Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 17. Januar 2008
Aktenzeichen: VII-Verg 57/07
(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 17.01.2008, Az.: VII-Verg 57/07)
Tenor
Das Oberlandesgericht Düsseldorf ist für die Entscheidung über die soforti-ge Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirks-regierung vom 18. Dezember 2007 (VK-31/2007-L/V) zuständig.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
Bei den Antragsgegnerinnen handelt es sich um die Allgemeinen Ortskrankenkassen der Bundesrepublik Deutschland. Sie schrieben mit Rundschreiben vom 03. August 2007 und durch Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger vom 06. August 2007 unter dem Titel "Arzneimittel-Rabattverträge 2008/2009" Rabattvereinbarungen gemäß § 130a Abs. 8 SGB V aus. Vertragspartner sollten sämtliche Allgemeinen Ortskrankenkassen werden, wobei die AOK Baden-Württemberg als "federführend handelnder Vertragspartner" bezeichnet wurde. Die Ausschreibung erstreckte sich auf insgesamt 83 Wirkstoffe. Je Wirkstoff sollte ein Rabattvertrag mit drei Unternehmen, bei bestimmten verordnungsstarken Wirkstoffen mit vier Unternehmen geschlossen werden. Die Bieter sollten einen bestimmten Prozentsatz angeben, um den ein näher erläuterter Schwellenwert unterschritten werden sollte. Der absolute Rabattbetrag berechnete sich sodann nach einer bestimmten mathematischen Formel, wobei eine Kappungsgrenze bestand. Kriterien für die Auswahl der Angebote je Wirkstoff waren eine näher bezeichnete Produktbreite und die Wirtschaftlichkeit. Die Vertragspartner hatten nach § 6 Abs. 3 des Vertrages die Lieferfähigkeit der vereinbarten Arzneimittel an den Großhandel zu gewährleisten und nach § 7 des Vertrages bei Lieferausfällen bestimmte Vertragsstrafen zu bezahlen.
An der Ausschreibung beteiligte sich eine Vielzahl von Unternehmen, die Angebote über einen oder mehrere Wirkstoffe abgaben. Mit Schreiben vom 14. September 2007 teilten die Antragsgegnerinnen den Unternehmen das Ergebnis mit. Verschiedene Angebote wurden wegen unzureichender Produktbreite oder unzureichender Wirtschaftlichkeit abgelehnt. Rügen halfen die Antragsgegnerinnen nicht ab.
Daraufhin riefen mehrere nicht berücksichtigte Unternehmen die ihrer Ansicht nach zuständigen Vergabekammern an, und zwar die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf (VK-31/2007-L), die Vergabekammer Karlsruhe (1 VK 47/07) sowie die Vergabekammer des Bundes (VK 2 - 102/07, VK 2 - 105/07, VK 2 - 108/07, VK 2 - 114/07, VK 2 - 117/07, VK 2 - 120/07 und VK 2 - 123/07).
Die jeweiligen Antragstellerinnen haben die Auffassung vertreten, bei den Antragsgegnerinnen handele es sich um öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB, weil sie von Gebietskörperschaften - mittelbar - durch Krankenversicherungsbeiträge finanziert würden und staatlicher Aufsicht unterworfen seien. Der Gegenstand der Ausschreibung betreffe öffentliche Lieferaufträge im Sinne des § 99 Abs. 2 GWB. Die Anwendbarkeit des Vergaberechts werde durch § 69 SGB V nicht in Frage gestellt; diese Vorschrift sei vielmehr unter Zugrundelegung der Gesetzgebungsgeschichte und unter Berücksichtigung der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. EG L 134 S. 114 vom 30.04.2004 - zukünftig nur VKR genannt) einschränkend auszulegen. Für die Nachprüfung der Vergabeentscheidung seien nach § 104 GWB die Vergabekammern und nicht - trotz der Vorschriften der § 51 SGG, § 130a Abs. 9 SGB V - die Sozialgerichte zuständig, wie auch die Gesetzgebungsgeschichte ergebe. Die Vergabekammer des Bundes sei zuständig, weil der Bund die Finanzierung der Krankenkassen gewährleiste. Die Zuständigkeit der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf wurde damit gerechtfertigt, bei mehreren Auftraggebern sei die Vergabekammer eines jeden in Frage kommenden Landes zuständig.
In der Sache haben die Bieter verschiedene Vergabefehler gerügt. Es fehlten Angaben zu dem zu erwartenden Lieferumfang für die Wirkstoffe. Das Kriterium Produktbreite sei nicht hinreichend klar beschrieben und intransparent. Den Bietern werde ein ungewöhnliches Wagnis auferlegt. Nach § 5 VOL/A hätten regionale Lose gebildet werden müssen. Die Ausschreibung sei nicht EU-weit erfolgt. Es fehlten Kriterien für die Vergabe der Einzelaufträge. Die Antragsgegnerinnen bildeten ein unzulässiges Einkaufskartell. Sie hätten nicht dafür gesorgt, dass nicht auskömmliche Angebote ausgeschlossen würden. Schließlich genüge die Vorabinformation der Antragsgegnerinnen nicht der Vorschrift des § 13 VgV.
Die Antragsgegnerinnen sind dem entgegen getreten.
Die vergaberechtlichen Vorschriften des GWB seien nicht einschlägig. Sie seien bereits nicht als öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB anzusehen. Weder würden sie durch öffentliche Körperschaften überwiegend finanziert (diese erfolge vielmehr durch Krankenversicherungsbeiträge, deren gesetzliche Anordnung reiche für den geforderten staatlichen Einfluss nicht aus), noch würden sie als Selbstverwaltungskörperschaften hinreichend intensiv durch Gebietskörperschaften beaufsichtigt. Bei den ausgeschriebenen Verträgen handele sich zudem nicht um öffentliche Lieferaufträge im Sinne des § 99 Abs. 2 GWB, denn die Bieter verpflichteten sich nicht zu Lieferungen an die Antragsgegnerinnen. Da sie keinen Einfluss darauf hätten, ob und inwieweit die Bieter in Anspruch genommen würden, die Entscheidung darüber vielmehr Arzt und/oder Apotheker träfen, handele es sich allenfalls um eine sogenannte "Lieferkonzession", die nicht als "Lieferauftrag" im vergaberechtlichen Sinne anzusehen sei. Des Weiteren sei die Anwendung des Kartell-Vergaberechts durch die Regelung des § 69 SGB V von vornherein ausgeschlossen. Dass die vergaberechtlichen Vorschriften des GWB für die Vergabe von Aufträgen der Krankenkassen an die Leistungserbringer nicht gelten, ergebe sich auch aus den speziellen gesetzlichen Vorschriften bzw. aus der Aufgabe entsprechender Gesetzgebungsvorschläge über die Ausschreibung derartiger Aufträge im SGB V.
Für die Überprüfung ihrer - der Antragsgegnerinnen - Entscheidungen seien schließlich in jedem Falle nicht die Vergabekammern, sondern die Sozialgerichte zuständig. Die angegriffenen Entscheidungen beträfen Angelegenheiten der sozialen Krankenversicherung (§ 51 SGG) bzw. "Angelegenheiten dieser Vorschrift" (§ 130a Abs. 9 SGB V). Diese Vorschriften seien als leges speciales gegenüber den §§ 104, 116 GWB anzusehen. Äußerst hilfsweise machen die Antragsgegnerinnen geltend, die für die AOK Baden-Württemberg als federführend tätigem Vertragspartner oder die für die AOK Bayern als größter AOK zuständige Vergabekammer sei zuständig.
In der Sache bestreiten sie Vergabefehler.
Die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf (Beschluss vom 31. Oktober 2007) (wie auch die Vergabekammer des Bundes - Beschlüsse vom 15. November 2007) hat ihre Zuständigkeit bejaht. Bei den Antragsgegnerinnen handele es sich um öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB. Sie würden mittelbar - was für die Erfüllung der Vorschrift ausreiche - durch den Bund finanziert (so die Vergabekammer des Bundes) bzw. durch das Land hinreichend intensiv beaufsichtigt (so die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf). Die mögliche Zuständigkeit anderer Vergabekammern berühre ihre jeweilige Zuständigkeit nicht. Die Ausschreibung betreffe einen Lieferauftrag, die für eine Konzession maßgebenden Umstände lägen nicht vor. Weder § 69 SGB V noch die Vorschriften des SGB V über eine Ausschreibung von Verträgen schlössen die kartellvergaberechtlichen Vorschriften aus. Die Vorschrift des § 104 GWB sei lex specialis gegenüber den Vorschriften über die Zuständigkeit der Sozialgerichte. In der Sache haben die Vergabekammern verschiedene Vergabefehler angenommen, teilweise jedoch Vergabefehler verneint. Sie haben den Antragsgegnerinnen untersagt, den Zuschlag hinsichtlich bestimmter Wirkstoffe aufgrund des bisherigen Vergabeverfahrens zu erteilen.
Gegen die Entscheidung der Vergabekammer Düsseldorf haben die Antragsgegnerinnen am 22. November 2007 beim Oberlandesgericht Düsseldorf sofortige Beschwerde eingereicht (VII-Verg 44/07). Mit Schriftsätzen vom 21. November 2007 haben sie außerdem Anfechtungsklage gegen diese Entscheidung beim Sozialgericht Stuttgart eingereicht (S 10 KR 8405/07), dort einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86b SGG gestellt (S 10 KR 8404/07 ER) sowie beim Bundessozialgericht einen Antrag auf Bestimmung des örtlich zuständigen Sozialgerichts angebracht. Das Sozialgericht hat mit Beschlüssen vom 20. Dezember 2007 die beantragte Anordnung getroffen und den Antragsgegnerinnen den Zuschlag gestattet (S 10 KR 8404/07 ER; Az des Landessozialgerichts Baden-Württemberg: L 5 KR 6123/07 ER-B) sowie die Zuständigkeit zu den Sozialgerichten festgestellt (S 10 KR 8405/07).
Die Antragsgegnerinnen haben die Auffassung vertreten, für die Entscheidung über Rechtsmittel gegen die Beschlüsse der Vergabekammern bei der Bezirksregierung Düsseldorf (sowie des Bundes) seien ausschließlich die Sozialgerichte zuständig. Dies ergebe sich aus § 51 SGG sowie § 130a Abs. 9 SGB V. Es handele sich um Streitigkeiten in Angelegenheiten der sozialen Krankenversicherung bzw. in Angelegenheiten des § 130a SGB V. Entgegen der Auffassung der Vergabekammern handele es sich bei § 104 GWB nicht um eine lex specialis gegenüber den genannten Vorschriften. Aus § 69 SGB V ergebe sich im Übrigen, dass die Vorschriften des 4. Teils des GWB auf die Ausschreibung von Aufträgen der Krankenkassen an Leistungserbringer keine Anwendung finde. Im Übrigen ergänzen und vertiefen sie ihr Vorbringen vor den Vergabekammern. Mangels Zuständigkeit des Vergabesenats sei die Einlegung der sofortigen Beschwerde nur vorsorglich erfolgt.
Der Senat hat sich mit Beschluss vom 18. Dezember 2007 für zuständig erklärt. Danach haben die Antragsgegnerinnen ihre Beschwerden zurückgenommen.
Zwischenzeitlich hatte die Antragstellerin bei der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf am 12. Dezember 2007 einen Antrag auf Androhung von Zwangsgeldern - im Falle der Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes von Zwangshaft gegen die Vorstandsvorsitzenden - und auf Festsetzung der Zwangsmittel gestellt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Antragsgegnerinnen drohten, das durch die Vergabekammer ausgesprochene Zuschlagsverbot zu missachten. Dem sind die Antragsgegnerinnen entgegen getreten.
Die Vergabekammer hat mit dem angefochtenen Beschluss die Anträge mit der Begründung zurückgewiesen, es fehlten Anhaltspunkte dafür, dass sich die Antragsgegnerinnen über das Zuschlagsverbot rechtswidrig hinwegsetzen würden.
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihre Begehren weiterverfolgt.
Die Antragsgegnerinnen verweisen auf ihr bisheriges Vorbringen und verweisen auf den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Dezember 2007, durch denen ihnen ein Zuschlag gestattet worden sei.
II.
A.
1.
Der Senat ist für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde (einschließlich sonstiger wie auch immer genannter Rechtsbehelfe) gegen die Entscheidung der Vergabekammer nach § 116 Abs. 1, 3 GWB zuständig, und zwar ausschließlich. Eine Zuständigkeit der Sozialgerichte besteht nicht.
Der Senat hat dazu bereits in seinem Beschluss vom 18. Dezember 2007 (VII-Verg 44/07) zur Hauptsache Folgendes ausgeführt.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob die angegriffene Vergabeentscheidung tatsächlich durch die Vergabekammer oder aber durch die allgemeine Zivilgerichtsbarkeit (vgl. BVerwG NJW 2007, 2275), die Verwaltungsgerichtsbarkeit (zum Rechtsweg bei Dienstleistungskonzessionen s. Lampert DVBl. 2007, 1343) oder durch die Sozialgerichtsbarkeit zu überprüfen gewesen wäre. Die Zuständigkeit des Vergabesenates knüpft allein daran an, ob die Entscheidung einer Vergabekammer durch eine sofortige Beschwerde angegriffen worden ist. Die Zuständigkeitsanknüpfung erfolgt - was den Vergabesenat betrifft - mithin nicht materiellrechtlich derart, dass bereits in diesem Punkt zu prüfen ist, ob das Verfahren eine Vergabeentscheidung im Sinne der §§ 97 ff. GWB betrifft oder nicht. Dies ergibt sich z.B. eindeutig aus der Regelung des § 118 Abs. 3 GWB, wonach das von einer Vergabekammer erlassene Zuschlagsverbot nur von einem Vergabesenat gemäß § 121 GWB oder § 123 GWB aufgehoben werden kann. Genauso wie (allein) das Oberlandesgericht zur Entscheidung über eine Berufung/Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung eines Landgerichts berufen ist, unabhängig davon, ob die ordentliche Gerichtsbarkeit überhaupt zuständig ist oder nicht (das Rechtsmittel bei einem in Wahrheit öffentlichrechtlichen Rechtsverhältnis also nicht bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit eingelegt werden kann), ist ausschließlich der Senat für Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Vergabekammer zuständig. Es passt auch nicht zum Verfahrensgang, wenn eine Behörde, die ohne eigenes Interesse in der Sache eine Entscheidung in einer Streitigkeit zwischen Dritten in einem gerichtsähnlich ausgestalteten Verfahren getroffen hat, diese Entscheidung als Antragsgegnerin oder Beklagte vor (allgemeinen oder besonderen) Verwaltungsgerichten verteidigen muss.
Ob die Vergabekammer mit Recht eine Vergabeentscheidung im Sinne der §§ 97 ff. GWB angenommen hat, ist erst für den Inhalt der vom Senat zu treffenden Entscheidung erheblich. Sollte die Auffassung der Antragsgegnerinnen zutreffen, es handele sich bei ihnen nicht um öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB, ihre Entscheidung betreffe keinen Lieferauftrag im Sinne des § 99 Abs. 2 GWB oder für die Überprüfung der Vergabeentscheidung sei nach § 51 SGG, § 130a Abs. 9 SGB V allein die Sozialgerichtsbarkeit berufen, hätte der Senat den Beschluss der Vergabekammer aufzuheben, den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen sowie die Sache möglicherweise (insoweit streitig, vgl. OLG Celle NZBau 2002, 53, 54 einerseits; OVG Thüringen NZBau 2005, 166, KG NZBau 2004, 345 andererseits) an das zuständige Sozialgericht zu verweisen.
Auch einstweiligen Rechtsschutz können die Antragsgegnerinnen nur im Wege eines Antrages nach § 121 GWB erlangen.
Daran hält der Senat auch angesichts der Ausführungen des Sozialgerichts Stuttgart in seinem Beschluss vom 20. Dezember 2007 fest. Es sei lediglich Folgendes angemerkt:
Das Sozialgericht trennt - ebenso wie die Antragsgegnerinnen in ihrer Stellungnahme - nicht zwischen der Zuständigkeit für Rechtsbehelfe im weitesten Sinne gegen Entscheidungen der Vergabekammern als solchen sowie der Zuständigkeit für das Nachprüfungsverfahren. Die Einwände des Sozialgerichts gegen den Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2007 beziehen sich allein auf die Ausführungen zur Zuständigkeit für das Nachprüfungsverfahren. Wieso dies dazu führen soll, dass für die Rechtsbehelfe gegen die Beschlüsse der Vergabekammern die Sozialgerichte zuständig sein sollen, bleibt völlig im Dunkeln.
2.
Da die Antragsgegnerinnen ersichtlich weiterhin die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Düsseldorf rügen, kann der Senat seine Zuständigkeit entsprechend § 17a Abs. 3 GVG durch Beschluss aussprechen.
Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, § 17a Abs. 4 S. 4/5 GVG. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 19. Dezember 2007 davon abgesehen, weil ihm die unter 1. dargelegten Erwägungen als selbstverständlich und offensichtlich erschienen und sich der rechtsgrundsätzliche Streit allein auf die Frage, wer für die Nachprüfungsverfahren zuständig sei, bezog. Diese Einschätzung hat sich, wie sich aus dem Beschluss des Sozialgerichts vom 20. Dezember 2007 ergibt, als irrig erwiesen. Eine Klarstellung durch ein oberstes Bundesgericht ist dringend geboten.
Dass gegen Entscheidungen des Vergabesenats grundsätzlich keine Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof statthaft sind, ändert an der Möglichkeit der Zulassung einer Rechtsbeschwerde in Fragen der Zuständigkeit nach § 17a GVG nichts (vgl. BGH NStZ 2001, 389 m. Anm. Katholnigg zum insoweit ähnlichen Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG).
B.
Nach dem unter A. Gesagten kommt es auf die Zuständigkeit der Vergabekammer für das Nachprüfungsverfahren als solches nicht an. In diesem Fall kommt noch hinzu, dass das jetzige Verfahren lediglich die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss der Vergabekammer vom 31. Oktober 2007 betrifft und in diesem Verfahrenstadium die Rechtmäßigkeit des genannten Beschlusses nicht zu prüfen ist. Es kommt vielmehr allein darauf an, ob die Voraussetzungen des § 114 Abs. 3 S. 2 GWB i.V.m. § 63 VwVG NW über eine Androhung von Zwangsgeld, gegebenenfalls Ersatzzwangshaft, vorliegen oder nicht (die Voraussetzungen für die Festsetzung von Zwangsmitteln liegen im Augenblick ersichtlich bereits mangels vorhergehender Androhung nicht vor, § 57 Abs. 2, § 63 Abs. 1 S. 1 VwVG NW).
Der Senat merkt dazu lediglich an, dass er an seiner mit Beschluss vom 19. Dezember 2007 (VII-Verg 44/07) geäußerten Auffassung festhält. Er hat dazu ausgeführt:
1. Auftraggeber
Nach vorläufiger Auffassung des Senats sind die Antragsgegnerinnen als öffentliche Auftraggeber im Sinne des Art. 1 Abs. 9 VKR und des § 98 Nr. 2 GWB anzusehen, und zwar sowohl wegen ihrer überwiegenden Finanzierung durch Gebietskörperschaften (1. Alt.) als auch wegen ihrer Beaufsichtigung durch Gebietskörperschaften (2. Alt.). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss des Senats vom 23. Mai 2007 (VergabeR 2007, 622) verwiesen.
Der Senat sieht sich, was die 1. Alternative (überwiegende Finanzierung durch Gebietskörperschaften) betrifft, bestätigt durch den Schlussantrag des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof vom 06. September 2007 sowie das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Dezember 2007 in dem Verfahren C-337/06, in dem sie eine ähnliche "mittelbare Finanzierung", nämlich die Finanzierung der Rundfunkanstalten durch staatlich angeordnete Rundfunkgebühren, als Finanzierung im Sinne des Art. 1 Abs. 9 VKR anerkannt haben. Eine hinreichende staatliche Aufsicht im Sinne der 2. Alternative des § 98 Nr. 2 GWB bejahen - neben den bereits im Vorlagebeschluss genannten - u.a. Gabriel (NZS 2007, 344, 347), Frenz (NZS 2007, 233, 236) und Goodarzi/Junker (NZS 2007, 632, 634). Die Auffassung des Senats wird von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in ihrem Schreiben vom 17. Oktober 2007, mit dem sie wegen fehlender bzw. nicht ordnungsgemäßer Ausschreibung von Rabattverträgen ein Verfahren nach Art. 226 EG-Vertrag gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet hat, geteilt.
Eine endgültige Entscheidung in diesem Punkt ist im Hinblick auf das noch nicht abgeschlossene Vorlageverfahren beim Europäischen Gerichtshof (C-300/07) nicht angezeigt.
Die nachfolgenden Ausführungen verstehen sich unter der Voraussetzung, dass die Auffassung des Senats über die Eigenschaft der Antragsgegnerinnen als öffentliche Auftraggeber zutrifft.
2. öffentlicher Auftrag
Die angefochtene Vergabeentscheidung betrifft einen "öffentlichen Lieferauftrag" im Sinne des Art. 1 Abs. 2 lit. c) VKR und des § 99 Abs. 2 GWB. Der vorgesehene Vertrag dient nämlich der "Beschaffung von Waren" im Sinne des § 99 Abs. 2 GWB.
Nach dem vorgesehenen Vertrag ist der Vertragspartner zur Lieferung der aus den ausgeschriebenen Wirkstoffen bestehenden Medikamente verpflichtet, indem er "für die Dauer des Vertrages die Lieferfähigkeit der .... vereinbarten Arzneimittel an den Großhandel bzw. die Apotheken [gewährleistet]" (§ 6 Abs. 3) und für den Fall bestimmter Lieferausfälle die Zahlung einer Vertragsstrafe verspricht (§ 7). Es kann daher offen bleiben, ob nach richtlinienkonformer Auslegung des § 99 Abs. 2 GWB in jedem Falle eine derartige Lieferverpflichtung Voraussetzung eines "öffentlichen Lieferauftrages" ist (vgl. für einen Bauauftrag auch Beschluss des Senats vom 12. Dezember 2007 - VII-Verg 30/07). Die VKR spricht in ihrer deutschsprachigen Fassung davon, dass der Auftrag den "Kauf von Waren [betrifft]". Die englischsprachige Fassung der VKR-Richtlinie definiert sie als "public contracts .... having as their object the purchase ... of products", die französischsprachige Fassung als "ayant pour objet l´achat .... de produits."
Der vorgesehene Vertrag hat in diesem Sinne die Lieferung von Waren "zum Gegenstand": Er regelt nämlich die Art der Ware und ihren Preis. Dass der Preis nur indirekt (durch Rückvergütungen auf den Apothekenverkaufspreis) geregelt ist, ist ebenso unerheblich wie die Frage, wer die Ware wie körperlich liefert und aushändigt und wie, wann und an wen das Eigentum an den Medikamenten übergeht. Abgesehen davon, dass auch das deutsche Recht "Streckengeschäfte" kennt (vgl. Palandt/Weidenkaff, 67. Aufl., Einf. vor § 433 Rdnr. 15; Palandt/Bassenge, a.a.O., § 929 Rdnr. 20), ist das rechtliche Gewand, durch das der Lieferauftrag erteilt wird, unerheblich (vgl. BGH NZBau 2005, 290). Wichtig ist in diesem Zusammenhang nur, dass die Antragsgegnerinnen die Auftragnehmer mit der Lieferung beauftragen und sie - die Antragsgegnerinnen - die Auftragnehmer für die Lieferung bezahlen. Dass nicht die Antragsgegnerinnen selbst die Entscheidung über die Einzelaufträge fällen, sondern der Arzt und/oder der Apotheker, ist unerheblich; die Entscheidung dieser Personen (wegen der maßgeblichen Stellung des Apothekers in diesem Falle neben dem Arzt auch jener) wird nämlich den Antragsgegnerinnen zugerechnet (vgl. dazu näher sowie zu den strafrechtlichen Folgen BGH NJW 2004, 454). Hinzu kommt, dass der Apotheker nach § 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V im Falle eines Vertrages nach § 130a Abs. 8 SGB V für den betreffenden Wirkstoff grundsätzlich ein Medikament auswählen muss, dass Gegenstand eines derartigen Vertrages ist, die Antragsgegnerinnen mithin das Nachfrageverhalten der Apotheker auf die vertragsgemäßen Medikamente "lenken" (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Gabriel, NZS 2007, 344, 348). Die Aufträge sind als "Rahmenverträge" anzusehen, bei denen der Einzelvertrag durch den Arzt im Zusammenwirken mit dem Apotheker in einer die Antragsgegnerinnen bindenden Weise zustande kommt.
Soweit die Antragsgegnerinnen eine "synallagmatische Verknüpfung" von Leistung und Gegenleistung vermissen, ist diese nach dem oben Gesagten durchaus vorhanden. Vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass der Senat vertiefter Überlegungen vorbehält, ob eine synallagmatische Verknüpfung überhaupt verlangt werden kann. Die Vorschrift des § 99 GWB ist richtlinienkonform entsprechend den Regelungen der VKR-Richtlinie auszulegen. Es wäre eher ein Zufall, wenn das Begriffsverständnis einer EU-Richtlinie von bestimmten nationalrechtlichen Vorstellungen geprägt wäre, solange nicht geklärt ist, dass ein vergleichbares Verständnis in sämtlichen EU-Mitgliedsstaaten besteht.
Der Auftrag ist auch nicht als "Lieferkonzession" vergaberechtsfrei. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs handelt es sich bereits nicht um eine "Konzession" (zuletzt Urteil vom 18.07.2007 - C-382/05 Rdnrn. 34 ff.). Worauf der Senat bereits in seinem Beschluss vom 23.05.2007 (VergabeR 2007, 622) hingewiesen hat, bleibt auch bei Rahmenverträgen zunächst offen, ob der Auftraggeber überhaupt, und wenn ja, in welchem Umfange, Einzelaufträge erteilt. Dies wird er von dem - bei Abschluss des Rahmenvertrages noch nicht absehbaren - Bedarf abhängig machen. Dem Auftragnehmer verbleibt dementsprechend das Risiko, ob, und wenn ja, in welcher Höhe, der Bedarf überhaupt eintritt und er letztlich eine Vergütung erhält. Dennoch sieht Art. 32 Abs. 2 1. UA der VKR vor, dass die Vergabevorschriften für die maßgebliche Vergabeart einzuhalten sind. Wie bereits dargelegt, wird die Entscheidung von Arzt und Apotheker über einen Einzelauftrag den Antragsgegnerinnen zugerechnet, hinzu kommt die erwähnte "Lenkungswirkung" durch die Vorschrift des § 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V. Eine Vergütung erhält der Auftragnehmer von den Antragsgegnerinnen für die Ausführung der Einzellieferung. Wieso den Auftragnehmern dadurch das wirtschaftliche Risiko der Verwertung seiner "Lieferleistung" auferlegt wird, ist danach nicht ersichtlich. Im übrigen kennt die VKR eine Lieferkonzession, gar eine, deren Vergabe von der VKR ausgenommen wäre, nicht. Sie erwähnt lediglich Baukonzessionen und Dienstleistungskonzessionen, wobei allein letztere aufgrund einer ausdrücklichen Vorschrift nicht von der Richtlinie erfasst werden (Art. 17 VKR). Nach der kohärenten Neukodifizierung des Vergaberechts durch die VKR, die die bis dahin nicht ausdrücklich angesprochene Dienstleistungskonzession einer Regelung zugeführt hat, besteht kein Anlass dafür, die Existenz von "Lieferkonzessionen" anzunehmen, jedenfalls dann, wenn man sie nicht als Unterart des "öffentlichen Lieferauftrages" ansieht. Soweit Hailbronner (in Byok/Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, 2. Aufl., § 99 GWB Rdnr. 461) vom Vergaberecht ausgenommene "Lieferkonzessionen" anerkennt, ist jedenfalls nach der Neuregelung durch die VKR-Richtlinie im Jahre 2004 dafür kein Raum mehr.
Ob und inwieweit der Auftraggeber mit der Auftragsvergabe einen eigenen Beschaffungszweck verfolgen muss und wie dieser zu definieren wäre, bedarf in diesem Falle keiner näheren Erörterung (s. dazu näher Senat, VergabeR 2007, 622 und 634; Beschluss vom 12. Dezember 2007 - VII-Verg 30/07 zu einem Bauauftrag). Denn die Antragsgegnerinnen wollen sich die Medikamente beschaffen, um der Sachleistungsverpflichtung ihren Mitgliedern gegenüber nachkommen zu können (§ 2 Abs. 2 SGB V).
Die VKR und der 4. Teil des GWB sind auf Lieferungen an öffentliche Krankenkassen auch nicht deswegen unanwendbar, weil diese Teil des Systems der Krankenversicherungen sind, deren Regelung als solche nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind die Vorschriften des EG-Vertrages z.B. über die Waren-, Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit auch im Rahmen des Systems sozialer Sicherheit zu beachten (vgl. EuGH EuZW 2007, 677 Rdnr. 14 für direkte Steuern; EuZW 2007, 339 Rdnr. 23 für die Krankenversicherung). U.a. der Sicherstellung der Waren- und Dienstleistungsfreiheit innerhalb der Europäischen Gemeinschaft dient die VKR, wie ihre Ermächtigungsgrundlage (Art. 49, 55 EG) zeigt.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerinnen ergibt sich aus der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 06.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. EG Nr. 311, S. 67) keine Ausnahme. Die Vorschriften befassen sich nicht mit der Vergabe von Lieferaufträgen durch öffentliche Auftraggeber. Der von den Antragsgegnerinnen zitierte Artikel 94 betrifft allein die Zulässigkeit bestimmter Werbemaßnahmen für Medikamente (vgl. die Überschrift zu Title VIII), deren Regelung teilweise den Mitgliedsstaaten vorbehalten bleibt. Daraus kann kein Schluss auf die Vergabe von Aufträgen gezogen werden. Im Übrigen sind die Ausnahmen von dem Vergaberecht abschließend in Art. 12 ff. VKR sowie § 100 Abs. 2 GWB geregelt.
3. § 69 SGB V
Die Vorschrift des § 69 SGB V steht der Anwendung der §§ 97 ff. GWB nicht entgegen. Ihr - scheinbar sämtliche anderen Vorschriften ausschließender - Wortlaut ist nämlich, was das Vergaberecht betrifft, einschränkend auszulegen (so schon Senat, VergabeR 2007, 622 m.w.N., mit zustimmender Anm. Gabriel; Gabriel NZS 2007, 344).
a) Dies ergibt sich zum einen aus der Gesetzgebungsgeschichte.
Der Gesetzentwurf zum Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) befasste sich mit der Problematik des Vergaberechts nicht. Zu Nr. 29 (Änderung des § 69 SGB V) heißt es in der Begründung (BT-Dr. 14/1245):
"Wegen dieser Einbindung der Rechtsbeziehungen der Krankenkassen mit den Leistungserbringern sowohl in der Versorgung als auch in der Finanzierung der GKV regelt § 69 Satz 1 als Grundsatznorm des Leistungserbringungsrechts, daß die dort genannten Rechtsbeziehungen allein sozialversicherungsrechtlicher und nicht privatrechtlicher Natur sind. Dies folgt aus der Vorgabe der abschließenden Regelung dieser Beziehungen in dem Vierten Kapitel des SGB V. Die Krankenkassen und ihre Verbände erfüllen in diesen Rechtsbeziehungen ihren öffentlichrechtlichen Versorgungsauftrag und handeln deshalb nicht als Unternehmen im Sinne des Privatrechts, einschließlich des Wettbewerbs- und Kartellrechts. ...
S. 4 stellt klar, daß auch die sich aus den Rechtsbeziehungen ergebenden Rechte Dritter sozialversicherungsrechtlicher bzw. verwaltungsrechtlicher Natur sind. Folglich entscheiden auch bei Klagen Dritter gegen Regelungen dieser Vertragsbeziehungen die Sozialgerichte nach § 51 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz bzw. die Verwaltungsgerichte. Die Rechtsprechung hatte bislang eine Doppelnatur des Handelns der gesetzlichen Krankenkassen - öffentlichrechtlich oder privatrechtlich je nach Blickrichtung - angenommen. Dies hatte zu Unklarheiten bei der Rechtswegzuweisung geführt".
Die Zielrichtung auf die Nichtanwendbarkeit des Kartellrechts wurde im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens noch dadurch verstärkt, dass der Ausschuss für Gesundheit (BT-Dr. 14/1977) in seiner Beschlussempfehlung in Art. 10 einer Ergänzung des § 51 Abs. 2 um den Halbsatz "§§ 87 und 96 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen finden keine Anwendung" und durch Art. 10a eine Ergänzung des § 87 Abs. 1 und des § 96 GWB um den Satz "Satz 1 gilt nicht für Rechtsstreitigkeiten aus den in § 69 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch genannten Rechtsbeziehungen, auch soweit hierdurch Rechte Dritter betroffen sind" vorgeschlagen hatte. Zur Begründung hat er ausgeführt:
"Klarstellende Folgeregelungen zu der in § 69 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch enthaltenen Grundsatznorm des nunmehr allein öffentlichrechtlich gestalteten Leistungserbringungsrechts. Die Ergänzung stellt auch im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) klar, dass für die sich aus den in § 69 SGB V genannten Rechtsbeziehungen ergebenden Rechtsstreitigkeiten, wie in der Begründung zu § 69 SGB V schon ausgeführt, die Sozialgerichte bzw. die Verwaltungsgerichte zuständig sind."
Diese Ausführungen betrafen das - bereits zu diesem Zeitpunkt in das GWB als 4. Teil eingefügte - Vergaberecht schon im Ansatz nicht. Ob das Rechtsverhältnis des Auftraggebers zu den Bietern privatrechtlich oder öffentlichrechtlich ausgestaltet ist, ist für das Vergaberecht - oberhalb der Schwellenwerte - unerheblich, die Klarstellung und Bekräftigung, dass es sich allein um öffentlichrechtliche Rechtsbeziehungen handele, mithin völlig unerheblich. Der Gesetzgeber hat zudem nur §§ 87, 96 GWB und nicht auch §§ 104, 116 GWB geändert und auch in § 51 Abs. 2 SGG nur §§ 87, 96 GWB und nicht auch §§ 104, 116 GWB ausgeschlossen.
Die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. BGH GRUR 2006, 517) hat dementsprechend aus § 69 SGB V nur den Ausschluss des Kartellrechts und des Wettbewerbsrechts bei Rechtsbeziehungen der Krankenkassen angenommen.
Das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WST) vom 26.03.2007 (BGBl. I, 378) hat an dieser Bewertung nichts geändert. Zwar ist durch dieses Gesetz § 69 SGB V dahingehend ergänzt worden, dass in bestimmtem Rahmen §§ 19 bis 21 GWB anzuwenden seien. Daraus kann entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe in seinem Hinweisbeschluss vom 19. November 2007 (17 Verg 11/07) aber nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe damit klargestellt, dass die nicht aufgeführten vergaberechtlichen Vorschriften des GWB für die Vergabetätigkeit der Krankenkassen nicht gelten sollten. Die Einfügung der Vorschrift ist auf die Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzesentwurf (BTDr. 16/4020, Nr. 20 zu Art. 1 Nr. 40a - neu -) zurückzuführen. Er hatte vorgeschlagen, durch Änderung des § 69 SGB V auch die Anwendbarkeit des UWG und des GWB anzuordnen, und dies wie folgt begründet:
"Die Möglichkeiten der Kassen, Rabattverträge sowie Einzelverträge abzuschließen, werden erheblich erweitert. Die liberalisierten Fusionsmöglichkeiten für die Kassen werden in kürzester Zeit flächendeckende Monopole und Oligopole entstehen lassen. ... Deshalb ist es angesichts der Marktmacht der Kassen zum Schutz der Leistungserbringer erforderlich, die allgemein geltenden Vorschriften des Wettbewerbsrechts für anwendbar zu erklären, soweit nicht spezielle Erfordernisse des Krankenversicherungsrechts entgegenstehen. Es ist Aufgabe des gerichtlichen Entscheidungsfindungsprozesses, in Abwägung des Einzelfalls zu entscheiden, ob und inwieweit das Wettbewerbsrecht verbunden mit den von ihm geschätzten Interessen aufgrund der Besonderheiten des Gesundheitsmarktes zurücktreten muss. GWB und UWG haben einen grundsätzlich universellen Anspruch, bereits jetzt umfasst das Wettbewerbsrecht eine Vielzahl unterschiedlichster Teilmärkte (z.B. Strommarkt, Telekommunikationsmarkt, Baugewerbe). Es muss und kann deshalb auch im Bereich des Gesundheitsmarktes zur Geltung gebracht werden."
Die Bundesregierung erwiderte darauf (BT-Dr. 16/4020 zu Nr. 20):
"Die Bundesregierung stimmt hinsichtlich der Anwendung des Diskriminierungs- und Missbrauchsverbots des Wettbewerbsrechts (§§ 19, 20 GWB) auf die Einzelvertragsbeziehungen der Krankenkassen grundsätzlich zu. Inwieweit weitere Regelungen des Wettbewerbsrechts angewandt werden, wird geprüft."
Daraus ergibt sich, dass die Diskussion der Gesetzgebungsorgane sich allein auf die Anwendung der Vorschriften des GWB gegen Marktmissbrauch durch marktstarke Unternehmen (sowie des UWG) bezog und das Vergaberecht des GWB nicht im Blick hatte.
Das galt im Übrigen auch für die sonstigen Vorschriften des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes. Soweit der Gesetzgebungsentwurf (BT-Dr. 16/3100) in Art. 1 Nr. 93 (zu § 127 SGB V) und in Art. 1 Nr. 97 (zu § 130a SGB V) Ausschreibungen vorsah, hieß es zur Begründung lediglich lapidar:
"Durch die ... Ausschreibungen soll der Preiswettbewerb ... gefördert werden. Bei den Ausschreibungen sind die jeweils gültigen Vorschriften des Vergaberechts anzuwenden."
In der Stellungnahme des Bundesrates (BT-Dr. 16/3950 zu Nr. 48) wird der vorgeschlagene Wegfall der Vorschrift über Ausschreibungen nicht begründet.
Daraus lässt sich Näheres über den Willen des Gesetzgebers über eine Ausschreibungspflicht von Verträgen der Krankenkassen nach §§ 97 ff. GWB nicht entnehmen (so auch Gabriel, VergabeR 2007, 630, 634). Die Frage, ob Krankenkassen als öffentliche Auftraggeber im Sinne des Art. 1 Abs. 9 VKR und des § 98 Nr. 2 GWB sind und ob ihre Aufträge der Richtlinie und dem im 4. Teil des GWB geregelten Vergaberecht unterliegen, wird überhaupt nicht angesprochen. Die genannten Vorschriften betreffen aus diesem Grunde nur eine etwaige sozialrechtliche und nicht eine vergaberechtliche Ausschreibungspflicht.
b) Eine den 4. Teil des GWB von einer Anwendung ausschließende Auslegung des § 69 SGB V wäre - unter der Voraussetzung, dass Krankenkassen als öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Art. 1 Abs. 1, 9 der Richtlinie anzusehen sind - zudem europarechtswidrig.
Die von den Krankenkassen vergebenen Lieferaufträge - wie sie hier in Rede stehen (vgl. näher oben unter 2.) - oberhalb der Schwellenwerte unterliegen den Vorschriften der Richtlinie, die von ihr vergebenen Dienstleistungsaufträge (im Hinblick auf ihren Charakter als Dienstleistung im Gesundheitswesen nach Anhang II Teil B Kategorie 25) gemäß Art. 21 der Richtlinie unterfallen den Vorschriften der Artikel 23 und des Artikels 35 Absatz 4 der Richtlinie. Zudem ist die sogenannte Rechtsmittelrichtlinie (gegenwärtig die Richtlinie 89/665 EWG des Rates vom 21.12.1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge [ABl. EG L 395 S. 33]) zu beachten; nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (NJW 2000, 569 - Alcatel Austria) ist der Auftraggeber u.a. verpflichtet, die unterlegenen Bieter vor einem Vertragsschluss derart rechtzeitig zu unterrichten, dass sie dagegen noch primären Rechtsschutz erlangen können.
Träfe die Auffassung der Antragsgegnerinnen zu, dass § 69 SGB V die Anwendung der §§ 97 ff. GWB auf die Vergabe von Aufträgen durch öffentliche Krankenkassen an sogenannte Leistungserbringer im Sinne des § 69 SGB V von vornherein ausschlösse, fehlte es von vornherein an einer hinreichenden Umsetzung der genannten Richtlinien in diesem Bereich. Im Wege der richtlinienkonformen Auslegung ist das nationale Recht - bis an die Grenzen der Auslegung contra legem - so auszulegen, dass es den Richtlinien entspricht (vgl. EuGH NJW 2006, 2465; s. auch Auer NJW 2007, 1106). Von daher ist das Schweigen des Gesetzgebers im Hinblick auf das Vergaberecht - anders als das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 18. Januar 2007 - L 2 KN 16/05 KR - meint - kein Anzeichen für den Ausschluss des Vergaberechts von der Anwendbarkeit in diesem Bereich, sondern für das Gegenteil.
Im Übrigen müssten die nationalen Gerichte selbst einen ausdrücklichen Ausschluss der Anwendbarkeit des Vergaberechts in einem nationalen Gesetz außer acht lassen, soweit dies notwendig ist, um unbedingten und hinreichend bestimmten Richtlinien der EU zur Anwendung zu verhelfen. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs können sich Private auf derartige Bestimmungen einer Richtlinie gegenüber den Mitgliedsstaaten und ihren Einrichtungen, zu denen die Antragsgegnerinnen gehören, selbst bei entgegen stehendem nationalen Recht berufen.
4. Zuständigkeit der Vergabekammer oder der Sozialgerichte
Zu Recht hat die Vergabekammer angenommen, dass für die Nachprüfung der Vergabeentscheidung gemäß § 104 Abs. 2 GWB ausschließlich die Vergabekammern und nicht die Sozialgerichte zuständig sind.
Zwar können die Streitigkeiten über Vergabeentscheidungen der Antragsgegnerinnen - worauf sie im Ansatzpunkt zutreffend hinweisen - als "Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung" im Sinne des § 51 SGG bzw. als "Streitigkeiten in Angelegenheiten dieser Vorschrift" im Sinne des § 130a Abs. 9 SGB V angesehen werden. Auch sieht die Rechtsmittelrichtlinie nicht zwingend vor, dass die Nachprüfung von Vergabeentscheidungen durch bestimmte Nachprüfungsstellen erfolgt; die Mitgliedsstaaten können nach dem Recht der Europäischen Union mithin die Nachprüfung von Vergabeentscheidungen der Krankenkassen anderen Nachprüfungsstellen zuzuweisen als den für die Nachprüfung der Vergabeentscheidungen anderer öffentlicher Auftraggeber zuständigen Instanzen.
Der nationale Gesetzgeber hat jedoch von einer derartigen Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Vielmehr gelten die Vorschriften über die Nachprüfung von Vergabeentscheidungen im 4. Teil des GWB für sämtliche Vergaben im Sinne der §§ 97 ff. GWB; §§ 104, 116 GWB sind als leges speciales gegenüber § 51 Abs. 2 SGG, § 130a Abs. 9 SGB V anzusehen. Dies ergibt sich - unabhängig davon, ob die Bundesrepublik Deutschland die Sozialgerichte überhaupt gemäß Art. 5 Rechtsmittelrichtlinie als Nachprüfungsstellen gemeldet hat - aus folgenden Erwägungen:
Der Gesetzgeber hat mit §§ 97 ff. GWB (oberhalb der Schwellenwerte) ein eigenständiges Regelungssystem über die Vergabe öffentlicher Aufträge und die Nachprüfung von Vergabeentscheidungen geschaffen. Dabei ist es unerheblich, ob die Entscheidungen ansonsten als Verwaltungsakt anzusehen und deswegen von den öffentlichrechtlichen Gerichten nachzuprüfen, gewisse Entscheidungen nur als - als solche nicht nachprüfbare - "Verwaltungsinterna" einzustufen oder die ordentlichen Gerichte anzurufen gewesen wären. Nach den Worten von Kus (NJW 2000, 544, 545) hat "der Gesetzgeber ... mit dem zweitinstanzlichen Nachprüfungsverfahren des GWB gerade einen exklusiven, eigenständigen Rechtsweg im Primärrechtsschutz unter Ausschluss der zivil- und verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit begründen wollen" (vgl. auch Gronstedt in Byok/Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, 2. Aufl., § 104 GWB Rdnr. 820; Kus, in Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, § 102 Rdnr. 5; Heuvels, In Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, GWB, § 104 Rdnrn. 4 ff; Stockmann, in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht GWB, 4. Aufl., § 104 Rdrnr. 8 ff.). Damit kommt es gerade nicht darauf an, ob ansonsten die ordentlichen Gerichte oder die allgemeinen oder besonderen Verwaltungsgerichte zuständig wären.
Dabei lässt sich das Nachprüfungsverfahren von den übrigen Regeln des Vergaberechts im 4. Teil des GWB - die zum Teil durch die Regelungen der VKR zwingend vorgegeben sind - nicht trennen. Es ist also nicht möglich, den 4. Teil des GWB derart aufzuteilen, dass das Vergabeverfahren nach den Regeln dieses Teils abläuft, die Nachprüfung aber anderen als den im 4. Teil genannten Stellen zugewiesen ist. Vielmehr sind sämtliche Teile des 4. Teils untrennbar aufeinander abgestimmt. Das Vergaberecht muss die Spannung zwischen der Gewährleistung der Bieterrechte und deren Durchsetzung einerseits und dem Bedürfnis der Vergabestellen nach einer zügigen Vergabe andererseits miteinander ausgleichen. Der 4. Teil des GWB (und die darauf beruhenden Vorschriften der VgV und der Verdingungsordnungen) haben dafür besondere Regelungen geschaffen. So hat die Vergabestelle nach § 13 VgV den unterlegenen Bieter über den Namen des erfolgreichen Bieters und den Grund der vorgesehenen Nichtberücksichtigung, und zwar mindestens 14 Tage vor dem Vertragsschluss zu informieren; ein vorfristiger Vertrag ist nichtig. Der unterlegene Bieter hat somit Gelegenheit, die Vergabekammer anzurufen, wobei die Zustellung des Nachprüfungsantrages ein Zuschlagsverbot auslöst (§ 115 Abs. 1 ZPO). Die Vergabestelle wiederum kann einen Antrag auf Gestattung des Zuschlags stellen (§ 115 Abs. 2 GWB). Wird der Nachprüfungsantrag von der Vergabekammer zurückgewiesen, endet - im Falle der Einlegung der Beschwerde - das Zuschlagsverbot zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist, wobei das Beschwerdegericht jedoch die Möglichkeit hat, im Ergebnis das Zuschlagsverbot vorläufig aufrecht zu erhalten (§ 118 GWB). Demgegenüber hat die Vergabestelle die Möglichkeit, vor dem Beschwerdegericht einen Antrag auf Gestattung des Zuschlags zu stellen (§ 121 GWB). Die Nachprüfung ist auf zwei Instanzen (die Vergabekammer und den Vergabesenat) begrenzt, das Nachprüfungsverfahren unterliegt dem Beschleunigungsgebot.
Es kann offen bleiben, ob die Möglichkeit des unterlegenen Bieters, die einstweilige Anordnung eines Sozialgerichts (§ 86b SGG) innerhalb von 14 Tagen nach Absendung der Bieterinformation (§ 13 VgV) zu erlangen, der Anforderung des Art. 2 Abs. 1 lit. a) der Rechtsmittelrichtlinie genügt, wonach die Nachprüfungsstelle "im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufige Maßnahmen [ergreifen] ... können" muss. Jedenfalls enthält das SGG keine Vorschriften, die dem oben näher dargelegten austarierten System des 4. Teils des GWB entsprechen würden. Dem Bestreben des Gesetzgebers, in Vergabestreitigkeiten ein kurzes zweitinstanzliches Verfahren vorzusehen, steht schon mit dem in Hauptsacheverfahren dreiinstanzlichen Verfahren des SGG nicht in Einklang.
Wie bereits unter 3.a) näher dargelegt, hat der Gesetzgeber mit den Änderungen des § 51 SGG die Zuständigkeit der Kartellgerichte ausschließen wollen. Er hat daher - durch parallele Regelungen in § 51 Abs. 2 SGG und §§ 87, 96 a.F. GWB - die Geltung der §§ 87, 96 a.F. GWB ausgeschlossen, nicht aber die Geltung der §§ 104, 116 GWB. Es sind auch keine Gründe dafür ersichtlich, wieso die in §§ 104, 116 GWB angeordnete Zuständigkeit der Nachprüfungsstellen zwar die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit sowie der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit, nicht aber die der besonderen Verwaltungsgerichte ausschließen soll.
Auch aus der Regelung des § 130a Abs. 9 SGB V ergibt sich nichts Anderes. Diese Vorschrift hat lediglich klarstellende Funktion, ändert aber nichts daran, dass es sich bei §§ 104, 116 GWB um besondere Zuständigkeitsvorschriften handelt, die die Zuständigkeit der Sozialgerichte in diesem Falle ausschließen. In der Gesetzesbegründung zum Beitragssatzsicherungsgesetz heißt es nur (BT-Dr. 15/28 zu Art. 1 Nr. 8):
Die Vorschrift stellt klar, dass für Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Abschlagsregelung die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig sind.
Die sich aus der möglichen Anwendbarkeit des Vergaberechts und der sich daraus ergebenden Zuständigkeit der Vergabekammern und Vergabesenate ergebenden Probleme hat der Gesetzgeber, wie bereits zur Vorschrift des § 69 SGB V erörtert, nicht gesehen.
Im Hinblick auf die Beschlüsse des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Dezember 2007 und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. Dezember 2007 (L 16 B 127/07 KR ER; beim Bundessozialgericht anhängig unter B 3 KR 1/08 R) sei auf Folgendes hingewiesen:
Auf Grund des Urteils des EuGH vom 13. Dezember 2007 (C-337/06) spricht Vieles dafür, dass es sich bei den Antragsgegnerinnen um Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB handelt. Ihr Hauptargument, eine nur mittelbare staatliche Finanzierung durch Anordnung einer Zahlungspflicht sei von vornherein keine staatliche Finanzierung im Sinne der genannten Vorschrift, ist nach der zitierten Entscheidung nicht mehr haltbar. Dass es sich bei den Krankenkassenbeiträgen (gegenwärtig; zum 01. Januar 2009 tritt eine den Rundfunkgebühren ähnliche Gestaltung in Kraft) dennoch nicht um eine derartige staatliche Finanzierung handelt, ließe sich danach allenfalls mit den Besonderheiten der jetzigen Beitragsfestsetzung rechtfertigen.
Bei der Zuständigkeit der Vergabekammern für die Nachprüfungsverfahren handelt es sich um eine "Querschnittszuständigkeit". Es kommt mithin nicht darauf an, wie das Verhalten der Vergabestelle (privatrechtlich, öffentlichrechtlich) zu qualifizieren ist. Entgegen der Auffassung des LSG NW ist der Vergabesenat nicht deswegen zuständig, weil es sich um eine bürgerlichrechtliche Rechtsstreitigkeit im Sinne des § 13 GVG handele. Der Vergabesenat ist zuständig, weil dies in § 104 Abs. 2, § 116 GWB angeordnet ist. Es ist mithin irrelevant, ob die Vergabestelle privatrechtlich oder öffentlichrechtlich handelt, damit auch, ob sie krankenversicherungsrechtlich handelt. Die Ausführungen der Sozialgerichte dazu, dass die Vergabestellen öffentlichrechtliche Verträge, genauer gesagt, öffentlichrechtliche krankenversicherungsrechtliche Verträge, abzuschließen gedächten, treffen damit nicht den Kern. Durch die Rechtsprechung des EuGH (zuletzt Urteil vom 18.01.2007 - C-220/05, Rdnr. 40 m.w.N., NZBau 2007, 185) ist geklärt, dass es für die Anwendung des Vergaberechts unerheblich ist, ob der vorgesehene Vertrag nach nationalem Recht öffentlichrechtlicher oder privatrechtlicher Natur ist. Daraus hat bisher noch niemand den Schluss gezogen, dass bei einem in Aussicht genommenen öffentlichrechtlichen Vertrag statt der Vergabekammer die Verwaltungsgerichte zuständig sind. Es ist vielmehr als völlig selbstverständlich angesehen worden, dass auch in derartigen Fällen - wenn es sich um dem Vergaberecht unterfallende Vergaben handelt - die Vergabekammern zuständig sind (vgl. nur Burgi NVwZ 2007, 383). Lediglich hinsichtlich der Sozialgerichtsbarkeit soll dies anders sein, obwohl nicht zu erkennen ist, wieso das Verhältnis von § 40 VwGO zu § 104 Abs. 2, § 116 GWB ein anderes sein soll als das von § 51 SGG zu den genannten GWB-Vorschriften. Folgte man der Auffassung des Landessozialgerichts NW, müssten folgerichtigerweise für die Nachprüfung der Vergabe von öffentlichrechtlichen Verträgen nicht die Vergabekammern, sondern die (allgemeinen oder besonderen) Verwaltungsgerichte zuständig sein, eine Auffassung, die dem Zweck der besonderen Zuständigkeit von Vergabekammern und -senaten völlig entgegen stünde (vgl. Kus NJW 2000, 504, 505).
Dagegen spricht auch, dass die Bundesrepublik Deutschland - soweit ersichtlich - weder die Vorschriften über die Sozialgerichte noch über die allgemeinen Verwaltungsgerichte der Europäischen Kommission gemeldet hat, wozu sie unter Zugrundelegung der Auffassung der Sozialgerichte nach Art. 5 der Richtlinie 89/665/EWG verpflichtet gewesen wäre. Gegen die Auffassung der Sozialgerichte spricht auch die Regelung des § 124 Abs. 2 GWB; wäre die Auffassung der Sozialgerichte richtig, hätten auch sie das Vergaberecht anzuwenden, weswegen unverständlich bliebe, wieso ihre Entscheidungen keinen Divergenzfall bilden sollen (das bedeutet aber nicht, dass in den Fällen, in denen sich - vom Gesetzgeber unvorhergesehen - ein Sozialgericht rechtswidrigerweise die Stellung eines Vergabegerichts anmaßt, eine Vorlage von vornherein ausgeschlossen wäre). Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber nicht von einer Anwendung des Vergaberechts durch die Sozialgerichte (oder gar die allgemeinen Verwaltungsgerichte) ausging.
Soweit das LSG NW zur Stützung seiner Ansicht auf den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (BR-Drs. 820/07) Bezug nimmt, ist darauf hinzuweisen, dass er sich zum Rechtsweg bei der Nachprüfung von Vergabeentscheidungen nicht verhält. In Art. 1 Nr. 11 ist lediglich vorgesehen, dass § 51 Abs. 2 S. 2 SGG wie folgt lauten soll:
"§ 87 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen findet keine Anwendung".
Aus der Gesetzesbegründung wird deutlich, dass es sich lediglich um eine redaktionelle Änderung handeln soll ("Folgeänderung aufgrund Aufhebung des § 96 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit Wirkung vom 1. Juli 2005 durch Art. 1 Nr. 60 i.V.m. Art. 4 des Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 7. Juli 2005").
Der Rechtsweg in Vergabeverfahren wird überhaupt nicht angesprochen.
Dicks Schüttpelz Dieck-Bogatzke
OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 17.01.2008
Az: VII-Verg 57/07
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/181054509e97/OLG-Duesseldorf_Beschluss_vom_17-Januar-2008_Az_VII-Verg-57-07