Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 12. September 1996
Aktenzeichen: 14 WF 147/96

(OLG Köln: Beschluss v. 12.09.1996, Az.: 14 WF 147/96)

1. Der im Wege der Prozeßkostenhilfe im Ehescheidungsverfahren beigeordnete Rechtsanwalt erhält aus der Staatskasse für seine Mitwirkung an einem außergerichtlichen Unterhaltsvergleich keine Vergleichsgebühr in Höhe von 15/10 der vollen Gebühr nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BRAGO sondern nur eine Vergleichsgebühr in Höhe der vollen Gebühr nach § 23 Abs. 1 Satz 3 BRAGO.

2. Ein Prozeßkostenhilfeverfahren ist auch nach der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe noch anhängig im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 3 BRAGO.

Tenor

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Die Erinnerung des Rechtsanwalts F. vom 11. Dezember 1995 gegen die Festsetzung seiner Vergütung durch den Urkundsbeamten der Geschäftstelle des Amtsgerichts Brühl vom 27.11.1995 wird zurückgewiesen.

Gründe

Gründe :

I.

Im Ehescheidungsverfahren der Parteien vor dem Amtsgericht -

Familiengericht - Brühl ist der Antragstellerin auf ihren Antrag

durch Beschluß vom 31. März 1995 Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung

von Rechtsanwalt F. bewilligt worden. Mit Schriftsatz vom 14.

September 1995 hat der beigeordnete Rechtsanwalt eine von den

Parteien unterzeichnete Unterhaltsvereinbarung vom 7. September

1995 zu den Akten gereicht, angefragt, ob das Gericht der

Protokollierung des Vergleichs ohne anwaltliche Vertretung des

Antragsgegners zustimme, und vorsorglich auch für den

außergerichtlichen Vergleichsabschluß Prozeßkostenhilfe unter

seiner Beiordnung beantragt. Letzteren Antrag hat er in der

mündlichen Verhandlung vom 20. September 1996, in der das

Scheidungsurteil verkündet wurde, wiederholt. Durch Beschluß vom

15. Oktober 1996 hat das Familiengericht der Antragstellerin für

den außergerichtlichen Unterhaltsvergleich vom 7.September 1996

unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten Prozeßkostenhilfe

bewilligt.

Mit dem Antrag auf Festsetzung der Vergütung im PKH-Verfahren

vom 27. Oktober 1995 macht Rechtsanwalt F. u.a. eine 15/10

Vergleichsgebühr nach §§ 11, 23, 36 BRAGO in Höhe von 562,50 DM

geltend. Diese Vergleichsgebühr hat der Urkundsbeamte der

Geschäftsstelle mit Festsetzung vom 27.11.1996 unter Hinweis auf §

23 Abs.1 Satz 3 BRAGO auf eine 10/10-Gebühr gekürzt. Auf die

hiergegen gerichtete Erinnerung des Rechtsanwalts F. vom 11.

Dezember 1996 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Brühl durch

Beschluß vom 24. Juni 1996 die Rechtspflegerin angewiesen, die

Gebühr für den außergerichtlichen Vergleich in Höhe von 15/10

anzusetzen. Mit Beschwerde vom 5. Juli 1996 beantragt der

Bezirksrevisor bei dem Landgericht Köln die Aufhebung dieser

Entscheidung.

II.

Die nach § 128 Abs.4 BRAGO zulässige Beschwerde ist

begründet.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Amtsgerichts -

Familiengericht - Brühl hat die Rechtsanwalt F. aus der Landeskasse

zu gewährende Vergütung zutreffend festgesetzt.

Für die Mitwirkung beim Abschluß des außergerichtlichen

Vergleichs erhält der beigeordnete Rechtsanwalt nach § 23 Abs.1

Satz 3 2.Halbsatz BRAGO abweichend von der nach Satz 1

zuzubilligenden 15/10-Gebühr nur eine Vergleichsgebühr in Höhe der

vollen Gebühr, da über den Gegenstand des Vergleichs ein Verfahren

über die Prozeßkostenhilfe anhängig war. Nach Auffassung des Senats

hat bereits das Prozeßkostenhilfeverfahren in der

Ehescheidungssache auch den Unterhaltsvergleich zum Gegenstand, da

sich die Beiordnung eines Rechtsanwalts hierauf nach § 122 Abs.3

Satz 1 BRAGO erstreckt, ohne daß es hierzu eines besonderen

Ausspruchs bedarf. Zudem wurde durch die Anträge vom 7. und 20.

September 1996 ausdrücklich für den Unterhaltsvergleich

Prozeßkostenhilfe beantragt und durch Beschluß vom 15. Oktober 1996

bewilligt.

Der Senat lehnt eine einschränkende Auslegung des § 23 Abs.1

Satz 3 2.Halbsatz BRAGO ab, die solche Fälle von der Reduzierung

der Vergleichsgebühr ausnimmt, in denen im Hinblick auf die für das

Scheidungsverfahren bereits bewilligte Prozeßkostenhilfe speziell

auf den Gegenstand des Vergleichs bezogen keine besondere Prüfung

der sachlichen und persönlichen Voraussetzungen der

Prozeßkostenhilfebewilligung mehr erforderlich ist (so OLG Bamberg

JurBüro 1996, 23 ff für den Fall einer im Scheidungsverfahren

protokollierten außergerichtlich ausgehandelten

Scheidungsvereinbarung betreffend Ehewohnung, Hausrat, Unterhalt,

Versorgungsausgleich, Zugewinn- und Schuldenausgleich m.w.N). Er

verkennt dabei nicht den Gesetzeszweck der Erhöhung der

Vergleichsgebühr auf 15/10, die Anreiz bieten soll, den

außergerichtlichen Vergleich zum Regelfall und den gerichtlichen

Vergleich zur Ausnahme zu machen (vgl. Bundestagsdrucksache 12/6962

S.103), wodurch eine spürbare Entlastung der Gerichte erreicht

werden könnte; der Rechtsanwalt wird gewissermaßen dafür belohnt,

daß sich die Gerichte mit der Sache nicht befassen müssen. Auch

wenn die in § 23 Abs.1 Satz 3 2.Halbsatz BRAGO vorgenommene

Gleichstellung des Prozeßkostenhilfeverfahrens mit dem

gerichtlichen Verfahren vornehmlich durch regelmäßig erforderliche

Prüfung der Erfolgsaussicht veranlaßt sein dürfte, kann der konkret

erforderliche Arbeitsaufwand des Gerichts doch kein Kriterium für

die Gebührenabgrenzung sein (ebenso OLG Nürnberg JurBüro 1996, 25

für den Fall eines im Scheidungsverfahren protokollierten,

außergerichtlich ausgehandelten Unterhaltsvergleich m.w.N). Denn

schon wenn ein gerichtliches (Haupt-)Verfahren über den Gegenstand

des Vergleichs anhängig ist, genügt dies bereits für die

Herabsetzung der Gebühr nach § 23 Abs.1 Satz 3 1.Halbsatz BRAGO.

Das heißt, auch wenn der Gerichtskostenvorschuß noch nicht gezahlt,

eine Klagezustellung noch nicht erfolgt ist und keinerlei sachliche

Prüfung durch das Gericht stattgefunden hat, kommt im Falle eines

außergerichtlichen Vergleichs über den Prozeßgegenstand die erhöhte

Vergleichsgebühr nach § 23 Abs.1 Satz 1 BRAGO nicht mehr in

Betracht. Das Gesetz wählt hier mit dem Merkmal der Anhängigkeit

eine rein formale schematische Abgrenzung, die auch im

Festsetzungsverfahren gut handhabbar ist, ohne daß der konkrete

Arbeitsaufwand des Gerichts eine Rolle spielt.

Nichts anderes kann hinsichtlich des dem Hauptprozeß nach § 23

Abs.1 Satz 3 2.Halbsatz BRAGO gleichgestellten

Prozeßkostenhilfeverfahrens gelten. Wenn ein

Prozeßkostenhilfeverfahren, das den Vergleichsgegenstand betrifft,

anhängig ist, kommt unabhängig davon, wieviel Arbeit es dem Gericht

konkret bereitet, eine erhöhte Vergleichsgebühr nicht mehr in

Betracht.

Entgegen der Auffassung des OLG Bamberg (a.a.O. S.24) ist das

Prozeßkostenhilfeverfahren auch noch "anhängig", wenn bereits

Prozeßkostenhilfe bewilligt ist. Dies zeigen zum einen die

Abänderungsmöglichkeiten nach § 120 Abs.3 und 4 ZPO. Dies ergibt

sich zum andern aus dem Gesetzeszweck der erhöhten

Vergleichsgebühr nach § 23 Abs.1 Satz 1 BRAGO (s.o): Denn wenn das

Gericht nach Prüfung sämtlicher Vorrausetzungen Prozeßkostenhilfe

für eine Klage bewilligt hat, kann ein Vergleich eine auf das

PKH-Verfahren bezogene Entlastung des Gerichts nicht mehr bewirken,

auch wenn er vor Anhängigkeit eines gerichtlichen (Haupt-)

Verfahrens durch Einreichung der Klage abgeschlossen wird. Der

Bonus unter dem Gesichtspunkt "Entlastung des Gerichts" wäre also

verfehlt.

Eine 15/10 Vergleichsgebühr scheidet daher im Rahmen der

Festsetzung der Anwaltsvergütung im PKH-Verfahren nach § 128 Abs.1

BRAGO grundsätzlich aus. Denn vergütet werden kann nur eine

Anwaltstätigkeit, für die der Anwalt im Prozeßkostenhilfeverfahren

beigeordnet worden ist (§ 122 BRAGO). Ist dies ein - gerichtlicher

oder außergerichtlicher - Vergleich, bezieht sich das PKH-Verfahren

hierauf, so daß nach § 23 Abs.1 Satz 3 2.Halbsatz BRAGO die erhöhte

Vergleichsgebühr nach § 23 Abs.1 Satz 1 BRAGO nicht entsteht.

Da das Familiengericht die PKH-Bewilligung und die Beiordnung

des Rechtsanwalts durch Beschluß vom 15. Oktober 1995 ausdrücklich

auch auf den außergerichtlichen Vergleich bezogen hat, bedarf die

Frage, ob für den Rechtsanwalt eine Vergleichsgebühr für einen

außergerichtlichen Vergleich aus der Landeskasse festgesetzt werden

kann, wenn sich die PKH-Bewilligung und Beiordnung lediglich auf

Prozeßführung wegen des Gegenstandes des Vergleichs bezieht (vgl.

hierzu OLG Köln JurBüro 1994, 605 m.w.N.), vorliegend keiner

Beantwortung.

Einer Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt.






OLG Köln:
Beschluss v. 12.09.1996
Az: 14 WF 147/96


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