Landgericht Hamburg:
Urteil vom 14. März 2008
Aktenzeichen: 315 O 339/07
(LG Hamburg: Urteil v. 14.03.2008, Az.: 315 O 339/07)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Anwendbarkeit des sog. Besonderen Mechanismus auf das Arzneimittel "N.", die Frage, ob eine Unterrichtung eines potentiellen Schutzrechtsinhabers im Zusammenhang mit dem Besonderen Mechanismus denjenigen, der sich auf den Besonderen Mechanismus beruft, verpflichtet, die konkreten Schutzrechte unter Angabe der Registernummer zu benennen sowie die Kosten für eine angebliche unberechtigte Schutzrechtsverwarnung.
Bei der Klägerin handelt es sich um einen Parallelimporteur von Arzneimitteln. Parallelimporteure nutzen die zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bestehenden Preisunterschiede von Arzneimitteln dadurch aus, dass sie Medikamente in Niedrigpreisstaaten kaufen und in Hochpreisstaaten importieren.
Die Beklagte ist Teil des weltweit größten Pharmaunternehmens P..
Bei dem Besonderen Mechanismus handelt es sich um eine Regelung aus Anhang IV zum EU-Beitrittsvertrag betreffend die erste EU-Osterweiterung. Der Besondere Mechanismus hat folgenden rechtlichen und tatsächlichen Hintergrund: Die im Rahmen der EU-Osterweiterung beigetretenen Mitgliedsstaaten kannten überwiegend kein dem westeuropäischen Standard entsprechendes Patentrecht, insbesondere keine Erzeugnispatente. Weil aber durch den Beitritt der neuen Mitgliedsstaaten bei einem Inverkehrbringen durch den Patentinhaber in einem der neuen Mitgliedsstaaten grundsätzlich Erschöpfung eintreten würde, der Patentinhaber mithin nicht unter Berufung auf das Patent einen Parallelimport in die alten Mitgliedsstaaten hätte verhindern können, wurde die im EG-Vertrag verankerte Warenverkehrsfreiheit durch den "Besonderen Mechanismus" eingeschränkt. Der Besondere Mechanismus ist in dem Beitrittsvertrag zur Europäischen Union niedergelegt und lautet in der ursprünglichen deutschen Fassung (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 236 vom 23.09.2003, S. 797) auszugsweise wie folgt:
(...) kann sich der Inhaber eines Patents oder eines Ergänzenden Schutzzertifikats für ein Arzneimittel, das in einem Mitgliedsstaat zu einem Zeitpunkt eingetragen wurde, als ein entsprechender Schutz für das Erzeugnis in einem der (...) neuen Mitgliedsstaaten nicht erlangt werden konnte, (...) auf die durch das Patent oder das Ergänzende Schutzzertifikat eingeräumten Rechte berufen, um zu verhindern, dass das Erzeugnis in Mitgliedsstaaten, in denen das betreffende Erzeugnis (...) geschützt ist, eingeführt und dort in Verkehr gebracht wird; dies gilt auch dann, wenn das Erzeugnis in jenem neuen Mitgliedsstaat erstmalig von ihm oder mit seiner Einwilligung in Verkehr gebracht wurde.
Jede Person, die ein Arzneimittel im Sinne des vorstehenden Absatzes in einen Mitgliedsstaat einzuführen oder dort zu vermarkten beabsichtigt, in dem das Arzneimittel (...) Schutz genießt, hat den zuständigen Behörden in dem die Einfuhr betreffenden Antrag nachzuweisen, dass der Schutzrechtsinhaber (...) einen Monat zuvor darüber unterrichtet worden ist.
Der Bundestag stimmte dem Beitrittsvertrag in Gestalt des EU-Beitrittsvertragsgesetzes vom 18.09.2003 (BGBl. II 2003, 1408) mit dem vorstehenden Wortlaut zu, wobei der gesamte Beitrittsvertrag als Anlageband zum Bundesgesetzblatt Teil II veröffentlicht wurde.
Die entsprechenden Fassung der zitierten Passage in den übrigen Amtssprachen der EU lautet (jeweils in der entsprechenden Sprache):
"(...) das in einem Mitgliedsstaat zu einem Zeitpunkt beantragt wurde (...)".
So lautet etwa der entsprechende Begriff in der englischen Fassung "filed", im Italienischen wird der Begriff "presentato" verwendet und auf Französisch ist von "delivré" die Rede. Entsprechend wurde, weil die deutsche Fassung insoweit mit den anderen Fassungen offensichtlich nicht übereinstimmte, die deutsche Sprachfassung des Besonderen Mechanismus durch das Zweite Protokoll über die Berichtigung des Beitrittsvertrags (ABl. L 2004 L 126, S. 3 ff. vom 28.4.2004) geändert. Sie bestimmt nunmehr, dass es darauf ankommt, ob das Schutzrecht beantragt wurde. Eine Änderung des Anlagenbandes zum Bundesgesetzblatt Teil II Nr. 27 vom 30.09.2003 betreffend das EU-Beitrittsvertragsgesetz erfolgte € bisher € allerdings nicht. Es ist jedoch beabsichtigt, ein Berichtigungsverfahren im Bundesgesetzblatt zu veranlassen (vgl. Anlage B 5).
Die Beklagte beabsichtigte, das Präparat "N." aus dem Haus der Beklagten in osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten zu erwerben und in Deutschland auf den Markt zu bringen. Zu diesem Zweck fragte sie mit Schreiben vom 8.11.2006 (Anlage K 2) bei der Beklagten an, ob bezüglich des Arzneimittels N. der "Besondere Mechanismus" eingreife.
Auf die Anfrage der Klägerin reagierte die Beklagte mit dem Schreiben gemäß Anlage K 3, in welchem sie mitteilte, dass "N." unter den Besonderen Mechanismus falle, ein Parallelimport aus den Ostmitgliedsstaaten mithin unrechtmäßig sei. Sie bat um eine Bestätigung der Klägerin, "N." nicht aus den Ostmitgliedsstaaten zu importieren. Weiter wies sie darauf hin, dass sie bekanntlich ihr in diesem Zusammenhang bestehende Positionen konsequent und mit den zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln verteidige.
Die Klägerin wies die Beklagte mit Schreiben vom 6.2.2007 (Anlage K 4) darauf hin, dass ihrer Ansicht nach der Patentschutz für den Wirkstoff von "N." bereits abgelaufen sei und forderte die Beklagte auf, von ihrer "Berühmung Abstand zu nehmen, P. stünden Ansprüche gegen E. unter dem Gesichtspunkt des Besonderen Mechanismus" zu. Daneben forderte sie die Beklagte zur Zahlung von Rechtsanwaltskosten auf.
Darauf reagierte die Beklagte mit Schreiben vom 7.2.2007 (Anlage K 5). Darin wies die Beklagte darauf hin, dass zwar das Basis-Patent für den Wirkstoff ausgelaufen sei, sie sich aber auf ein "laktamfreies Patent für Gabapentin", den Wirkstoff von "N." berufen könne, das noch bis 2010 gültig sei.
Auch nach Übermittlung einer Vertriebsanzeige für "N." (Anlage K 6) vertrat die Beklagte im Schreiben vom 13.3.2007 (Anlage K 7) weiterhin die Auffassung, der Besondere Mechanismus sei im Hinblick auf einen Parallelimport aus der Tschechischen Republik einschlägig.
Das Präparat "N." ist durch Anspruch 4 des Europäischen Patents <leer> € Verfahren zur Stabilisierung einer festen pharmazeutischen Zubereitungsform von cyclischen Aminosäuren (vgl. Anlage B 2) € geschützt. Der deutsche Teil des Patents trägt die Registernummer <leer>. Inhaberin des Patents ist die der Beklagten konzernverbundene G. AG. Die Patentschrift wurde veröffentlicht am 26.10.1994; Anmeldetag ist der 24.8.1990. In den neuen Mitgliedsstaaten konnte im Zeitpunkt der Anmeldung des genannten Patents kein Schutz für ein Erzeugnis erlangt werden; erst im Juli 1994 € mithin vor Veröffentlichung der Patentschrift € konnte in allen osteuropäischen Beitrittsstaaten patentrechtlicher Schutz für Erzeugnisse erlangt werden.
Ob es sich bei Anspruch 4 um ein Erzeugnis- oder ein Verfahrenspatent im Sinne des Besonderen Mechanismus handelt, ist zwischen den Parteien im Einzelnen streitig; unstreitig ist jedoch, dass es sich um einen sogenannten "Product-by-Process"-Anspruch handelt.
Die Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt führen zur Frage von Erzeugnis- bzw. Verfahrensansprüchen in Teil C, Kapitel III, Absatz 3.1 folgendes aus:
"Die erste grundlegende Art von Patentansprüchen ("Erzeugnisansprüche") umfasst sowohl Stoffe bzw. Stoffgemische (beispielsweise eine chemische Verbindung oder ein Gemisch von Verbindungen) als auch alle körperlichen Dinge (beispielsweise Gegenstand, Ware, Vorrichtung, Maschine oder Anordnung zusammenwirkender Vorrichtungen), die durch menschliche technische Fertigkeit hergestellt worden sind. (...) Die zweite grundlegende Art von Patentansprüchen ("Verfahrensansprüche") bezieht sich auf alle Arten von Tätigkeiten, in die die Verwendung von etwas Gegenständlichem für die Durchführung des Verfahrens einbezogen ist."
In Teil C, Kapitel III, Absatz 4.7 b der Richtlinien heißt es:
"Ein Patentanspruch, der ein Erzeugnis durch ein Herstellungsverfahren kennzeichnet, ist als auf das Erzeugnis gerichtet anzusehen."
Die Klägerin fragte wegen verschiedener Präparate € u. a. "N.", "C." und "L." € in den Monaten Oktober und November 2006 bei der Beklagten wegen des Besonderen Mechanismus an. Es wird verwiesen auf Anlagenkonvolut K 8. In ihren Antwortschreiben vertrat die Beklagte jeweils die Auffassung, dass der Besondere Mechanismus einschlägig sei. Es wird auf Anlagenkonvolut K 9 verwiesen. Mit den aus Anlagenkonvolut K 10 ersichtlichen Schreiben fragte die Klägerin nach, auf welche Schutzrechte € konkret unter Angabe der Nummer € sich die Beklagte jeweils berufe. In ihrer Antwort (Anlage K 11) verwies die Beklagte darauf, dass die von der Klägerin erfragten Antworten öffentlich zugänglich seien; für eine Offenlegung durch die Beklagte bestehe keine Notwendigkeit.
Die Klägerin zeigte der Beklagten mit Schreiben vom 26.07.2006 (Anlage K 17) an, dass sie beabsichtige, Arzneimittel mit der Bezeichnung "Z." aus den neuen Mitgliedsstaaten einzuführen und bat um Mitteilung, ob der Besondere Mechanismus eingreife. Als keine Reaktion erfolgte, kündigte sie mit Schreiben vom 4.10.2006 (Anlage K 18) an, "Z." aus Ungarn einzuführen. Darauf reagierte die Beklagte mit Schreiben vom 17.10.2006 (Anlage K 19), in dem sie mitteilte, dass "Z." unter den "Spezifischen Mechanismus" falle. Weiter bat die Beklagte um Bestätigung, dass die Klägerin "Z." nicht importieren werde und keine Zulassung beantragen werde. Abschließend wies sie darauf hin, dass sie bekanntlich die "ihr in diesem Zusammenhang zustehende Positionen konsequent mit den ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln" verteidige. Die Auskunft zum Eingreifen des Besonderen Mechanismus war jedoch unzutreffend, weil der Patentschutz für "Z." bereits im Jahr 2005 abgelaufen war. Darauf wies die Klägerin die Beklagte durch ihren Prozessbevollmächtigten am 25.10.2006 (Anlage K 20) hin, forderte eine Aufgabe der Berühmung sowie Zahlung der Kosten der Inanspruchnahme ihres Bevollmächtigten in Höhe von 2.687,60 EUR. Die Beklagte antwortete darauf mit Schreiben vom selben Tag (Anlage K 21) und erklärte, der Klägerin fälschlich mitgeteilt zu haben, dass "Z." aus Ungarn nicht rechtmäßig importiert werden könne; eine Zahlung der Rechtsanwaltskosten folgte jedoch nicht.
Zum Antrag zu 1) ist die Klägerin der Ansicht, dass sich die Beklagte bezüglich des Arzneimittels "N." nicht auf den Besonderen Mechanismus berufen könne. So kenne sie, die Klägerin, das Patent nicht, auf das sich die Beklagte berufe. Der Patentschutz für den Wirkstoff "Gabapentin" sei abgelaufen; soweit sich die Beklagte auf ein Patent für "laktamfreies Gabapentin" berufe, handele es sich um ein Verfahrenspatent, auf das der Besondere Mechanismus nicht anwendbar sei. Bei Anspruch 4 des Europäischen Patents <leer> handele es sich nicht um einen Erzeugnisanspruch im Sinne des Besonderen Mechanismus. Der Besondere Mechanismus als Ausnahme zur Warenverkehrsfreiheit müsse restriktiv ausgelegt werden. Daher unterfielen ihm keine sog. "Product-by-Process"-Ansprüche, sondern nur Erzeugnisansprüche im engeren Sinne. Dies ergebe sich aus der Verordnung Nr. 1768/92 des Rates über die Schaffung eines Besonderen Schutzzertifikates für Arzneimittel (SPC-VO), auf welche der Besondere Mechanismus Bezug nehme. Bezogen auf diese Verordnung habe der EuGH € das ist zwischen den Parteien auch unstreitig € entschieden, dass der Begriff des Erzeugnisses eng auszulegen sei.
Hinsichtlich des für das Eingreifen des Besonderen Mechanismus maßgeblichen Zeitpunkts könne es angesichts des Wortlauts der im Bundesgesetzblatt veröffentlichten Fassung ("eingetragen") nur auf die Eintragung, keinesfalls jedoch auf die Anmeldung ankommen. Dies gelte schon deshalb, weil das PatentG auch Strafvorschriften enthalte; eine andere Auslegung des Besonderen Mechanismus stelle eine verbotene Analogie (Art. 103 Abs. 2 GG) dar.
Hinsichtlich des Antrags zu 2) ist die Klägerin der Ansicht, die Beklagte sei verpflichtet, die konkreten Patente mit der jeweiligen Registernummer zu nennen, wenn sie sich auf den Besonderen Mechanismus berufe, um einen Parallelimport zu verhindern. Andere Schutzrechtsinhaber würden ebenso verfahren. Die Pflicht zur Mitteilung der konkreten Schutzrechte ergebe sich aus der Eigenschaft des Besonderen Mechanismus als Ausnahmevorschrift zum Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit aus Art. 28 EG. Gleiches ergebe sich aus einem Vergleich mit der Rechtsprechung zu Parallelimporten bei Neukonfektionierung von Arzneimitteln. Während dort der Parallelimporteur, der sich auf eine Ausnahme berufe, den Markeninhaber vorab spezifiziert informieren müsse, gelte dasselbe umgekehrt für den Patentinhaber, der sich seinerseits auf eine Ausnahmevorschrift berufe. Schließlich ergebe sich aus dem Parallelimport ein gesetzliches Schuldverhältnis mit wechselseitigen Loyalitätspflichten. Daher sei es einhellige Auffassung in der Literatur, dass dem potentiellen Schutzrechtsinhaber die Ermittlung der Schutzrechtslage obliege. Auch der Bundesgerichtshof habe in der Aspirin II-Entscheidung hervorgehoben, dass ein solches gesetzliches Schuldverhältnis bestehe; aus diesem ergebe sich eine Antwortpflicht des Markeninhabers. Nichts anderes könne im Fall des Besonderen Mechanismus gelten; hier bestehe die zusätzliche Pflicht, das konkrete Schutzrecht auch zu benennen. Denn der Schutzrechtsinhaber sei sachnäher und könne dem Parallelimporteur die kosten- und zeitsparende Patentrecherche ersparen. Es handele sich bei der Mitteilung der konkreten Patente jedenfalls um eine Obliegenheit, deren Verletzung eine Verwirkung des Rechts, den Parallelimport zu verhindern, nach sich ziehe.
Hinsichtlich des Antrags zu 3) ist die Klägerin der Ansicht, ihr stehe wegen einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs zu. Entgegen der Auffassung der Beklagten liege eine Abmahnung vor. Indem diese eine Bestätigung verlangt habe, dass die Klägerin das jeweilige Arzneimittel nicht importiere und darauf hingewiesen habe, dass sie, die Beklagte, ihre Rechte konsequent verteidige, habe sie ernsthaft und endgültig ein Unterlassen von der Klägerin verlangt. Es liege auch keine "provozierte Stellungnahme" vor, denn der Besondere Mechanismus verlange von den Parallelimporteuren gerade eine Anfrage.
Die Klägerin beantragt,
1. festzustellen, dass der Beklagten keine Rechte aus einem Patent und/oder Ergänzendem Schutzzertifikat zustehen, mit denen die Einführung und/oder das Inverkehrbringen von Arzneimitteln unter der Bezeichnung "N." in der Bundesrepublik Deutschland unter dem Gesichtspunkt des Besonderen Mechanismus gemäß Art. 1 des EU-Beitrittsvertrags vom 18.09.2003 i. V. m. Anhang IV, Nr. 2 zu Art. 22 des EU-Beitrittsvertrags vom 16.04.2003 (BGBl. II 2003, 1408) verhindert werden kann;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, das Patent und/oder Ergänzende Schutzzertifikat mit Registernummer zu benennen, wenn der Einführung und/oder dem Inverkehrbringen eines Arzneimittels in der Bundesrepublik Deutschland nach erfolgter Unterrichtung entsprechend Anlage K 2 unter Berufung auf den Besonderen Mechanismus gemäß Art. 1 des EU-Beitrittsvertrags vom 18.09.2003 i. V. m. Anhang IV, Nr. 2 zu Art. 22 des EU-Beitrittsvertrags vom 16.04.2003 (BGBl. II 2003, 1408) widersprochen wird;
3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 4.041,40 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 2.687,60 seit dem 02.11.2006 und auf weitere EUR 1.353,80 seit dem 13.02.2007 zu zahlen.
Hilfsweise zum Klageantrag zu 2. beantragt die Klägerin,
festzustellen, dass der Beklagten keine Rechte aus einem Patent und/oder Ergänzendem Schutzzertifikat zustehen, mit denen die Einführung und/oder das Inverkehrbringen eines Arzneimittels in der Bundesrepublik Deutschland unter dem Gesichtspunkt des Besonderen Mechanismus gemäß Art. 1 des EU-Beitrittsvertrags vom 18.09.2003 i. V. m. Anhang IV, Nr. 2 zu Art. 22 des EU-Beitrittsvertrags vom 16.04.2003 (BGBl. II 2003, 1408) verhindert werden kann, sofern sie der Klägerin nicht innerhalb eines Monats nach Zugang einer BM-Anfrage unter Benennung des jeweiligen Patents und/oder Ergänzenden Schutzzertifikats mit Registernummer mitgeteilt hat, der Besondere Mechanismus sei einschlägig.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich des Antrags zu 1) ist die Beklagte der Ansicht, sie könne sich bezüglich "N." auf den Besonderen Mechanismus berufen. Bei Anspruch 4 des Patents <leer> handele es sich um einen Erzeugnisanspruch im Sinne des Besonderen Mechanismus. "Product-by-Process"-Ansprüche € um einen solchen handelt es sich bei Anspruch 4 unstreitig € seien Erzeugnisansprüche. Die SPC-VO und in diesem Zusammenhang vorliegende Rechtsprechung könnten nicht auf den Besonderen Mechanismus übertragen werden.
Für das Eingreifen des Besonderen Mechanismus komme es des Weiteren auf den Zeitpunkt der Anmeldung, nicht jedoch auf einen im PatentG schon gar nicht geregelten Zeitpunkt der "Eintragung" an. Der in der deutschen Fassung enthaltene Begriff "eingetragen" sei ein Übersetzungsfehler. Es müsse der in allen anderen Fassungen übereinstimmend verwendete Begriff der "Beantragung" bzw. € der Terminologie des PatentG entsprechend € der "Anmeldung" verwendet werden. Ein solches Verständnis greife auch nicht über den Wortlaut des im Bundesgesetzblatt veröffentlichten Textes hinaus. Denn das PatentG kenne den Begriff der "Eintragung" im Zusammenhang nicht in dem Sinne, wie ihn die Klägerin verstehe. Für den Schutz einer Erfindung komme es auf die Erteilung eines Patents, für die Priorität auf die Anmeldung an. Damit sei der Begriff "eingetragen" auslegungsfähig und -bedürftig.
Die Beklagte hält den Antrag zu 2) € auch den diesbezüglichen Hilfsantrag € mangels Anspruchsgrundlage für unbegründet. Es sei Sache des Parallelimporteurs und damit der Klägerin, sich über die Schutzrechtslage zu informieren. Denn es sei Aufgabe eines jeden Unternehmers, sich über die rechtliche Zulässigkeit und die rechtlichen Rahmenbedingungen seiner angestrebten Tätigkeit zu informieren. Dies gelte umso mehr, als die beanspruchten Informationen öffentlich zugänglich seien. Damit fehle es auch an der Vergleichbarkeit mit der Situation eines Parallelimporteurs, welcher einen Markeninhaber vorab informieren und bemustern müsse. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, im Interesse der Klägerin eine Schutzrechtsrecherche durchzuführen.
Zum Antrag zu 3) trägt die Beklagte vor, die Schreiben vom 17.10.2006 (Anlage K 19 € Z.) und 21.11.2006 (Anlage K 3 € N.) stellten keine Abmahnungen dar und könnten schon deshalb keinen Ersatzanspruch gem. § 823 BGB auslösen. So habe sie, die Beklagte, schon keine Unterwerfungserklärung gefordert. Auch fehle es an der erforderlichen Fristsetzung sowie der Androhung gerichtlicher Schritte. Dass sie am Ende der Schreiben darauf hingewiesen habe, dass sie ihre Rechte konsequent verteidige, sei dafür nicht ausreichend. Denn erforderlich sei die Androhung gerichtlicher Schritte für den Fall, dass sich der Abgemahnte innerhalb einer gesetzten Frist nicht unterwirft. Bei der Korrespondenz der Parteien handele es sich lediglich um einen Meinungsaustausch über die Rechtslage. Unter Hinweis auf eine Entscheidung des Landgerichts Frankfurt (2-06 O 682/06 € Anlage K 28) gehe sie von einer durch die Anfrage provozierten Stellungnahme aus. Im Hinblick auf N. bestehe zudem ein Unterlassungsanspruch; ihre Stellungnahme sei deshalb ohnehin zutreffend gewesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Das Gericht hat im Einverständnis der Parteien mit Beschluss vom 15.1.2008 das schriftliche Verfahren angeordnet. Beide Parteien hatten Gelegenheit, noch bis zum 20.2.2008 Schriftsätze einzureichen.
Gründe
I. Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Der Feststellungsantrag zu 1) ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass der Beklagten keine Rechte aus einem Patent und/oder einem Ergänzendem Schutzzertifikat zustehen, mit denen die Einführung und/oder das Inverkehrbringen von Arzneimitteln unter der Bezeichnung "N." in der Bundesrepublik Deutschland unter dem Gesichtspunkt des Besonderen Mechanismus verhindert werden kann.
Denn die Beklagte kann sich auf den Besonderen Mechanismus in Verbindung mit einem Patent berufen, um einen Import von "N." durch die Klägerin zu verhindern. Das Europäische Patent <leer> bzw. dessen deutscher Teil fällt in den Anwendungsbereich des Besonderen Mechanismus. Nach dem Besonderen Mechanismus kann im Falle der neuen osteuropäischen Mitgliedsstaaten der Inhaber eines Schutzrechts sich auf die durch das Patent eingeräumten Rechte berufen, um einen Parallelimport zu verhindern, wenn das Patent in einem Mitgliedsstaat zu einem Zeitpunkt eingetragen wurde, als ein entsprechender Schutz für das Erzeugnis in den neuen Mitgliedsstaaten nicht erlangt werden konnte.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Beklagte kann sich auf das Europäische Patent <leer> berufen (dazu a). Es handelt sich um ein Patent, das ein Erzeugnis schützt (dazu b) und das zu einem Zeitpunkt im Sinne des Besonderen Mechanismus "eingetragen" war, als ein entsprechender Schutz für das Erzeugnis in einem der neuen Mitgliedsstaaten nicht erlangt werden konnte (dazu c).
a) Die Beklagte kann sich auf das Europäische Patent <leer> berufen, welches den Wirkstoff "Gabapentin" des Arzneimittels "N." schützt. Auch wenn die Klägerin in ihrer Klageschrift zunächst pauschal behauptet hatte, dass "unstreitig der Patentschutz für den Wirkstoff "Gabapentin" bereits abgelaufen" sei, sie aber, nachdem die Beklagte dargelegt hat, auf welches Patent sie sich beruft, auf diesen Vortrag nicht weiter eingegangen ist, wertet es die Kammer als unstreitig, dass Anspruch 4 des Europäischen Patents <leer> "Gabapentin" schützt. Andernfalls wäre jedenfalls das Bestreiten eines Patentschutzes für "Gabapentin" unsubstantiiert.
b) Es handelt sich bei Anspruch 4 des EP 0 414 264 B1 um einen Erzeugnisanspruch im Sinne des Besonderen Mechanismus.
Auch "Product-by-Process"-Ansprüche sind Erzeugnisansprüche im Sinne des Besonderen Mechanismus. Die Rechtstatsache, dass es sich bei Anspruch 4 des <leer> um einen "Product-by-Process"-Anspruch handelt, ist zwischen den Parteien unstreitig. Auch "Product-by-Process"-Ansprüche fallen unter den Begriff des Erzeugnisanspruchs (Bacher/Melullis, Benkard, PatG, 10. Aufl. 2006, § 1 Rn. 15 e). In dieser Weise wird der "Product-by-Process"-Anspruch auch in den Prüfungsrichtlinien des Europäischen Patentamts verstanden, wenn es in Teil C, Kapitel III, Absatz 4.7 b heißt, dass ein Anspruch, der ein Erzeugnis durch ein Herstellungsverfahren kennzeichnet, als auf das Erzeugnis gerichtet anzusehen ist.
Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass vom Begriff "Erzeugnis" im Sinne des Besonderen Mechanismus nur Erzeugnisansprüche in einem eng zu verstehenden Sinne erfasst werden sollen und nicht auch sog. "Product-by-Process"-Ansprüche. Zudem handelt es sich bei solchen Ansprüchen nicht um eine ausnahmsweise Erweiterung der Kategorie des Erzeugnisanspruchs. Vielmehr ist die Kennzeichnung des Erzeugnisses durch Parameter seiner Eigenschaften in solchen Fällen unmöglich oder unpraktikabel (Bacher/Melullis a. a. O.). Auch wird in der patentrechtlichen Terminologie nicht unterschieden zwischen Erzeugnisansprüchen im engeren und weiteren Sinne. Die von der Klägerin in Bezug genommene SPC-VO tut dies nicht, denn auch dort wird zwischen Erzeugnis-, Verfahrens- und Verwendungspatenten unterschieden. Soweit der EuGH in der Sache "Polifeprosan" (C-431/04, Slg. 2006 I-04089, Rn. 25 f.) ausgeführt hat, dass der Begriff des Erzeugnisses im Sinne der SPC-VO eng auszulegen sei, mag dies zutreffen. Diese Entscheidung bietet gleichwohl keine Anhaltspunkte dafür, dass zwischen Erzeugnisansprüchen im engeren und weiteren Sinne zu unterscheiden wäre und liefert insbesondere auch keine Kriterien dafür, ob und wann ein "Product-by-Process"-Anspruch ein Erzeugnisanspruch im engeren Sinne ist.
c) Die Beklagte kann sich auf ein Patent berufen, das zu einem Zeitpunkt im Sinne des Besonderen Mechanismus "eingetragen" wurde, als ein entsprechender Schutz in den neuen Mitgliedsstaaten nicht erlangt werden konnte.
Maßgeblich für das Eingreifen des Besonderen Mechanismus ist der Zeitpunkt der Anmeldung des Patents. Dies ergibt sich aus der Auslegung des Besonderen Mechanismus, so wie er im Anlagenband zum BGBl. veröffentlicht ist und auf welchen sich das EU-Beitrittsvertragsgesetz bezieht.
Der Besondere Mechanismus stellt darauf ab, dass das Schutzrecht "eingetragen" war. Dieser Begriff ist kein Terminus Technicus des Patentrechts und damit auslegungsfähig und auch auslegungsbedürftig. Denn das deutsche Patentrecht knüpft an eine Eintragung, anders etwa als das Markenrecht (§ 4 Nr. 1 MarkenG) oder das Gebrauchsmusterrecht (§ 11 GebrMG), keine Rechtsfolgen. Die gesetzlichen Wirkungen des Patents entstehen vielmehr durch den im Patentblatt veröffentlichten Erteilungsbeschluss, §§ 49 Abs. 1, 59 Abs. 1 S. 1 und 3 PatG. Soweit im PatG die Begriffe "eingetragen" bzw. "Eintragung" verwendet werden, betrifft dies die Führung des Registers und die dort einzutragenden Umstände. So bestimmt etwa § 30 Abs. 1 PatG, dass das Patentamt ein Register führt, das die Bezeichnung der Patentanmeldungen , in deren Akten jedermann Einsicht gewährt wird, und der erteilten Patente und ergänzender Schutzzertifikate (§ 16 a) sowie Namen und Wohnort der Anmelder oder Patentinhaber und ihrer etwa nach § 25 bestellten Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten angibt, wobei die Eintragung eines Vertreters oder Zustellungsbevollmächtigten genügt. Nach § 30 Abs. 2 PatG kann der Präsident des Patentamts bestimmen, dass weitere Angaben in das Register eingetragen werden. Gemäß § 30 Abs. 4 PatG sind auf Antrag auch ausschließliche Lizenzen in das Register einzutragen.
Der in der deutschen Fassung des Besonderen Mechanismus verwendete Begriff "eingetragen" ist im Sinne des im PatG verwendeten Begriffs "angemeldet" auszulegen. Der Besondere Mechanismus ist Gegenstand eines völkerrechtlichen Vertrags. Völkerrechtliche Verträge finden in Deutschland über das Transformationsgesetz Anwendung (Art. 59 Abs. 2 GG). Maßgeblich ist mithin das Gesetz und nicht der Vertrag. Es besteht allerdings Einvernehmen, dass das deutsche Gesetz wegen seines völkerrechtlichen Hintergrunds nach völkerrechtlichen Methoden auszulegen ist (Kempen, Bonner Kommentar, Bd. 2, 4. Aufl. 2000, Art. 59 Abs. 2 Rn. 94 m. w. N. in Fn. 207). Die Auslegung mehrsprachiger völkerrechtlicher Verträge ist Gegenstand von Art. 33 Wiener Vertragsrechtskonvention (WVRK); dabei kann offen bleiben, ob Art. 33 WVRK als Völkergewohnheitsrecht als Allgemeines Völkerrecht im Sinne von Art. 25 GG Teil des Bundesrechts ist, denn Deutschland ist Partei der WVRK, der Bundestag hat dieser zugestimmt (BGBl. 1985 II S. 926). Nach Art. 33 Abs. 4 WVRK wird, wenn ein Vergleich der authentischen Texte einen Bedeutungsunterschied aufdeckt, der durch die Anwendung der Artikel 31 und 32 nicht ausgeräumt werden kann, diejenige Bedeutung zugrunde gelegt, die unter Berücksichtigung von Ziel und Zweck des Vertrags die Wortlaute am besten miteinander in Einklang bringt. Eine Auslegung des Begriffs "eingetragen" im Besonderen Mechanismus mithilfe der überkommenen Auslegungsmethoden, auf welche Art. 31, 32 WVRK Bezug nehmen, ist unergiebig. Denn die deutsche Sprachfassung bietet aus sich heraus noch keine Anhaltspunkte dafür, wie der streitige Begriff zu verstehen ist. Im Lichte der anderen Vertragstexte wird jedoch deutlich, dass es sich bei der deutschen Fassung um ein Redaktionsversehen bzw. einen Übersetzungsfehler handelt. Alle anderen Fassungen stellen auf den Zeitpunkt ab, der im deutschen Patentrecht dem der Anmeldung des Patents entspricht. Dafür spricht auch die nachfolgend im Amtsblatt veröffentlichte Berichtigung. Auch wenn hier ebenfalls nicht ein Begriff des deutschen Patentrechts € "beantragt" € verwendet wird, ergibt sich, dass der Zeitpunkt der Anmeldung gemeint ist. Denn es handelt sich um den Akt, mit dem das Verfahren vor dem Patentamt beginnt und welcher auch für die Priorität von Bedeutung ist. Dass es sich letztlich um einen Übersetzungsfehler handelt, ergibt sich auch aus dem durch das Bundesministerium der Justiz bekundeten Willen, die deutsche Fassung entsprechend der veröffentlichten Berichtigung anzupassen. Zu diesem Ergebnis kommen im Übrigen auch Berg/Sauter, PharmR 2004, 233, 237, nach denen auch in Deutschland maßgeblicher Vergleichszeitpunkt der Zeitpunkt der Antragstellung ist.
Nach dem Vorstehenden liegt keine gem. Art. 103 GG verbotene Analogie vor. Denn es wird lediglich eine € auslegungsfähige und auslegungsbedürftige € Vorschrift im Sinne des zugrunde liegenden völkerrechtlichen Vertrags ausgelegt, nicht aber der Anwendungsbereich einer Vorschrift, an welche strafrechtliche Konsequenzen geknüpft sind, über die Grenze des Wortlauts hinaus im Wege der Analogie ausgedehnt.
Angemeldet wurde das hier streitgegenständliche Patent am 24.8.1990, als letzter neuer Mitgliedsstaat hat Ungarn im Juli 1994 den Schutz für Erzeugnispatente eingeführt.
2. Der Antrag zu 2) ist, auch mit dem Hilfsantrag, unbegründet.
a) Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin die konkreten Schutzrechte unter Angabe der Registernummer zu benennen, wenn die Beklagte einem Inverkehrbringen von Arzneimitteln unter Berufung auf den Besonderen Mechanismus widerspricht.
Ein solcher Anspruch steht der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
Aus dem Wortlaut des Besonderen Mechanismus lässt sich ein solcher Anspruch nicht herleiten, denn dieser statuiert ausschließlich Pflichten des Parallelimporteurs.
Eine Pflicht zur Benennung der konkreten Patente lässt sich auch aus einem € unterstellten € gesetzlichen Schuldverhältnis unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht herleiten. Zwar mag auch zwischen einem Parallelimporteur und einem Schutzrechtsinhaber, der sich auf den Besonderen Mechanismus beruft, ein gesetzliches Schuldverhältnis mit wechselseitigen Loyalitätspflichten bestehen, wie dies der BGH im Falle von Parallelimporten mit markenrechtlicher Problematik angenommen hat. Aus diesem Schuldverhältnis ergibt sich aber die von der Klägerin geltend gemachte Pflicht zur Information nicht. Die von der Klägerin vorgebrachten Argumente gründen im Wesentlichen darauf, dass es für die Beklagte einfacher und günstiger sei, die ggf. erforderliche Patentrecherche durchzuführen. Der von der Klägerin vorgelegten Aufsatz von Berg/Sauter (PharmR 2004, 233 ff.) lässt sich für die Auffassung der Klägerin nicht heranziehen. Berg/Sauter befürworten, dem Schutzrechtsinhaber die Schutzrechtsrecherche aufzuerlegen (a. a. O., S. 240). Eine Pflicht, das Ergebnis dieser Recherche mitzuteilen, um dem Parallelimporteur seinerseits die Überprüfung der Schutzrechtslage zu ermöglichen, befürworten die Autoren jedoch nicht. Allein dass die Beklagte sachnäher ist, begründet noch keine Pflicht, diese Sachnähe zugunsten der Klägerin auszunutzen.
Die Kammer verkennt nicht, dass der Schutzrechtsinhaber, im vorliegenden Fall die Beklagte, ohnehin die Schutzrechtslage überprüfen muss, um sich auf den Besonderen Mechanismus berufen zu können. Denn andernfalls würde dem Parallelimport gleichfalls "ins Blaue" widersprochen. Es besteht aber keine Pflicht, dann auch dem Parallelimporteur im Einzelnen darzulegen, aufgrund welchen Schutzrechts er sich auf den Besonderen Mechanismus beruft. Aus der Aspirin II-Entscheidung (BGH GRUR 2008, 156, 159) lässt sich eine solche Pflicht nicht herleiten. Soweit der BGH eine € sich aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen Parallelimporteur und Markeninhaber ergebende € Pflicht zur Antwort annimmt, bezieht sich diese Pflicht nur darauf, überhaupt zu antworten. Dem Parallelimporteur soll in einem angemessenen Zeitraum Klarheit erlangen, ob der Markeninhaber die Neukonfektionierung beanstandet oder ob der Parallelimport unbeanstandet bleiben wird. Aus der Entscheidung Antwortpflicht des Abgemahnten (BGH GRUR 1990. 381, 382) lässt sich eine Pflicht auf Nennung der konkreten Schutzrechte ebenfalls nicht herleiten. Der Abgemahnte muss sich vielmehr binnen angemessener Pflicht unterwerfen oder aber eine solche Unterwerfung ablehnen. Er muss jedoch nicht darlegen, weshalb er sich nicht unterwerfen will.
Der Pflicht, überhaupt zu antworten, hat die Beklagte in den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Fällen genügt. Die Beklagte hat sich jeweils auf den Besonderen Mechanismus berufen.
Im Übrigen zeigt die Auseinandersetzung um die Präparate "N." und "Z.", dass auch die Klägerin in der Lage ist, die Schutzrechtslage zu überprüfen bzw. überprüfen zu lassen. Die Klägerin hatte die Beklagte um verbindliche Mitteilung gebeten, ob bezüglich dieses Präparats der Besondere Mechanismus greife (Anlagen K 2 und K 17). Nachdem die Beklagte dies bejahte, ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten darauf hinweisen, dass die jeweiligen Patente bereits abgelaufen seien. Ungeachtet der Frage, ob diese Auffassung zutreffend war, ist jedoch ersichtlich, dass auch die Klägerin in der Lage war, die Schutzrechtslage zu prüfen.
b) Die Klägerin kann auch nicht mit dem zum Antrag zu 2) hilfsweise geltend gemachten Antrag durchdringen. Auch eine Obliegenheit, den Parallelimporteur über die Schutzrechtslage zu informieren mit der Folge, dass andernfalls Verwirkung eintritt, besteht nicht. Ein Rechtsgrund für eine solche Obliegenheit besteht nicht. Allein aus dem Umstand, dass es der Beklagten ggf. leichter fällt, bestimmte Informationen mitzuteilen folgt nicht, dass sie dies auch tun muss. Im Übrigen wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen.
3. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz von Anwaltskosten wegen einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung. Als Anspruchsgrundlage kommt nur § 823 Abs. 1 BGB wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Betracht. Die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage sind jedoch nicht erfüllt.
Bei dem Schreiben gemäß Anlagen K 3, K 7 und K 9 betreffend "N." und K 19 betreffend "Z." handelt es sich nicht um Schutzrechtsverwarnungen. Es liegt keine Abmahnung vor. Eine Abmahnung setzt eine Aufforderung an den Schuldner, innerhalb einer angemessenen Frist eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, voraus (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, WettbR, 26. Aufl. 2008, § 12 Rn. 1.12).
Das ist hier nicht der Fall. So fehlt es schon an einer Aufforderung an die Klägerin, sich strafbewehrt zu unterwerfen. Es wird lediglich um Bestätigung gebeten, "N." nicht einzuführen. Darin kann keine Aufforderung zu einer Unterwerfung erblickt werden, insbesondere wird keine Strafbewehrung verlangt. Des weiteren fehlt es an einer Fristsetzung.
Allein die Tatsache schließlich, dass die Beklagte darauf hinwies, die ihr in diesem Zusammenhang zustehende Position konsequent mit den zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln zu verfolgen, qualifiziert die Schreiben nach dem Voranstehenden nicht zu einer Abmahnung.
II. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
LG Hamburg:
Urteil v. 14.03.2008
Az: 315 O 339/07
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