Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. September 2003
Aktenzeichen: 24 W (pat) 28/03
(BPatG: Beschluss v. 30.09.2003, Az.: 24 W (pat) 28/03)
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.
II. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht auferlegt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2001 die Löschung der am 14. Februar 2001 für die Dienstleistungen
"Rechtsberatung über Telekommunikationseinrichtungen (Telefon, Telefax, Internet) durch Rechtsanwälte"
unter der Nummer 300 37 080 eingetragenen Wortmarke ANWALTSTELEFON.dewegen absoluter Schutzhindernisse gemäß §§ 50 Abs 1 Nr 3, 8 Abs 2 Nr 1 u 2, 54 Abs 1 MarkenG beantragt. Sie begründet ihren Löschungsantrag im wesentlichen damit, daß der angegriffenen Marke jede Unterscheidungskraft fehle, da sie vom Verkehr ohne weiteres nur als Bezeichnung der Beschaffenheit und der Bestimmung der Dienstleistungen im Sinn einer von einem Anwalt per Telefon in Deutschland durchgeführten Rechtsberatung verstanden werde. Außerdem bestehe an der rein beschreibenden Angabe auch ein Freihaltebedürfnis. Die absoluten Schutzhindernisse hätten bei der Anmeldung der Marke vorgelegen und seien auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag noch gegeben.
Der Antragsgegner hat dem ihm am 5. November 2001 zugestellten Löschungsantrag am 6. November 2001 widersprochen.
Mit Beschluß vom 11. Oktober 2002 hat die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts die Löschung der Marke 300 37 080 angeordnet. Die Markenabteilung hat zunächst den Löschungsantrag, entgegen dem Vorbringen des Antragsgegners, gemäß §§ 54 Abs 1, 50 Abs 1 Nr 3 MarkenG für zulässig erachtet. Als Popularantrag, der dem öffentlichen Interesse an der Freihaltung des Registers von schutzunfähigen Marken diene, könne er von jeder Person gestellt werden. Er sei auch nicht schon deswegen rechtsmißbräuchlich, weil die Antragstellerin die Bezeichnung im geschäftlichen Verkehr selbst benutze. Der Löschungsantrag sei begründet, da die Marke entgegen § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG eingetragen worden sei und das Schutzhindernis noch fortbestehe (§ 50 Abs 1 Nr 3, Abs 2 Satz 1 MarkenG). Zur Begründung der fehlenden Unterscheidungskraft des Bestandteils "ANWALTSTELEFON" bezieht sich die Markenabteilung auf die Gründe des Erinnerungsbeschlusses der Markenstelle für Klasse 42 vom 5. Juli 2001 betreffend die Markenanmeldung 398 55 971.6 "Anwaltstelefon" des Antragsgegners, in dem ausgeführt sei, daß die Wortzusammenstellung "Anwaltstelefon" für den Verkehr erkennbar lediglich einen rein beschreibenden schlagwortartigen Hinweis auf den Gegenstand der beanspruchten Dienstleistungen gebe und ausschließlich die Sachaussage beinhalte, daß eine Rechtsberatung bzw anwaltliche Beratung über Telefon erfolge. Die Bezeichnung sei keine der Struktur nach ungewöhnliche Wortverbindung, sondern entspreche verwendeten vergleichbaren Wortkombinationen, wie "Arzttelefon, Beratertelefon, Kundentelefon, Infotelefon, Anwaltshotline etc". Dabei werde jeweils sprachüblich auf das Bestehen einer Telefonverbindung für bestimmte Personengruppen, mit bestimmten Personengruppen oder zu einem bestimmten Zweck hingewiesen. Zudem könne eine Verwendung des Begriffs "Anwaltstelefon" im Sinn von telefonischer Rechtsberatung bzw anwaltlicher Beratung über Telefon bereits nachgewiesen werden. Der angefügte Bestandteil ".de" vermöge die Schutzfähigkeit nicht zu begründen. Als allgemein bekannter Top-Level-Domain einer Internetadresse in Form der üblichen Länderkennung für Deutschland komme ihm keine unternehmenskennzeichnende Bedeutung zu. Der Bestandteil "ANWALTSTELEFON" wirke demgegenüber wie eine Second-Level-Domain. Auch wenn Internet-Kennungen nur einmal vergeben würden, besage eine wie ein Internet-Domainname gebildete Bezeichnung für Waren oder Dienstleistungen nichts über die tatsächliche Existenz einer solchen Domain und ihre Einmaligkeit. Deshalb fehle einer solchen Bezeichnung die Unterscheidungskraft, wenn ihr in der Art einer Second-Level-Domain auftretender Bestandteil vom Verkehr bloß als rein beschreibende Angabe angesehen werde.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners. Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor, der Löschungsantrag sei unzulässig, da ein für das Popularverfahren nach § 54 Abs 1 MarkenG notwendiges Rechtsschutzbedürfnis der Allgemeinheit fehle. Solche Gründe seien auch nicht vorgetragen, vielmehr verfolge der Löschungsantrag das alleinige Interesse der Antragstellerin an der Benutzung des Zeichens. Außerdem müsse sich die Antragstellerin den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung wegen des typischen Falls des widersprüchlichen Verhaltens entgegenhalten lassen, da für sie selbst bzw zum Konzern gehörende Unternehmen Wortmarken unter Verstoß gegen § 8 Abs 2 Nr 1 - 3 MarkenG eingetragen seien (ua Nr 300 32 888 "R+V-Versicherungsdarlehen FIX", Nr 300 32 887 "R+V-Versicherungsdarlehen FLEX", Nr 398 05 449 "R+V-VorsorgeKonzept"). Die Beschwerde sei auch begründet, da der angefochtene Beschluß rechtswidrig sei. Wie bei der Marke "Babydry" in dem vom EuGH entschiedenen Fall, handle es sich auch vorliegend um eine der Struktur nach ungewöhnliche Wortverbindung, die durch die Genitivform des Substantivs "ANWALTS" gekennzeichnet sei. Die in dem Beschluß herangezogenen Wortkombinationen seien insoweit grammatikalisch völlig anders als die angegriffene Marke "ANWALTSTELEFON.de" gebildet und könnten daher nicht zum Vergleich taugen. Auch ziehe die Markenabteilung aus den angeführten Wortkombinationen unrichtige Schlüsse, da sich die vom Antragsgegner unter der Marke angebotene Dienstleistung nicht in der - rein technischen - Vorhaltung einer Telefonverbindung von der einen zur anderen Personengruppe erschöpfe, sondern darin bestehe, telefonisch Rechtsberatung zu leisten. Wenn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein Buchstabe in seiner Singularität als schutzfähig anzusehen sei (BGH MDR 2001, 407 "Buchstabe K"), könne für die Kombination von Buchstaben in dem Bestandteil ".de" nichts anderes gelten. Entgegen dem angefochtenen Beschluß sei im übrigen nicht nur die sog Second-Level-Domain in einer Internet-Adresse der einzig frei wählbare Teil, vielmehr gebe es auch eine Vielzahl frei wählbarer topleveldomains, auch solcher ohne Bezug zu irgendeinem Land. Für die Beurteilung der Schutzfähigkeit einer Marke komme es außerdem nicht auf ihre Bestandteile, sondern auf das Gesamterscheinungsbild des Zeichens an. Dieses aber zwinge bei der angegriffenen Marke nicht unmittelbar den Schluß auf telefonische Rechtsberatung auf, für die die Eintragung erfolgt sei. Für eine derartige Deutung bedürfe es vielmehr mehrerer gedanklicher Schritte. Der Antragsgegner verweist in diesem Zusammenhang auf verschiedene, nach seiner Auffassung beschreibende Marken (ua Nr 302 40 258 "Advopartner", Nr 396 49 977 "http://www.studienkreis.de", 303 20 761 "Recht für Alle!"), die als schutzfähig angesehen worden seien. Der Beschluß stelle für die Beurteilung der Schutzfähigkeit unzutreffend auf die Situation Mitte September 2002 ab, vielmehr komme es auf die Entwicklung vor der Eintragung an. Telefonische Rechtsberatung gebe es erst seit Mitte 1998 als eigenständige Dienstleistung. Die Dienstleistung sei anfangs nicht nur neu und unbekannt, sondern nach kurzer Zeit - bis zu dem die Zulässigkeit feststellendem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. September2002 (NJW 2003, 819 "Zulässigkeit einer Anwalts-Hotline") - auch gerichtlich als wettbewerbswidrig verboten gewesen. Mitbewerber, die diese Dienstleistung angeboten hätten und anböten, hätten von Anfang an mit unterschiedlichen Bezeichnungen für ihre Dienste geworben. Im Falle der Schöpfung einer neuen Gattungsbezeichnung "Anwaltstelefon" wäre deren Benutzung durch sämtliche Anbieter gleichartiger Dienstleistungen zu erwarten gewesen. Der Begriff "Anwaltstelefon" werde jedoch seit Oktober 1998, abgesehen von wenigen Verletzungshandlungen ua durch die Antragstellerin, ausschließlich vom Antragsgegner selbst in unterschiedlichen Schreibweisen benutzt, was die vorgelegten Internet-Recherchen sowie Kopien von Presseberichten und Gerichtsurteilen belegten. Es bestehe daher kein Anlaß, den Begriff unmittelbar beschreibend und mithin als Gattungsbezeichnung zu verstehen. Soweit gleichwohl bei der Marke eine beschreibende Angabe durchscheinen sollte, wäre diese im Hinblick auf die Üblichkeit sprechender Zeichen unschädlich (BPatG 29 W (pat) 21/01 "T-control/T-connect"; 28 W (pat) 120/01 "Hubheber".) bzw handle es sich um eine nicht in Gebrauch befindliche, von der üblichen Sprachstruktur abweichende ungewöhnliche und damit schutzfähige Sachbezeichnung (BPatG 25 W (pat) 267/01 "Textmaker"; 30 W (pat) 195/01 "Handyphone").
Der Antragsgegner beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.
Die Antragstellerin beantragt, 1. die Beschwerde zurückzuweisen, 2. dem Antragsgegner die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
Nach ihrer Auffassung ist die Löschung der angegriffenen Marke in dem angefochtenen Beschluß zu Recht angeordnet worden. Eine von ihr durchgeführte Internet-Recherche zeige, daß die Bezeichnung "Anwaltstelefon", außer vom Antragsgegner und ihr selbst, auch von anderen Anbietern verwendet werde. Die Antragstellerin weist außerdem auf vom Deutschen Patent- und Markenamt veröffentlichte Zurückweisungen angemeldeter Marken mit dem Bestandteil "Anwalt" und "Telefon" hin. Insbesondere weil die gleich zu beurteilende, in der Beschwerde anhängig gewesene Markenanmeldung 398 55 971.6 "Anwaltstelefon" des Antragsgegners aus absoluten Schutzgründen nicht zur Eintragung geführt habe, erachte die Antragstellerin angesichts der patentamtlichen Entscheidung die Beschwerde für offenkundig unbegründet und ohne Aussicht auf Erfolg. Die Aufrechterhaltung der Beschwerde des Antragsgegners sei daher als ein unsachgemäßes Verhalten zu beurteilen, welches unnötigerweise Kosten verursacht habe und noch verursache. Es entspreche daher der Billigkeit, daß der Antragsgegner die Kosten des Beschwerdeverfahrens trage.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Markenabteilung hat den Löschungsantrag der Antragstellerin zu Recht als zulässig beurteilt. Der Antrag auf Löschung einer Marke wegen absoluter Schutzhindernisse nach §§ 50 Abs 1 Nr 3, § 8 MarkenG kann gemäß § 54 Abs 1 MarkenG von jeder Person gestellt werden. Für die Zulässigkeit des auf dem öffentlichen Interesse an der Löschung ungerechtfertigter Markeneintragungen beruhenden Popularantrages (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 54 Rdn 5) bedarf es, außer der Geltendmachung von absoluten Schutzhindernissen iSd § 8 MarkenG, nicht der Darlegung eines besonderen - darüber hinausgehenden - Rechtsschutzbedürfnisses der Allgemeinheit. Nach ihrem Sinn und Zweck decken die Vorschriften der §§ 50 Abs 1 Nr 3, 54 Abs 1 MarkenG dabei insbesondere auch die Fälle ab, in denen ein einzelner (als Teil der Allgemeinheit), der, wie vorliegend, in der Verwendung einer Bezeichnung durch ein registriertes Markenrecht behindert wird, die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Eintragung der Marke im Hinblick auf absolute Schutzhindernisse in einem Löschungsverfahren beantragt. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil derjenige, der aus einer eingetragenen Marke auf Unterlassung oder Schadensersatz nach § 14 MarkenG in Anspruch genommenen wird, im Verletzungsprozeß wegen der Bindung des Verletzungsgerichts an den Bestand der Eintragung mit der Einrede der Schutzunfähigkeit der Marke nach § 8 MarkenG ausgeschlossen ist (st Rspr, vgl ua BGH WRP 2003, 348, 388 "Feldenkrais", BGH GRUR 2000, 888, 889 "MAG-LITE"; Ströbele/Hacker, aaO, § 14, Rdn 21).
Auch der Rechtsmißbrauchseinwand des Antragsgegners wegen Verstoßes gegen das frühere eigene Verhalten greift nicht durch. Zunächst ist schon kein Verhalten der Antragstellerin erkennbar, welches sie im Widerspruch zu früherem eigenen Tun setzen würde. So ist für sie nach dem Vortrag des Antragsgegners weder eine Marke eingetragen oder angemeldet, die mit der angegriffenen Marke identisch oder vergleichbar ist, noch verstößt die Eintragung der von dem Antragsgegner genannten Marken der Antragstellerin ersichtlich gegen § 8 Abs 2 Nr 1 - 3 MarkenG, da die Marken sich nicht ausschließlich aus schutzunfähigen Bestandteilen zusammensetzen. Abgesehen davon bestehen im Hinblick auf den Popularcharakter grundsätzliche Bedenken, ob gegen die Zulässigkeit eines Löschungsantrags nach § 54 Abs 1 MarkenG in der Person des Antragstellers begründete privatrechtliche Einreden, wie ua die Einrede des Rechtsmißbrauchs, geltend gemacht werden können. Eine solche Einrede mag in besonderen Fallgestaltungen, etwa im Fall einer Nichtangriffsverpflichtung mit der Antragstellerin hinsichtlich des betroffenen Markenrechts, zuzulassen sein. Dagegen spielt jedenfalls ein lediglich etwaiges widersprüchliches Verhalten der Antragstellerin in bezug auf eigene eingetragene oder angemeldete Marken keine Rolle (vgl BPatG GRUR 1999, 746, 747 "Omeprazok"; Ströbele/Hacker, aaO, § 54 Rdn 7; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl, § 54 Rdn 3; Fezer, Markenrecht, 3. Aufl, § 54, Rdn 2 aE).
2. Die Markenabteilung hat den Löschungsantrag des weiteren in der Sache zu Recht als begründet erachtet. Auch nach Auffassung des Senats stand der Eintragung der angegriffenen Marke "ANWALTSTELEFON.de" das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG entgegen (§ 50 Abs 1 Nr 3 MarkenG), welches noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde gegen den Löschungsbeschluß der Markenabteilung fortbesteht (§ 50 Abs 2 S 1 MarkenG).
Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfaßten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keinen tatsächlichen Anhalt dafür, daß der Marke die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl ua BGH GRUR 2001, 1151, 1152 "marktfrisch"; GRUR 2002, 1070, 1071 "Bar jeder Vernunft"; MarkenR 2003, 148, 149 "Winnetou"). Auch unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechungsgrundsätze ist der angegriffenen Marke sowohl bezogen auf den Eintragungszeitpunkt wie auch auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft abzusprechen.
Zunächst ist die Markenabteilung zutreffend davon ausgegangen, daß dem Wortbestandteil "ANWALTSTELEFON" der Marke von den angesprochenen Verkehrsteilnehmern lediglich ein für die registrierten Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt und nicht ein Hinweis auf die Herkunft der Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen zugeordnet wurde und wird.
Hierbei handelt es sich um eine Wortzusammensetzung aus den allgemein geläufigen Begriffen "Anwalt" und "Telefon", die, entgegen der Auffassung des Antragsgegners, ihrer Struktur nach keine ungewöhnliche Verbindung darstellt (EuGH GRUR 2001, 1145, 1147 (43) "Babydry"), sondern gemäß den üblichen deutschen Sprachregeln gebildet ist, nach denen die Verknüpfung des Substantivs "Anwalt" mit einem weiteren Substantiv regelmäßig ein Verbindungs-"s" erfordert (vgl zB Anwaltsbüro, Anwaltskammer, Anwaltszwang, Anwaltskanzlei; Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 3. Aufl, S 129). Sie entspricht damit nach ihrer grammatikalischen Form durchaus auch den in dem angefochtenen Beschluß genannten Verwendungsbeispielen "Arzttelefon, Beratertelefon, Kundentelefon, Infotelefon, Servicetelefon, Spendentelefon, Expertentelefon" und "Anwaltshotline". Die dem in dem angefochtenen Beschluß zitierten Erinnerungsbeschluß vom 5. Juli 2001 beigefügten Verwendungsbeispiele entstammen einer im Juni 2001 durchgeführten Internet-Recherche und erlauben wegen der zeitlichen Nähe ferner den Schluß auf eine im Geschäftsverkehr bereits im Eintragungszeitpunkt der angegriffenen Marke (Februar 2001) bestehende Bezeichnungspraxis, auf einen telefonischen (Beratungs-) Dienst mit "Telefon" - Wortzusammensetzungen hinzuweisen, wobei jeweils das vorangestellte Bestimmungswort entweder die beratende bzw den Telefondienst erbringende Personengruppe (Arzt-, Berater-, Experten-), die mit dem Telefondienst angesprochene Zielgruppe (Kunden-) oder den Gegenstand des Telefondienstes (Info-, Service-, Spenden-) spezifiziert.
Zu berücksichtigen ist außerdem, daß die Unterscheidungskraft des Markenworts nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG nicht losgelöst von den registrierten Dienstleistungen, sondern stets in konkretem Bezug zu diesen zu beurteilen ist (vgl ua BGH GRUR 2001, 735, 736 "Test it."; GRUR 2001, 1042, 1043 "REICH UND SCHOEN"). Gerade in Bezug zu den registrierten Dienstleistungen "Rechtsberatung über Telekommunikationseinrichtungen (Telefon, Telefax, Internet) durch Rechtsanwälte" werden die mit den dargelegten Sprachgepflogenheiten auf dem Telefondienstbereich vertrauten Verkehrskreise die in Rede stehende neue "Telefon" - Wortverbindung "ANWALTSTELEFON" ohne weitere Überlegungen lediglich als verständliche, unmittelbar auf einen telefonischen Beratungsdienst von (Rechts-) Anwälten hinweisende, rein sachliche Bezeichnung auffassen und auch schon im Zeitpunkt der Eintragung der Marke aufgefaßt haben.
Nicht entscheidungserheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Begriff im Eintragungszeitpunkt bereits von anderen Anbietern zur Beschreibung telefonischer Rechtsberatungsdienste verwendet wurde. Denn der Verkehr ist daran gewöhnt, ständig mit neuen Begriffen konfrontiert zu werden, durch die sachbezogene oder werbemäßige Hinweise lediglich in einprägsamer Form übermittelt sowie neu entwickelte Produkte oder Dienste beschrieben werden sollen. Er wird demnach auch bisher noch nicht verwendete neue Wortbildungen nicht als unternehmerischen Herkunftshinweis, sondern lediglich als beschreibende Angabe verstehen, jedenfalls dann, wenn, wie bei der Wortkombination "ANWALTSTELEFON", der unmittelbar beschreibende Dienstleistungsbezug ohne weiteres ersichtlich ist und in einer verständlichen sprachüblichen Form zum Ausdruck kommt (vgl BGH GRUR 2001, 1151, 1152 "marktfrisch"; GRUR 2001, 1153 "anti KALK"; Ströbele/Hacker, aaO, § 8 Rdn 125).
Angesichts des der sprachgemäßen Begriffsbildung "ANWALTSTELEFON" originär innewohnenden, ohne weiteres verständlichen, glatt beschreibenden Aussagegehalts steht der Annahme fehlender Unterscheidungskraft daher ebenso wenig entgegen, daß sie sich, nach dem Vortrag des Antragsgegners, nicht zu einer im Gebrauch der Mitkonkurrenten befindlichen gattungsmäßigen Bezeichnung für die telefonische Rechtsberatung entwickelt hat; vielmehr die Mitanbieter auf diesem - relativ neuen - Dienstleistungssektor unterschiedliche Bezeichnungen verwenden. So läßt sich mit dem Mittel der Sprache ein Sachverhalt regelmäßig in verschiedener Weise und nicht nur durch einen bestimmten Begriff ausdrücken, weshalb die Verwendung anderer - beschreibender - Bezeichnungen für einschlägige Dienste durch die Mitkonkurrenten nicht die fehlende Unterscheidungskraft des Markenwortes "ANWALTSTELEFON" indiziert. Insoweit sind die gesetzlichen Voraussetzungen des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG von dem Tatbestand des § 8 Abs 2 Nr 3 MarkenG zu unterscheiden.
Zutreffend hat die Markenabteilung des weiteren dem an den Begriff "ANWALTSTELEFON" angefügten Bestandteil "de" kein die Unterscheidungskraft der Marke begründende Wirkung beigemessen.
Die vom Antragsgegner vertretene Auffassung, wonach aus dem Umstand, daß der Bundesgerichtshof Einzelbuchstaben im konkreten Einzelfall Unterscheidungskraft iSd § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG beigemessen hat (vgl BGH MarkenR 2000, 426, 427 "Buchstabe K"), generell auf die Unterscheidungskraft von Buchstabenkombinationen zu schließen sei, vermag nicht zu überzeugen. Abgesehen davon, daß sich auch die Unterscheidungskraft von Einzelbuchstaben stets nur im konkreten Bezug zu den jeweils beanspruchten Waren und Dienstleistungen beurteilt (vgl BGH aaO "Buchstabe K"; MarkenR 2003, 246, 247 "Buchstabe Z"), ist bei der Frage der Unterscheidungskraft von Buchstabenkombinationen (zusätzlich) auf die jeweilige Kombination insgesamt und nicht auf die einzelnen Buchstaben abzustellen (vgl BGH GRUR 2002, 261, 262 "AC").
Bei der Aufeinanderfolge der Kleinbuchstaben ".de" mit vorangestelltem Punkt handelt es sich um einen bereits im Zeitpunkt der Eintragung der angegriffenen Marke allgemein bekannten Bestandteil von Internet-Adressen, und zwar um die ua als Top-Level-Domain verwendete Länderkennung für Deutschland. Dadurch erweckt die Marke in ihrer Gesamtheit den Eindruck einer Internet-Adresse bzw eines wesentlichen Teils hiervon. Nach der ganz überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung und in der Literatur aber vermag die Bildung in Form einer Internet-Domain einer Marke keine Unterscheidungskraft zu verleihen, wenn, wie vorliegend, der eigentliche Domain-Name (Second-Level-Domain) sich in einer bloßen Sachangabe für die betroffenen Waren oder Dienstleistungen erschöpft (vgl ua BPatG BlPMZ 2000, 294, 296 "http://www.cyberlaw.de", BPatGE 43, 263 "eCollect.de", Fezer, Die Kennzeichnungsfunktion von Domainnamen, WRP 2000, 669, 670-671; Ströbele/Hacker, aaO, § 8 Rdn 120 mwNachw a d Rspr). Angesichts der Üblichkeit von rein sachbezogenen Second-Level-Domains in Internet-Adressen, die häufig nicht zur Web-Seite eines bestimmten Anbieters von Waren oder Dienstleistungen führen, sondern zu themenbezogenen Web-Seiten mit links zu verschiedenen Anbietern, wird der Verkehr daher in der nach Art einer Internet-Adresse gebildeten Marke "ANWALTSTELEFON.de", trotz des Umstandes, daß Internet-Adressen grundsätzlich nur einmal vergeben werden, nur einen Sachhinweis auf per Telefon erbrachte Anwaltsberatung sehen, die er via Internet über eine entsprechende Web-Seite erreichen kann.
Damit fehlt der angegriffenen Marke insgesamt - sowohl bezogen auf den Eintragungszeitpunkt als auch auf den Zeitpunkt des Erlasses der Beschwerdeentscheidung - die erforderliche Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die in Rede stehenden Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer aufgefaßt zu werden. Auf die Frage, ob ihrer Eintragung außerdem das absolute Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegengestanden hat, kommt es nicht mehr an. Die von der Markenabteilung angeordnete Löschung der Marke ist demnach gemäß §§ 50 Abs 1 Nr 3, Abs 2 Satz 1, 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zu Recht erfolgt.
Soweit sich der Antragsgegner schließlich auf die Eintragung von verschiedenen Marken mit seiner Auffassung nach vergleichbaren beschreibenden Aussagegehalt beruft, läßt sich hieraus auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art 3 GG) kein Eintragungsanspruch herleiten, da es sich bei der Entscheidung über die Eintragbarkeit einer Marke nicht um eine Ermessens-, sondern um eine gebundene Entscheidung handelt, die jeweils einer eigenen Prüfung unterliegt, so daß etwa zu Unrecht erfolgte frühere Eintragungen nicht das Recht verschaffen, auch weiterhin derartige Eintragungen bzw die Aufrechterhaltung einer Eintragung durch das Patentamt zu erwirken (vgl BGH GRUR 1997, 527, 528 "Autofelge"; BlPMZ 1998, 248 249 "Today"; EuGH MarkenR 2003, 280, 285 (51) "Form einer Zigarre ua").
3. Für die von der Antragstellerin beantragte Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf den Antragsgegner bestand keine Veranlassung. Nach § 71 Abs 1 MarkenG ist von dem Grundsatz auszugehen, daß jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt. Für ein Abweichen von diesem Grundsatz bedarf es stets besonderer Umstände, die insbesondere dann gegeben sind, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist (vgl BGH GRUR 1972, 600, 601 "Lewapur"). Der Verfahrensausgang, insbesondere die bloße Tatsache des Unterliegens, reicht dabei für sich allein noch nicht für eine Kostenauferlegung zu Lasten des Unterlegenen aus (vgl Ströbele/Hacker, aaO, § 71 Rdn 25). Solche besonderen, über die bloße Tatsache des Unterliegens des Antragsgegners hinausgehende Umstände sind hier nicht feststellbar.
Sie ergeben sich insbesondere nicht daraus, daß die durch die Markenstelle des Patent- und Markenamtes erfolgte Zurückweisung der Markenanmeldung 398 55 971.6 "Anwaltstelefon" des Anmelders wegen absoluter Schutzhindernisse während des vorliegend seit Dezember 2002 beim Gericht anhängigen Löschungsbeschwerdeverfahrens im April 2003 rechtskräftig geworden ist. Denn unabhängig von der Frage, aus welchen Gründen der Antragsgegner die gegen die patentamtliche Zurückweisung seiner Markenanmeldung "Anwaltstelefon" eingelegte Beschwerde nicht weiterverfolgt hat, unterscheidet sich die hier in Rede stehende Marke jedenfalls durch den zusätzlichen Bestandteil ".de" von der zurückgewiesenen Markenanmeldung. Insofern konnte es schon aus diesem Grund aus Sicht des Antragsgegners als nicht vollkommen aussichtslos erscheinen, mit der Weiterverfolgung des Beschwerdeverfahrens gegen die Löschung der Marke "ANWALTSTELEFON.de" eine im Ergebnis andere, für ihn positive markenrechtliche Beurteilung zu erreichen.
Ströbele Guth Kirschneck Bb
BPatG:
Beschluss v. 30.09.2003
Az: 24 W (pat) 28/03
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