Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Februar 2004
Aktenzeichen: 25 W (pat) 156/02

(BPatG: Beschluss v. 26.02.2004, Az.: 25 W (pat) 156/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Februar 2002 aufgehoben und die Löschung der angegriffenen Marke 395 10 099 wegen des Widerspruchs aus der Marke 294 026 angeordnet.

Gründe

I.

Die Bezeichnung Deatinist am 7. März 1995 unter der Nummer 39510099 für die Waren "Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Dermatika", ins Markenregister eingetragen worden. Dagegen hat die Inhaberin der ua für die Waren "Arzneimittel" geschützten Marke Nr 294026 Desitin Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 21. Februar 2002 durch eine Prüferin des höheren Dienstes den Widerspruch zurückgewiesen, wobei sie (irrtümlich) davon ausgegangen ist, dass die Benutzung der Widerspruchsmarke für alle Waren, ausgenommen "Psychopharmaka" bestritten worden sei und dass mangels einer weitergehenden Glaubhaftmachung der Benutzung sich die Waren "Dermatika" und "Psychopharmaka" gegenüberstünden. Die Nichtbenutzungseinrede betraf allerdings einen anderen, inzwischen zurückgenommenen Widerspruch.

Die Markenstelle hat eine Verwechslungsgefahr verneint. Selbst wenn man von einer engeren Warenähnlichkeit und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgehe, sei die Ähnlichkeit der Marken nicht hinreichend ausgeprägt. Die Zeichen unterschieden sich sowohl klanglich als auch schriftbildlich durch den grundsätzlich stärker beachteten vorderen Wortteil, wobei nicht unberücksichtigt bleiben dürfe, dass die gemeinsame Endung auf dem pharmazeutischen Gebiet häufig vorkomme und deshalb verstärkt auf die übrigen Bestandteile geachtet werde. Der unterschiedliche Buchstabenaufbau - bei der angegriffenen Marke zwei aufeinanderfolgende Vokale - bei der Gegenmarke der Wechsel zwischen Konsonant und Vokal - in den sich gegenüberstehenden Bestandteilen "Dea-" und "Desi-" prägten die Marken ganz typisch unterschiedlich. In schriftbildlicher Hinsicht unterschieden sich die Zeichen bei Großschreibung durch die Zeichenlänge und auch bei normal leserlicher Handschrift durch die Wortkonturen aufgrund des Buchstabens "i", dessen Oberlänge auffalle.

Die Widersprechende hat Beschwerde erhoben und beantragt, den Beschluss vom 21. Februar 2002 aufzuheben und die Löschung der vorläufig eingetragenen Marke Nr 395 19 099 "Deatin" zu verfügen, hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und - ohne selbst in der Sache zu entscheiden - zur weiteren Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.

Mangels einer Rezeptpflicht sei bei der Frage der Verwechslungsgefahr auch auf Laien abzustellen, die diese Waren im Wege der Selbstmedikation erwerben würden. Die Widerspruchsmarke habe insgesamt eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft.

Die Zeichen seien sowohl klanglich als auch schriftbildlich ausgesprochen ähnlich. Der Zeichenanfang "De", das Zeichenende "tin", welches nicht unberücksichtigt bleiben dürfe, auch wenn diese Silbe häufig in Arzneimittelmarken verwendet werde, und der Sprechrhythmus seien identisch. Die Zeichen hätten, was die Abfolge von Vokalen und Konsonanten angehe, eine ähnliche Struktur. Sie würden dreigliedrig ausgesprochen und voraussichtlich auf der Endsilbe betont. Die Unterschiede in der unbetonten Zeichenmitte zwischen "a" und "si" reichten nicht aus, eine Verwechslungsgefahr zu verhindern, insbesondere aus der Erinnerung heraus. Schriftbildlich kämen sich die Zeichen insbesondere bei handschriftlicher Wiedergabe sehr nahe, da dabei die Buchstabenfolge "si" ein ähnliches Bild wie "a" ergebe, wenn man die Buchstaben eng aneinander schreibe.

Es bestehe Warenidentität, da mangels eines Nichtbenutzungseinwands sich "Arzneimittel" und "Dermatika" gegenüberstünden. Außerdem werde die Widerspruchsmarke ebenfalls für Dermatika benutzt.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen; hilfsweise erklärt sie für den Fall, dass die Beschwerde nicht zurückgewiesen wird, die Beschränkung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke auf "Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich rezeptpflichtige Dermatika".

Sie stellt klar, dass sie hinsichtlich dieser Widerspruchsmarke keinen Nichtbenutzungseinwand erhoben hat. Von einer engeren Warenähnlichkeit sei nicht auszugehen. Die angegriffene Marke beanspruche Schutz für "Dermatika", die Widerspruchsmarke werde insbesondere für "Wundbehandlungsmittel" verwendet, welche die Rote Liste in einer anderen Hauptgruppe erfasse als die typischen Dermatika. Es sei anerkannt, dass der Verkehr bei Arzneimitteln besonders aufmerksam sei. Die Wortendung "tin" trage nichts zur Prägung des Gesamteindrucks bei, da sie in über tausend Arzneimittelmarken festzustellen und daher äußerst kennzeichnungsschwach sei. Die klanglichen Unterschiede zwischen "Dea" und "Desi" seien so deutlich, dass eine Verwechslungsgefahr ausscheide. Außerdem verbinde der Verkehr mit den jeweiligen Anfangsbestandteilen unterschiedliche Begriffsinhalte. "Dea" bedeute "Göttin", "Desi" erinnere an den Namen "Daisy". Doch selbst wenn man "Deatin" und "Desitin" gegenüberstelle, bestehe keine Verwechslungsgefahr. Wegen der abgegriffenen Endsilbe "tin" komme der Zeichenmitte, in der die Silbe "si" erheblich von dem Vokal "a" abweiche, für den Gesamteindruck eine entscheidende Bedeutung zu.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke besteht die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Der Senat geht wie bereits die Markenstelle von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus. Auch wenn einzelne Zeichenbestandteile kennzeichnungsschwach sind, bedeutet dies noch nicht, dass eine Marke insgesamt kennzeichnungsschwach ist.

Da Benutzungsfragen nicht angesprochen sind, ist bei der Widerspruchsmarke von der Registerlage auszugehen, so dass sich die Marken bei identischen Waren begegnen können, denn der eingetragene Oberbegriff "Arzneimittel" der Widerspruchsmarke umfasst auch die angegriffenen Waren "Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Dermatika" bzw die nach dem Hilfsantrag maßgeblichen Waren "Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich verschreibungspflichtige Dermatika".

Der Gesamteindruck der Zeichen, auf den es maßgeblich ankommt (EuGH, GRUR 1998, 387, Tz 23 - Sabel/Puma; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdn 152,), ist noch so ähnlich, dass bei Kennzeichnung identischer Waren mit Verwechslungen zu rechnen ist, auch wenn es sich - insbesondere hinsichtlich des hilfsweise eingeschränkten Warenverzeichnisses - fast um einen Grenzfall handeln mag.

Soweit sich die Waren "Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Dermatika" und "Arzneimittel" gegenüberstehen, sind mangels Rezeptpflicht Laien uneingeschränkt zu berücksichtigen. Maßgeblich ist dabei der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher der entsprechenden Waren (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdn 156).

Zumindest in klanglicher Hinsicht reichen die Unterschiede nicht aus, eine Verwechslungsgefahr zu verhindern, auch wenn im Gesundheitsbereich mit einer gesteigerten Aufmerksamkeit zu rechnen ist (BPatG GRUR 2001, 61 - ATLAVIT C; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl § 9 Rdn 172). Die Lautfolge "deatin" und "desitin" stimmen in der Sprechsilbenzahl, dem Sprech- und Betonungsrhythmus sowie den Lauten "detin" und damit im Zeichenanfang und der betonten Endsilbe überein. Der einzige klangliche Unterschied befindet sich in der unbetonten Zeichenmitte. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind bei dem Vergleich von Zeichen insbesondere die "unterscheidenden und dominanten" Elemente zu berücksichtigen, wobei der Begriff "unterscheidend" weniger im Sinne von "abweichend" als vielmehr im Sinne von "unterscheidungskräftig" bzw "kennzeichnungskräftig" zu verstehen ist (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl § 9 Rdn 160; Bender, Rechtsprechung und Übersetzung oder Übersetzung statt Rechtsprechung, Festschrift für Winfried Tilmann, S 259; 269 f)). Auch wenn der Vokal "a" und die Laute "si" deutlich unterschiedlich klingen, haben diese in der unbetonten Zeichenmitte stehenden Unterschiede im Gesamtklangbild ein zu geringes Gewicht, um bei identischen Waren Verwechslungen infolge Verhörens auszuschließen. Obwohl die Endung "tin" bei Arzneimittelbezeichnungen häufig vorkommt und somit wenig originell ist, darf sie in ihrer Bedeutung für den Gesamteindruck nicht unberücksichtigt bleiben, zumal diese Silbe keinen beschreibenden Sinngehalt aufweist, sie vielmehr in beiden Marken betont wird und in Verbindung mit dem jeweiligen Zeichenanfang zum Charakteristikum der beiden Marken beiträgt. Diese haben nicht nur einen kennzeichnungsschwachen Endbestandteil gemeinsam, sondern ebenso die Anfangssilbe.

Die klanglichen Unterschiede sind insgesamt so gering, dass zumindest mit einer Verwechslungsgefahr aus der unsicheren Erinnerung heraus zu rechnen ist. Es ist nämlich von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr die beiden Marken in der Regel nicht gleichzeitig nebeneinander wahrnimmt und sie deshalb nicht miteinander vergleichen kann. Der Abnehmer, der eine Marke nur ungenau in Erinnerung hat, kann sie in einer anderen ähnlichen Marke wiederzuerkennen glauben und insoweit Verwechslungen unterliegen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl § 9 Rdn 162). Begriffsanklänge sind in den Zeichen nicht so ausgeprägt enthalten, dass sie dem Verkehr als Merkhilfen dienen könnten. Da der Verkehr die Zeichen regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und die Einzelbestandteile der Wörter nicht analysiert, wird der Begriff "Dea" als Hinweis auf eine "Göttin" regelmäßig ebenso unbemerkt bleiben wie der Anklang der Anfangslaute "desi" an den englischen Vornamen "Daisy". Dies gilt erst recht, da die Waren zu diesen Begriffen keinen Bezug aufweisen und der jeweilige Begriffsinhalt bzw -anklang daher lediglich theoretisch gegeben ist, für die angesprochenen Verkehrskreise dagegen praktisch keine Rolle spielt.

Ob die Marken auch in schriftbildlicher Hinsicht ähnlich sind, kann dahingestellt bleiben, da für den Erfolg des Widerspruchs selbst eine lediglich in klanglicher Hinsicht bestehende Verwechslungsgefahr genügt (vgl Ströbele/ Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdn 170).

Soweit sich nach dem hilfsweise eingeschränkten Warenverzeichnis die Waren "Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich verschreibungspflichtige Dermatika" und "Arzneimittel" gegenüberstehen, sind wegen der einseitigen Rezeptpflicht zwar verstärkt die Fachkreise (vgl BGH, GRUR 1999, 587 - Cefallone) und die schriftbildliche Wiedergabe der Zeichen zu berücksichtigen, wobei die Fachkreise die Marken regelmäßig sorgfältiger wahrnehmen und mit den Marktverhältnissen vertrauter sind als Laien. Allerdings darf auch bei einer einseitigen Rezeptpflicht die mündliche Begegnung der Zeichen unter Laien nicht völlig unberücksichtigt bleiben, da auch rezeptpflichtige Arzneimittel Laien gegenüber mündlich weiterempfohlen werden können. Es sind daher zB auch die Fälle zu berücksichtigen, in denen ein Laie auf eine vermeintliche Empfehlung eines anderen Laien hin ein nicht rezeptpflichtiges Dermatikum erwirbt, während in Wirklichkeit ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel weiterempfohlen wurde. Insoweit besteht auch bei einer einseitigen Rezeptpflicht immer noch eine beachtliche Verwechslungsgefahr, da das Gesamtklangbild der Zeichen noch so ähnlich ist, dass auch bei einer eingeschränkten ausschließlich mündlichen Begegnung der Zeichen unter Laien mit Verwechslungen zu rechnen ist.

Nach alledem war der Beschwerde der Widersprechenden stattzugeben und die Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke Nr 294026 anzuordnen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG.

Kliems Sredl Bayer Na






BPatG:
Beschluss v. 26.02.2004
Az: 25 W (pat) 156/02


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