen Bedenken, dass die Beklagte Rechtsanwalt RA1 bzw. Herrn Dr. J nicht mehr aufrief. Denn da Rechtsanwalt RA1 die Wortmeldung €für Herrn Dr. J€ abgab, musste und durfte die Beklagte davon ausgehen, dass Rechtsanwalt RA1 für den Aktionär Dr. J sprechen wollte. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es selten vorkommen dürfte, dass ein Aktionär, welcher tatsächlich auf der Hauptversammlung anwesend ist, sich bei der Aufnahme der Wortmeldung vertreten lässt, dann aber selber sprechen will. Der Regelfall dürfte vielmehr sein, dass dann, wenn ein Vertreter eine Wortmeldung abgibt, dieser auch reden will. Da Rechtsanwalt RA1 bereits zuvor € für die Kläger zu 2. und 3. € gesprochen hatte, durfte die Beklagte angesichts der im Gegensatz zum gesetzlichen Leitbild einer 4- bis 6-stündigen Hauptversammlung bereits erheblich länger dauernden Versammlung (insgesamt ca. 12 Stunden) davon absehen, ihm nochmals das Wort zu erteilen. Der Beklagten ist nämlich darin zuzustimmen, dass € jedenfalls bei derart vielen Wortmeldungen, die auch nach vielen Stunden nicht vollständig abgearbeitet wurden - die Redezeit gleichmäßig an die anwesenden Aktionäre bzw. Vertreter zu verteilen ist. Nicht in Betracht kommt, dass sich ein Vertreter von mehreren oder gar zahlreichen Aktionären Vollmachten erteilen lässt und dann ggf. stundenlang redet, während andere Redner nur um so kürzer das Wort ergreifen können. Da die Beklagte nicht davon ausgehen konnte, dass der Aktionär Dr. J € der noch nicht gesprochen hatte € selbst das Wort ergreifen wollte, obgleich sein Vertreter Rechtsanwalt RA1 die Wortmeldung abgab € handelte sie nicht sachwidrig oder fehlerhaft, indem sie Rechtsanwalt RA1 nicht nochmals das Wort erteilte. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von demjenigen, der dem Urteil des LG München I vom 14.10.1999 (5 HKO 8024/98, AG 2000, S. 139) zugrunde lag. Dort konnten einige Aktionäre unbegrenzt reden, während andere dann wegen Debattenschluss überhaupt nicht mehr zu Wort kamen. In diesem € vom vorliegenden Sachverhalt erheblich abweichenden € Umstand sah das Landgericht eine sachwidrige, das Auskunftsrecht der Aktionäre beschneidende Verhandlungsführung, die zur Anfechtbarkeit der auf der Versammlung gefassten Beschlüsse führe (zustimmend z. B. Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 243 Rn. 16).
Die vom Landgericht aufgeworfene Frage, ob sich die Kläger überhaupt auf eine Verletzung des Rederechts des Aktionärs Dr. J € welcher selbst keine Klage erhoben hat € berufen könnte, bedarf daher keiner Entscheidung.
ff)
Eine Anfechtbarkeit der Beschlüsse zu TOP 2 und 5 folgt schließlich nicht aus einer fehlenden bzw. fehlerhaften Wertangabe im Rahmen der Sachkapitalerhöhung im März 2009, wie dies die Kläger zu 2. und 3. vertreten (Berufungsbegründung vom 20.09.2010, S. 24, Bl. 1473a ff.).
Denn inwiefern hieraus eine Relevanz für die Verwendung des Bilanzgewinns 2008 und die Wahl der N als Abschlussprüfer für das Geschäftsjahr 2009 folgen soll, legen die Kläger weder dar, noch ist dies ersichtlich. Weiter tragen die Kläger zu 2. und 3. unter Vorlage eines Presseartikels (Handelsblatt vom 13.09.2010, Anlage BK 1, Bl. 1662) vor, dass der Wert der Beteiligung der Beklagten an der A-Bank AG weit hinter der Gegenleistung (Sachkapitalerhöhung, Zwangsumtauschanleihe, Put- und Call-Option mit einem behaupteten Barwert von 4,9 Milliarden €) zurück bleibe. Denn die Beklagte benötige nicht nur rund 7 Milliarden €, um die A-Bank AG mit ausreichendem Eigenkapital auszustatten, sondern müsse darüber hinaus wegen der geplanten Übernahme ihre Beteiligung um rund 30 % = rund 2,4 Milliarden € abwerten. Diese Umstände hätten auch schon beim Bilanzstichtag am 31.12.2008 bestanden, was die Kläger zu 2. und 3. unter Sachverständigenbeweis stellen.
Auch dieser Vortrag ist nicht erheblich. Denn selbst wenn man die Richtigkeit der Mitteilung im Handelsblatt vom 13.09.2010 unterstellt, folgt hieraus nicht, dass dies zum Bilanzstichtag am 31.12.2008 bereits angelegt oder erkennbar war. Insoweit tragen die Kläger zu 2. und 3. auch nichts weiter vor, weswegen die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht in Betracht kommt. Ebenso wenig tragen die Kläger Tatsachen vor, aus denen die im Handelsblatt im September 2010 geschilderten Verhältnisse im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Hauptversammlung im Mai 2009 vorhanden oder absehbar waren. Eine Fehlerhaftigkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses sowie eine Fehlerhaftigkeit der Prüfung des Jahresabschlusses 2008 sind daher weder dargetan noch ersichtlich.
Auf den Vortrag der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 21.06.2011 (S. 6, Bl. 1994), der Erwerb der Beteiligung an der A-Bank AG habe strategische Bedeutung hinsichtlich einer gezielten Verstärkung des Privatkundengeschäfts der Beklagten gehabt und bereits im ersten Quartal 2011 erheblich zu einem außerordentlich positiven Gesamtergebnis beigetragen, kommt es deshalb für die Entscheidung nicht an.
b) Beschlussfassungen zu TOP 10 und 11 (neues genehmigtes Kapital) - Berufungen der Kläger zu 1. (TOP 10 und 11), 2. und 3 (TOP 11)
Die Beschlussfassungen zu TOP 10 und TOP 11 sind gemäß § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar, so dass sie auf die Berufungen der Kläger zu 1., 2. und 3. für nichtig zu erklären sind.
aa)
Eine Anfechtbarkeit der Beschlussfassungen zu TOP 10 und 11 folgt allerdings nicht aus einem Verstoß gegen § 202 Abs. 3 Satz 1 AktG, wonach der Nennbetrag des genehmigten Kapitals die Hälfte des Grundkapitals nicht übersteigen darf. Denn den entsprechenden erstinstanzlichen Vortrag des Klägers zu 1. hat das Landgericht in seinem Urteil (S. 36) im Einzelnen widerlegt, worauf Bezug genommen wird. Mit seiner Berufung greift der Kläger zu 1. das Urteil insoweit nicht an. Gleiches gilt hinsichtlich seines erstinstanzlichen Vortrages, die Beschlüsse über das genehmigte Kapital verstießen gegen Art. 2 § 4 FMStG. Auch insoweit wird auf das € in diesem Punkt nicht angegriffene € erstinstanzliche Urteil (S. 37) Bezug genommen.
bb)
Die Anfechtbarkeit der Beschlüsse zu TOP 10 und 11 folgt jedoch aus den bereits dargestellten Verstößen der Beklagten gegen ihre Berichtspflicht im Zusammenhang mit der Ausnutzung des genehmigten Kapitals im September 2008 und Februar/März 2009.
Nach der Rechtsprechung des Landgerichts München I und des Oberlandesgerichts München ist die ordnungsgemäß Abwicklung von Kapitalerhöhungen in der Vergangenheit, die aufgrund früherer Kapitalmaßnahmen geschaffen wurden, für die Aktionäre bei der Entscheidung über die Genehmigung neuen Kapitals von Bedeutung. Denn die Hauptversammlung verlagert bei der Schaffung genehmigten Kapitals ihre Kompetenzen, die sie sonst bei der Erhöhung des Grundkapitals aufgrund von § 182 AktG hätte, auf den Vorstand. Es muss daher ein Vertrauen in die Vorgehensweise des Vorstandes vorhanden sein (LG München I, Urteil vom 16.08.2007, 5 HKO 17682/06, zitiert nach juris, Rn. 211; ausdrücklich gebilligt von OLG München, Urteil vom 24.09.2007, 7 U 4230/07, WM 2009, S. 265 ff., zitiert nach juris, Rn. 41). Der Senat hat sich dieser Rechtsprechung bereits in dem Freigabebeschluss vom 23.02.2010 (5 Sch 2/09) grundsätzlich wie folgt angeschlossen:
€ Für einen objektiv urteilenden Aktionär könnte die Behandlung des in der Vergangenheit unter möglichem Ausschluss des Bezugsrecht genehmigten Kapitals, welches dann zum Erwerb der A-Bank genutzt wurde, für die Entscheidung relevant sein, dem Vorstand wiederum eine Ermächtigung zur Erhöhung des Grundkapitals unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre zu erteilen.€ (es folgt die Bezugnahme auf das zitierte Urteil des OLG München).
Hierbei gehört nach der Auffassung des Senats die aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 23.06.1997 € Siemens/Nold -, a.a.O.; Urteil vom 10.10.2005 € Mangusta/Commerzbank I -, a.a.O.) in Verbindung mit §§ 203 Abs. 2 Satz 2, 186 Abs. 4 Satz 2 AktG folgenden Berichtspflicht ebenfalls zur €ordnungsgemäßen Abwicklung der Kapitalerhöhungen€. Dies folgt bereits aus der Rechtsprechung des Landgerichts München I und Oberlandesgerichts München, wonach bei einer Informationsrechtsverletzung (dort: mangelnde Beantwortung einer Frage nach der Anzahl der bezogenen Aktien bei einer früheren Kapitalmaßnahme) neue Kapital-Genehmigungsbeschlüsse anfechtbar sind. Entgegen der Auffassung des Landgerichts Frankfurt am Main folgt auch aus der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 23.06.1997, II ZR 132/93, Siemens/Nold, zitiert nach Juris, Rn. 23) nichts anderes. Zwar heißt es dort hinsichtlich der Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Berichtspflicht: €Ihm (dem Vorstand) kann bei Verletzung der ihm obliegenden Pflichten die Entlastung verweigert werden. Hat er sich unter Verletzung seiner Amtspflichten nicht an die Vorgaben des Ermächtigungsbeschlusses gehalten, kann er ferner gemäß § 93 Abs. 2 AktG zur Leistung von Schadensersatz herangezogen werden. Ferner muss er damit rechnen, dass die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens zum Gegenstand einer Feststellungs- oder € soweit noch möglich € einer Unterlassungsklage, die beide gegen die Gesellschaft zu richten sind, gemacht wird€. Die Anfechtbarkeit auf einer späteren Hauptversammlung gefasster Beschlüsse über neues genehmigtes Kapital führt der BGH nicht auf. Hierzu hatte er jedoch auch keinen Anlass, da es in dem von ihm entschiedenen Fall € anders als vorliegend - nicht um die Anfechtung späterer, neuer Beschlüsse über genehmigtes Kapital ging. Die Auffassung des Landgerichts Frankfurt am Main, dass Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Berichtspflicht nur die Verweigerung der Entlastung sein kann (Urteil S. 35), findet deshalb in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Stütze.
Wie ausgeführt, erstattete die Beklagte hinsichtlich der im September 2008 erfolgten Ausnutzung genehmigten Kapitals unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre nicht hinreichend Bericht. Der gleiche Vorwurf ist ihr auch hinsichtlich der im Februar/März 2009 durchgeführten gemischten Sachkapitalerhöhung zu machen. Zwar hat sie insofern, insbesondere auch auf Fragen, die auf der streitgegenständlichen Hauptversammlung gestellt wurden, Erklärungen abgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 20.9.2010 (S. 10 ff., Bl. 1486 ff.) Bezug genommen. Jedoch hat die Beklagte weder den Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre noch die Höhe des Ausgabebetrages bzw. des Umtauschverhältnisses gegenüber den übernommenen A-Bankaktien (hier: 1:1) begründet oder erläutert.
Hinsichtlich des Bezugsrechtsausschlusses war trotz § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG eine Begründung nicht erforderlich, da sich diese aus dem € mitgeteilten € Zweck der Kapitalerhöhung (Tausch der neuen Aktien gegen die Aktien der A-Bank AG) von selbst ergab. Etwas anderes gilt jedoch hinsichtlich des Ausgabebetrages bzw. des Umtauschverhältnisses zwischen den (neuen) eigenen Aktien und den zu übernehmenden Aktien der A-Bank AG.
Jedenfalls aus diesen Gründen war die Abwicklung der Kapitalerhöhungen vom September 2008 und März 2009 nicht ordnungsgemäß. Da sich das Vertrauen in die Vorgehensweise des Vorstandes (gerade) auch darauf bezieht, dass dieser den (geringfügigen) Anforderungen der Rechtsprechung in Bezug auf § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG genügt, hat dieser Verstoß auch eine Relevanz für die in der streitgegenständlichen Hauptversammlung zu TOP 10 und 11 beschlossene Genehmigung neuen Kapitals gemäß §§ 202 ff. AktG.
Hinzu kommt die dargestellte Informationspflichtverletzung gemäß § 131 AktG hinsichtlich der Frage des Aktionärs K bezüglich der Verwendung des Erlöses aus der im September 2008 erfolgten Kapitalerhöhung.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2, 100 Abs. 1, 101 Abs. 2 ZPO.
Die die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 05.07.2011
Az: 5 U 104/10
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/1746bbdffeef/OLG-Frankfurt-am-Main_Urteil_vom_5-Juli-2011_Az_5-U-104-10