Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. September 2007
Aktenzeichen: 26 W (pat) 235/04

(BPatG: Beschluss v. 05.09.2007, Az.: 26 W (pat) 235/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die Eintragung der Marke 302 56 811 Conte de Riojafür die Waren

"Alkoholische Getränke, nämlich Weine, Sekt und Spirituosen aus dem Ursprungsgebiet Rioja; Werbung"

ist Widerspruch erhoben worden 1. aus der für die Waren der Klasse 33

"Vins et boissons alcoolisees (sauf bières)"

in Deutschland geschützten IR-Marke 655 291

(rouge, jaune et noir)

2. aus der für die Ware der Klasse 33

"Weine"

eingetragenen Gemeinschaftsmarke 226 118 Die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Widersprüche wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen (§ 43 Abs. 2 S. 2 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG). Zur Begründung hat sie ausgeführt, die jüngere, aus drei Wörtern bestehende Marke "Conte de Rioja" unterscheide sich insgesamt von den Widerspruchsmarken in jeder Richtung in ausreichendem Maße. Verwechslungsgefahr könne deshalb nur unter der Voraussetzung bestehen, dass die beiderseitigen Marken jeweils durch das in ihnen enthaltene Wort "Rioja" geprägt würden. Davon könne jedoch zumindest bei der angegriffenen Marke nicht ausgegangen werden, weil diese vom Verkehr als geschlossener Gesamtbegriff mit der Bedeutung "Graf von Rioja" gewertet werde. Für den Verkehr bestehe auf Grund der Tatsache, dass die Markenwörter in einheitlicher Farbgebung, enger einzeiliger Anordnung sowie einheitlicher Schriftart und -größe gehalten seien, keine Veranlassung, die angegriffene Marke unter willkürlicher Auflösung des Gesamtbegriffs auf den Bestandteil "Rioja" zu verkürzen.

Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie weist darauf hin, dass ihr der Schutz und die Verteidigung des im Verkehr für Weine bekannten Wortes "Rioja" als Kollektivmarke und geschützte Ursprungsbezeichnung obliege. Sie störe nicht die Verwendung des Wortes "Rioja" als Bezeichnung des betreffenden Herkunftsgebietes, sondern die Einbindung dieser Herkunftsbezeichnung in eine Marke. Gemäß Art. 4 Abs. 2 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Spanien über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geografischen Angaben beziehe sich der durch diesen Vetrag gewährte Schutz nicht nur auf die Verwendung des Wortes "Rioja" als separate Bezeichnung, sondern auch auf Angaben, die diese geschützte Bezeichnung enthielten. Bei der angegriffenen Marke handele es sich um eine solche kombinierte Bezeichnung, die von Art. 4 Abs. 2 des Vertrages erfasst werde. Auch bei dem Wortbestandteil "Conte" der angegriffenen Marke handele es sich um eine Anlehnung an eine der besten Weinlagen des Rioja, nämlich an die "Dominio de Conte", über die in Zeitschriften berichtet worden sei. Vor diesem Hintergrund betrachtet erscheine die angegriffene Marke als eine gezielte Ausbeutung von etablierten Qualitätsbegriffen. Die Markenstelle habe angesichts der Identität der Waren auch zu geringe Anforderungen an den Abstand der Marken gestellt. Angesichts der erheblichen Bekanntheit des Wortes "Rioja" und der augenfälligen Hervorhebung dieses Wortes innerhalb der Widerspruchsmarken werde der Verkehr eine gedankliche Verbindung zwischen den Widerspruchsmarken und der angegriffenen Marke herstellen.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den angegriffenen Beschluss der Markenstelle aufzuheben und wegen der Widersprüche die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffenen Beschlüsse für sachlich zutreffend. Bei der angegriffenen Marke handele es sich um eine Phantasiebezeichnung, die nicht der Widersprechenden zugeordnet werde. Weiterhin verweist sie darauf, dass unter der angegriffenen Marke gemäß der Fassung des Warenverzeichnisses nur Weine aus dem Ursprungsgebiet "Rioja" und daraus hergestellte alkoholische Getränke vertrieben würden.

II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden erweist sich als unbegründet. Zwischen der angegriffenen Marke und den Widerspruchsmarken besteht nicht die Gefahr von Verwechslungen i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr hat unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen, wobei eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren besteht, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Identität bzw. Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen, der Kennzeichnungskraft der älteren Marke sowie der Art des beteiligten Verkehrs und dessen zu erwartender Aufmerksamkeit gegenüber Warenkennzeichnungen, wobei ein geringerer Grad eines Faktors durch einen höheren Grad eines anderen Faktors ausgeglichen werden kann (EuGH GRUR Int. 1999, 734 - Lloyd/Loints; BGH GRUR 2005, 513 - Ella May/MEY). Eine gänzlich fehlende Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen kann allerdings nicht durch die anderen Tatbestandsmerkmale der Verwechslungsgefahr ausgeglichen werden (EuGH GRUR 1998, 922, 923, Nr. 22 - Canon).

Die Widersprüche, die sich gegen die Eintragung der angegriffenen Marke für alle Waren und Dienstleistungen richten, können - soweit sie sich gegen die Eintragung für die Dienstleistung "Werbung" richten - schon deshalb keinen Erfolg haben, weil es an einer Ähnlichkeit dieser Dienstleistung mit den Waren "Weine" und "alkoholische Getränke" fehlt. Angesichts der Tatsache, dass Werbeagenturen regelmäßig keine Weine erzeugen und vermarkten und Winzer, Winzergenossenschaften oder Weinfachgeschäfte regelmäßig keine Werbungsdienstleistungen für Dritte erbringen, kann im Verkehr nicht der unzutreffende Eindruck aufkommen, die fraglichen Waren und Dienstleistungen könnten auf einer selbständigen gewerblichen Tätigkeit desselben Unternehmens oder wirtschaftlich miteinander verbundener Unternehmen beruhen.

Soweit sich die Widersprüche gegen die Eintragung der angegriffenen Marke für die Waren "Alkoholische Getränke, nämlich Weine, Sekt und Spirituosen aus dem Ursprungsgebiet Rioja" richten, können sie keinen Erfolg haben, weil es an einer hinreichenden Ähnlichkeit der Marken fehlt.

Zwar bedarf es angesichts der weitgehenden identischen und im übrigen hochgradig ähnlichen Waren eines überdurchschnittlich deutlichen Abstands der Marken, den die angegriffene Marke gegenüber den Widerspruchsmarken jedoch in jeder Richtung einhält.

Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen wirkt. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (EuGH Mitt. 2005, 511, 512, Nr. 28 - THOMSON LIFE).

Als Ganzes unterscheiden sich die angegriffene Marke von den Widerspruchsmarken wegen der in den beiderseitigen Marken enthaltenen abweichenden Wort- und Bildbestandteile auffällig voneinander. Insbesondere die in der angegriffenen Marke enthaltenen Anfangsbestandteile "Cont de", die sowohl klanglich als auch schriftbildlich nahezu zwei Drittel der angegriffenen Wortmarke ausmachen und in den Widerspruchsmarken keine Entsprechung finden, sind geeignet, die Ähnlichkeit der Marken entscheidungserheblich zu reduzieren.

Eine die Gefahr von Verwechslungen begründende unmittelbare Ähnlichkeit der beiderseitigen Marken könnte bei dieser Sachlage nur dann festgestellt werden, wenn der in den beiderseitigen Marken übereinstimmend enthaltene Bestandteil "Rioja" für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend wäre bzw. eine selbständig kennzeichnende Stellung innerhalb der Gesamtmarken innehätte (EuGH a. a. O. Nr. 29 f. - THOMSON LIFE). Dies ist aber zumindest innerhalb der angegriffenen Marke nicht der Fall. Eine prägende oder selbständig kennzeichnende Stellung kommt einem aus einer älteren Marke übernommenen Wortbestandteil innerhalb einer jüngeren kombinierten Marke insbesondere dann nicht zu, wenn sich dieser für den Durchschnittsverbraucher der fraglichen Waren und Dienstleistungen als einheitlicher Gesamtbegriff darstellt (BGH GRUR 1999, 586, 587 - White Lion; EuG GRUR Int 2003, 552, 555, Nr. 57 - Saint-Hubert, bestätigt durch EuGH GRUR Int 2005, 21 - HUBERT). Die angegriffene Marke stellt aus der Sicht des maßgeblichen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen inländischen Durchschnittsverbrauchers (EuGH GRUR 2004, 943, 944, Nr. 24 - SAT.2) einen solchen Gesamtbegriff dar. Selbst dem ansonsten der spanischen Sprache nicht kundigen Verbraucher ist das Adelsprädikat "de" in der Bedeutung "von" in der Regel bekannt. Der Durchschnittsverbraucher von Weinen und anderen alkoholischen Getränken kennt auch den Begriff "Rioja" als Bezeichnung einer Region in Spanien, in der Wein erzeugt wird. Unabhängig davon, ob er auch in der Lage ist, das Wort "Conte" zutreffend mit "Graf" zu übersetzen oder in diesem einen Namen oder - wohl eher selten -eine Phantasiebezeichnung sieht, wird er in der Regel in der angegriffenen Marke auf Grund der durch das Wort "de" bewirkten grammatikalischen Verbindung der ihm vorangehenden bzw nachfolgenden Wörter einen auf einen bestimmten Adligen hinweisenden Gesamtbegriff erkennen, weshalb er keinen Anlass hat, nur in dem Wort "Rioja" den dominierenden, selbständig kennzeichnenden Bestandteil der angegriffenen Marke zu sehen. Dies gilt noch umso mehr, als ihm die Bezeichnung "Rioja" wegen ihres geografischen Herkunftscharakters nicht dazu geeignet erscheinen kann, so gekennzeichnete Weine ihrer betrieblichen Herkunft nach zu unterscheiden.

Die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen stellt sich auch unter Berücksichtigung des Sachvortrags der Widersprechenden, wonach "Conte" auch eine Weinlage im Riojagebiet ist, nicht anders dar. Sofern dies dem deutschen Durchschnittsverbraucher von Weinen bekannt sein sollte, hat er ebenfalls keine Veranlassung, das Wort "Rioja" als allein prägenden Bestandteil der angegriffenen Marke anzusehen, weil diese auch bei einem solchen Verständnis des Wortes "Conte" einen die Waren beschreibenden Gesamtbegriff mit der Bedeutung "Conte(-Lage) aus dem Rioja(-gebiet") bildet. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr ist bei dieser Sachlage nicht gegeben.

Auch die Gefahr einer gedanklichen Verbindung der beiderseitigen Marken i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 letzter Halbsatz MarkenG besteht nicht.

Nicht jede wie auch immer geartete Assoziation ist geeignet, die Gefahr einer gedanklichen Verbindung zu begründen. Vielmehr fallen unter diesen gesetzlichen Tatbestand ausschließlich Fälle einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr. Eine Ausdehnung auf Gedankenverbindungen, die zu lediglich behindernden, rufausbeutenden oder verwässernden Wirkungen, nicht jedoch zu eigentlichen Herkunftsverwechslungen führen, ist nach ständiger Rechtsprechung nicht möglich (vgl. insoweit z. B. BGH GRUR 2000, 886, 888 - Bayer/BeiChem). Die Feststellung der Gefahr einer gedanklichen Verbindung bedarf stets des Vorliegens besonderer tatsächlicher Umstände, die für den Durchschnittsverbraucher Veranlassung bieten können, als unterschiedlich erkannte Marken der Verantwortung ein und desselben Unternehmens oder miteinander verbundener Unternehmen zuzuordnen. Insbesondere verlangt sie eine sorgfältige Prüfung der Marken, die wiederum Markenverwechslungen eher verhindert (BPatG GRUR1997, 654, 657 - Milan).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist zwischen den beiderseitigen Marken eine Gefahr der gedanklichen Verbindung auch dann zu verneinen, wenn zu Gunsten der Widersprechenden davon ausgegangen wird, dass sie mit den beiden Widerspruchsmarken über eine Markenserie mit dem Stammbestandteil "Rioja" verfügt und diese auch im inländischen Verkehr benutzt hat. Auch bei Zugrundelegung dieser Ausgangslage spricht gegen eine gedankliche Verbindung nämlich sowohl die Tatsache, dass es sich bei der angegriffenen Marke um einen Gesamtbegriff handelt, der von der Vorstellung wegführt, hierbei handele es sich um eine weitere für die Widersprechende geschützte Ursprungsbezeichnung, als auch die dem Verkehr ohne weiteres erkennbare Tatsache, dass sich die angegriffene Marke sowohl von der Markenbildung als auch von ihrem Begriffsgehalt her von den von für die Widersprechende geschützten Marken deutlich unterscheidet. Dies schließt für den verständigen Durchschnittsverbraucher die Annahme, es bei der angegriffenen Marke mit einer weiteren Marke der Widersprechenden zu tun zu haben, vernünftigerweise aus.

Die von der Widersprechenden geltend gemachten weitergehenden Rechte aus dem deutschspanischen Abkommen zum Schutz geografischer Herkunftsbezeichnungen sind nicht Gegenstand des markenrechtlichen Widerspruchsverfahrens, in dem nur die in § 42 Abs. 2 MarkenG abschließend aufgeführten Widerspruchsgründe geltend gemacht werden können. Es bleibt der Widersprechenden insoweit unbenommen, diese Rechte auf anderem Wege Geltung zu verschaffen.

Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf eine der Verfahrensbeteiligten gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG gibt die Sache keine Veranlassung.

Dr. Fuchs-Wissemann Richterin Prietzel-Funk ist an den BGH abgeordnet worden und kann daher nicht unterschreiben Dr. Fuchs-Wissemann Reker Na






BPatG:
Beschluss v. 05.09.2007
Az: 26 W (pat) 235/04


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