Bundespatentgericht:
Urteil vom 23. Juni 2009
Aktenzeichen: 3 Ni 39/07

(BPatG: Urteil v. 23.06.2009, Az.: 3 Ni 39/07)

Tenor

1.

Die Klage wird abgewiesen.

2.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte zu 5 ist eingetragene Mitinhaberin des am 16. Dezember 1992 beim Deutschen Patentund Markenamt angemeldeten und am 19. Oktober 1995 erteilten deutschen Patents DE 41 41 448. Die Beklagte 1 bis 4 sind Erben des noch im Patentregister eingetragenen weiteren Mitinhabers O..., der am 9. Februar 2009 verstorben ist. Das Streitpatent betrifft "Verfahren zur Herstellung von tiefgefrorenen verzehrfertigen Fertiggerichten" und umfasst 10 Patentansprüche. Patentanspruch 1 lautet:

1. Verfahren zur Herstellung von tiefgefrorenen, verzehrfertigen Gemüsebeilagen oder Fertiggerichten mit oder ohne Fleischund/oder Meerestierzusatz, indem bereits tiefgefrorene, frei rollende Komponenten in einem rotierenden Mischer gemischt, durch Besprühen mit einer über den Gefrierpunkt temperaturkontrollierten Soßenemulsion oder zum flüssigen Zustand erhitztem Fett beschichtet und die Beschichtungen unter fortgesetzter Rotation auf den einzelnen Komponenten gleichmäßig angelagert und festgefroren werden, ohne dass diese untereinander zusammenfrieren, dadurch gekennzeichnet, dass nach der Beschichtung eine Kälteeinleitung erfolgt.

Die Patentansprüche 2 bis 10 betreffen besondere Ausgestaltungen des Verfahrens nach Anspruch 1.

Die Klägerin macht mit der vorliegenden Klage die vollumfängliche Nichtigerklärung des Streitpatents wegen fehlender Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit geltend. Auch gehe der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinaus, in der sie beim Deutschen Patentund Markenamt ursprünglich eingereicht worden sei. Das Patent offenbare ferner die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Sie stützt sich auf die Druckschriften:

K01 DE 41 41 448 C2 (Streitpatent)

K02 Merkmalsanalyse des Anspruchs 1 des Streitpatents K03 DE4141448A1 K04 Meyers Lexikon online, Stichwort: Vakuum K05 DE3417031A1 K06 DE 691 15 797 T2 K07 US 3 607 313 K08 Richtlinie 89/108/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über tiefgefrorene Lebensmittel K09 DE2926992A1 K10 US 4 894 245 K11 DE 82 34 869.3 U1 K12 DE2841199A1 K13 DE3138995A1 K14 US 4 394 259 K15 DE3811048A1 Die Ansprüche 6 und 7 seien bezüglich des Austauschs des ursprünglich offenbarten Merkmals "Vakuum" durch das nicht offenbarte Merkmal "Unterdruck" unzulässig erweitert. Auch seien die Ansprüche 8 bis 10 nunmehr nicht auf die Anwendung des Verfahrens, sondern auf das Verfahren selbst gerichtet und auch auf einen der Ansprüche 1 bis 7 rückbezogen und nicht, wie ursprünglich jeweils auf die Anwendungen des Verfahrens nach Anspruch 1 bis 6. Der Offenbarungsmangel liege darin, dass der Fachmann dem Streitpatent keinerlei Lehre entnehmen könne, wie die Soßenemulsion oder das Fett temperaturkontrolliert werde.

Die Klägerin bestreitet die Neuheit des Verfahrens gemäß Anspruch 1 und des eingeschränkt verteidigten Anspruchs 1 jeweils gegenüber K05 und der nachveröffentlichten Anmeldung mit älterem Zeitrang K06. Das Verfahren gemäß verteidigtem Anspruch 1 sei gegenüber K05 und K08 bzw. K15 nicht erfinderisch.

Dies gelte auch gegenüber K07 im Lichte von K08. Auch die geltenden Unteransprüche seien nicht erfinderisch, wozu zusätzlich noch auf die Druckschriften K10 bis K15 verwiesen werde.

Die Klägerin beantragt, das deutsche Patent DE 41 41 448 C2 in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Hilfsweise verteidigen sie das Streitpatent dadurch, dass das kennzeichnende Merkmal in Patentanspruch 1 zur Klarstellung wie folgt lautet: "dass die Kälteeinleitung in den rotierenden Mischer erfolgt".

Sie treten dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen und machen geltend, dass die Ansprüche 6 und 7 nicht unzulässig erweitert seien, und auch in den geänderten Rückbezügen der Ansprüche 8 bis 10 keine unzulässige Erweiterung gesehen werden könne. Es liege auch kein Offenbarungsmangel vor.

Das Verfahren gemäß Anspruch 1 sei neu und beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Weder bei K05 noch bei K06 erfolge nämlich nach der Beschichtung eine Kälteeinleitung im Sinne des Streitpatents in den rotierenden Mischer gemäß kennzeichnendem Teil des Anspruchs 1. Der Fachmann erhalte auch im gesamten Stand der Technik keine Anregung, diese Maßnahme durchzuführen.

Die Beklagten zu 1 bis 4 haben im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2009 den Rechtsstreit als Rechtsnachfolgerin des ursprünglich Beklagten O... aufgenommen, die Klägerin hat ihr Einverständnis erklärt und die ursprünglich gegen den noch im Patentregister eingetragenen, verstorbenen O...l gerichtete Klage umgestellt. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien sowie hinsichtlich der weiteren Patentansprüche wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Gründe

Die auf Nichtigerklärung des Streitpatents gerichtete Klage ist zulässig aber unbegründet und deshalb abzuweisen. Nachdem die jetzigen Beklagten 1 bis 4 als Miterben und Gesamtrechtsnachfolger des noch im Patentregister eingetragenen weiteren Patentinhabers O... mit dessen Tod am 9. Februar 2009 Partei des -wegen der Vertretung durch den Verfahrensbevollmächtigten nach § 246 Abs. 1 ZPO nicht unterbrochenen -Streitverfahrens geworden sind (vgl. BGHZ 121, 263) und das Verfahren auch durch ausdrückliche Erklärung fortgeführt haben, ist der Rechtsstreit entscheidungsreif. Insbesondere bedurfte es zur wirksamen Verfahrensbeteiligung und Verfahrensführungsbefugnis der Beklagten zu 1 bis 4 keiner vorherigen Umschreibung des Patentregisters, da § 30 Abs. 3 Satz 2 PatG insoweit nicht anwendbar ist (vgl. BPatGE 29, 244; BPatGE 32, 153; Rudloff-Schäffer in Schulte, PatG, 8. Aufl., § 30 Rdn. 51; Kühnena. a. O. § 81 Rdn. 18).

I.

1.

Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung tiefgefrorener Fertiggerichte mit stückigen Hauptbestandteilen pflanzlicher oder tierischer Herkunft, wie Gemüse oder Gulasch mit Soße und befasst sich mit der Herstellung von Tiefkühlkost. Darunter versteht man industriell hergestellte Lebensmittel, die durch Tiefkühlung konserviert werden. Tiefgefrorene Lebensmittel sind nach der Richtlinie 89/108/EWG (K08) Lebensmittel, die einem Gefrierprozess unterzogen worden sind, bei dem der Temperaturbereich der maximalen Kristallisation entsprechend der Art des Erzeugnisses so schnell wie nötig durchschritten wird, mit der Wirkung, dass die Temperatur des Erzeugnisses an allen seinen Punkten -nachthermischer Stabilisierung -ständig bei Werten von mindestens minus 18¡ C gehalten wird (K08 Artikel 1 (2)). Die Temperatur tiefgefrorener Lebensmittel muss gleichbleibend sein und an allen Punkten des Erzeugnisses auf minus 18¡ C oder niedriger gehalten werden (K08 Artikel 5 (1)). Stand der Technik ist ein Verfahren zur Herstellung solcher Lebensmittel, bei dem ein mit Wasser bzw. Fett gebundenes Granulat an einen Teil stückiger Hauptbestandteile angelagert wird. Nachteilig ist dabei, dass mit einem insgesamt trockenen Granulat gearbeitet wird, bei Arbeiten mit Fett der erforderliche Fettanteil nicht eingearbeitet werden kann, und keine erneute Tiefkühlung erfolgt. Bei einem weiteren Verfahren werden mit gesonderten Quellsubstanzen vermischte Geschmacksstoffe durch Wasser oder durch zuvor aufgespritztes Fett auf tiefgefrorene Lebensmittel aufgebracht. Damit kann weder eine optimale Soßenkonsistenz noch eine sichere Bindung an frei rollende Komponenten für die anschließende Portionierung erreicht werden. Mangels Rückkühlung kann auch hier ein lückenloser Frostungszustand nicht gewährleistet werden. Bei einem weiteren Verfahren wird deutlich über dem Gefrierpunkt gearbeitet und die Lebensmittelstücke und das pulvrige Anlagerungsgut intensiv verwirbelt, was keine sichere Anlagerung gewährleistet und zu einer Erwärmung und Umkristallisation des Zellinhalts im Kern der Stücke führen kann. Schließlich ist zwar bei einem weiteren Verfahren Soße auf tiefgefrorene Lebensmittel aufgesprüht worden, deren niedrige Temperatur zum Auffrieren der Soße führt. Dabei frieren aber die einzelnen Stücke aneinander an (vgl. Streitpatent Sp. 1Z. 7bis 56).

2.

Davon ausgehend liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, ein energiesparendes Verfahren zur Herstellung tiefgefrorener Fertiggerichte mit stückigem Hauptbestandteil zu schaffen, die ohne zusätzliche Konditionierungsmittel, wie Stärke oder Beschichtungswachse, ohne Entmischungsgefahr beliebig portionierbar sind (Streitpatent Sp. 2 Z. 12 bis 17).

3.

Die Aufgabe wird durch ein Verfahren nach dem erteilten Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag mit folgenden Merkmalen gelöst:

1.1.1 Verfahren zur Herstellung von tiefgefrorenen, verzehrfertigen Gemüsebeilagen 1.1.2 oder Fertiggerichten mit oder ohne Fleischund/oder Meerestierzusatz, 1.2 in dem bereits tiefgefrorene, frei rollende Komponenten in einem rotierenden Mischer gemischt, 1.3 durch Besprühen mit einer über dem Gefrierpunkt temperaturkontrollierten Soßenemulsion oder zum flüssigen Zustand erhitztem Fett beschichtet und 1.4 die Beschichtungen unter fortgesetzter Rotation auf den einzelnen Komponenten gleichmäßig angelagert und festgefroren werden, ohne dass diese untereinander zusammenfrieren, 1.5 dadurch gekennzeichnet, dass nach der Beschichtung eine Kälteeinleitung erfolgt.

4.

Zuständiger Fachmann ist ein Ingenieur der Lebensmitteltechnik mit langjähriger Erfahrung in der Herstellung von Tiefkühlprodukten, der über spezielle Kenntnisse in der Kältetechnik verfügt.

II.

1. Die erteilten Patentansprüche 1 bis 10 gemäß Hauptantrag enthalten entgegen der Rechtsansicht der Klägerin keine unzulässige Erweiterung des Inhalts der ursprünglich eingereichten Anmeldung i. S. v. §§ 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG. Denn sie sind aus den Ansprüchen 1 bis 9 i. V. m. S. 4 le. Abs. bis S. 5 Abs. 2 und S. 7 Abs. 1 der Erstunterlagen ableitbar. Dies gilt auch für die geltenden Patentansprüche 6 und 7. In diesen Patentansprüchen wurde lediglich der in den ursprünglichen Unterlagen genannte Begriff "Vakuum" durch den Begriff "Unterdruck" ersetzt. Beim Streitpatent wird gemäß den Erstunterlagen an den Schneckenmischer ein Vakuum angelegt, wodurch die Charge aus dem Vorlagenbehälter eingesogen wird, und im weiteren wird nochmals Vakuum angelegt, um das fertige Mischgut aus dem Mischer in den Vorratsbehälter zu überführen (K03 Sp. 3 Z. 52 bis 58 und Sp. 4 Z. 14 bis 17). Durch das Anlegen von Vakuum wird ein Unterdruck erzeugt und das Verfahren läuft bis auf die Kälteeinleitung unter Unterdruck ab, der das Fördern des Mischguts bewirkt. Ein Evakuieren des Mischers, um ein Vakuum gemäß der physikalischen Erläuterung K04 zu erreichen, ist also beim Streitpatent nicht beabsichtigt. Der im Verlauf des Prüfungsverfahrens eingeführte Begriff Unterdruck für Vakuum in den Patentansprüchen 6 und 7 beschreibt daher das Verfahren in technisch korrekter Weise entsprechend seiner Funktion und führt nicht zu einer unzulässigen Erweiterung. Auch die Rückbezüge der Ansprüche 8 bis 10 sind in zulässiger Weise berichtigt, da die ursprünglichen Rückbezüge der Patentansprüche 7 bis 9 auf die Ansprüche 1 bis 6 offensichtlich nicht korrekt waren. Diese bezogen sich nämlich gleichzeitig auf die nur als Alternativen in den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 4 genannten Mischertypen. Im Übrigen ist der Anmelder an die von ihm ursprünglich oder später eingereichten Fassungen der Ansprüche nicht gebunden. Das Erteilungsverfahren dient dazu, eine gewährbare Fassung der Ansprüche festzustellen (Schulte PatG 8. Aufl. § 34 Rdn. 198).

2. Der Gegenstand des Streitpatents ist so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen kann (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG).

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Fachmann ohne spezielle Anweisungen im Streitpatent beim Verfahren gemäß Anspruch 1 in der Lage, die Temperatur einer Soßenemulsion über dem Gefrierpunkt entsprechend Merkmal 1.3 des Anspruchs 1 zu kontrollieren. Dem Fachmann ist es nämlich geläufig, welche über dem Gefrierpunkt liegenden Temperaturen er einstellen und wie er diese regeln kann, um das Besprühen in einem tiefgekühlten rotierenden Mischer mit bereits tiefgefrorenen frei rollenden Komponenten durchführen zu können. Er muss lediglich darauf achten, dass die Temperatur der Soße während des Besprühens sicher über dem Gefrierpunkt gehalten wird, um ein Anfrieren bzw. Verstopfen der Sprüheinrichtung zu vermeiden, und nicht zu hoch liegt, um das beschichtete Gefriergut nicht zu stark zu erwärmen (Streitpatent Sp. 2 Z. 59 bis 65, Sp. 3 Z. 44 bis 47, Z. 55 bis 66, Sp. 4 Z. 29 bis 37). Auch im gesamten Stand der Technik wird vorausgesetzt, dass dem Fachmann ohne detaillierte Anweisungen geläufig ist, wie er eine entsprechende Temperaturkontrolle auszuführen hat (vgl. z.B. K05 S. 4 Abs. 1).

3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist neu.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag betrifft ein Verfahren zur Herstellung von tiefgefrorenen Gemüsebeilagen oder Fertiggerichten, bei dem nach der Beschichtung gemäß Merkmal 1.5 eine Kälteeinleitung erfolgt. Die Klägerin versteht unter Kälteeinleitung die Abfuhr von Wärme. Kälte sei nämlich nichts Stoffliches und im Gegensatz zu Wärme kein physikalischer Begriff. Sie fasst daher unter Kälteeinleitung gemäß Merkmal 1.5 des Patentanspruchs 1 jegliche Art von Kühlung auf. Zur Auslegung des Gegenstandes des verteidigten Patentanspruchs 1 ist aber der Sinngehalt der Patentansprüche in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, unter Heranziehung der den Patentanspruch erläuternden Beschreibung und Figuren durch Auslegung zu ermitteln. Dabei stellt die Patentschrift im Hinblick auf die dort gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon dar (vgl. BGH GRUR 2007, 410 [18] -Kettenradanordnung; 1999, 909 -Spannschraube).

Unter einer Kälteeinleitung ist demnach nicht irgendeine Kühlung, sondern nach den Erläuterungen in der Streitpatentschrift die Einleitung bzw. das Einsprühen oder Einspritzen eines Kältemittels, insbesondere Stickstoff, zu verstehen (vgl. Sp. 2 Z. 30 bis 32, 59 bis 68, Sp. 3 Z. 55 bis Sp. 4 Z. 9 der Streitpatentschrift). Diese Kälteeinleitung, bei der ein direkter Wärmeübergang zwischen den tiefgefrorenen beschichteten Komponenten und dem zugeführten Kältemittel erfolgt, umfasst im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin also nicht eine indirekte Kühlung durch Behälterwandungen hindurch oder durch Konvektion gekühlter Luft, wie die nach der Patentschrift nicht erforderliche Kühlung in einem Band -oder Tunnelfroster (Sp. 3 Z. 7 bis 8). Auch geht aus dem zur Auslegung heranzuziehenden Sinngehalt der Patentschrift hervor, dass das Mischen, Besprühen und Anfrieren in einem einzigen Gefäß abläuft, also die Kälteeinleitung nach der Beschichtung in den Behälter erfolgt, in dem die Komponenten gemischt und besprüht werden (Sp. 2 Z. 30 bis 32, Z. 55 bis 68, Sp. 3 Z. 55 bis Sp. 4 Z. 9 i. V. m. mit der Figur). Die Kälteeinleitung findet also im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin beim Streitpatent daher nicht irgendwann und irgendwo nach dem Besprühen statt.

Aus K05 ist ein Verfahren zum Herstellen von Gemüse-Fertiggerichten bekannt, bei dem tiefgefrorene Gemüseteilchen in einem rotierenden Mischer (Freifallmischer) mit einer temperierten homogenisierten Soßenwürzensuspension besprüht werden. Die Gemüseteilchen werden in dem rotierenden Mischer dabei gleichmäßig mit der Suspension überzogen, die sofort auf den tiefgefrorenen Gemüseteilchen erstarrt, ohne dass diese verkleben (Anspruch 1 i. V. m. S. 5 Z. 26 bis 36 und Fig. 1). Damit sind aus K05 die Merkmale 1.1.1, 1.2, 1.3 und 1.4 bekannt. Aus K05 ist aber nicht abzuleiten, dass nach der Beschichtung eine Kälteeinleitung im Sinne des Streitpatents erfolgt. In K05 findet sich lediglich die Angabe, dass vor dem Abpacken nochmals gekühlt wird, sollte das überzogene Gemüse nicht mehr ausreichend kalt sein. Diese Maßnahme soll gerade beim Streitpatent vermieden werden (Sp. 3 Z. 7 bis 8). Der Fachmann kann auch im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin aus der Erläuterung in K05, dass erfindungsgemäß das Endprodukt nach dem Aufsprühen gefroren bleibt und nicht verklebt oder verkleistert, nicht mitlesen, dass nach der Beschichtung eine Kälteeinleitung gemäß Merkmal 1.5 des Patentanspruchs des Streitpatents erfolgt (vgl. K05 S. 5 Z. 3 bis 7). Damit ist das Merkmal 1.5 aus K05 nicht bekannt.

Auch in der nicht vorveröffentlichten Anmeldung mit älterem Zeitrang K06 wird dieses Merkmal nicht vorbeschrieben. Denn bei K06 werden zwar gleich dem Verfahren gemäß Streitpatent tiefgefrorene stückige Produkte (Küchenkräuter) mit einer kein Wasser enthaltenden aus hauptsächlich Fett bestehenden Überzugsmischung besprüht, dann aber einer Abkühlung zugeführt, wozu sie in eine Vorrichtung zum Abkühlen (Abkühlungstunnel, Tiefgefrier-Tunnel I.Q.F.-Art) überführt wird. Diese Maßnahmen können in einem den Mischer, die Abkühlvorrichtung und Verpackungsmaschine umgebenden abgeschlossenen Raum, z. B. einer Kühlzelle, durchgeführt werden (Ansprüche 1, 12 i. V. m. S. 4 Abs. 1 bis 4, S. 5 Abs. 2, S. 6/7 Abs. a) bis e), S. 9 Abs. 2 bis 4 und Fig. 1). Es findet dabei aber auch hier keine Kälteeinleitung nach der Beschichtung im Sinne des Merkmals 1.5 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents, sondern eine indirekte Kühlung statt.

Auch gegenüber der bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigten K07 ist das Verfahren gemäß Anspruch 1 neu. Denn bei diesem Verfahren zum Überziehen von Lebensmittelstücken mit einem essbaren Überzug, wird mit einer auf unter den Gefrierpunkt abgekühlten Soße unter Druck auf die in einem Mischer befindlichen tiefgefrorenen Stücke gesprüht. Eine Kälteeinleitung nach der Beschichtung findet nicht statt und ist auch nicht erforderlich, da mit einem bereits abgekühlten Beschichtungsmittel besprüht wird (Anspruch 1, Sp. 2 Z. 11 bis 30, Z. 43 bis 50 und Z. 69 bis 73 i. V. m. Fig.).

Die weiteren Entgegenhaltungen liegen ferner und können die Neuheit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht in Frage stellen. Sie wurden auch in der mündlichen Verhandlung zur Beurteilung der Neuheit nicht in Betracht gezogen.

4. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Ausgangspunkt zur streitpatentgemäßen Lösung der Aufgabe bilden die vorstehend beschriebenen Verfahren zur Herstellung tiefgefrorener Gemüsebeilagen oder Fertiggerichte gemäß K05 und K07. In diesen Druckschriften werden jedoch, wie vorstehend dargelegt, Lösungswege beschrieben, ohne eine Kälteeinleitung nach dem Besprühen des gefrorenen Gutes im Sinne des Streitpatents in Betracht zu ziehen. Das Verfahren der K05 führt zwar insofern zur teilweisen Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe, als auch beim Verfahren der K05 das Endprodukt nach dem Aufsprühen gefroren bleibt und nicht verklebt oder verkleistert, was die Verpackung oder auch die beliebige Teilbarkeit des Produktes beeinträchtigen könnte (S. 5 Z. 3 bis 7). Dem Fachmann ist auch aus der Richtlinie K08 und der DE 38 11 048 A1 (K15), die ein Verfahren zum Vakuum-Druck-Schockfrosten mittels verflüssigtem Gas beschreibt, bekannt, Lebensmittel durch direkten Kontakt mit Kühlmitteln, wie CO2 und insbesondere flüssigem Stickstoff, tiefzugefrieren bzw. schockzufrosten (vgl. K08 Artikel 4; K15 Anspruch 1). Aber der Fachmann erhält dadurch weder Anregungen noch ein Vorbild, von den bekannten Verfahren abzuweichen und gerade nach der Beschichtung im Sinne des Streitpatents eine Kälteeinleitung in den Behandlungssbehälter unter Einsparung weiterer Kühlvorrichtungen zur Abfuhr der durch das Einsprühmedium eingebrachten Wärme durchzuführen, um aufgabengemäß ein besonders einergiesparendes Verfahren bereitzustellen. Die Erfindung beschränkt sich im Hinblick auf K05 auch nicht auf die Auswahl, ob eine Kühlung innerhalb oder außerhalb des rotierenden Mischers erfolgen soll, wie die Klägerin vorträgt, sondern beim Streitpatent geht es insbesondere darum, dass die Wärme erst gar nicht in das Gefriergut eindringt, wozu die schockartige Kälteeinleitung unmittelbar nach der Beschichtung dient, durch die die Wärme sogleich nach außen abgeführt wird (vgl. Streitpatent Sp. 3 Z. 64 bis Sp. 4 Z. 3 und Z. 26 bis 44). Durch diese Verfahrensweise ergibt sich auch der Vorteil, dass beim Einbringen größerer Soßenanteile schrittweise eingedüst und tiefgekühlt werden kann, wodurch die Beschichtung der Partikel schichtweise aufgebracht und angefroren werden, ohne dass ein größerer Temperaturanstieg im Mischgut entsteht (Sp. 4 Z. 45 bis 50). Das Einbeziehen der weiteren Entgegenhaltungen, die in der mündlichen Verhandlung nicht mehr in Betracht gezogen wurden, führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 wird daher vom Stand der Technik nicht nahegelegt.

5. Der Patentanspruch 1 der gemäß Hauptantrag verteidigten veröffentlichten Fassung der Patentansprüche hat daher Bestand. Mit ihm haben die darauf rückbezogenen, vorteilhafte Ausführungsformen des Patentanspruchs 1 betreffenden Patentansprüche 2 bis 10 ebenfalls Bestand.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. §§ 91 Abs. 1 ZPO, wonach die Klägerin als unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

Dr. Schermer Engels Dr. Proksch-Ledig Dr. Gerster Dr. Schuster Pr






BPatG:
Urteil v. 23.06.2009
Az: 3 Ni 39/07


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