Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. März 2011
Aktenzeichen: 8 W (pat) 310/06
(BPatG: Beschluss v. 24.03.2011, Az.: 8 W (pat) 310/06)
Tenor
1.
Der Einspruch der Einsprechenden IV wird als unzulässig verworfen.
2.
Das Patent wird widerrufen.
Gründe
I.
Das Patent DE 102 35 220 (Streitpatent) mit der Bezeichnung "Verfahren zum Herstellen einer Dichtung, insbesondere für die Abdichtung einer Fensterscheibe eines Kraftfahrzeugs, und eine solche Dichtung" ist am 1. August 2002 angemeldet und die Erteilung am 15. September 2005 veröffentlicht worden.
Am 14. Dezember 2005 hat die Einsprechende I, und jeweils am 15. Dezember 2005 haben die Einsprechenden II, III und IV Einspruch erhoben.
Die Einsprechenden stützen sich dabei unter anderem auf folgende Druckschriften:
D1: EP0270337B1 D2: DE 199 11 424 A1.
Die Einsprechende I führt in der mündlichen Verhandlung aus, dass der erteilte Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht patentfähig sei. Gegenüber einer geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung seien die Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche 1 und 7 nicht mehr neu. Auch die erfinderische Tätigkeit sei gegenüber dem druckschriftlichen Stand der Technik nicht gegeben. Zudem liege der Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung vor, da eine Dichtung nach Anspruch 7 des erteilten Patents so nicht in den ursprünglichen Unterlagen offenbart sei.
Die Einsprechende II sieht ebenfalls bereits die Neuheit des Gegenstands des Streitpatents insbesondere gegenüber der D1 (EP 0 270 337 B1) für nicht gegeben an. Die Einsprechende II macht ferner geltend, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung gegenüber den Ursprungsunterlagen unzulässig erweitert sei.
Die fehlende Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit des Streitpatentgegenstands wird auch seitens der Einsprechenden III geltend gemacht. Als weitere Widerrufsgründe werden die unzulässige Erweiterung des Anspruchs 7 und die unvollständige Offenbarung der Erfindung genannt (§ 21 (1) Nr. 4 und 2 PatG).
Der am 15. Dezember 2005 eingegangene Einspruch der anwaltlichen Vertreter der Einsprechenden IV "Namens und im Auftrage" der -mit Schriftsatz vom 16. April 2007 als richtigerweise bezeichneten -Firma G... Inc. S... D..., USA (später: H..., Inc.)
führt ebenfalls die drei Widerrufsgründe nach § 21 (1) Nr. 1, 2 und 4 PatG an und gibt die erforderlichen Tatsachen hierzu an.
Mit Schriftsatz vom 22. März 2007 hat die Patentinhaberin geltend gemacht, sie habe auch unter Zuhilfenahme einer Wirtschaftsdatenbank und anderer Recherchen keine Hinweise auf die vorgenannte Gesellschaft unter der Anschrift in D... und ihren gesetzlichen Vertreter erhalten. Daraufhin haben die anwaltlichen Vertreter der Einsprechenden IV Unterlagen über die Gründung der Gesellschaft ("certificate of incorporation") und Kopien von zwei (nach ihren Angaben im Original) schriftliche Vollmachten vorgelegt, in denen auch das Aktenzeichen des vorliegenden Verfahrens aufgeführt ist. Eine dieser Vollmachten enthält unter der maschinenschriftlich eingefügten Bezeichnung "G... Inc." Eine Unterschrift, unter der handschriftlich "T... PRESIDENT" mit einem unleserlichen Zusatz eingefügt ist, die andere enthält eine Unterschrift, unter der ebenfalls handschriftlich eingefügt ist: "D1... 11-06-07". Außerdem haben die anwaltlichen Vertreter der Einsprechenden Kopien von Schriftstücken eingereicht, die überschrieben sind mit
"G... INC. Unanimous Written Consent of the Board of Directors In Lieu of Meeting June 6, 2007"
und in denen nach dem Inhalt der Urkunde bestellt wurden:
"T... President A... Treasurer and Secretary D1... Vice President."
Eine dieser Kopien trägt eine Unterschrift, die ausweislich des darunter stehenden maschinenschriftlichen Textes von "R..., Director" stammt, die andere eine solche von "G..., Director". Der Text der Schriftstücke wird mit dem Satz eingeleitet: "The undersigned, being the all of the members of the Board of Directors of G...INC."
Die anwaltlichen Vertreter der Einsprechenden IV haben mit Schriftsatz vom 25. April 2008 weiterhin mitgeteilt, die Bezeichnung der Einsprechenden habe sich in "H... Inc." geändert und ein "Certificate of Amendment" mit der Unterschrift eines Herrn "R..., President" sowie eine Bestätigung des Secretary of State von D... vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom 2. Juni 2008 haben die Vertreter der Einsprechenden IV ihren ursprünglich gestellten Antrag auf hilfsweise Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen. Auf Rückfrage des Senats haben sie mit Schreiben vom 26. Juni 2009 bestätigt, dass sie den für die Einsprechende gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgezogen haben und es dabei bleiben soll. Eine Teilnahme an einer etwaigen Verhandlung sei auch nicht beabsichtigt, da sie nicht mandatiert seien, sich zu den Unklarheiten hinsichtlich des Nachweises der Bevollmächtigung etwa durch Erklärungen oder Genehmigungen seitens des zuletzt genannten Präsidenten R... in den beim 8. Senat anhängigen Verfahren zu äußern.
Die Patentinhaberin hat den Mangel der Vollmacht der anwaltlichen Vertreter der Einsprechenden IV gerügt (Schriftsatz vom 1. August 2007). Sie ist der Ansicht, das Vorbringen der Einsprechenden IV und die von ihr vorgelegten Unterlagen reichten nicht aus, die Legitimation der für die G... Inc. handelnden Personen und damit auch die Bevollmächtigung der anwaltlichen Vertreter der Einsprechenden lückenlos nachzuweisen. Zur Unterstützung ihrer Auffassung hat sie Kopien der Beschlüsse des 9. Senats des Bundespatentgerichts vom 8. Juli 2008 (9 W (pat) 345/05) und des 7. Senats vom 12. November 2008 (7 W (pat) 357/05) vorgelegt, auf die Bezug genommen wird. Überdies sei nicht erwiesen, dass es sich bei den Herren N... und P... tatsächlich um den Präsidenten und Vizepräsidenten und bei den Herren W... und P... tatsächlich um Aufsichtsräte der Einsprechenden IV gehandelt habe.
Die Patentinhaberin widerspricht im Übrigen auch dem Vorbringen der Einsprechenden I bis III und führt an, dass die unabhängigen Gegenstände des erteilten Patents sowohl neu seien als auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten. Auch seien sie in den ursprünglichen Unterlagen offenbart und auch so klar und vollständig beschrieben, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Sie legt zuletzt in der mündlichen Verhandlung neue Hilfsanträge 1 bis 3 vor, mit denen sie das Patent hilfsweise verteidigt.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag und erteiltem Patent lautet:
"Verfahren zum Herstellen einer Dichtung, insbesondere für die Abdichtung einer Fensterscheibe (33) eines Kraftfahrzeugs (30), bei dem ein strangförmiger Dichtungskörper (10) in einem Extrusionsprozess aus einer im erwärmten Zustand formbaren Formmasse extrudiert wird und ein Dekorkörper (20), der eine Dekorfläche (21) aufweist, die sich parallel zu einer Außenfläche (11) des Dichtungskörpers (10) erstreckt, mit dem Dichtungskörper (10) während des Extrusionsprozesses verbunden wird, wobei die Dekorfläche (21) während des Extrusionsprozesses von der Außenfläche (11) durch eine aus der Formmasse gebildete Haut (13) beabstandet im Inneren des Dichtungskörpers (10) angeordnet wird, dadurch gekennzeichnet, dass der Dichtungskörper (10) mit einer Befestigungsschicht (12), die aus einem härteren Werkstoff als der Dichtungskörper (10) besteht und an welcher der Dekorkörper (20) angeordnet wird, koextrudiert wird."
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist identisch mit dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag. Der Hilfsantrag 1 unterscheidet sich im Rahmen der Patentansprüche lediglich dadurch, dass in Patentanspruch 7 die Passage "oder einem Elastomer" gegenüber der erteilten Fassung entfernt ist.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet:
"Verfahren zum Herstellen einer Dichtung, insbesondere für die Abdichtung einer Fensterscheibe (33) eines Kraftfahrzeugs (30), bei dem ein strangförmiger Dichtungskörper (10) in einem Extrusionsprozess aus einer im erwärmten Zustand formbaren Formmasse extrudiert wird, wobei der Dichtungskörper (10) mit einer kanalförmigen Ausnehmung (16) versehen wird, die auf einen Flansch (34) aufsteckbar ist, während des Extrusionsprozesses mit einem eine im Querschnitt annähernd U-förmige Ausgestaltung aufweisenden Träger (22), der aus Kunststoff oder Metall besteht und den Dichtungskörper (10) im Bereich der Ausnehmung (16) armiert, und einem Dekorkörper (20), der eine Dekorfläche (21) aufweist, die sich parallel zu einer Außenfläche (11) des Dichtungskörpers (10) erstreckt, verbunden wird, wobei die Dekorfläche (21) während des Extrusionsprozesses von der Außenfläche (11) durch eine aus der Formmasse gebildete Haut (13) beabstandet im Inneren des Dichtungskörpers (10) angeordnet wird, wobei der Dichtungskörper (10) mit einer Befestigungsschicht (12), die aus einem härteren Werkstoff als der Dichtungskörper (10) besteht und mit welcher der Dekorkörper (20) stoffschlüssig verbunden wird, koextrudiert wird und wobei die Befestigungsschicht von dem Träger (22) beabstandet im Bereich der Außenfläche (11) angeordnet wird."
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheidet sich vom Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 lediglich dadurch, dass die Passage "von dem Träger (22) beabstandet" (letzter Nebensatz des vorstehenden Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2) nun nicht mehr enthalten ist.
Die in der mündlichen Verhandlung anwesenden Einsprechenden I bis III stellen den Antrag, das Patent zu widerrufen.
Ergänzend stellt die Einsprechende III den Antrag, die mit Schriftsatz der Patentinhaberin vom 17.3.2011 vorgelegten Unterlagen zurückzuweisen und nicht zum Verfahren zuzulassen, hilfsweise die mündliche Verhandlung zu vertagen und die durch die Vertagung entstehenden Kosten des Verfahrens der Patentinhaberin aufzuerlegen, weiter hilfsweise die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag, den Einspruch der Einsprechenden IV als unzulässig zu verwerfen und das Patent aufrechtzuerhalten, hilfsweise das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüchen 1 -11 gemäß Hilfsantrag 1, im Übrigen gemäß Patentschrift beschränkt aufrechtzuerhalten, weiter hilfsweise das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüchen 1 -9 gemäß Hilfsantrag 2, den am 17. März 2011 eingegangenen Beschreibungsseiten 2 bis 4, im Übrigen gemäß der Patentschrift beschränkt aufrechtzuerhalten, weiter hilfsweise das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüchen 1 -9 gemäß Hilfsantrag 3, einer noch anzupassenden Beschreibung, im Übrigen gemäß der Patentschrift beschränkt aufrechtzuerhalten.
Hinsichtlich der weiteren Patentansprüche gemäß Hauptund Hilfsanträgen sowie weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte sowie die Patentschrift verwiesen.
II.
1.
Über die Einsprüche, die nach dem 1. Januar 2002 und vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden sind, hat der zuständige Technische Beschwerdesenat gemäß § 147 Abs. 3 PatG a. F. zu entscheiden, da die mit der Einlegung der Einsprüche begründete Entscheidungsbefugnis durch die spätere Aufhebung der Vorschrift nicht entfallen ist (vgl. auch BGH -Informationsübermittlungsverfahren I und II -GRUR 2007, 859, 861 und 862 ff.; bestätigt durch BGH -Ventilsteuerung -GRUR 2009, 184 -185).
2.a Der Einspruch der Einsprechenden IV ist als unzulässig zu verwerfen, weil die für sie als Inlandsvertreter auftretenden Anwälte nicht gemäß § 25 PatG in Verbindung mit § 97 Absätze 2, 3 und 6 PatG ihre ordnungsgemäße Bevollmächtigung dargelegt und nachgewiesen haben, nachdem die Patentinhaberin den Mangel der Vollmacht gerügt hat.
Der Vollmachtsnachweis ist dabei in der Weise zu führen, dass die Vertretungsmacht bis auf die Einsprechende zurückgeführt werden kann (OLGR Saarbrücken 2008, 641 -643). Ist die Vollmacht von einem Vertreter einer Partei unterzeichnet worden, so ist der Nachweis der Vertretungsmacht dieses Vertreters Teil des Nachweises der Vollmacht (Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Auflage 2004, § 80 Rdn. 27). Die anwaltlichen Vertreter der Einsprechenden IV haben indessen weder einen Nachweis dafür erbracht, dass die Personen, die die in Kopie eingereichten Vollmachtsurkunden unterzeichnet haben, selbst von den hierfür zuständigen Vertretern der Gesellschaft wirksam bevollmächtigt waren, noch haben sie belegt, dass die Einlegung des Einspruchs zu einem noch späteren Zeitpunkt genehmigt worden ist.
Aus den von der Einsprechenden IV in Kopie vorgelegten Unterlagen geht hervor, dass aufgrund eines einstimmigen schriftlichen Beschlusses eines "Board of Directors" vom 6. Juni 2007, unterzeichnet von "R..., Director" und von "G..., Director", die Herren T... und D1... als President und Vice President der G... Inc. bestellt worden sind, und dass die letztgenannten Personen die vorgelegten Vollmachten der anwaltlichen Vertreter der Einsprechenden unterzeichnet haben. Die Vertretungsmacht der für eine nach den Vorschriften des Delaware General Corporation Law errichteten Gesellschaft richtet sich grundsätzlich nach dem entsprechenden amerikanischen Recht (siehe auch BGH NJW 1990, 3088). Im Regelfall steht den Mitgliedern des "Board of Directors" einer solchen Gesellschaft nach Section 141 des Delaware General Corporation Law Gesamtvertretungsmacht zu, und sie sind auch im Rahmen dieser Gesamtvertretungsmacht befugt, gemeinschaftlich den Präsidenten und Vizepräsidenten als mit der Führung der laufenden Geschäfte beauftragte "executive officers" zu ernennen. Weiterhin kann der Präsident einer solchen Gesellschaft diese üblicherweise im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsgangs vertreten (vgl. Report 2001/4 des Deutschen Notariatsinstituts "USA/Delaware; Vertretung einer corporation" vom Februar 2001 m. w. N.). Voraussetzung hierfür ist aber, dass der Präsident von den hierzu ermächtigten Vertretern der Gesellschaft wirksam bestellt worden ist, was die Patentinhaberin bestritten hat.
Die in Form von Kopien vorgelegten Unterlagen über die Entscheidung des "Board of Directors" vom 6. Juni 2007 reichen für sich allein als Nachweis der Vertretungsmacht der Direktoren zur Bestellung des Präsidenten nicht aus. Vielmehr hätte substantiiert dargelegt und belegt werden müssen, dass die Herren W... und P... ihrerseits von den hierzu ermächtigten Vertretern der Gesellschaft als Mitglieder des "Board of Directors" bestellt worden waren.
Der Wortlaut des "certificate of incorporation" gibt keine Hinweise auf die Bestellung der Herren W... und P... als Mitglieder des "Board of Directors". Die Einsprechende IV hat auch nichts vorgetragen, was darauf schließen lässt, dass die Direktoren W... und P... nach Sections 107 und 108 des Delaware General Corporation Law und dem Gesellschaftsstatut von dem Gründer ("incorporator") oder von den von diesem bestellten "initial directors" oder zu einem späteren Zeitpunkt von hierfür zuständigen Vertretern der Einsprechenden wirksam bestellt und zur Ernennung der "executive officers" der Gesellschaft ermächtigt worden sind. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob ein entsprechender Sachvortrag mit einer eidesstattlichen Versicherung oder "affidavit" (BGH NJW 1992, 627, 628) zum Nachweis der Vertretungsmacht ausgereicht hätte.
Schließlich ist auch weder vorgetragen noch aus dem von dem Präsidenten der H... Inc. am 14. Januar 2008 unterzeichneten Schriftstück über die Änderung der Bezeichnung der Einsprechenden ersichtlich, dass die Einlegung des Einspruchs nachträglich genehmigt worden wäre.
Nachdem die Frage der wirksamen Bevollmächtigung zwischen den Beteiligten in mehreren Verfahren kontrovers diskutiert, die Einsprechende bzw. die für sie auftretenden Vertreter durch einen Bescheid des 9. Senats im Verfahren 9 W (pat) 345/05 auf die Notwendigkeit ergänzenden Vorbringens und weiterer Belege hingewiesen worden sind und nachdem (auch vom erkennenden Senat) bereits vier von den gleichen Vertretern ebenfalls für die G... ... bzw. H...
..., Inc. erhobene Einsprüche gegen Patente der gleichen Patentinhaberin als unzulässig verworfen worden sind (BPatG, 9. Sen., v. 8.7.08 (9 W (pat) 345/05);
7. Sen. v. 12.11.08 (7 W (pat) 357/05); 8. Sen. jeweils v. 10.9.09 (8 W (pat) 338/06 und 8 W (pat) 339/06)), bestand keine Veranlassung, den Vertretern der Einsprechenden auch in diesem Verfahren ausdrücklich nahezulegen, eine ergänzende Stellungnahme abzugeben und weitere Unterlagen vorzulegen. Denn die Einsprechende bzw. die für sie auftretenden Vertreter haben hinsichtlich des vorliegenden Verfahrens nach Rückfrage und durch die Eingabe vom 26. Juni 2009 zu erkennen gegeben, dass die anwaltlichen Vertreter auf Grund der Weisung der Einsprechenden weder willens noch in der Lage sind, die in den beim 8. Senat anhängigen Einspruchsverfahren aufgetretenen Zweifel am Nachweis der Bevollmächtigung etwa durch Vorlage von Erklärungen oder Genehmigungen seitens des neuen Präsidenten der Einsprechenden IV auszuräumen und den Mangel rückwirkend zu heilen.
Da die Patentinhaberin die Rüge des fehlenden Nachweises der Vollmacht weiter aufrecht erhält, gehen die verbleibenden Zweifel bzw. das Fehlen von Erklärungen und Belegen zu Lasten der Einsprechenden. Ihr Einspruch war damit als unzulässig zu verwerfen.
2.b Die drei fristund formgerecht eingegangenen Einsprüche der Einsprechenden I bis III sind jeweils substantiiert auf einen der Einspruchsgründe gemäß § 21 PatG gerichtet und daher zulässig. Sie sind auch sachlich gerechtfertigt, denn sie führen zum Widerruf des Patents.
3.
Der Patentgegenstand betrifft ein Verfahren zum Herstellen einer Dichtung, bei dem ein strangförmiger Dichtungskörper in einem Extrusionsprozess erzeugt wird und noch während der Extrusion mit einem Dekorkörper verbunden wird. Derartige Dichtungen werden beispielsweise für die Abdichtung von Fensterscheiben bei Kraftfahrzeugen eingesetzt und erfüllen neben der reinen Dichtfunktion zusätzlich auch die Funktion eines Dekorbzw. Designelements.
Aus dem Stand der Technik sind gattungsgemäße Verfahren bekannt, die jedoch nach den Ausführungen im Streitpatent nicht den notwendigen Anforderungen genügen, die an diese Dichtungen zu stellen seien. Deshalb liegt der Streitpatentschrift nach Absatz [0006] die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zu schaffen, durch das sich auf kostengünstige Weise Dichtungen herstellen lassen, die einfach zu montieren und mit unterschiedlichen Dekorkörpern versehbar sind. Außerdem soll eine entsprechende Dichtung angegeben werden.
3.1 Zur Lösung der Aufgabe schlägt das Streitpatent gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ein Verfahren vor, das sich in folgende Merkmale gliedern lässt:
1.1 Gegenstand ist ein Verfahren zum Herstellen einer Dichtung, insbesondere für die Abdichtung einer Fensterscheibe eines Kraftfahrzeugs.
1.2 Es wird ein strangförmiger Dichtungskörper in einem Extrusionsprozess aus einer im erwärmten Zustand formbaren Formmasse extrudiert.
1.3 Ein Dekorkörper wird mit dem Dichtungskörper während des Extrusionsprozesses verbunden.
1.3.1 Der Dekorkörper weist eine Dekorfläche auf, die sich parallel zu einer Außenfläche des Dichtungskörpers erstreckt.
1.3.2 Die Dekorfläche wird während des Extrusionsprozesses von der Außenfläche durch eine aus der Formmasse gebildete Haut beabstandet im Inneren des Dichtungskörpers angeordnet.
1.4 Der Dichtungskörper wird mit einer Befestigungsschicht, an welcher der Dekorkörper angeordnet wird, koextrudiert.
1.4.1 Die Befestigungsschicht besteht aus einem härteren Werkstoff als der Dichtungskörper.
Die Formulierung bzw. der Aufbau des Patentanspruchs sind nicht in allen Belangen ganz eindeutig. So wird in Merkmal 1.2 von einer Formmasse gesprochen, aus der ein strangförmiger Dichtungskörper extrudiert wird, während der eigentliche Sachverhalt erst in Merkmal 1.4 präzisiert ist, wonach tatsächlich eine Koextrusion von Dichtungskörper und Befestigungsschicht stattfindet. Somit entnimmt ein Fachmann, der hier als Diplom-Ingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau oder Kunststofftechnik angesehen wird, der bereits mehrere Jahre betriebliche Praxis aufweist und spezifische Erfahrungen im Bereich der Extrusionstechnik von Dichtungskörpern besitzt, dem Patentanspruch 1, dass durch die Koextrusion zweier Formmassen der Dichtungskörper im Verbund mit der Befestigungsschicht entsteht. Der Patentanspruch 1 lässt auch keine Interpretation in dem Sinne zu, dass mit dem Begriff "Koextrusion" eine Extrusion einer plastischen Masse mit einem strangförmig eingebundenen Festkörper im Sinne einer "Laminierung" oder "Einbettung" gemeint sein könnte. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus der Patentschrift, da die Verbindung des Dichtungskörpers mit einem als separates Bauteil bezeichneten Dekorkörper explizit als Extrusion bezeichnet ist (Absatz [0008]).
Wesentlich ist nach dem Verfahren des Anspruchs 1, dass während der Koextrusion eines (weicheren) Dichtungskörpers mit einer härteren Befestigungsschicht (Merkmal 1.4.1) ein Dekorkörper mit dieser Befestigungsschicht verbunden wird (Merkmal 1.3 i. V. m. 1.4). Da dieser Vorgang während des Koextrusionsprozesses stattfindet, erfolgt die Vereinigung der drei "Komponenten" Dichtungskörper, Befestigungsschicht und Dekorkörper noch im Koextrusionswerkzeug, zumal der Dekorkörper auch im Inneren des Dichtungskörpers angeordnet ist und durch eine aus der Formmasse des Dichtungskörpers gebildete Haut von der Außenfläche beabstandet ist (Merkmal 1.3.2).
Mit der Befestigungsschicht gemäß der Merkmale 1.4 und 1.4.1 des Patentanspruchs 1 ist eine Schicht anzusehen, die allgemein der Befestigung des Dekorkörpers dient. Sie ist nicht auf eine erkennbar stabile und selbst tragende Schicht bzw. ein entsprechendes Bauteil umfassendes Element beschränkt, an der beispielsweise eine Dekorfolie angebracht werden kann, wie dies im Ausführungsbeispiel der Figur 5 und der dazugehörigen Beschreibung zum Ausdruck kommt. In den Patentansprüchen ist eine entsprechende Beschränkung auf einen derartigen Formkörper nicht vorgenommen. Demzufolge ist der Begriff "Befestigungsschicht" gemäß dem allgemeinen Wortsinn aufzufassen.
3.2 Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 lässt sich in folgende Merkmale gliedern:
1.1 Gegenstand ist ein Verfahren zum Herstellen einer Dichtung, insbesondere für die Abdichtung einer Fensterscheibe eines Kraftfahrzeugs.
1.2 Es wird ein strangförmiger Dichtungskörper in einem Extrusionsprozess aus einer im erwärmten Zustand formbaren Formmasse extrudiert.
1.3 Der Dichtungskörper wird während des Extrusionsprozesses mit einem Dekorkörper und einem Träger verbunden.
1.3.1 Der Dekorkörper weist eine Dekorfläche auf, die sich parallel zu einer Außenfläche des Dichtungskörpers erstreckt.
1.3.2 Die Dekorfläche wird während des Extrusionsprozesses von der Außenfläche durch eine aus der Formmasse gebildete Haut beabstandet im Inneren des Dichtungskörpers angeordnet.
1.3.3 Der Dichtungskörper wird mit einer kanalförmigen Ausnehmung versehen, die auf einen Flansch aufsteckbar ist.
1.3.4 Der Träger weist eine im Querschnitt annähernd U-förmige Ausgestaltung auf.
1.3.5 Der Träger besteht aus Kunststoff oder Metall.
1.3.6 Der Träger armiert den Dichtungskörper im Bereich der Ausnehmung.
1.4 Der Dichtungskörper wird mit einer Befestigungsschicht, mit welcher der Dekorkörper stoffschlüssig verbunden wird, koextrudiert.
1.4.1 Die Befestigungsschicht besteht aus einem härteren Werkstoff als der Dichtungskörper.
1.4.2 Die Befestigungsschicht wird im Bereich der Außenfläche angeordnet.
1.4.3 Die Befestigungsschicht ist von dem Träger beabstandet.
Die durchgehend unterstrichenen Merkmale oder Passagen sind gegenüber dem Patentanspruch 1 des Hauptantrags hinzugefügt, die unterbrochen unterstrichene Passage ist geändert.
4. Die jeweiligen Patentansprüche 1 nach Hauptund Hilfsanträgen mögen ursprünglich offenbart und damit zulässig sein, ihre Gegenstände sind auch zweifellos gewerblich anwendbar. Sie mögen auch jeweils neu sein, sie beruhen jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
4.1 Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag Aus der Entgegenhaltung EP 0 270 337 B1 (D1) ist ein Verfahren bekannt, bei dem längliche Formteile (elongated molding members) für Kraftfahrzeuge hergestellt werden. Diese Formteile können unter anderem Windschutzscheiben-Formleisten oder -Einfassungen (windshield moldings) oder rückwärtige Scheibeneinfassungen (back window moldings) von Kraftfahrzeugen sein, wie sie in der Beschreibungseinleitung (Sp. 1, Z. 7 ff.) beschrieben sowie in den Figuren 1 bis 11 gezeigt sind. In dem Dokument D1 ist zwar der Begriff "Dichtung" nicht enthalten, es handelt sich jedoch in den Ausführungsbeispielen der genannten Figuren offensichtlich um Scheibeneinfassprofile von Kraftfahrzeugfenstern (Bezugszeichen 2 und 3 in den Figuren 1 und 2 i. V. m. insbesondere den Figuren 6, 8 und 9), die zweifelsfrei auch die Funktion einer Dichtung übernehmen und von einem Fachmann eindeutig als solche Scheibendichtprofile angesehen werden. Damit ist das Merkmal 1.1 des Anspruchs 1 nach Hauptantrag entsprechend der Merkmalsgliederung zu entnehmen.
Die Druckschrift D1 beschreibt das zugrundeliegende Verfahren im Patentanspruch 8, wobei ein längliches Kernelement (core element 12 in den Patentansprüchen, oder auch Metallschiene, metal plate oder core metal plate 12 in der Beschreibung; entsprechend Dekorkörper beim Streitpatent) mit einem streifenförmigen dekorativen Abschnitt (15, entsprechend Dekorfläche) in Verbindung mit einem Klebermaterial, das am Dekorkörper angebracht wird, mit einem Überzugselement (13, entsprechend Dichtungskörper) durch einen Extrusionsprozess überzogen wird. Durch die Extrusion einer Kunstharzmasse um das den Dekorkörper darstellende Kernelement entsteht somit ein Verbundkörper (14) aus Dichtund Dekorkörper. Damit sind auch die Merkmale 1.2 und 1.3 offenbart. Der streifenförmige dekorative Abschnitt (15) erstreckt sich gemäß den Ausführungsbeispielen der Figuren 6 bis 9 auch parallel zu einer Außenfläche des Dichtungskörpers und wird mit einer dünnen Schicht des Überzugselements (13) auf der Außenseite überzogen (trennbarer Abschnitt 18 gemäß Patentanspruch 8, s. a. Figuren). Dadurch wird der dekorative Abschnitt (15) von der Außenfläche durch eine aus der Formmasse gebildete dünne Schicht beabstandet im Inneren des Überzugselements angeordnet. Da die dünne Schicht als trennbarer Abschnitt (18) bezeichnet ist und abschließend auch zum Freilegen der Dekorfläche abgezogen wird, entspricht dieser Abschnitt einer "Haut". Damit sind die Merkmale 1.3.1 sowie 1.3.2 des Anspruchs 1 nach Hauptantrag aus D1 bekannt.
Der in der D1 als Kernelement bezeichnete Dekorkörper wird an mindestens einer Seite des streifenförmigen dekorativen Abschnittes (15) mit einer Kleberschicht (16) versehen, bevor Kernelement mit Kleberschicht der Extrusionsform zugeführt wird (Patentanspruch 8). Die Kleberschicht ist in ihrer Funktion eindeutig als eine Befestigungsschicht anzusehen, die den Verbund von Kernelement und Überzugsschicht herstellt bzw. verbessert. Dies ist insbesondere der Beschreibung in Spalte 5, Zeilen 54 ff. zu entnehmen, wonach der Dichtungskörper fest haftend an die Metallschiene befestigt wird ("... the cover element 13 is firmly adhered to the entire surface of the metal plate ..."). Die Kleberschicht dient dabei im eigentlichen Wortsinn als Befestigungsschicht (vgl. Ausführungen in Kap. 3.1, S. 16, hierzu). Im Gegensatz zu Merkmal 1.4 wird die Befestigungsschicht jedoch nicht mit dem Dichtungskörper koextrudiert. Obwohl der Begriff "Koextrusion" in der D1 an drei Stellen verwandt wird, handelt es sich dort nicht um den weitgehend gleichzeitigen und örtlich zusammenliegenden Austrag zweier (oder mehrerer) zusammengeführter plastischer Massen, wie der hier angesprochene Fachmann das Verfahren der Koextrusion auffassen würde, sondern um die Extrusion von lediglich einer Masse (Kunstharzmaterial für Überzugselement, Patentanspruch 8) in Verbindung mit dem gleichzeitigen Durchsatz und Umhüllung eines Festkörpers ("... synthetic resin material is coextruded around the core element to form an elongate composite body.", Sp. 1, Z. 29 ff.). Damit handelt es sich fachmännisch gesehen um eine "Laminierung" oder "Ummantelung / Einbettung" eines strangförmigen Körpers durch die Extrusion einer plastischen Masse.
Der in Merkmal 1.4 verwendete Begriff "Anordnen" (Dekorkörper wird an Befestigungsschicht angeordnet) unterscheidet sich dabei sinngemäß nicht von der Ausdrucksweise in der D1 (Anbringen eines Klebermaterials am Kernelement), da in beiden Fällen weitgehend plastische Materialien in Kontakt mit einem strangförmigen Festkörper gebracht bzw. auf diesen aufgebracht werden. Hierin ist kein verfahrenstechnischer Unterschied zu sehen. Somit ist aus der D1 die Koextrusion von Dichtungskörper und Befestigungsschicht im Sinne des Streitpatents gemäß Merkmal 1.4 nicht beschrieben.
In der D1 ist als weiterer Unterschied zum Streitpatent nicht ausdrücklich erwähnt, dass die Befestigungsschicht (nach dem Aushärten) aus einem härteren Werkstoff besteht als der Dichtungskörper. Über die mechanischen Eigenschaften der Komponenten Kunstharzund Klebermaterial für die äquivalenten Dichtungskörper und Befestigungsschicht ist in der D1 nichts ausgesagt.
Anregungen zur Verfahrenstechnik des Aufbringens der Kleberschicht sowie zur Verwendung eines geeigneten Klebewerkstoffs kann der Fachmann der Druckschrift DE 199 11 424 A1 (D2) entnehmen. Die D2 offenbart ebenfalls verschiedene Dichtungsprofile für Kraftfahrzeuge. Diese betreffen ebenfalls Scheibeneinfassprofile, bei denen metallische Verstärkungseinlagen in einen Profilkörper aus Kunstharz eingebettet und mit diesem zu einem einteiligen Ganzen verbunden werden (Sp. 1, Z. 5 -11). Gleichzeitig wird auch in der D2 die metallische Einlage als Dekorelement teilweise freigelassen (Sp. 1, Z. 61 bis Sp. 2, Z. 4). Das Zusammenfügen von Dekorkörper und Dichtungskörper erfolgt durch Extrusion (Merkmal 1.3) und als Zwischenschicht zwischen dem Dichtungskörper (Profilkörper 25 oder Stützabschnitt 26) und der metallischen Verstärkungseinlage 28 gemäß den Ausführungen zum Ausführungsbeispiel der Figur 5 (Sp. 4, Z. 40 ff.) dient ebenfalls eine Kleberharzschicht (29). Diese Schicht ist dazu vorgesehen, eine wirksame Verbindung mit dem Metall herzustellen und dient somit der Befestigung bzw. der Anbindung des metallischen Dekorkörpers mit dem Dichtungskörper. Dabei ist für die Kleberharzschicht eine polare Gruppe mit thermoplastischer Harzverbindung vorgesehen (Sp. 3, Z. 60 ff.), während über das Material des Dichtungskörpers (Profilkörper 1) ausgeführt ist, dass hierzu "eine thermoplastische elastomere Olefinharzverbindung oder eine thermoplastische elastomere Styrolharzverbindung usw." verwendet wird. Ein derart näher spezifizierter Kleber wie beispielsweise ein "Ethylen-Methacrylsäure-Mischpolymerisat" "in Form einer thermoplastischen Harzverbindung" weist (im ausgehärteten Zustand) jedenfalls eine höhere Härte als ein elastomerer Olefinoder Styrolwerkstoff auf, aus dem der Dichtungskörper hergestellt ist. Demzufolge entnimmt der Fachmann hieraus das Merkmal 1.4.1 des Anspruchs 1. Darüber hinaus wählt der Fachmann bei der klebetechnischen Verbindung eines weichen Körpers (Elastomer) mit einem demgegenüber relativ harten Material (Metall) bereits aus fachlichen Erwägungen (Kontinuumsmechanik) einen Werkstoff aus, der in der Härte (Elastizitätsmodul) zwischen den beiden zu verbindenden Komponenten liegt, wobei ihm hierzu eine große Auswahl geeigneter Kleberverbindungen zur Verfügung steht.
Der verfahrenstechnische Auftrag der Kleberschicht erfolgt gemäß Patentanspruch 6 sowie insbesondere der Beschreibung zum Ausführungsbeispiel der Figur 6 der D2 derart, dass in einem ersten Extruder (15) die eingesetzte Kleberharzschicht aufgeschmolzen und über einen zweiten Extruder (16) das Olefinoder Styrolharzmaterial zur Ausbildung des Profilkörpers (Dichtungskörper) verarbeitet wird. Beide Materialströme werden "in die Pressform 17 geleitet", so dass demnach eine Koextrusion beider Massenströme unter gleichzeitiger Zuführung der metallischen Verstärkungseinlage (5) in einem Extrusionswerkzeug stattfindet. Der Begriff Koextrusion wird in der D2 zwar nicht verwandt, es handelt sich jedoch eindeutig um eine solche im bereits zuvor angesprochenen fachmännischen Sinne.
Der Fachmann zieht die Druckschrift D2 grundsätzlich mit in Betracht, weil sie direkt beim den Ausgangspunkt bildenden Gegenstand der D1 liegt. Im Hinblick auf die Verarbeitung eines derartigen Massenprodukts, wie es ein Dichtprofil an einem Kraftfahrzeug ist, ist der Fachmann stets bemüht, Verfahrensschritte zu vereinfachen bzw. zu optimieren, um Zeitund Kostenersparnis zu erreichen. Hierzu gibt die D2 einen eindeutigen Hinweis, da mit der gleichzeitigen Verarbeitung der beiden plastischen Komponenten Dichtungskörper und Befestigungsschicht (Kleberschicht) die bei der D1 in getrennten Schritten erfolgende Verarbeitung vereinfacht und gleichzeitig appliziert werden kann. Der Fachmann erkennt auch bei der Übertragung der Koextrusion aus der D2 auf das Verfahren nach der D1 kein Hindernis, das ihn davon abhalten könnte, diese Koextrusion dort ebenfalls anzuwenden. Somit ergibt sich der Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
4.2 Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1:
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist identisch mit dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag, daher gilt das unter 4.1 Gesagte in gleicher Weise für den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1.
4.3 Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2:
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 beruht ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die weiteren zur Beschränkung des Gegenstands hinzugefügten sowie geänderten Merkmale sind jeweils bereits aus der EP 0 270 337 B1 (D1) bekannt.
Die unter dem Kapitel 3.2 aufgeführte Merkmalsgliederung weist die hinzugefügten, beschränkenden Merkmale 1.3.3 bis 1.3.6 und 1.4.2 sowie 1.4.3 aus. Zusätzlich wurde das Merkmal 1.3 noch ergänzt, indem der Dichtungskörper nun während des Extrusionsprozesses neben dem Dekorkörper auch mit einem Träger verbunden wird. Dieser Träger ist im bereits herangezogenen Ausführungsbeispiel gemäß Figur 9 sowie der dazugehörigen Beschreibung der D1 offenbart (additional core element 23). Dieses weitere Kernelement weist eine im Querschnitt annähernd U-förmige Ausgestaltung auf (Merkmal 1.3.4). Aufgrund der Bezeichnung "weiteres Kernelement", der im Beispiel der Figur 8 alternativ ausgeführten "einteiligen" Bauweise in Verbindung mit dem metallischen Dekorkörper (längliches Kernelement 12) sowie der Zeichnungsdarstellung des Querschnitts in Figur 9 lässt sich aus fachmännischer Sicht schließen, dass der Träger aus Metall hergestellt ist (Merkmal 1.3.5). Der Dichtungskörper gemäß Figur 9 ist auch mit einer kanalförmigen Ausnehmung versehen, in die ein Flansch mit entsprechender Gegenkontur aufsteckbar ist (Merkmal 1.3.3), obwohl eine derartige Befestigung in der Beschreibung der D1 nicht explizit vorgesehen ist. Der (weitere) Träger im Ausführungsbeispiel der Figur 9 armiert dabei den Dichtungskörper im Bereich dieser Ausnehmung, so dass auch das Merkmal 1.3.6 aus der D1 bekannt ist.
Die als Befestigungsschicht anzusehende Kleberschicht mit dem Bezugszeichen 16 ist entsprechend Merkmal 1.4.2 auch im Bereich der Außenfläche angeordnet, da hiermit der Dekorkörper (Kernelement 12) mit Ausnahme des abziehbaren Bereichs auf der Dekorfläche (separable portion 18) beschichtet ist (Sp. 6, Z. 2 ff.). Diese um den Dekorköper liegende Befestigungsschicht ist dabei in der Ausführungsvariante nach Figur 9 auch beabstandet von dem als weiteren Kernelement bezeichneten Träger, somit ist das Merkmal 1.4.3 ebenfalls bekannt.
Die inhaltliche Änderung des Merkmals 1.4 des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2, wonach der Dekorkörper mit der Befestigungsschicht stoffschlüssig verbunden wird (gegenüber angeordnet in den vorhergehenden Anträgen), ist aus der D1 durch die Verklebung des Dekorkörpers ebenfalls bekannt. Das klebetechnische Fügen stellt geradezu eine exemplarische stoffschlüssige Verbindung dar.
Somit sind alle hinzugekommenen sowie veränderten Merkmale bereits aus der Druckschrift D1 entweder explizit oder implizit bekannt, so dass die erfinderische Tätigkeit entsprechend der Argumentation zum Patentanspruch 1 nach Hauptantrag zu beurteilen ist. Auf die entsprechend Ausführungen unter 4.1 wird verwiesen.
4.4 Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3:
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lediglich dadurch, dass ein Teilmerkmal gestrichen wurde ("von dem Träger (22) beabstandet"), wodurch ein beschränkendes Merkmal fehlt und somit der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 weiter gefasst ist als der des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2. Nachdem dieser bereits nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, gilt das Gleiche ebenfalls für den Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3.
5.
Nach Wegfall des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptund Hilfsanträgen sind aufgrund des Antragsprinzips auch die jeweiligen anderen Patentansprüche nicht rechtsbeständig.
Damit war das Patent zu widerrufen.
6.
Unter diesen Umständen braucht auf die von der Einsprechenden III ergänzend bzw. hilfsweise gestellten Verfahrensanträge nicht eingegangen zu werden.
Dr. Zehendner Dr. Huber Kätker Dr. Dorfschmidt Cl
BPatG:
Beschluss v. 24.03.2011
Az: 8 W (pat) 310/06
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/1861c326ed28/BPatG_Beschluss_vom_24-Maerz-2011_Az_8-W-pat-310-06