Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 17. Juni 1994
Aktenzeichen: 6 U 178/93
(OLG Köln: Urteil v. 17.06.1994, Az.: 6 U 178/93)
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 25. Mai 1993 verkündete Teilurteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 0 104/93 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beschwer des Klägers übersteigt nicht 60.000,-- DM.
Gründe
Der Kläger ist ein gerichtsbekannter
Verband, zu dessen Aufgaben es gehört, die Interessen der
Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen.
Die Beklagte stellt verschiedene
Schaumweine her und vertreibt diese.
Sie ist Inhaberin des am 28. Januar
1956 eingetragenen Warenzeichens ... "Schloß Rosenstein" für
Spirituosen und Schaumweine. Seit Mitte der fünziger Jahre
vertreibt sie einen Schaumwein unter dieser Marke mit Umsätzen von
160.000 Flaschen im Jahre 1971 bis 16.000 Flaschen im Jahre
1992.
Bei den zur Herstellung dieses
Schaumweins verwendeten Grundweinen handelt es sich um einen
Verschnitt verschiedener Weine europäischer Herkunft. Der
Schaumwein wird nicht auf einem Schloß hergestellt; eine Lage mit
dem Namen "Schloß Rosenstein" existiert nicht. Der
Großhandelsbruttopreis dieses Schaumweins betrug im Jahre 1992 pro
Flasche 6,98 DM.
Der Schaumwein "Schloß Rosenstein" wird
wie unten im Klageantrag zu Ziffer 1) wiedergegeben im Verkehr
angeboten und beworben. Wegen der weiteren Einzelheiten der
Ausstattung der Schaumweinflasche wird auf das vom Kläger zu den
Akten gereichte Originalprodukt Bezug genommen.
Darüber hinaus stellt die Beklagte die
Sekte "Cannstatter Zuckerle Trollinger", "Ihringer Vulkanfelsen
Grauburgunder", "Stuttgarter Weinsteige Trollinger", "Jubilar",
"Rubin", "Diadem", "Stuttgarter Weinsteige Kerner" und "extra brut"
her. Diese Sekte werden wie im Klageantrag zu Ziffer 2)
wiedergegeben im Verkehr angeboten und beworben. Die Sektflaschen
tragen bei sämtlichen Produkten auf dem Etikett die Bezeichnung
"Hochgewächs"; in der Werbung wird die Bezeichnung "Hochgewächs"
darüber hinaus gesondert erwähnt. Diese Sekte sind nicht zu 100 %
aus Riesling-Grundweinen hergestellt. Auch der Sekt "Jubilar", der
die weitere Bezeichnung "Riesling brut" trägt und in der Werbung
als "Deutscher Riesling-Sekt" beworben wird, besteht nicht zu 100 %
aus Riesling-Grundwein. Das Lesegut, das für die Herstellung der
zugrundeliegenden Cuvée verwendet wird, unterliegt nicht den mit
dem Prädikat "Spätlese" vorgeschriebenen Kontrollmaßnahmen; die
verwendeten Grundweine erreichen auch nicht in der amtlichen
Qualitätsprüfung eine Qualitätszahl von mindestens 3,0. Diese Sekte
werden im Großhandel zwischen 15,16 DM und 19,10 DM vertrieben.
Mit Schreiben vom 27. Januar 1993
forderte der Kläger die Beklagte vergeblich auf, es zu unterlassen,
die Bezeichnungen "Hochgewächs" und "Schloß Rosenstein" für die von
ihr hergestellten Schaumweine zu verwenden.
Der Kläger hat behauptet, die
Bezeichnung "Schloß Rosenstein" sei geeignet, bei einem nicht
unerheblichen Teil der angesprochenen Verbraucher den
unzutreffenden Eindruck hervorzurufen, die zur Herstellung des
Schaumweins verwendeten Grundweine stammten aus einer Weinlage oder
einem bestimmten Anbaugebiet mit der Bezeichnung "Schloß
Rosenstein". Darüber hinaus bestehe die Gefahr, daß ein Teil der
Verbraucher irrtümlich annehme, die Herstellung des Schaumweines
selbst erfolge in einem Schloß. Der Verbraucher bringe Lagensekten
eine größere Aufmerksamkeit und Wertschätzung entgegen; ebenso
schätze er Schaumweine, die auf einem Schloß hergestellt worden
seien, höher ein als andere Schaumweine, da die Herstellung auf
einem Schloß mit Tradition und Qualität verbunden sei.
Hinsichtlich der Bezeichnung
"Hochgewächs" hat der Kläger behauptet, die Verwendung dieser
Bezeichnung für die streitgegenständlichen Sekte rufe bei einem
nicht unerheblichen Teil der Verbraucher den irrigen Eindruck
hervor, die für die Herstellung der jeweiligen Cuvée verwendeten
Grundweine entsprächen den Rebsorten- und Qualitätskriterien eines
"Riesling-Hochgewächs"-Weins im Sinne der
weinkennzeichnungsrechtlichen Bestimmung des § 8 a WeinVO. Die
Bezeichnung "Hochgewächs" sei auch deswegen irreführend, weil den
verwendeten Grundweinen die "Hochgewächsfähigkeit im übrigen"
fehle.
Darüber hinaus könne die Bezeichnung
"Hochgewächs" mit dem Teil der Bezeichnung eines Tafelweins oder
eines Qualitätsweins b.A. ("Hochgewächs") verwechselt werden, ohne
daß die für die Bereitung der Cuvée verwendeten Grundweine eine
solche Bezeichnung beanspruchen könnten.
Zu diesem Vortrag hat der Kläger Beweis
angetreten durch Einholung eines Sachverständigengutachtens in Form
einer Verkehrsbefragung.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten,
die angegriffenen Bezeichnungen verstießen gegen Art. 13 Abs. 1 und
Abs. 2 der EG-VO Nr. 2333/92, da sie im Falle der Bezeichnung
"Schloß Rosenstein" mit der Bezeichnung einer Weinlage und im Falle
der Bezeichnung "Hochgewächs" mit Teilen der Bezeichnung eines
Tafelweins oder eine Qualitätsweins b.A. verwechselbar sei.
Hierbei käme es auf eine konkrete Gefahr der Irreführung des
Verbrauchers nicht an, da es sich bei Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 der
EG-VO Nr. 2333/92 um abstrakte Gefährdungstatbestände handele. Dies
bedeute, daß schon eine abstrakte Eignung zur Irreführung
ausreiche, um den Tatbestand dieser Norm zu erfüllen, ohne daß eine
konkrete Gefahr der Irreführung festgestellt werden müsse. Eine
Grenze sei lediglich in den Fällen erreicht, in denen "absurde"
Irreführungen behauptet würden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei
Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ordnungsgeldes von bis zu 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft,
oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, jeweils zu vollziehen
an den Geschäftsführern der Beklagten,
zu unterlassen, im geschäftlichen
Verkehr
die Bezeichnung für den Schaumwein "Schloß
Rosenstein", wie nachfolgend
ersichtlich:
eine neue Seite
und/oder
Die Bezeichnung "Hochgewächs" für folgende
Sekte:
a) "Cannstatter Zuckerle
Trollinger"
b) "Ihringer Vulkanfelsen
Grauburgunder" c) "Stuttgarter Weinsteige Trollinger"
d) "Jubilar"
e) "Rubin"
f) "Diadem"
g) "Stuttgarter Weinsteige Kerner"
h) "extra brut",
insbesondere in der Ausstattung, wie
nachfolgend ersichtlich:
zu verwenden und/oder mit dieser
Bezeichnung zu werben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, der Verbraucher
erkenne die Bezeichnung "Schloß Rosenstein" als eine bei
Schaumwein-Marken übliche Phantasiebezeichnung. Der Verbraucher sei
angesichts der unüberschaubaren Vielzahl von
"Schloß"-Bezeichnungen an derartige Marken gewöhnt, ohne jegliche
Erwartung in bezug auf die Herkunft der Grundweine aus einer
bestimmten Lage oder bezüglich des Ortes der Herstellung mit dem
Markennamen zu verbinden. Insoweit hat die Beklagte Bezug auf die
von ihr als Anlagen zu den Akten gereichten Listen der beim
Deutschen Patentamt eingetragenen Warenzeichen mit Schloß- oder
Burgbezeichnungen (Anlage B 1 und 2 zum Schriftsatz vom 22. April
1993, Bl. 64 bis 105 d. A.) genommen.
Die Beklagte hat sich darüber hinaus
auf Verwirkung berufen. Hierzu hat sie die Ansicht vertreten, sie
habe im Laufe der vergangenen vierzig Jahre einen wertvollen
Besitzstand an der Marke "Schloß Rosenstein" erworben. Angesichts
dessen, daß der Verbraucher nicht wirklich schutzbedürftig sei,
könne ihr dieser Besitzstand nicht genommen werden.
Auch aus Art. 13 Abs. 3 EG-VO Nr.
2333/92 ergebe sich - zumindest in analoger Anwendung -, daß ihr
ein Bestandsschutz zustehe.
Hinsichtlich der
"Hochgewächs"-Bezeichnung hat die Beklagte behauptet, eine
Irreführung sei schon deshalb ausgeschlossen, da die Bezeichnung
"Hochgewächs" nicht in Verbindung mit der Bezeichnung "Riesling"
verwendet werde. Selbst bei dem Sekt "Jubilar", der als einziger
von den angegriffenen Sekten als "Riesling"-Sekt bezeichnet werde,
könne nicht der Eindruck hervorgerufen werden, es würden
"Riesling-Hochgewächs"-Grundweine verwendet. In diesem Fall sei die
Bezeichnung "Hochgewächs" und die weitere Beschreibung "Riesling
brut" voneinander getrennt durch Wappen, Firmensignet und Marke
"Jubilar" auf dem Etikett wiedergegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des
erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
Bezug genommen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem
Landgericht vom 4. Mai 1993 hat der Kläger den Klageantrag zu 1)
insoweit konkretisiert, als die Bezeichnung "Schloß Rosenstein"
lediglich aus dem Gesichtspunkt des § 1 UWG in Verbindung mit Art.
13 Abs. 2 b EG-VO Nr. 2333/92 angegriffen werde.
Hinsichtlich des Klageantrags zu 2)
("Hochgewächs") hat das Landgericht durch Beweisbeschluß vom 25.
Mai 1993 Beweiserhebung durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens angeordnet.
Hinsichtlich des Klageantrags zu 1)
("Schloß Rosenstein") hat es durch Teilurteil vom 25. Mai 1993 die
Klage abgewiesen. Zur Begründung des klageabweisenden Teilurteils
hat das Landgericht ausgeführt, ein Anspruch aus § 1 UWG in
Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 EG-VO Nr. 2333/92 käme schon deshalb
nicht in Betracht, da es sich bei der angegriffenen Bezeichnung um
eine Marke handele, die in Abs. 2 dieser Vorschrift behandelt
werde. Ein Anspruch aus § 1 UWG in Verbindung mit Art. 13 Abs. 2 b,
2. Alt. EG-VO Nr. 2333/92 scheitere daran, daß lediglich
hinsichtlich der Bezeichnung "Schloß" eine Teilidentität mit
Bezeichnungen von Qualitätsweinen vorliegen könne; diese reiche
jedoch im Gegensatz zur ersten Alternative für die zweite
Alternative des Art. 13 Abs. 2 b nicht aus. Hinsichtlich der
Ansprüche aus § 3 UWG und aus § 1 UWG in Verbindung mit Art. 13
Abs. 2 a sowie Art. 13 Abs. 2 b, 1. Alt. EG-VO Nr. 2333/92 könne
die Kammer nicht ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens
in Form einer Verkehrsbefragung entscheiden, da sie nicht aus
eigener Sachkunde und Lebenserfahrung eine Irreführung der
Verbraucher feststellen könne. Trotz Hinweises der Kammer habe der
Klä-ger keinen Beweis durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens angeboten.
Wegen der Einzelheiten der
Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe des
angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen das ihm am 14. Juni 1993
zugestellte Teilurteil hat der Kläger mit einem am 13. Juli 1993
bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die er
mit einem am 27. August 1993 eingegangenen Schriftsatz begründet
hat.
Der Kläger wiederholt und ergänzt sein
erstinstanzliches Vorbringen.
Zu einem Anspruch aus § 3 UWG behauptet
er, die Bezeichnung "Schloß Rosenstein" in der konkreten
Ausstattung der Schaumweinflasche führe dazu, daß ein nicht
unerheblicher Teil der Verbraucher annehme, der zur Herstellung
dieses Schaumweins verwendete Grundwein stamme aus einer Lage oder
einem bestimmten Anbaugebiet mit der Bezeichnung "Schloß
Rosenstein". Darüber hinaus nehme der Verbraucher auch irrig an,
der Sekt selbst werde auf einem Schloß hergestellt.
Hierzu vertritt er die Ansicht, in
Anbetracht der konkreten Ausstattung der Flasche mit Abbildung
eines Schlosses auf dem Bauchetikett und eines Schloßwappens auf
dem Halsetikett könne der Senat die Irreführung aus eigener
Sachkunde feststellen.
Er behauptet weiterhin, daß es bei
Weinen eine Vielzahl von Schloß-Bezeichnungen gebe, denen der
Verbraucher eine besondere Wertschätzung entgegenbringe. Auch der
Name "Rosenstein" deute auf eine Lagenbezeichnung hin, da es
zahlreiche Weinbezeichnungen mit der Endung "-stein" gebe. Die
Zusammensetzung "Rosenstein" erkenne der Verbraucher nicht als
Phantasiebezeichnung, da zahlreiche Lagenbezeichnungen existierten,
die nicht weniger "operettenhaft" klängen; so gebe es
Lagebezeichnungen wie "Rosenhügel" oder "Rosengarten". Der
niedrige Preis allein sei nicht geeignet, die Gefahr einer
Irreführung auszuschließen.
Schließlich sei zu beachten, daß der
Anteil von Lagenschaumweinen in den letzten Jahren stetig
angestiegen sei.
Zu einem Unterlassungsanspruch aus § 1
UWG in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 EG-VO Nr. 2333/92 vertritt
der Kläger die Auffassung, Abs. 1 des Art. 13 sei auch auf Marken
anwendbar. Dies ergebe sich schon aus der Systematik der EG-VO.
"Marke" sei kein "aliud" zu "Bezeichnungen" und/oder
"Aufmachungen"; eine Marke könne auch ohne weiteres eine
Bezeichnung sein. In Art. 13 Abs. 2 der EG-VO sei lediglich der
Fall geregelt, daß eine Bezeichnung zusätzlich durch eine Marke
ergänzt werde.
Hilfsweise beantragt der Kläger zu
dieser Frage eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur
Vorabentscheidung.
Darüber hinaus behauptet er, die
Bezeichnung "Schloß Rosenstein" sei nicht nur objektiv falsch,
sondern sie sei auch geeignet, Irreführungen hervorzurufen, und
zwar in Hinblick auf die Lage oder das Anbaugebiet des Grundweines
wie auch auf den Ort der Herstellung des Sektes in einem
Schloß.
Darüber hinaus werde durch die
Bezeichnung eine Irreführung über die in Art. 6 Abs. 1 EG-VO Nr.
2333/92 geregelten Angaben hervorgerufen, da "Schloß Rosenstein"
über die Angabe einer geografischen Einheit täusche.
Schließlich sei in diesem Rahmen auch
Art. 5 Abs. 1 EG-VO Nr. 997/81 zumindest analog anzuwenden, wonach
Schloß-Bezeichnungen für Weine unzulässig seien.
Die Einholung eines Verkehrsgutachtens
verbiete sich bei diesen Anspruchsgrundlagen schon aus
Rechtsgründen, da es sich bei Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 EG-VO Nr.
2333/92 um abstrakte Gefährdungstatbestände handele, wie sie auch
in §§ 6, 6 a bis d UWG gegeben seien. Dies ergebe sich schon aus
dem Wortlaut der Vorschrift des Art. 13. Darüber hinaus wolle die
Bestimmung alle Bezeichnungen beim Vertrieb von Schaumwein
ausschalten, die typischerweise geeignet seien, einen falschen
Anschein zu erwecken. Bei der Bezeichnung "Schloß" handele es
sich um eine solche Bezeichnung.
Hilfsweise beantragt der Kläger auch
hierzu die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur
Vorabentscheidung.
Zu einem Unterlassungsanspruch aus § 1
UWG in Verbindung mit Art. 13 Abs. 2 a EG-VO Nr. 2333/92 trägt der
Kläger vor, bei "Schloß Rosenstein" handele es sich um eine Marke,
die geeignet sei, Irreführungen im Sinne des Art. 13 Abs. 1 der
Verordnung hervorzurufen. Auch hierbei handele es sich um einen
abstrakten Gefährdungstatbestand, bei dem eine theoretische
Irreführungsgefahr ausreiche.
Schließlich vertritt der Kläger die
Ansicht, ein Unterlassungsanspruch ergebe sich aus § 1 UWG in
Verbindung mit Art. 13 Abs. 2 b EG-VO Nr. 2333/92, da die
Bezeichnung "Schloß" mit dem Teil einer Bezeichnung eines
Qualitätweins identisch sei. Auch bei der zweiten Alternative von
Art. 13 Abs. 2 b der Verordnung reiche eine Teilidentität aus, da
der Verordnungsgeber sonst von der "gesamten Bezeichnung"
gesprochen hätte. Bei dem Begriff "Bezeichnung" handele es sich um
einen Oberbegriff, der auch "Teilbezeichnungen" mit umfasse.
Hilfsweise beantragt der Kläger auch
hierzu die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur
Vorabentscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des
Berufungsvorbringens des Kläger wird auf den Inhalt der
Berufungsbegründung vom 26. August 1993 nebst Anlage sowie auf die
Schriftsätze vom 2. Februar 1994, 16. Februar 1994 und 29. März
1994 ergänzend Bezug genommen. Außerdem wird auf den nicht
nachgelassenen Schriftsatz des Klägers vom 19. Mai 1994
verwiesen.
Der Kläger hat zunächst beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen
Teilurteils nach den erstinstanzlichen Anträgen des Klägers zu
erkennen, jedoch mit der Maßgabe, daß Unterlassen der Bezeichnung
"Schloß Rosenstein" für einen Schaumwein begehrt werde, wenn die
für die Herstellung der Cuvée verwendeten Grundweine nicht aus
einer Lage mit der Bezeichnung "Schloß Rosenstein" stammen
und/oder nicht aus einem so bezeichneten Anbaugebiet stammen
und/oder nicht auf einem Schloß mit der Bezeichnung "Schloß
Rosenstein" herstellt worden sind.
Nachdem der Kläger sowohl in der
mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 1994 als auch in der
mündlichen Verhandlung vom 4. Mai 1994 klargestellt hat, daß die
Bezeichnung "Schloß Rosenstein" - und zwar im Hinblick auf ihren
Bestandteil "Schloß" - nur aus dem Gesichtspunkt des Art. 13 Abs.
2 b EG-VO Nr. 2333/92 in Verbindung mit § 1 UWG und nicht unter
dem Blickwinkel des § 3 UWG angegriffen werde, beantragt er
nunmehr,
unter Abänderung des angefochtenen
Teilurteils die Beklagte zu verurteilen,
es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,--
DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs
Monaten, jeweils zu vollziehen an den Geschäftsführern der
Beklagten, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr die
Bezeichnung für den Schaumwein "Schloß Rosenstein", wie
nachfolgend ersichtlich, im geschäftlichen Verkehr zu verwenden
und/oder mit dieser Bezeichnung zu werben:
hilfsweise,
nach dem Antrag zu erkennen, wie er im
Termin vom 4. Mai 1993 verlesen worden ist.
Die Beklagte sieht in dieser Neufassung
des Klageantrags eine teilweise Klagerücknahme, der sie
widerspricht.
Im übrigen beantragt die Beklagte,
die Berufung des Klägers
zurückzuweisen;
hilfweise, ihr - der Beklagten -
nachzulas-
sen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung abzuwenden, die auch in Form der
selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank und/oder
öffentlichrechtlichen Sparkasse erbracht werden kann.
Die Beklagte wiederholt und vertieft
ebenfalls ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie vertritt
hinsichtlich des Anspruchs aus § 3 UWG die Ansicht, ein solcher
Anspruch hätte vom Landgericht nicht geprüft werden dürfen, da
der Kläger ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 4. Mai 1993 den
Angriff gegen die "Schloßbezeichnung" ausdrücklich auf den
Gesichtspunkt des Art. 13 Abs. 2 b EG-VO Nr. 2333/92 in Verbindung
mit § 1 UWG beschränkt habe.
Nur hilfsweise trägt er hierzu vor, zur
Irreführung käme es auf die Verbraucher an, die gelegentlich oder
regelmäßig Sekt kauften, nicht aber auf deren Weinkenntnisse.
Allein die Tatsache, daß die Mitglieder des Senats zu den
angesprochenen Verkehrskreisen gehörten, reiche nicht aus,
automatisch davon auszugehen, daß diese aus eigener Sachkunde
entscheiden könnten.
Die Beklagte behauptet,
Schloß-Bezeichnungen seien seit Jahrzehnten für Sekt- und
Schaumwein-Bezeichnungen üblich. Hieran habe sich der Verkehr
gewöhnt und entwickle deswegen keine irrigen Vorstellungen über
die Herkunft der Grundweine.
Die Verbrauchervorstellung habe sich
auch nicht gewandelt; zumindest habe dies der Kläger nicht
vortragen können. Auch aus der Entscheidung des
Bundespatentgerichts (Schloß Caestrich) könne nichts anderes
hergeleitet werden. Dies sei eine Einzelfallentscheidung, da es
die Lage "Caestrich" tatsächlich gebe; dies sei bei "Rosenstein"
nicht der Fall. Selbst wenn die Endsilbe "-stein" einen möglichen
Hinweis auf eine Lage geben könnte, würde sie durch den Zusatz
"Rosen" entlokalisiert. Deswegen sei auf der
streitgegenständlichen Schaumweinflasche wie in der Werbung jeweils
eine Rose abgebildet.
Zu einem möglichen Anspruch aus § 1 UWG
in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 EG-VO Nr. 2333/92 vertritt die
Beklagte die Ansicht, die Marke "Schloß Rosenstein" falle nicht
unter Abs. 1 der Verordnung, da es für Marken eine Sonderregelung
in Abs. 2 dieser Vorschrift gebe. Dabei komme es nicht auf die
Systematik der EG-VO an; dies ergebe sich schon aus Art. 13 EG-VO
Nr. 2333/92 selbst.
Art. 13 Abs. 1 stelle auch keinen
"abstrakten Gefährdungstatbestand" dar, wie sich schon aus dem
Wortlaut dieser Vorschrift ergebe. Im Gegensatz zu §§ 6 ff UWG
seien in Art. 13 Abs. 1 nicht die einzelnen Tatbestandsmerkmale
aufgeführt, die zwangsläufig eine Irreführungsgefahr begründeten.
Vielmehr sei in Art. 13 die Eignung zur Irreführung ausdrücklich
als Tatbestandsmerkmal aufgeführt. Diese müsse jedoch zunächst im
konkreten Fall von den Gerichten festgestellt werden.
Art. 5 Abs. 1 EG-VO Nr. 997/81 sei
schon deswegen nicht anwendbar, da hier ausschließlich Regelungen
für Stillweine getroffen seien.
Ein Anspruch aus § 1 UWG in Verbindung
mit Art. 13 Abs. 2 a EG-VO Nr. 2333/92 komme schon deswegen nicht
in Betracht, weil die Bezeichnung "Schloß Rosenstein" nicht
geeignet sei, Irreführungen bei Verbrauchern hervorzurufen.
Insoweit könne der Senat nicht ohne Beweiserhebung
entscheiden.
Zu einem Anspruch aus § 1 UWG in
Verbindung mit Art. 13 Abs. 2 b, EG-VO Nr. 2333/92 vertritt die
Beklagte die Ansicht, die Voraussetzungen der zweiten Alternative
dieser Vorschrift seien nicht gegeben, da keine vollständige
Identität der Bezeichnung "Schloß Rosenstein" mit der Bezeichnung
eines Stillweins oder Qualitätsschaumweins vorliege. Teilidentität
genüge im Rahmen der zweiten Alternative nicht. Dies ergebe sich
schon eindeutig aus dem Wortlaut dieser Vorschrift, die in der
ersten Alternative ausdrücklich eine Teilidentität zuließe, während
in der zweiten Alternative nicht von "Teilen der Bezeichnung" die
Rede sei. Schließlich ergebe sich dies auch aus den
Erwägungsgründen zur EG-VO Nr. 2333/92; dort sei ausdrücklich
ausgeführt, daß nur Worte unzulässig seien, die mit geographischen
Namen für andere Weine identisch seien.
Schließlich beruft sich die Beklagte
auf die Verwirkung und auf Art. 13 Abs. 3 EG-VO Nr. 2333/92. Sie
sieht sich insoweit durch einen Aktenvermerk der Kommission vom 30.
Juni 1993 (Bl. 237 ff) bestätigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des
Vorbringens der Beklagten im Berufungsrechtszug wird ergänzend auf
den vorgetragenen Inhalt der Berufungserwiderung vom 15. November
1993 nebst Anlage verwiesen.
E N T S C H E I D U N G S G R Ó N D
Die Berufung ist zulässig; sie hat
jedoch in der Sache weder im Hauptantrag noch im Hilfsantrag
Erfolg.
Nachdem der Kläger sein Klagebegehren
insoweit beschränkt hat, als er die "Schloß-Bezeichnung" nur aus
dem Gesichtspunkt des Art. 13 Abs. 2 b EG-VO Nr. 2333/92 in
Verbindung mit § 1 UWG angreifen will, hat er ausdrücklich die
Óberprüfung des von ihm vorgetragenen Lebenssachverhalts durch den
Senat auf diese Norm beschränkt. Diese Einschränkung hat er auch
für den geltend gemachten - mit dem Hauptantrag identischen -
Hilfsantrag vorgenommen.
Die Klage ist zulässig, und zwar auch
im Hinblick auf diese Einschränkung und auf die Umformulierung des
Unterlassungsantrages im Termin vom 4. Mai 1994.
Entgegen der Auffassung der Beklagten
liegt in der Beschränkung des Klagebegehrens auf den Gesichtspunkt
des Art. 13 Abs. 2 b EG-VO Nr. 2333/92 keine Klagerücknahme, die
einer Zustimmung der Beklagten bedarf. Diese Einschränkung seines
Klagebegehrens hat der Kläger bereits erstinstanzlich in der ersten
mündlichen Verhandlung vor Stellung der Anträge vorgenommen, so daß
eine in dieser Beschränkung des Begehrens möglicherweise liegende
teilweise Klagerücknahme gemäß § 269 Abs. 1 ZPO ohne Zustimmung des
Gegners erfolgen konnte.
Zwar hat der Kläger mit der
Berufungsbegründung - dem Urteil des Landgerichts folgend - auch zu
den Voraussetzungen des § 3 UWG und des § 1 UWG in Verbindung mit
Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 a EG-VO Nr. 2333/92 vorgetragen, er hat
sich jedoch auf die in erster Instanz gestellten Anträge bezogen.
In der mündlichen Verhandlung der Berufungsinstanz am 18. Februar
1994 hat der Kläger vor Stellung der Anträge klargestellt, daß er
mit seinem Antrag in der Berufungsbegründung vom 26. August 1993
nur den Antrag weiterverfolgen wolle, der bereits im Termin vom 4.
Mai 1993 erstinstanzlich gestellt worden war. Damit ist der Kläger
vom Beginn der ersten erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung bis
zur letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz bei
demselben Antrag geblieben, so daß eine Klagerücknahme erst nach
Beginn der ersten mündlichen Verhandlung nicht vorliegt.
Soweit der Kläger in der mündlichen
Verhandlung vom 4. Mai 1994 seinen zunächst in der Berufungsinstanz
am 18. Februar 1994 gestellten Antrag umformuliert hat, beinhaltet
diese Neuformulierung keine Klageänderung. Wie sich bereits aus der
ursprünglichen Fassung des Unterlassungsbegehrens in der ersten
Instanz ergibt, wollte der Kläger mit seinem Klagebegehren nur
überprüft wissen, ob die Bezeichnung "Schloß Rosenstein" für einen
Schaumwein in der konkreten Aufmachung und in der konkreten Form
der im Klageantrag wiedergegebenen Werbung gegen § 1 UWG in
Verbindung mit Art. 13 Abs. 2 b EG-VO Nr. 2333/92 verstößt. Dies
hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 1994
auch bei der Formulierung seines Antrags klargestellt. Ersichtlich
hat auch die Beklagte die Klage in diesem Sinne verstanden, denn
sie rügt in der Berufungserwiderung zu Recht die Óberprüfung des
Unterlassungsbegehrens des Klägers auch unter dem Gesichtspunkt
des § 3 UWG durch das Landgericht. Für das somit von Anfang an
feststehende Begehren des Klägers war jedoch die beschreibende
Fassung des Klageantrags aus der mündlichen Verhandlung vom 18.
Februar 1994, die eher auf einen Anspruch aus § 3 UWG gerichtet
war, nicht erforderlich, so daß der neu formulierte Klageantrag
(Hauptantrag) aus der mündlichen Verhandlung vom 4. Mai 1994, der
auf die ursprüngliche Fassung des Klageantrag zurückgreift,
lediglich eine bessere Anpassung an das Klagebegehren und die
konkrete Form der beanstandeten Handlung darstellt.
Die Klage ist jedoch nicht
begründet.
Dem gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG
klagebefugten Kläger steht der geltendgemachte
Unterlassungsanspruch weder aus der ersten Alternative noch aus der
zweiten Alternative des Art. 13 Abs. 2 b EG-VO Nr. 2333/92 in
Verbindung mit § 1 UWG zu.
Gemäß Art. 13 Abs. 2 lit. b, erste
Alternative EG-VO Nr. 2333/92 dürfen "Marken", die die sich auf
Schaumweine beziehende Bezeichnung, Aufmachung und Werbung
ergänzen, "keine Worte, Wortteile, Zeichen oder Abbildungen
enthalten, die mit der gesamten oder einem Teil der Bezeichnung
eines Tafelweins, eines Qualitätsweins b.A. ... verwechselt werden
können, ... ohne daß die für die Bereitung der Cuvée des
betreffenden Schaumweins verwendeten Erzeugnisse eine solche
Bezeichnung oder Aufmachung beanspruchen können".
Der Kläger hat zwar die Voraussetzungen
eines Unterlassungsanspruchs aus § 1 UWG in Verbindung mit Art. 13
Abs. 2 lit. b, erste Alternative EG-VO Nr. 2333/92 schlüssig
dargelegt, er hat jedoch - trotz Hinweises durch den Senat - zu den
die von ihm behauptete Irreführung begründenden Tatsachen keinen
Beweis angeboten.
Das Landgericht hat zu Recht dargelegt,
daß die Marke "Schloß Rosenstein" - was den Bestandteil "Schloß"
betrifft -, beispielsweise mit der Marke des Qualitätsweins b.A.
"Schloß Johannisberg" übereinstimmt, obwohl die für "Schloß
Rosenstein" verwendeten Weine nicht aus der Lage "Schloß
Johannisberg" stammen.
Darüber hinaus enthält die Bezeichnung
"Schloß Rosenstein" mit dem Begriff "Schloß" ein Wort, das gemäß
Art. 5 Abs. 1 EG-VO Nr. 997/81 bei Stillweinen als Angabe eines
Weinbaubetriebs nur verwendet werden darf, wenn der Wein
ausschließlich aus Trauben gewonnen wurde, die aus Weinbergen
dieses Weinbaubetriebs stammen und die Weinbereitung in diesem
Betrieb erfolgt, obwohl die für "Schloß Rosenstein" verwendeten
Grundweine nicht einem solchen Weinbaubetrieb entstammen.
Ob aber ein nicht unbeachtlicher Teil
der angesprochenen Verbraucher aufgrund dieser Umstände zu der
irrigen Auffassung gelangt, daß die für die Bereitung der Cuvée des
so beworbenen Schaumweins aus Lagen eines Weinbaubetriebs mit der
Bezeichnung "Schloß Rosenstein" stammen und die Weinbereitung in
diesem Betrieb erfolgt, oder ob ein nicht unerheblicher Teil der
angesprochenen Verbraucher aufgrund der Bezeichnung "Schloß
Rosenstein" in der konkret angegriffenen Form den so beworbenen
Schaumwein wegen des Bestandteils "Schloß" mit Tafelweinen oder
Qualitätsweinen b.A. verwechselt, die ebenfalls in ihrer
Bezeichnung den Bestandteil "Schloß" - wie beispielsweise "Schloß
Johannisberg" - enthalten, kann der Senat in Óbereinstimmung mit
dem Landgericht nicht aus eigener Sachkunde und Lebenserfahrung
entscheiden.
Die Mitglieder des Senats gehören zwar
zu den angesprochenen Verkehrskreisen der gelegentlichen
Sektkäufer; dieses Kriterium reicht jedoch - entgegen der
Auffassung des Klägers - allein nicht aus. Ob die eigene
Lebenserfahrung und Sachkunde eine hinreichend sichere Feststellung
über die Vorstellungen eines rechtlich relevanten Teils der
angesprochenen Verbraucher erlaubt, hat das Gericht jeweils im
Einzelfall zu prüfen (Handbuch des Wettbewerbsrechts-Helm, 1986, §
48 Rdnr. 108). Dabei können auch bei Werbeangaben über Gegenstände
des allgemeinen Bedarfs im Einzelfall Umstände hervortreten, die
dem Gericht Zweifel an seiner eigenen Sachkunde nahelegen (BGH GRUR
1971, 29, 31 - "Deutscher Sekt").
Jedoch reichen die Tatsachen, daß es
sich bei dem angegriffenen Schaumwein um ein "Billig-Produkt"
handelt und daß es sich bei dem Namen "Rosenstein" wie auch bei der
Abbildung des Schlosses um Phantasieangaben handelt, nicht aus,
davon auszugehen, eine Irreführungsgefahr sei auf jeden Fall
ausgeschlossen.
Auch aus den von den Parteien - im
Rahmen der Erörterung des § 3 UWG - zitierten Entscheidungen kann
nicht auf eine bestimmte Verkehrsanschauung geschlossen werden,
zumal diesen Entscheidungen keine Verkehrsbefragungen zugrunde
lagen.
Soweit das Oberlandesgericht Koblenz
(ZLR 1977, 503, 507 - "Schloß Wedelsburg") eine Irreführung aus
eigener Sachkunde verneint hat, so ist darauf hinzuweisen, daß
diese Entscheidung mehr als sechzehn Jahre alt ist und sich seit
dieser Zeit der Anteil von Lagenschaumweinen und Lagensekten
gesteigert hat, so daß sich auch durchaus die
Verbrauchervorstellung seit dieser Zeit geändert haben mag.
Auch die Entscheidung des
Oberlandesgericht Stuttgart (NJW-RR 1988, 621, 622 - "Schloß
Favorite Ludwigsburg") gibt keine näheren Anhaltspunkte, da es sich
in diesem Fall um einen Schaumwein handelte, der nur in einem eng
begrenzten Gebiet um Ludwigsburg vertrieben wurde und dortige
Verbraucher wußten, daß "Schloß Favorite Ludwigsburg" keine
Weinlage ist.
Demgegenüber bietet auch die
Entscheidung des Bundespatentgerichts (GRUR 1992, 170 - "Schloß
Caestrich") keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß derartige
Schloßbezeichnungen grundsätzlich irreführend sind. Das
Bundespatentgericht hat ausdrücklich dargelegt, daß der von ihm
entschiedene Fall keine grundsätzliche Entscheidung sei, sondern
vielmehr darauf beruhe, daß es einen Ort "Caestrich" tatsächlich
gebe und eine Reihe von zum Teil recht bekannten Weinbaugemeinden
vorhanden seien, die auf die Silbe "- rich" endeten.
Soweit sich der Kläger für die von ihm
behauptete Eignung zur Irreführung auf die in GRUR 1992, 151 ff
ver-öffentlichte Meinungsumfrage über "Schloß"-Bezeichnungen bei
Schaumweinen aus dem Jahre 1990 beruft, so sind die dort
veröffentlichten Ergebnisse als Entscheidungsgrundlage nicht
hinreichend, da weder die Art und Weise der Durchführung der
Meinungsumfragen noch die an die Verbraucher gestellten Fragen
mitveröffentlicht worden sind.
Nach allem gibt es keine hinreichenden
Anhaltspunkte, um eine Irreführungsgefahr aus eigener Sachkunde im
konkreten Fall zu bejahen. Demnach ist es für den Senat
erforderlich, diese Fragen durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens in Form einer Verkehrsbefragung zu
klären. Hierauf ist der Kläger sowohl in der mündlichen
Verhandlung vom 18. Februar 1994 als auch in der Sitzung vom 4. Mai
1994 vom Senat ausdrücklich hingewiesen worden; der Senat hat
ferner darauf hingewiesen, daß nicht beabsichtigt sei, von Amts
wegen gemäß § 144 ZPO eine Begutachtung durch einen
Sachverständigen anzuordnen. Trotz dieser Hinweise hat der Kläger
in der mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 1994 ausdrücklich
erklärt, daß er einen derartigen Beweisantrag nicht stelle.
Eine Beweiserhebung durch Einholung
eines Sachverständigengutachtens in Form einer Verkehrsbefragung
kann auch nicht deswegen entfallen, weil - wie der Kläger meint -
Art. 13 Abs. 2 lit. b, erste Alternative EG-VO Nr. 2333/92 keine
konkrete Verwechslungs- bzw. Irreführungsgefahr fordere, sondern
allein die Feststellung ausreiche, daß eine Irreführung eintreten
könne. Entgegen der Auffassung des Klägers beinhaltet Art. 13 Abs.
2 lit. b, erste Alternative, wie auch Art. 13 Abs. 1 EG-VO Nr.
2333/92 keinen "abstrakten Gefährdungstatbestand".
Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut
der Regelung des Art. 13, der in seinem Abs. 1 lediglich fordert,
daß die Bezeichnung und Aufmachung von Schaumweinen nicht geeignet
sein dürfen, Verwechslungen oder Irreführungen von Personen
hervorzurufen, und in Abs. 2 lit. b, erste Alternative, verlangt,
daß die Marken keine Worte, Wortteile, Zeichen oder Abbildungen
enthalten dürfen, die mit anderen Bezeichnungen verwechselt werden
können. Diese Formulierungen stellen nichts Anderes dar als die für
die Feststellung einer Verwechslungsgefahr im Sinne von § 3 UWG
gebräuchlichen Definitionen.
Fälle der "abstrakten
Gefährdungstatbestände" - wie §§ 6, 6 a bis e UWG - setzen voraus,
daß die Norm bereits einzelne Tatbestandsmerkmale enthält, die
typischerweise eine Irreführungsgefahr begründen. Bei Vorliegen
solcher normierten Tatbestandsmerkmale ist dann nicht mehr zu
prüfen, ob tatsächlich im Einzelfall die Gefahr besteht, daß eine
Irreführung hervorgerufen wird. Ein solcher Lebenssachverhalt,
dessen sämtliche Voraussetzungen in der Norm aufgeführt sind, ist
in Art. 13 Abs. 1 wie auch in Art. 13 Abs. 2 lit. b, erste
Alternative, EG-VO Nr. 2333/92 gerade nicht geregelt. In Art. 13
Abs. 1 ist im Gegenteil ausdrücklich die Eignung "Verwechslungen
oder Irreführungen von Personen hervorzurufen" und in Abs. 2 lit.
b, erste Alternative, Tatbestandsvoraussetzung, daß die Marken mit
anderen Bezeichnungen "verwechselt werden können", ohne daß
klargestellt wird, in welchen Fällen eine derartige Eignung
vorliegt. Demgegenüber sind in den Fällen des typisierenden
abstrakten Gefährdungstatbestandes die Rechtsbegriffe "Eignung zur
Verwechslung" und/oder "verwechselt werden können" gerade nicht
enthalten, weil es hierauf nicht mehr ankommt; diese abstrakte
Eignung wird bereits durch die Erfüllung der einzelnen
Tatbestandsvoraussetzungen, die in der Norm ausdrücklich enthalten
sind, ersetzt.
Da der EG-Verordnungsgeber diese
Rechtsbegriffe nicht durch konkrete Tatbestandsmerkmale ersetzt
oder ausgefüllt hat, hat er es den Gerichten überlassen, in jedem
Einzelfall festzustellen, ob die Tatsachen vorliegen, die eine
solche Eignung zur Irreführung oder Verwechslung ausfüllen. Eine
solche Feststellung kann nicht anders als im Falle des § 3 UWG
entweder durch die eigene Lebenserfahrung und Sachkunde des zur
Entscheidung berufenen Gerichtes oder durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens geschehen.
Daß dies auch vom Verordnungsgeber so
gewollt ist, ergibt sich zum einen aus den Erwägungsgründen des
Rates der Europäischen Gemeinschaft zu dieser Verordnung
(Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 231 Seite 11,
linke Spalte) und aus einem Vergleich der beiden Alternativen in
Art. 13 Abs. 2 lit. b EG-VO Nr. 2333/92.
Nach dem Wortlaut der zweiten
Alternative sind völlig identische Bezeichnungen stets unzulässig,
während lediglich teilidentische Bezeichnungen (erste Alternative)
nur dann zu untersagen sind, wenn in diesem Fall eine
Verwechslungsgefahr begründet wird. Das Landgericht hat zu Recht
ausgeführt, daß der Verordnungsgeber damit dem Umstand Rechnung
trägt, daß sich Óberschneidungen bei Wein- und Schaumweinmarken
praktisch nicht oder fast nicht vermeiden lassen oder jedenfalls in
einem Maße vorhanden sind, das ein nachträgliches Verbot der
jeweils jüngeren Schaumweinmarke unerträglich erscheinen
ließe.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht
aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH GRUR
1981, 430, 431 f. - "Klosterdoktor/Schloßdoktor"). Der EuGH hatte
in dieser Entscheidung lediglich die Frage zu beantworten, wie die
in der EG-Verordnung Nr. 355/79 verwendeten Begriffe
"verwechselbare Angaben", "Verwechslung" und "Irreführung" zu
verstehen seien. Hierzu hat der EuGH ausgeführt, unter welchen
Umständen und bei welchen Tatbestandsvoraussetzungen die genannten
Rechtsbegriffe erfüllt seien. Das bedeutet jedoch nicht, daß er
damit inzidenter zum Ausdruck gebracht hat, daß es sich bei der
damals in Rede stehenden EG-Vorschriften um abstrakte
Gefährdungstatbestände handelte. Vielmehr mußte auch dort im
Einzelfall geprüft werden, ob Angaben vorliegen, die geeignet
seien, den Verbraucher zu täuschen.
Bei diesem eindeutigen Wortlaut des
Art. 13, Abs. 1 und Abs. 2 EG-VO Nr. 2333/92, den Erwägungsgründen
des Rates der Europäischen Gemeinschaft zu dieser EG-Verordnung
und der übereinstimmenden Anwendung von EG-Recht und nationalem
Recht sieht der Senat keine Anhaltspunkte, dem Antrag des Klägers
stattzugeben, die Sache dem Europäischen Gerichtshof zur
Vorabentscheidung über die Auslegung des Art. 13 EG-VO Nr. 2333/92
vorzulegen.
Da es somit über die Frage, ob die
streitgegenständlichen Bezeichnungen von einem nicht unerheblichen
Teil der angesprochenen Verbraucher verwechselt werden oder ob
durch sie eine Irreführung herbeigeführt wird, einer Beweiserhebung
durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurfte, der
beweispflichtige Kläger - trotz Hinweises durch die Kammer und den
Senat - einen entsprechenden Beweisantrag nicht gestellt hat, war
seinem Unterlassungsbegehren aus § 1 UWG in Verbindung mit Art. 13
Abs. 2 lit. b, erste Alternative EG-VO Nr. 2333/92 der Erfolg zu
versagen.
Ein Anspruch aus § 1 UWG in Verbindung
mit Art. 13 Abs. 2 lit.b, zweite Alternative, EG-VO Nr. 2333/92 ist
nicht begründet.
Zwar handelt es sich bei der
Bezeichnung "Schloß Rosenstein" um eine Marke, die eine Bezeichnung
eines Schaumweins "Rilling" ergänzt; Worte, Wortteile, Zeichen
oder Abbildungen dieser Marke sind jedoch nicht mit der Bezeichnung
eines kennzeichnungsrechtlich geschützten Weines oder Schaumweines
identisch.
Lediglich hinsichtlich des Bestandteils
"Schloß" besteht eine Teilidentität mit kennzeichnungsrechtlich
geschützten Weinen (Schloß Johannisberg, Schloß Saarstein, Schloß
Vollrads).
Entgegen der Auffassung des Klägers
reicht jedoch für die zweite Alternative von Art. 13 Abs. 2 lit. b
EG-VO Nr. 2333/92 eine Teilidentität nicht aus. Dies ergibt sich
bereits aus dem Wortlaut von Art. 13 Abs. 2 lit. b dieser
Verordnung. Während in der ersten Alternative die
Verwechslungsgefahr "mit der gesamten oder einem Teil der
Bezeichnung" ausreicht, wird in der zweiten Alternative die
Identität "mit der Bezeichnung eines solchen Erzeugnisses"
gefordert. Hätte der Verordnungsgeber auch für die zweite
Alternative die Teilidentität ausreichen lassen wollen, hätte er
dies ebenso wie in der ersten Alternative ausdrücklich mit
aufgeführt ("mit der gesamten oder einem Teil der
Bezeichnung").
Die Auffassung des Klägers, der Begriff
"Bezeichnung" in der zweiten Alternative sei ein Oberbegriff für
"gesamte Bezeichnung" und "Teil der Bezeichnung" entspricht weder
dem allgemeinen Sprachgebrauch noch der Diktion der EG-VO Nr.
2333/92, in der zu den beiden Alternativen des Art. 13 Abs. 2 lit.
b unterschiedliche Voraussetzungen normiert sind. Es ist nicht
einzusehen, warum der Verordnungsgeber in ein und derselben
Vorschrift unterschiedliche Begriffe verwenden sollte, wenn er
gleichwohl dieselben Voraussetzungen normieren wollte. Schließlich
entspricht es auch dem Sinn und Zweck des Art. 13 Abs. 2 lit. b
EG-VO Nr. 2333/92, die Identität der Bezeichnung eines
kennzeichnungsrechtlich geschützten Weines oder Schaumweines zu
verbieten, während lediglich bei Teilidentität zusätzlich eine
Irreführung der Verbraucher erforderlich ist.
Entscheidend gegen die Ansicht des
Klägers spricht auch, daß nach der von ihm vertretenen Auslegung
bereits die Identität eines einzigen Wortes oder sogar eines
Wortteils der Marke mit einem Teil der Bezeichnung eines
kennzeichnungsrechtlich geschützten Weines oder Schaumweines zur
absoluten Unzulässigkeit der Marke führen würde. Daß der
Verordnungsgeber eine derart rigorose Beschränkung bei der
Kennzeichnung von Schaumweinen durchsetzen wollte, ergibt sich
weder aus dem Aufbau der EG-VO Nr. 2333/92, noch aus den
Erwägungsgründen des Rates der Europäischen Gemeinschaft zu
dieser Verordnung (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Nr. L
231, Seite 11, linke Spalte).
Angesichts des klaren Wortlautes des
Art. 13 Abs. 2 lit. b EG-VO Nr. 2333/92, der gesamtem Systematik
dieser Verordnung und den Erwägungsgründen des Verordnungsgebers
sieht der Senat keine hinreichenden Anhaltspunkte, dem Antrag des
Klägers, die Sache insoweit dem Europäischen Gerichtshof zur
Vorabentscheidung vorzulegen, nachzukommen.
Da der Kläger sein Klagebegehren
hinsichtlich des Hauptantrages und des indentischen Hilfsantrages
ausdrücklich nur auf einen Verstoß gegen § 1 UWG in Verbindung mit
Art. 13 Abs. 2 b EG-VO Nr. 2333/92 beschränkt hat, ist die Berufung
des Klägers insgesamt erfolglos.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97
Abs. 1 ZPO.
Die übrigen Nebenentscheidungen ergehen
nach §§ 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.
OLG Köln:
Urteil v. 17.06.1994
Az: 6 U 178/93
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/1874d0ff4202/OLG-Koeln_Urteil_vom_17-Juni-1994_Az_6-U-178-93