Sozialgericht Aachen:
Beschluss vom 26. April 2005
Aktenzeichen: S 11 RJ 14/02

(SG Aachen: Beschluss v. 26.04.2005, Az.: S 11 RJ 14/02)

Tenor

Die Erinnerung des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 18.03.2005 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Streitig ist, ob eine Beweisgebühr entstanden ist.

Der Kläger beantragte am 30.11.2004 die Festsetzung einer Beweisgebühr, da das Gericht ein Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach "sowie die Ermittlungsakte gegen den Kläger" beigezogen und - ausweislich des 2. Absatzes auf Seite 10 des sozialgerichtlichen Urteils vom 13.08.2004 - auch verwertet habe.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (UdG) entschied mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.03.2005, es seien keine weiteren Kosten zu erstatten. Er führte aus, die fraglichen Akten habe der Klägerbevollmächtigte bereits nicht eingesehen. Auch habe das Gericht sie nicht beweismäßig verwertet, sondern lediglich in seinen Entscheidungsgründen erwähnt.

Der Kläger hat hiergegen am 12.04.2005 Erinnerung eingelegt. Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen.

Die Beklagte teilt die Auffassung des UdG.

II.

Die Erinnerung ist nicht begründet, da keine Beweisgebühr entstanden ist.

Das Gericht verweist auf die zutreffenden Gründe des Kostenfestsetzungsbeschlusses und führt ergänzend aus:

Anzuwenden ist die bis zum 30.06.2004 geltende Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO), da der unbedingte Auftrag zur Erledigung der Angelegenheit vor dem 01.07.2004 erteilt worden ist, § 61 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, RVG). Nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO erhält der Rechtsanwalt für die Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren eine volle Gebühr. Werden Akten beigezogen, so erhält der Rechtsanwalt die Beweisgebühr nur, wenn die Akten erkennbar zum Beweis beigezogen und als Beweis verwertet worden sind, § 34 Abs. 2 BRAGO. In einem Verfahren, das - wie das sozialgerichtliche - dem Amtsermittlungsgrundsatz unterliegt, liegt eine Verwertung in diesem Sinne vor, wenn das Gericht eine streitige bzw. beweisbedürftige Tatsache zumindest auch auf Grund einer beigezogenen Akte beurteilt (Hartmann, Kostengesetze, 33. Auflage 2004, § 34 BRAGO, Rn. 33 m.w.N.).

Das Gericht hat die Akten der Staatsanwaltschaft (StA) oder des Amtsgerichts (AG) Mönchengladbach nicht beigezogen und nicht als Beweis verwertet.

Es fehlt bereits am Merkmal der Beiziehung, denn das Gericht hat sich zu keinem Zeitpunkt die Akten von StA und/oder AG übersenden lassen. Es hat vielmehr lediglich von diesen Stellen übersandte Abschriften von Anklageschrift und Urteil, beide nicht den Kläger betreffend, zu seinen Akten genommen. Auf die Beiziehung der Akte hat es schon deswegen verzichtet, weil dieses Verfahren einen anderen als den Kläger betraf und das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger (ausweislich einer Mitteilung der StA vom 15.09.2003) bereits eingestellt worden war.

Es fehlt weiter auch an dem Merkmal der Verwertung. Diese liegt vor, wenn sich das Gericht mithilfe einer beigezogene Akte Gewissheit über die Wahrheit oder Unwahrheit einer als beweisbedürftig angesehen Tatsache verschafft (von Eicken, in: Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO, 14. Aufl., 1999, § 34, Rn. 16). Hieran fehlt es jedoch. Eine etwaige strafgerichtliche Verurteilung des Klägers ist keine beweisbedürftige Tatsache, da sie keinen Einfluss auf die hier allein streitige Beitragsnachforderung hat. Weder gehört die Feststellung strafbaren Handelns zu den Voraussetzungen einer Beitragsforderung noch ist das Gericht an die rechtliche Würdigung des teilweise identischen Sachverhalts in einem Strafverfahren gebunden. Zwar wird der Ausgang der Strafverfahren im sozialgerichtlichen Urteil erwähnt, dies geschieht jedoch nur als vergleichender Hinweis: In dem vom Kläger zitierten Passus der Entscheidungsgründe zieht das Gericht aus dem Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen (die sämtlich in der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten dokumentiert sind) einen Schluss und weist allein "zur Abrundung" darauf hin, dass auch StA und AG von diesem Ermittlungsergebnis ausgegangen und zu einem vergleichbaren Schluss gekommen sind.

Eine Beweisgebühr kann auch nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht - wie in sozialgerichtlichen Verfahren üblich - die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen hat. Es kann dahinstehen, ob die Einsichtnahme in die Akte der beklagten Seite überhaupt geeignet ist, den Tatbestand des § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO zu erfüllen. Jedenfalls hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers keine Einsicht in diese Akte genommen. Es ist daher nicht ersichtlich, wieso ihm diesbezüglich ein Mehraufwand an Zeit, Tätigkeit und Verantwortung vergütet werden sollte.






SG Aachen:
Beschluss v. 26.04.2005
Az: S 11 RJ 14/02


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