Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Oktober 2000
Aktenzeichen: 29 W (pat) 77/99
(BPatG: Beschluss v. 04.10.2000, Az.: 29 W (pat) 77/99)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die für die Waren und Dienstleistungeninternational registrierte Marke Nr. 652 074 siehe Abb. 1 am Endeist Widerspruch eingelegt worden aus der prioritätsälteren Marke Nr. 2 906 415 siehe Abb. 2 am Endeund der Marke 2 906 416 siehe Abb. 3 am Ende
,die jeweils für die Waren und Dienstleistungenim Markenregister eingetragen sind.
Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluß vom 14. Januar 1999 die Widersprüche zurückgewiesen, weil selbst bei unterstellter teilweiser Identität und teilweiser nicht unerheblicher Ähnlichkeit der gegenseitigen Waren und Dienstleistungen keine Gefahr von Verwechslungen der jüngeren Marke mit den älteren Marken bestehe. Der Gesamteindruck der Marken sei verschieden. Die einzig als kollisionsbegründend in Betracht kommende, den Marken gemeinsame Zahl 7 präge den Gesamteindruck der angegriffenen Marke nicht. Die jüngere Marke bilde einen Gesamtbegriff, wie er von Programmanbietern üblicherweise durch Anhängen der Programmbezeichnung an den Sendernamen gebildet werde. Der Ziffer 7 in Alleinstellung komme daher keine eigenständige herkunftsweisende Bedeutung zu. Auch könnten aus der in den Widerspruchsmarken enthaltenen Zahl 7 keine Rechte hergeleitet werden, weil einstellige Grundzahlen nicht schutzfähig seien. Aus diesen Gründen liege auch eine assoziative Verwechslungsgefahr nicht vor.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Wegen der großen Ähnlichkeit der gegenseitigen Waren und Dienstleistungen seien an den Abstand der Marken hohe Anforderungen zu stellen, die nicht eingehalten würden. Die Marke 2 906 415 sei mit der jüngeren Marke wegen der Ähnlichkeit im graphischen Gesamteindruck, insbesondere wegen der sehr ähnlichen Darstellung der Ziffer 7, unmittelbar verwechslungsfähig. Bei allen verfahrensgegenständlichen Marken präge die Zahl 7 den Gesamteindruck. Die Zahl 7 sei weder schutzunfähig noch in ihrer Kennzeichnungskraft geschwächt. Zahlen seien nach neuem Markenrecht nicht generell schutzunfähig, sondern nach den üblichen Kriterien zu beurteilen. Anders als 1, 2, oder 3 sei die Zahl 7 als Bezeichnung für eines von mehreren Programmen eines Anbieters unüblich und komme praktisch nur in den hier zu vergleichenden Marken und im Namen der Widersprechenden vor. Der Verkehr werde daher entweder die Zahl 7 als ein konkretes Produkt individualisierende Zweitmarke und deshalb als prägend ansehen oder aber aufgrund dieser Zahl die jüngere Marke irrtümlich einer Zeichenserie der Widersprechenden zuordnen. Möglicherweise werde der Verkehr die jüngere Marke auch als Bezeichnung für ein Gemeinschaftsprojekt von RTL und PRO 7 ansehen. Es bestehe daher zumindest eine assoziative Verwechslungsgefahr. Auf die Nichtbenutzungseinrede der Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Widersprechende in der mündlichen Verhandlung Glaubhaftmachungsmaterial eingereicht.
Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und der international registrierten Marke Nr. 652 074 den Schutz für die Bundesrepublik Deutschland zu verweigern.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die angegriffene Marke werde durch die Buchstabenfolge "RTL" geprägt, die als Name der Widersprechenden im Verkehr sehr bekannt sei. Im übrigen sei die Zahl 7 auf dem betreffenden Waren- und Dienstleistungs-Bereich nicht schutzfähig, da es üblich sei, Programmfamilien eines Senders zu bezeichnen, indem man der Bezeichnung des Senders eine Ordnungszahl für das jeweilige Programm hinzufüge. Dies belege eine große Anzahl von Beispielen. Wegen der Bekanntheit des Programmanbieters "RTL" und dieser Praxis der Bezeichnung von Programmen werde der Verkehr auch nicht vermuten, "RTL 7" deute auf irgendwelche Verbindungen zwischen der Widersprechenden und der Inhaberin der angegriffenen Marke hin. Eine Verwechslungsgefahr sei daher nicht gegeben. Außerdem wird die Benutzung der Widerspruchsmarken bestritten.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten, die beigefügten Unterlagen sowie auf den Inhalt der Amtsakte IR 652 074/38 verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, in der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg. Auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen den Marken nicht die Gefahr von Verwechslungen (§§ 107, 114, 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 MMA, Art. 6 quinquies B Nr. 1 PVÜ).
1.1 Nach der Auslegung von Art. 4 Abs. 1 Buchst. B der Markenrechtsrichtlinie durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH GRUR Int. 1998, 56, 57 - Sabèl/Puma), die für die Auslegung der in Umsetzung dieser Richtlinienbestimmung erlassenen Vorschrift des § 9 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von maßgeblicher Bedeutung ist, ist die Frage der Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu den dabei maßgebenden Umständen gehören insbesondere der Bekanntheitsgrad der Widerspruchsmarke, die gedankliche Verbindung, die das jüngere Zeichen zu ihr hervorrufen kann, sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den Marken und zwischen den damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen (vgl. Markenrechtsrichtlinie, 10. Erwägungsgrund). Bei der umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese hervorrufen, wobei insbesondere die dominierenden und die sie unterscheidenden Elemente zu berücksichtigen sind. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen wirkt (vgl. BGH 1996, 198 "Springende Raubkatze"; BGHZ 131, 122, 124 f. "Innovadiclophont"). Schließlich impliziert die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. So kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR Int. 1998, 875, 876 f. "Canon"; GRUR 1999, 731 "Canon II"). Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend die Gefahr von Verwechslungen nicht gegeben.
1.2 Die Frage der zulässigerweise bestrittenen Benutzung (§§ 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG) kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, da selbst bei Unterstellung der rechtserhaltenden Benutzung für sehr ähnliche oder identische Waren oder Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr nicht vorliegt.
1.3 Die jüngere Marke hält den erforderlichen Abstand von den Widerspruchsmarken ein. Bei der Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr ist stets vom Gesamteindruck der Marken auszugehen (st. Rspr. BGH BlPMZ 1997, 28 "Foot-Joy"; Mitt. 1996, 285 f. "Sali-Toft"; GRUR 1999, 241, 243 "Lions"). Die Marken weichen in ihrer Gesamtheit hinreichend deutlich voneinander ab. Zwar enthalten beide Marken eine Buchstabenfolge und die Ziffer 7. Auch mögen - wenn man einzelne Linien und Färbungen von Markenelementen isoliert betrachtet - manche Gemeinsamkeiten vorliegen. Jedoch bestehen sowohl in graphischer als auch in klanglicher Hinsicht in der Gesamtwirkung der Marken prägnante Abweichungen. Bildlich fällt auf, daß sich die Zahl 7 bei der angegriffenen Marke an die Buchstabenfolge "RTL" rechts eng anschließt und der kreisförmige Hintergrund der 7 und der rechteckige Hintergrund der Buchstaben sich überlappen. Dagegen besteht die Widerspruchsmarke 2 906 415 aus der Darstellung einer graphisch gestalteten 7 auf hellem, nicht abgegrenzten Hintergrund, unter der als Block die untereinander stehenden Wörter "PRO" und "SIEBEN", letzteres Wort auf einem dunklen Rechteck, angeordnet sind. Die Widerspruchsmarke 2 906 416 besteht ausschließlich aus der graphisch ausgestalteten dunklen Ziffer 7 auf hellem Hintergrund. Damit entsteht ein jeweils völlig unterschiedliches Gesamtbild, das auch unter sehr ungünstigen Verhältnissen und aus der unsicheren Erinnerung heraus nicht verwechselt werden kann. Bei mündlicher Wiedergabe ist zwar die graphische Ausgestaltung unerheblich. Jedoch lassen sich die klanglichen Abweichungen zwischen "RTL 7" und PRO SIEBEN" bzw. "7", die sich am Zeichenanfang befinden und deshalb besonders auffallen, nicht überhören. Auch begrifflich unterscheiden sich die Marken in ihrer Gesamtheit.
1.4 Weichen - wie im vorliegenden Fall- die Marken in ihrer Gesamtheit betrachtet voneinander ab, so kann trotzdem eine Verwechslungsgefahr bestehen, wenn übereinstimmende oder ähnliche Markenbestandteile den Gesamteindruck der Kombinationsmarken prägen (vgl. BGH GRUR 1996, 198, 199 "Springende Raubkatze"; GRUR 1996, 406 "Juwel"; GRUR 1999, 733, 735 "LION DRIVER"; MarkenR 2000, 20, 21 "RAUSCH/ELFI RAUCH").
Dies ist bei dem Bestandteil "7" der angegriffenen Marke, der allein als kollisionsbegründend in Betracht kommt, nicht der Fall, denn diese Zahl prägt nicht den Gesamteindruck der angegriffenen Marke. Der Bestandteil "RTL" tritt nicht so stark in den Hintergrund, daß er für den Verkehr an Bedeutung verlieren und zum Gesamteindruck nichts beitragen würde (vgl. dazu BGH MarkenR 2000, 20, 22 "RAUSCH/ELFI RAUCH"). "RTL" ist zwar der Hauptbestandteil des Firmennamens der Inhaberin der jüngeren Marke und - wie die Widersprechende nicht bestreitet - für diese auch sehr bekannt. Jedoch liegt bei der angegriffen Marke "RTL 7" nicht der Fall eines aus übergreifender Firmenkennzeichnung und einer - eine spezielle Ware oder Dienstleistung eines großen Sortiments bezeichnenden - Zweitkennzeichnung gebildeten Zeichens vor, bei dem zu erwarten wäre, daß der Verkehr sich in maßgeblichem Umfang allein an der Zweitkennzeichnung orientiert (vgl. zu Zweitkennzeichnungen etwa BGH GRUR 1996, 404 "Blendax Pep/PEP"). Wie die Inhaberin der angegriffenen Marke belegt hat, existieren zahlreiche Rundfunk- und Fernsehanbieter, die eine Buchstabenfolge als Bezeichnung verwenden und ihre einzelnen Programme durch Hinzufügung von Ordnungszahlen zu dieser Buchstabenfolge bezeichnen. Dies wird hinsichtlich niedriger Zahlen wie etwa 1 bis 3 oder 4 von der Widersprechenden nicht bestritten. Jedoch ergibt sich aus den von der Inhaberin der angegriffenen Marke eingereichten "Transponder-Info INFOSAT Digital-Sat-Tabellen", daß häufig auch höhere Zahlen bei derartigen Kennzeichnungen verwendet werden, wie etwa "TV 7, Channel 7 Europe, SAT 2000, TELE 24 SWITZERLAND, EUROPA 7, ERTU 8, Quantum 24, TV 1000, KANAL 9, CANAL 99, TELE 24, RAINews24" usw. Der Verkehr ist daher an diese Art von Kennzeichnungen - und auch an die Verwendung höherer Zahlen - gewöhnt und hat keinen Anlaß, zwischen höheren und niedrigeren Zahlen differenzieren. Selbst die Teile des Verkehrs, die möglicherweise einige dieser ausländischen Sender nicht kennen, sind jedenfalls damit vertraut, daß die meisten Rundfunk- oder Fernsehanbieter den Senderbezeichnungen Zahlen beifügen. Diese Teile der breiten Verkehrskreise werden die ihnen bekannten und neu auftretende Bezeichnungen nicht genauer analysieren und sich auch nicht darüber Gedanken machen, ob nur niedrige Ordnungszahlen verwendet werden, zumal bestehende Sender ihre Programmpalette immer mehr ausweiten, etwa zunehmend zusätzlich spezielle Spartenprogramme anbieten. Sofern aber einige Personen in der Hinzufügung der Zahl 7 etwas Ungewöhnliches sehen sollte, läßt dies noch nicht den Schluß zu, der Verkehr sehe in dieser Zahl eine betriebliche Herkunftskennzeichnung, die losgelöst von der vorangestellten Bezeichnung des Senders in Alleinstellung kennzeichnend wirke. Derartig komplizierte Überlegungen sind insbesondere bei alltäglichen Waren und Dienstleistungen, wie sie hier vorliegen, nicht zu erwarten. Der angesprochene Verkehr wird vielmehr auch die Zahl 7 in der jüngeren Marke eher als Individualisierung eines bestimmten Programms eines durch den vorangestellten Sendernamen näher bezeichneten Anbieters begreifen (vgl. dazu auch BGH MarkenR 2000, 134, 137 "ARD-1"; für die generelle Schutzunfähigkeit der Zahl 7 HABM R0063/99-3, MarkenR 1999, 323 "7" (englisch), Auszug auch veröffentlicht in PAVIS CD-ROM). Eine Zahl ist darum lediglich geeignet, innerhalb der Programmfamilie eines Senders auf ein bestimmtes Programm hinzuweisen, nicht aber ein Rundfunkunternehmen von anderen zu unterscheiden, so daß daher stets Name des Senders als notwendige Ergänzung erforderlich ist.
Gegen eine selbständig kennzeichnende Funktion der Zahl 7 in der angegriffenen Marke spricht außerdem weiterhin, daß bei Videorekordern, Rundfunk- und Fernsehgeräten die einzelnen Sender auf beliebige Tasten bzw. Kanäle programmiert werden können, die mit fortlaufenden Nummern bezeichnet sind. Im Zusammenhang mit Rundfunk- und Fernsehanbietern werden daher Ziffern auch aus diesem Grund eher als Numerierung der für den Zuseher oder Zuhörer verfügbaren Sender bzw. Programme im Sinne einer Ordnungszahl, nicht aber als Herkunftshinweis, aufgefaßt. Außerdem legt die graphische Ausgestaltung der angemeldeten Marke wegen der räumlichen Nähe der Bestandteile "RTL" und "7" sowie der Überlappung des Hintergrundes dieser Zeichenelemente einen einheitlichen Begriff nahe (vgl. BGH WRP 2000, 1152, 1154 "PAPPAGALLO").
Da somit die Zahl 7 den Gesamteindruck der jüngeren Marke nicht prägt, braucht auf die Frage nicht eingegangen zu werden, ob sich der Schutzumfang der als kollisionsbegründend in Betracht kommenden Teile der Widerspruchsmarke 2 906 415 auf die graphische Ausgestaltung der Ziffer 7 bzw. die Schreibweise des Wortes "SIEBEN" bzw. der Schutzumfang der Widerspruchsmarke 2 906 416 sich auf die graphische Ausgestaltung beschränkt und ob die Ziffer 7 isoliert betrachtet schutzunfähig ist (s. dazu HABM R0063/99-3, MarkenR 1999, 323 "7" (englisch), Auszug auch veröffentlicht in PAVIS CD-ROM; BGH a.a.O. "ARD-1").
1.5 Auch eine assoziative Verwechslungsgefahr ist nicht gegeben. Der Verkehr sieht - wie oben festgestellt - in der Ziffer 7 kein selbständig kennzeichnendes Element, das einen Stammbestandteil bilden könnte. Gegen die Annahme eines Gemeinschaftsprojekts der Widersprechenden mit der Inhaberin der angegriffenen Marke spricht ebenfalls, daß die angegriffene Marke wie die übliche Bezeichnung eines Programms gebildet ist. (vgl. Althammer/Ströbele/Klaka, Markengesetz, 6. Aufl., § 9 Rn. 217, 222, 227).
2. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.
Meinhardt Baumgärtner Guth Cl Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/29W(pat)77-99.1.3.gif Abb. 2 http://agora/bpatgkollision/docs/29W(pat)77-99.3.3.gif Abb. 3 http://agora/bpatgkollision/docs/29W(pat)77-99.4.3.gif
BPatG:
Beschluss v. 04.10.2000
Az: 29 W (pat) 77/99
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