Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 24. April 1992
Aktenzeichen: 6 U 207/91

(OLG Köln: Beschluss v. 24.04.1992, Az.: 6 U 207/91)

Tenor

Die Kosten des in der Hauptsache erledigten Rechtsstreits werden der Klägerin zu 1/3 und der Beklagten zu 2/3 auferlegt.

Gründe

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit

übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war

nur noch über die Kosten zu befinden. Diese Entscheidung hatte nach

§ 91 a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und

Streitstandes nach billigem Ermessen zu erfolgen.

Dies führt dazu, daß die Kosten des

Rechtsstreits der Klägerin zu 1/3 und der Beklagten zu 2/3

aufzuerlegen sind, denn dies entspricht dem Sach- und Streitstand

in dem Zeitpunkt, in dem die Erledigung der Hauptsache erklärt

worden ist. Ohne Eintritt der Erledigung wäre nämlich die Klägerin

mit dem Antrag zu 1) erfolgreich gewesen. Óber den Antrag zu 2) in

der Ausgestaltung, die er in den Anträgen zu 2 a), b) und c)

erfahren hat, hätte hingegen nicht ohne Beweisaufnahme entschieden

werden können; wegen der weiten Antragsfassung hätte das

Klagebegehren insoweit allerdings zu einem Teil in jedem Fall

abgewiesen werden müssen. Im einzelnen ist hierzu folgendes

auszuführen:

Die Klägerin hat zu Recht verlangt, daß

die Beklagte es unterläßt, den in der konkreten Form beanstandeten

Buchtitel zu verwenden. Der Anspruch war gemäß §§ 3, 13 Abs. 2 UWG

gerechtfertigt. Die gerügte Bezeichnung ist geeignet, zumindest

einen nicht unerheblichen Fall der angesprochenen Verkehrskreise

über den Inhalt des Werkes in die Irre zu führen.

Das Landgericht ist zutreffend davon

ausgegangen, daß unter dem Kollektivbegriff "Anwaltschaft" nicht

alleine eine oder d i e Gesamtheit aller Anwälte in einem

bestimmten sachlich oder regional abgegrenzten Bereich verstanden

wird. Vielmehr wird schon nach allgemeinem Sprachgebrauch der

Berufsstand als solcher auf diese Weise begrifflich erfaßt. Ein

Verständnis der Bezeichnung "die deutsche Anwaltschaft" im Sinne

von "der deutsche Anwaltsstand" liegt deswegen nahe. Eine alle -

einzelnen - deutschen Rechtsanwälte erfassende Bezeichnung müßte

demgegenüber sprachlich korrekt "die deutschen Anwälte" lauten.

Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, wie ausgeprägt das

sprachliche Differenzierungsvermögen derjenigen ist, die

vornehmlich als Verwender des Werkes angesprochen sind. Jedenfalls

nämlich kann im Rahmen des § 3 UWG ein Begriffsverständnis

zugrundegelegt werden, daß dem allgemeinen Sprachgebrauch

entspricht. Dies gilt um so mehr, als das geplante Werk nicht nur

der Benutzung durch Rechtsanwälte, sondern ganz allgemein der

Benutzung durch Rechtsuchende dienen soll.

Diejenigen, die den Titel "D.d.A.

1992/1993" im Sinne von "D.d.A. 1992/1993" verstehen, werden

unschwer der Vorstellung unterliegen, das in dieser Weise

angekündigte Werk stelle den Berufsstand der deutschen

Rechtsanwälte in seinen wichtigsten Bezü-gen oder zumindest im

Hinblick auf wesentliche Teilaspekte dar. Hierzu können die

Funktion und Aufgabe des Anwaltsstandes im Rechtsstaat

Bundesrepublik Deutschland von 1992/1993 gehören, aber auch seine

Struktur und Organisation mit den für ihre Leitung in den Jahren

1992/1993 maßgeblichen Persönlichkeiten.

Entgegen einer solchen Vorstellung soll

das Werk nach der Planung der Beklagten aber ausschließlich ein

Verzeichnis der in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen

Rechtsanwälte mit einem Zusatzteil, in dem Angaben insbesondere

über Tätigkeitsschwerpunkte gemacht werden, enthalten; der

letztgenannte Teil erfaßt die Rechtsanwälte, die der Beklagten

gegen Zahlung einen Auftrag zur Veröffentlichung entsprechender

Angaben erteilt haben. Insgesamt handelt es sich damit jedenfalls

nicht um mehr als ein Verzeichnis sämtlicher deutscher

Rechtsanwälte sowie eine Zusammenstellung bestimmter Daten

hinsichtlich eines Teils von ihnen.

Soweit in den schriftsätzlichen

Ausführungen der Beklagten die Ansicht angedeutet worden ist, der

auf der Vorderseite des Werkes unterhalb des beanstandeten Titels

vorgesehene Hinweis "D.-I.-S." könne der Klarstellung darüber

dienen, daß es sich hier lediglich um ein Verzeichnis handele,

trifft dies nicht zu. Vielmehr liegt hier erkennbar ein Hinweis auf

den Herausgeber oder Verleger vor. Ein Irrtum der oben aufgezeigten

Art könnte allenfalls durch einen Hinweis darauf vermieden werden,

daß es sich um ein Verzeichnis von Rechtsanwälten handelt.

Die Beklagte hat geltend gemacht, auf

dem Markt gebe es eine Vielzahl von Verzeichnissen mit

vergleichbaren Titeln. Daß die von der Beklagten im einzelnen

genannten Beispiele mit dem vorliegenden Buchtitel entweder wegen

ihres anderen Inhalts oder wegen der deutlich abweichenden

Bezeichnung nicht gleichgestellt werden können, ist in dem

angefochtenen Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe insoweit zur

Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann, bereits im

einzelnen ausgeführt.

Weiter hat die Beklagte sich darauf

berufen, die Werbung gegenüber Inserenten mit einem Titel belege

noch nicht, daß das Buch auch tatsächlich unter diesem Titel

erscheinen werde. Vielmehr sei es denkbar, daß das Werk mit dem

Zusatz/Untertitel "Ein Verzeichnis" herausgebracht werde. Dies habe

das Landgericht unberücksichtigt gelassen.

Mit dieser Argumentation hat die

Beklagte Klageantrag und Tenor des erstinstanzlichen Urteils nicht

hinreichend beachtet und unstreitigen Parteivortrag unvollständig

gewürdigt. Antrag und Tenor des angefochtenen Urteils haben

zunächst das Ankündigen und Bewerben des Werkes unter der

angegriffenen Bezeichnung zum Gegenstand. Beides ist unstreitig

bereits geschehen, wie sich überdies aus den überreichten

Werbeunterlagen ergibt. Insoweit war von der grundsätzlich

bestehenden tatsächlichen Vermutung für das Vorliegen der

Wiederholungsgefahr (vgl. Baumbach-Hefermehl, 16. Aufl., Einleitung

UWG, Rdn. 263 m.w.N.) auszugehen. Diese kann in der Regel nur

dadurch ausgeräumt werden, daß der Verletzer eine bedingungslose

und unwiderrufliche Unterlassungserklärung unter Óbernahme einer

angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung

abgibt.

Soweit der Antrag und die

erstinstanzliche Verurteilung zum Inhalt gehabt haben, es zu

unterlassen, das Werk unter der beanstandeten Bezeichnung in den

Verkehr zu bringen, hat jedenfalls Erstbegehungsgefahr bestanden.

Erforderlich hierfür ist, daß ein wettbewerbswidriges Verhalten

unmittelbar drohend bevorsteht. Dies kann sich aus einer Berühmung

oder Absichtserklärung, aber auch aus vorbereitenden Maßnahmen

ergeben. Maßgeblich ist, ob die Umstände die Vorbereitung der

entsprechenden Wettbewerbshandlung bzw. die Absicht ihrer

Verwirklichung erkennen lassen (vgl. Baumbach-Hefermehl a.a.O.,

Rdn. 300, 302; Teplitzky, wettbewerbsrechtliche Ansprü-che, 5.

Aufl., Kapitel 10, Rdn. 2, 13).

Diese Voraussetzung war im Streitfall

erfüllt. Dies ergibt sich aus der in den beiden Fachzeitschriften

durchgeführten Werbung der Beklagten. Ihr ist nicht nur zu

entnehmen, daß die Beklagte konkrete Vorbereitungsmaßnahmen

getroffen hat, um das Werk herauszubringen. Die in beiden

Werbeunterlagen enthaltene Abbildung des Buches machte vielmehr

außerdem deutlich, daß das in Vorbereitung befindliche Werk unter

dem Titel "D.d.A. 1992/1993" erscheinen sollte. Dieser Titel

findet sich nämlich jeweils auf der Einbanddecke des abgebildeten

und in das Zentrum der Werbung gerückten Buches.

Bei den Anträgen zu 2 a), b) und c)

ging es im Rahmen des § 3 UWG um die Frage, ob die Aussagen

"...die besonderen Kenntnisse und

Tätigkeitsschwerpunkte... sachgerecht nachgewiesen..."

"informieren Sie... über Ihre objektiv

belegbaren Tätigkeitsschwerpunkte"

und/oder

"Ihre objektiv belegbaren

Tätigkeitsschwerpunkte im neuen Anwaltsverzeichnis"

bei den so Angesprochenen eine

Fehlvorstellung auslösen können.

Der beanstandeten Werbung war zu

entnehmen, daß Werbungsadressaten Rechtsanwälte waren, die als

potentielle "Inserenten" angesprochen wurden. Im Zusammenhang mit §

3 UWG war mithin zu prüfen, ob die angesprochenen Rechtsanwälte

durch die beanstandeten Ankündigungen irregeführt werden konnten.

Das Landgericht hat hierzu die Auffassung vertreten, der Leser der

Werbung werde davon ausgehen, die Herausgeber des Werkes

zeichneten dafür verantwortlich und stellten sicher, daß die

Angaben über Tätigkeitsschwerpunkte nachgewiesen oder zumindest

durch beweiskräftige Unterlagen belegt seien. Folgt man dem, so

hätte der Werbungsadressat annehmen müssen, die Beklagte verfüge

bereits über entsprechende Daten, Nachweise und Unterlagen über ihn

selbst oder werde sich solche selbständig beschaffen. Daß dem so

Werbenden dies gelungen sein oder in Zukunft gelingen könnte, ohne

daß der angesprochene Rechtsanwalt derartige Daten und Nachweise

selbst vorlegt, dürfte für einen Rechtsanwalt eine wenig

naheliegende Annahme darstellen. Jedenfalls hätte der Senat,

nachdem für das Verständnis der Werbungsadressaten beiderseits

Beweis angeboten worden war, hierüber nicht ohne Beweisaufnahme

entscheiden können. Deswegen war der Ausgang des Rechtsstreits

hinsichtlich des Antrags zu 2) bei Abgabe der beiderseitigen

Erledigungserklärungen offen. Dem war bei der Kostenverteilung

Rechnung zu tragen.

Dabei konnte allerdings nicht

unberücksichtigt bleiben, daß die Klägerin mit einem Teil des

Antrags zu 2) jedenfalls unterlegen gewesen wäre. Sie hat nämlich

die Werbeaussagen über die "sachgerecht nachgewiesenen" und die

"objektiv belegbaren" Kenntnisse und Tätigkeitsschwerpunkte in der

konkreten Form der veröffentlichten Anzeige bzw. des Prospektes

angegriffen. Aufgrund der gewählten Antragsfassung wären von einem

entsprechenden Verbotsausspruch Aussagen über besondere

Tätigkeitsschwerpunkte auch erfaßt gewesen, soweit diese durch ein

förmliches Verfahren objektiv belegt waren und sich bereits in der

Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung niedergeschlagen hatten.

Daß in derartigen Fällen keine Irreführung in Betracht kam, bedarf

keiner näheren Ausführungen. Dies ist von der Klägerin auch nicht

behauptet worden.

Wäre nach alledem ohne die Erledigung

des Rechtsstreits in der Hauptsache von einem Obsiegen der

Klägerin hinsichtlich des Antrags zu 1) auszugehen gewesen, während

die Anträge zu 2) zu einem - geringen - Teilunterliegen der

Klägerin geführt hätten und der Ausgang des Rechtsstreits insoweit

im übrigen offen war, so erschien nach billigem Ermessen eine

Gesamtverteilung der Kosten zu einer Quote von 1/3 zu 2/3 zu Lasten

der Beklagten angemessen.

Streitwert:

bis zur mündlichen Verhandlung vom

2O.3.1992: 14O.OOO,- DM;

ab der übereinstimmenden

Erledigungserklärung im Termin vom 2O.3.1992: Summe der bis dahin

erfallenen Kosten des Rechtsstreits.






OLG Köln:
Beschluss v. 24.04.1992
Az: 6 U 207/91


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