Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. September 2005
Aktenzeichen: 23 W (pat) 338/03

(BPatG: Beschluss v. 13.09.2005, Az.: 23 W (pat) 338/03)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Die Prüfungsstelle für Klasse G 01 D des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf die am 28. September 2000 eingegangene Patentanmeldung das am 24. Juli 2003 veröffentlichte Patent 100 48 172 (Streitpatent) mit der Bezeichnung "Magnetischer Bewegungssensor" erteilt.

Die Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2003, beim Patentamt vorweg per Telefax eingegangen am selben Tag, Einspruch erhoben und beantragt, das Streitpatent zu widerrufen, weil der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 PatG nicht patentfähig sei (§ 59 Abs 1 Satz 3 iVm § 21 Abs 1 Nr 1 PatG). Zum Stand der Technik hat sie dabei die Druckschriften - DE 37 32 958 C2 (Druckschrift D1)

- EP 0 898 369 A2 (Druckschrift D2)

- DE 36 39 208 A1 (Druckschrift D3) und - Jacob Fraden "Handbook of Modern Sensors - Physics, Designs and Applications", Second Edition, Springer-Verlag, 1996, Seiten 250 bis 256 (Druckschrift D4)

genannt und die Auffassung vertreten, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik nach den Druckschriften D1 und D2 jeweils nicht neu sei bzw. gegenüber dem Stand der Technik nach der Druckschrift D3 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Aus der Druckschriften D4 sei ferner ein magnetischer Sensor bekannt, der alle gegenständlichen Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents aufweise. Im Ergebnis sei der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents durch die Druckschrift D1 neuheitsschädlich vorweggenommen und durch Druckschrift D2, D3 oder D4 dem Fachmann nahegelegt.

Im Prüfungsverfahren sind zum Stand der Technik zudem die Druckschriften - deutsche Offenlegungsschrift 1 490 684 (Druckschrift D5)

- PCT-Offenlegungsschrift WO 00/28282 (Druckschrift D6) und - Gevatter "Handbuch der Mess- und Automatisierungstechnik", Springer-Verlag 1999, Seiten 107 bis 115 (Druckschrift D7)

in Betracht gezogen worden.

Die Patentinhaberin ist dem Einspruchsvorbringen in allen wesentlichen Punkten entgegengetreten und hat beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.

Die Einsprechende hat zusätzlich geltend gemacht, dass der Patentanspruch 1 des Streitpatents durch die Merkmale, wonach - bei einer Bewegung des Magneten (3) quer zur Magnetfeldrichtung das Magnetfeld (B) im Bereich des Beeinflussungselements (6, 6') seine Magnetfeldrichtung beibehält bzw - im Beeinflussungselement (6, 6') eine von der Bewegung des Magneten (3) abhängige, von seiner Position aber unabhängige physikalische Größe (I, F, M) hervorgerufen wird, unzulässig erweitert sein könnte.

In der mündlichen Verhandlung vom 13. September 2005 hat die Patentinhaberin die Teilung des Streitpatents erklärt. Zudem hat sie das Streitpatent in der erteilten Fassung verteidigt und die Auffassung vertreten, dass der geltende erteilte Patentanspruch 1 zulässig sei und dass dessen Gegenstand durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik auch nicht patenthindernd getroffen sei.

Die Einsprechende hat in der mündlichen Verhandlung an beiden geltend gemachten Widerrufsgründen festgehalten.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent aufrechtzuerhalten.

Der geltende erteilte Patentanspruch 1 lautet:

"Magnetischer Bewegungssensor, mit einem ein im wesentlichen homogenes Magnetfeld (B) mit einer Magnetfeldrichtung erzeugenden bewegbaren Magneten (3) und einem von dem Magnetfeld (B) durchsetzten feststehenden Beeinflussungselement (6, 6'), wobei bei einer Bewegung des Magneten (3) quer zur Magnetfeldrichtung das Magnetfeld (B) im Bereich des Beeinflussungselements (6, 6') seine Magnetfeldrichtung beibehält und im Beeinflussungselement (6, 6') eine von der Bewegung des Magneten (3) abhängige, von seiner Position aber unabhängige physikalische Größe (I, F, M) hervorgerufen wird, die von einem Abtastelement (7, 8, 8') erfaßt und ausgegeben wird."

Hinsichtlich der geltenden erteilten Unteransprüche 2 bis 11 wird auf die Streitpatentschrift und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Zuständigkeit des (technischen) Beschwerdesenats des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs 3 Satz 1 Nr 1 PatG. Danach ist nicht das Patentamt, sondern das Patentgericht zuständig, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist.

III.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung hindert die Teilungserklärung nicht den Fortgang des Einspruchsverfahrens und eine abschließende Entscheidung über das Stammpatent (vgl hierzu BGH GRUR 2003, 781 Ls 1 und 2 - "Basisstation"; BGH GRUR 2003, 47 Ls - "Sammelhefter"). Begehrt die Patentinhaberin eine Entscheidung über das Stammpatent, so kommt es demnach auf das Schicksal der Trennanmeldung in der Regel schon deswegen nicht an, weil durch die Teilung nichts abgetrennt werden muss. Maßgeblich ist alleine, ob die Rechtsverfolgung der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren - wie hier - eine abschließende Entscheidung zulässt.

IV.

Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Der Einspruch ist auch begründet. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist das Streitpatent wegen unzulässiger Erweiterung zu widerrufen (§ 21 Abs 1 Nr 4 PatG iVm §§ 147 Abs 3 Satz 2, 61 Abs 1 Satz 1 PatG).

1. Zulässigkeit des Einspruchs Die Zulässigkeit des Einspruchs ist von der Patentinhaberin zwar nicht in Frage gestellt worden. Jedoch ist auch ohne Antrag der Patentinhaberin die Zulässigkeit des Einspruchs in jedem Verfahrensstadium von Amts wegen zu überprüfen (vgl Schulte, PatG, 7. Auflage, § 59, Rdn 145).

Gegen die Zulässigkeit des Einspruchs bestehen im vorliegenden Fall aber insofern keine Bedenken, als die Einsprechende innerhalb der Einspruchsfrist gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 den Widerrufsgrund der fehlenden Patentfähigkeit geltend gemacht und die Tatsachen im einzelnen angegeben hat, die den Einspruch rechtfertigen (vgl § 59 Abs 1 Satz 4 PatG), indem sie nämlich im Einspruchsschriftsatz den erforderlichen Zusammenhang zwischen dem Stand der Technik ua nach der Druckschrift D1 und sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents hergestellt hat (vgl hierzu BGH BlPMZ 1988, 250, Leitsatz 2, 251, liSp, Abs 1 - "Epoxidation"; Schulte, PatG, 7. Auflage, § 59 Rdn 77 bis 82).

2. Unzulässige Erweiterung Der Einsprechenden ist dahingehend zu folgen, dass der geltende erteilte Patentanspruch 1 des Streitpatents gegenüber den mit der Anmeldung ursprünglich eingereichten Unterlagen unzulässig erweitert ist, § 21 Abs 1 Nr 4 PatG.

Der erteilte Patentanspruch 1 unterscheidet sich vom ursprünglichen Patentanspruch 1 ua dadurch, dass aus dem Merkmal des ursprünglichen Patentanspruchs 1, wonach bei einer Bewegung des Magneten (3) quer zur Magnetfeldrichtung im Beeinflussungselement (6, 6') eine bewegungsabhängige physikalische Größe (I, F, M) hervorgerufen wird, im erteilten Patentanspruch 1 das Merkmal geworden ist, wonach bei einer Bewegung des Magneten (3) quer zur Magnetfeldrichtung im Beeinflussungselement (6, 6') eine von der Bewegung des Magneten (3) abhängige, von seiner Position aber unabhängige physikalische Größe (I, F, M) hervorgerufen wird. Zur Offenbarung des hinzugekommenen Merkmals "von seiner Position aber unabhängige physikalische Größe (I, F, M)" hat die Patentinhaberin auf die ursprüngliche Beschreibungsseite 1, Zeilen 11 bis 16 und zusätzlich auf die Lorentzkraft auf Seite 4 der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen verwiesen, die von der Geschwindigkeit, nicht aber von der Position abhängig sei (vgl Schriftsatz vom 21. September 2001, Blatt 2, Absatz 3). Der Patentinhaberin kann diesbezüglich jedoch insofern nicht gefolgt werden, als auf Seite 1, Zeilen 1 bis 16 der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen lediglich davon die Rede ist, dass mit Bewegungssensoren eine bewegungsabhängige physikalische Größe erfasst wird, die im Gegensatz zur einer positionsabhängigen physikalische Größe von der Bewegung als solche abhängt. Hierdurch ist aber keineswegs ausgeschlossen, dass die Bewegungssensoren neben einer bewegungsabhängigen physikalische Größe - die im Gegensatz zur einer positionsabhängigen physikalischen Größe von der Bewegung als solche abhängt - zusätzlich auch eine positionsabhängige physikalische Größe erfassen, zumal die Lorentzkraft nicht nur von der Geschwindigkeit - des Magneten (3) -, sondern auch vom Magnetfeld (B) abhängt, das nach dem erteilten Patentanspruch 1 des Streitpatents jedoch nur "im wesentlichen homogen" ist, dh aufgrund seiner Rest-Inhomogenität auch einen - wenngleich dementsprechend kleinen - positionsabhängigen Beitrag zur Lorentzkraft liefert (entsprechend der - von der Position des Magneten abhängigen - jeweiligen Magnetfeldstärke im für die Abtastung genutzten Bereich des Beeinflussungselements).

Auch den übrigen Anmeldungsunterlagen ist das genannte, in den erteilten Anspruch 1 aufgenommene Teilmerkmal nicht zu entnehmen.

Der geltende erteilte Patentanspruch 1 ist daher unzulässig erweitert.

Mit dem Patentanspruch sind auch die darauf zurückbezogenen geltenden erteilten Unteransprüche bis 11 unzulässig erweitert.

Bei dieser Sachlage war das Patent wegen unzulässiger Erweiterung entsprechend dem Antrag der Einsprechenden zu widerrufen.

Dr. Tauchert Dr. Meinel Dr. Gottschalk Knoll Pr






BPatG:
Beschluss v. 13.09.2005
Az: 23 W (pat) 338/03


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