Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 9. November 1994
Aktenzeichen: 11 U 99/94

(OLG Köln: Urteil v. 09.11.1994, Az.: 11 U 99/94)

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 14. April 1994 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 9 O 156/93 - wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 165.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung in derselben Höhe Sicherheit leisten. Die Sicherheit kann auch durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.

Gründe

Die Kläger nehmen den Beklagten als

Mitgesellschafter der Firma B. Metallbaugesellschaft mbH, gegen

die sie einen titulierten Anspruch in Höhe der Klageforderung

erwirkt haben, in Anspruch.

Der Beklagte gründete, nachdem er das

Schlossereiunternehmen seines Vaters als dessen Rechtsnachfolger

übernommen hatte, mit seiner Ehefrau eine GmbH & Co. KG.

Gesellschafter der persönlich haftenden GmbH, der Firma U. O.

Stahl- und Alu- Bau GmbH waren der Beklagte und seine Ehefrau zu je

50 %; an der KG waren sie ebenfalls mit gleich hohen Einlagen

beteiligt. Im Jahre 1981 wurde die GmbH & Co. KG aufgelöst. Der

Geschäftsbetrieb wurde von der Firma U. O. Stahl- und Alu- Bau GmbH

weitergeführt. Die frühere Kommanditgesellschaft wurde in der Form

einer zwischen dem Beklagten und seiner Ehefrau bestehenden

Gesellschaft bürgerlichen Rechts weiterbetrieben. Diese

verpachtete das ihr gehörende Anlagevermögen, nämlich das

Betriebsgelände, an die Firma U. O. Stahl- und Alu-Bau GmbH. Als

alleiniger Geschäftsführer der GmbH war der Beklagte tätig. Mit

Vertrag vom 27. Oktober 1989 wurde die Firma geändert und in B.

Metallgesellschaft mbH umbenannt. Die Eintragung in das

Handelsregister erfolgte am 21. November 1989; die

Gesellschaftsverhältnisse blieben unverändert.

Am 8. Oktober 1991 wurde durch den

Beklagten Konkursantrag für die B. Metallgesellschaft mbH

gestellt. Der Konkursantrag wurde durch Beschluß des Amtsgerichts

Aachem vom 31. Oktober 1991 mangels Masse abgewiesen. Am 13.

Februar 1992 erfolgte die Löschung der Gesellschaft im

Handelsregister.

Durch Gesellschaftsvertrag vom 27.

Oktober 1989 wurde die Firma Stahl-Alu-O. & Sohn GmbH

gegründet, die am 16. November 1989 in das Handelsregister

eingetragen wurde. Gesellschafter dieser Firma sind der Beklagte

und sein Sohn R. U. O. zu je 50 %. Alleiniger Geschäftsführer ist

wiederum der Beklagte.

Durch Urteil des Oberlandesgerichts

Köln vom 30. Oktober 1991 - Az.: 13 U 127/88 - ist die Firma B.

Metallbaugesellschaft mbH verurteilt worden, an die Kläger

148.144,11 DM zu zahlen. Der Zahlungsanspruch resultierte aus einem

Schadensersatzanspruch der Kläger gegen die beklagte Firma aus

einem Werklieferungsvertrag vom 14. November 1984.

Auf Antrag der Kläger wurde die B.

Metallgesellschaft mbH von dem Handelsgericht aufgefordert, für

die Jahre 1990 und später auch für 1991 eine Bilanz zu erstellen.

Aus der Bilanz für 1990 ergibt sich, daß die Umsatzerlöse von ca.

1,5 Mill. DM im Jahre 1989 auf ca. 18.000,00 DM im Jahre 1990

gesunken waren. Für 1990 wurde ein Gewinn von 13.400,00 DM

verzeichnet. Der Personalaufwand fiel von 300.000,00 DM auf 0. In

der Bilanz sind Forderungen der B. Metallgesellschaft mbH gegen

die U. O. GbR in Höhe von 22.609,32 DM und gegen die Stahl-Alu-O.

& Sohn GmbH in Höhe von 109.468,24 DM ausgewiesen. Die

Forderung gegen die letztgenannte Firma resultierte daraus, daß der

Wagenpark und der Warenbestand der Firma B. an diese verkauft

worden war.

Die Kläger haben die Auffassung

vertreten, daß der Beklagte ihnen persönlich aus der Forderung

gegen die B. Metallbaugesellschaft mbH hafte, da er sie in

vorsätzlicher sittenwidriger Weise geschädigt habe. Er habe bewußt

und gezielt die Auflösung der GmbH betrieben. Dies ließe sich aus

dem Umstand schließen, daß der Gegenstand der Firma Stahl-Alu-O.

& Sohn GmbH identisch mit der zuvor aufgelösten Firma B. sei.

Auch firmierten beide GmbH einheitlich unter O. Stahl- und

Alu-Bau. Alle Firmen seien unter der gleichen Anschrift tätig. Aus

der Bilanz für 1990 sei darüber hinaus erkennbar, daß die Firma B.

der Firma Stahl-Alu-O. & Sohn GmbH ein Darlehen über 132.077,66

DM gewährt habe.

Neben einer Haftung aus § 826 BGB komme

auch eine solche nach den Grundsätzen des qualifizierten faktischen

Konzerns in analoger Anwendung von § 303 AktG zur Anwendung, denn

der Beklagte habe eine beherrschende Stellung als

alleinvertretungsberechtiger Geschäftsführer gehabt.

Die Kläger haben zunächst einen

Teilbetrag in Höhe von 20.000,00 DM geltend gemacht. Mit

Schriftsatz vom 17. Januar 1994 haben sie ihre Klage

erweitert.

Die Kläger haben beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie

148.144,11 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16. Oktober 1992 zu

zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

Er hat eine persönliche Haftung

verneint, da er nicht als alleiniger Gesellschafter, sondern

lediglich zu 50 % neben seiner Ehefrau an der Firma B. beteiligt

gewesen sei. Auch an der Firma Stahl-Alu-O. & Sohn GmbH sei er

nur zu 50 % neben seinem Sohn beteiligt. Daraus ergebe sich, daß er

keine beherrschende Stellung in der Firma eingenommen habe.

Entgegen der Behauptung der Kläger sei auch kein Darlehen von der

Firma B. an die Firma Stahl-Alu-O. & Sohn GmbH in Höhe von

132.077,66 DM gegeben worden. Dieser Betrag sei vielmehr der Firma

B. als Forderung aus Leistungen gegen die Firma Stahl-Alu-O. &

Sohn GmbH zugeflossen.

Die Gründung der Firma Stahl-Alu-O.

& Sohn GmbH im Jahre 1989 sei erfolgt, weil er damals krank

gewesen sei und sein Sohn selbständig tätig werden wollte. Im

übrigen sei der Anspruch verjährt.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des

Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug wird auf den

Tatbestand des landgerichtlichen Urteils vom 14. April 1994 Bezug

genommen.

Nachdem die Parteien einen

Widerklageantrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom

24. Februar 1994 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat

das Landgericht sodann in seinem Urteil vom 14. April 1994 eine

Haftung des Beklagten bejaht und den Klägern einen Anspruch in

Höhe von 148.144,11 DM zuerkannt. Auf die Entscheidungsgründe wird

verwiesen.

Der Beklagte hat gegen das am 25. April

1994 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 29. April 1994,

eingegangen am 2. Mai 1994, Berufung eingelegt und das Rechtsmittel

nach Verlängerung der Begründungsfrist am 4. Juli 1994

begründet.

Er wiederholt und vertieft sein

Vorbringen erster Instanz. Ergänzend führt er aus:

Die Neugründung der Firma Stahl-Alu-O.

& Sohn Gmbh sei aus generationsbedingten und steuerrechtlichen

Gründen erfolgt. Er habe 1986 einen Herzinfarkt erlitten, dessen

Folgeerscheinungen ihn so stark getroffen hätten, daß er über

mehrere Jahre hinweg nur sehr eingeschränkt einsatzfähig gewesen

sei. Daraufhin habe sich der in dem Unternehmen als

Schlossergeselle tätige Sohn R. U. O. bemüht, die Meisterprüfung

als Schlossermeister abzulegen, um seinen Vater im Betrieb

abzulösen. Nachdem dieser mit Erfolg 1988 die Meisterprüfung

bestanden habe, sei der Generationswechsel unter Beteiligung des

Steuerberaters Z. vorbereitet worden. Sein Sohn habe es abgelehnt,

sich an dem bisher bestehenden Unternehmen zu beteiligen, weil er

die im Hinblick auf die aufgelaufenen Verbindlichkeiten bestehenden

Risiken nicht habe übernehmen wollen. Er habe Wert auf eine

eigenständige Gesellschaft gelegt, die im Firmennamen auch auf ihn

hinweisen sollte. Darüber hinaus habe eine Neugestaltung der

betrieblichen Verhältnisse dergestalt erreicht werden sollen, daß

die bestehende GbR mit ihren Pachteinkünften nicht mehr

gewerbesteuerpflichtig war. Aus diesen Gründen sei die Firma

Stahl-Alu-O. & Sohn GmbH gegründet worden. Aufgrund der

fehlenden Berufserfahrung seines Sohnes habe dieser zunächst nur

den Rang eines Prokuristen eingenommen, während er selbst die

Geschäftsführung übernommen habe, um seinen Sohn in dieser

Aufgabenstellung einzuführen. In der Folgezeit habe er ihn in die

kaufmännische Führung des Unternehmens umfassend eingewiesen und

intensiv beteiligt. Er habe seinem Sohn das Büro überlassen und

sich selbst auf einen kleinen Arbeitsplatz in das Privathaus

zurückgezogen. In dem neugegründeten Unternehmen sei seine Frau,

die in der Firma B. noch ganztätig als Prokuristin beschäftigt

gewesen sei und die Geschicke der Firma weitgehend mitgestaltet

habe, nicht mehr angestellt worden, um auch dadurch den

Generationswechsel vorzubereiten. Sein Sohn habe schließlich den

Wunsch geäußert, daß der Familienname und der Gegenstand sowie

seine Beteiligung an der Firma ersichtlich sein sollte. Da das

Stahlbauunternehmen insoweit von der neuen Gesellschaft

Stahl-Alu-O. & Sohn GmbH fortgeführt wurde, habe zwangsläufig

aus Gründen der Firmenklarheit und -wahrheit die Firma U. O.

Stahl-Alu-Bau GmbH in die Firma B. geändert werden müssen.

Im übrigen habe sein Verhalten nicht

dazu geführt, daß den Klägern der geltend gemachte Schaden

entstanden sei.

Dies ergebe sich daraus, daß die Kläger

im Jahre 1989 auch dann nicht ihren Anspruch hätten realisieren

können, wenn die Rückstellung für das Prozeßrisiko aus dem Prozeß

zwischen den Klägern und der Firma U. O.-Stahl-Alu-Bau GmbH schon

frü-her in die Bilanz der Gesellschaft eingeführt worden wäre. Bei

einer früheren Berücksichtigung der Rückstellung in der Bilanz der

Firma wäre schon 1989 eine Óberschuldung der Gesellschaft

festzustellen gewesen. Selbst wenn unterstellt werde, daß im Jahre

1990 die Geschäfte der Firma B. durch die Firma Stahl-Alu-O. &

Sohn GmbH in dem Sinne weitergeführt worden wären, daß neu

eingehende Aufträge nur noch von der zuletzt genannten

Gesellschaft bearbeitet wurden, wäre dies nicht ursächlich für

den von den Klägern geltend gemachten Schaden gewesen.

Es fehle schließlich auch an den

Voraussetzungen für eine konzernrechtliche Haftung nach §§ 302, 303

AktG. Seine maßgebliche Beteiligung an den Unternehmen könne nicht

angenommen werden, da er weder an der Firma B. noch an der Firma

Stahl-Alu-O. & Sohn GmbH mehrheitlich beteiligt sei. Es könne

daher nicht davon ausgegangen werden, daß es sich bei der Firma B.

um ein von ihm abhängiges Unternehmen gehandelt habe. Schließlich

fehle auch die weitere Voraussetzung für eine konzernrechtliche

Haftung, da von einer einheitlichen Leitung des herrschenden

Unternehmens und des abhängigen Unternehmens nicht ausgegangen

werden könne.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen

Entscheidung die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise Sicherheitsleistung auch

durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik

Deutschland ansässigen Großbank oder öffentlichrechtlichen

Sparkasse zu gestatten.

Die Kläger wiederholen ihr

erstinstanzliches Vorbringen und machen sich darüber hinaus die

Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils zueigen. Das

Landgericht habe zu Recht festgestellt, daß der Gesellschafter -

Geschäftsführer - die Firma B. aufgegeben und dieselbe gewerbliche

Tä-tigkeit in der zu diesem Zweck gegründeten Gesellschaft

Stahl-Alu-O. & Sohn GmbH ohne Unterbrechung fortgesetzt habe,

um die Kläger mit ihrer Forderung ins Leere laufen zu lassen.

Dieses Verhalten lasse sich hingegen weder mit angeblich

gesundheitlichen noch mit angeblich generationsbedingten noch mit

steuerrechtlichen Gründen erklären. Zudem sei dieses erstmals in

der Berufungsinstanz eingeführte Vorbringen verspätet.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des

Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf die

vorbereitenden Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Die Akten 10 O 348/86 und 9 O 180/93 -

beide LG Aachen - sowie die Handelsregisterakte HR B 688 haben

vorgelegen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d

Die zulässige Berufung des Beklagten

ist nicht begründet. Die Forderung der Kläger gegen den Beklagten

besteht zu Recht.

Die Haftung des Beklagten folgt aus §

826 BGB, denn er hat durch seine Handlungen eine vorsätzliche

sittenwidrige Schädigung der Kläger verursacht. Durch die

Auflösung der Firma B. war es den Klägern nicht mehr möglich, ihre

gegen diese Gesellschaft bestehende titulierte Forderung in Höhe

von 148.144,11 DM gegenüber der Firma B. zu realisieren. Einer

Haftung des Beklagten steht auch nicht entgegen, daß gemäß § 13 II

GmbHG für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nur das

Gesellschaftsvermögen haftet. Dieser Grundsatz wird dadurch

durchbrochen, daß dem Beklagten als Gesellschafter und alleinigem

Geschäftsführer der Gesellschaft vorzuwerfen ist, durch die

Aufgabe der Gesellschaft und die Gründung einer neuen Gesellschaft

in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise Handlungen zum

Nachteil der Kläger vorgenommen zu haben.

Ein gegen die guten Sitten verstoßendes

Verhalten liegt dann vor, wenn ein Gesellschafter im bewußten und

gewollten Zusammenwirken mit Mitgesellschaftern und

Mitgeschäftsführern aufgrund ihrer beherrschenden Stellung die

Rechtsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern

einseitig zum Nachteil der Gesellschaft ausgestaltet und die

Gesellschaft wiederum so anlegt, daß diese Nachteile notwendig den

Gesellschaftsgläubiger treffen müssen (BGH, NJW 1979, 2104). Das

Verhalten des Beklagten als Gesellschafter und Geschäftsführer der

B. erfüllt diese Haftungsvoraussetzungen des § 826 BGB.

Er hat aufgrund seiner beherrschenden

Stellung Handlungen vorgenommen, die den Interessen der

Gesellschaft zuwiderliefen und die Gläubiger schä-digten. Daß der

Beklagte eine solche beherrschende Stellung ausübte, hat der Kläger

in Verbindung mit dem unstreitigen Sachverhalt ausreichend

substantiiert. Konkretere Angaben zur leitenden Stellung des

Beklagten können nicht verlangt werden, denn ob die

Mitgesellschafterin, die Ehefrau des Beklagten, auf die Belange

der Gesellschaft Einfluß genommen hat, kann von den Klägern nicht

vorgetragen werden. Da es sich um Umstände handelt, die in der

Sphäre des Beklagten liegen, sind an die Substantiierungspflicht

der Kläger geringere Anforderungen zu stellen. Eine beherrschende

Stellung des Beklagten kann aufgrund der bekannten Umstände

angenommen werden.

Der Beklagte war alleiniger

Geschäftsführer der Gesellschaft und zu 50 % als Gesellschafter an

ihr beteiligt. Damit liegt zwar keine Mehrheitsbeteiligung vor. Es

sind allerdings keine Anhaltspunkte erkennbar, aus denen sich

entnehmen ließe, daß seine Ehefrau als Mitgesellschafterin Einfluß

auf die Belange der Gesellschaft genommen hat. Wie aus der

Handelsregisterakte HR B 688 ersichtlich, war die Ehefrau

allenfalls zeitweise im Betrieb tätig. Dies ergibt sich daraus, daß

ausweislich der Gesellschafterliste bei der Ehefrau in den Jahren

1972 - 1980 jedenfalls als Beruf Hausfrau angegeben worden ist.

Inwieweit sie in den letzten Jahren ihre Gesellschafterposition

ausgeübt hat, wird nicht vorgetragen. Es wird zwar erwähnt, daß sie

als Prokuristin tätig gewesen sei; eine Eintragung der Prokura in

das Handelsregister ist aber nicht erfolgt. Es kann daher davon

ausgegangen werden, daß der Beklagte als Mitgesellschafter und

alleiniger Geschäftsführer die Firma B. geleitet und das

Firmenschicksal alleine bestimmt hat. In seiner Eigenschaft als

bestimmender Mitgesellschafter und Geschäftsführer hat er dafür

Sorge getragen, daß die Firma B. 1989/1990 ihren Geschäftsbetrieb

einstellte. Der Wagenpark und der Warenbestand wurden der neu

gegründeten Gesellschaft überlassen. Das Betriebsgelände der Firma

B. wird seitdem von dem neugegründeten Unternehmen genutzt. Diesem

wurde ein Darlehen von 109.468,29 DM im Hinblick auf die

Kaufpreisforderung gewährt, obwohl die Firma B. bereits zu diesem

Zeitpunkt in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten war und ein

solches Finanzgebahren nicht einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung

entspricht. Die Mitarbeiter des Unternehmens B. wurden von der

neugegründeten Gesellschaft übernommen. Diese Gesellschaft, in der

der Beklagte wiederum Mitgesellschafter und alleiniger

Geschäftsführer ist, beschäftigt sich ebenfalls mit der Herstellung

von Stahl- und Aluminiumerzeugnissen. Die Umbenennung der Firma B.

erfolgte zeitgleich mit der Gründung der neuen Gesellschaft. Die

Bilanzen für die Jahre 1989, 1990 und 1991 zeigen, daß mit der

Gründung des neuen Unternehmens ein rapider Rückgang der Tätigkeit

der Firma B. zu verzeichnen war. So wurde für das Jahr 1989 noch

ein Rohgewinn von 708.953,71 DM erwirtschaftet. Im Jahre 1990

betrug dieser nur noch - 1.292,86 DM. Daraus läßt sich entnehmen,

daß die Geschäftstätigkeit der Firma U. O. Stahl- und Alu-Bau GmbH

nur auf die neugegründete Firma verlagert wurde und letztlich eine

Weiterführung des alten Unternehmens in einer anderen Gesellschaft

bezweckt war. Davon geht der Beklagte auch selbst aus, wenn er

vorträgt, daß sein Sohn ihn im Betrieb ablösen und ein

Generationswechsel vorgenommen werden sollte.

Durch die Einstellung des

Geschäftsbetriebs der Firma B. hat der Beklagte erreicht, daß die

Kläger keine Vollstreckungsmöglichkeit ihrer titulierten Forderung

gegen diese wahrnehmen konnten, da sie nunmehr vermögenslos war.

Diese Handlungsweise diente der Benachteiligung der

Gesellschaftsgläubiger und erfüllt den Tatbestand einer

vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung.

Der Vortrag des Beklagten, die

Firmenneugründung sei lediglich aus generationsbedingten und

steuerrechtlichen Gründen erfolgt, vermag nicht zu überzeugen. Aus

generationsbedingten Gründen hätte eine Umbenennung in die Firma B.

nicht zu erfolgen brauchen. Vielmehr wäre auch ein Eintritt des

Sohnes in die Gesellschaft, gegebenenfalls mit einem

Nachfolgezusatz in der Firma, möglich gewesen. Wenn lediglich ein

Generationswechsel stattfinden sollte, hätte der Sohn des

Beklagten in die Gesellschaft seiner Eltern eintreten und ebenfalls

neben dem Beklagten als Geschäftsführer ernannt werden können. Auch

in diesem Fall hätte der Beklagte seinen Sohn zunächst in die

Geschäftsleitung einführen können. Der Hinweis, sein Sohn habe

nicht in eine überschuldete Gesellschaft eintreten wollen, greift

nicht, denn als Nachfolgefirma ist die neugegründete Gesellschaft

in die Haftung eingetreten, worauf bereits das Landgericht

hingewiesen hat. Auch der Beklagte geht davon aus, daß die

neugegründete Gesellschaft die Nachfolge antreten sollte. Dies

ergibt sich aus seinem eigenen Vorbringen in der

Berufungsbegründung.

Entsprechend erfolgte auch bereits eine

Verurteilung der Firma Stahl-Alu-O. & Sohn GmbH zur Zahlung

von Verbindlichkeiten der Firma B. in dem Verfahren 9 O 180/93 LG

Aachen. Der Sohn ist daher auch durch die Neugründung mit

Verbindlichkeiten der ursprünglichen Gesellschaft belastet.

Einer persönlichen Inanspruchnahme des

Beklagten steht nicht entgegen, daß die Kläger ihren Anspruch auch

gegen die Firma Stahl-Alu-O. & Sohn GmbH geltend machen können,

denn wie das Verfahren 9 O 180/93 LG Aachen zeigt, ist mit einer

freiwilligen Zahlung auf Verbindlichkeiten der früheren

Gesellschaft nicht zu rechnen. Außerdem würde wiederum eine

Beschränkung auf das Gesellschaftsvermögen vorliegen. Das

Anlagevermögen (Betriebsgelände) des Beklagten und seiner Ehefrau

ist aber in die GbR eingebracht und würde für eine Realisierung der

Ansprüche gegen die Gesellschaft nicht zur Verfügung stehen.

Angesichts dessen können die Kläger nicht darauf verwiesen werden,

ihre Ansprüche zunächst gegen die Firma Stahl-Alu-O. & Sohn

GmbH geltend zu machen.

Das Verhalten des Beklagten ist

entgegen seiner Auffassung auch ursächlich für den den Klägern

entstandenen Schaden. Er kann sich nicht mit Erfolg darauf

berufen, daß der Schaden auch bei ordnungsgemäßer Bilanzierung und

Fortführung der Firma U. O. Stahl- und Alu-Bau GmbH entstanden

wäre, denn daß der Schaden bei rechtmäßigem Alternativverhalten

ebenfalls eingetreten wäre, hat er nicht hinreichend dargetan.

Rechtmäßiges Alternativverhalten ist

bei der Frage der Zurechnung eines Schadenserfolges grundsätzlich

beachtlich. Der Schädiger trägt dann jedoch die Darlegungs- und

Beweislast dafür, daß der Schaden auf jeden Fall eingetreten wäre

(vgl. Palandt-Heinrichs BGB 53. Aufl. Vorbem. v. § 249 Rdn. 105,

BGH NJW 1993, 521). Der Beklagte hat dazu ausgeführt, daß eine

Óberschuldung der Firma U. O. Stahl-Alu-Bau GmbH schon vor Gründung

der Firma Stahl-Alu-O. & Sohn GmbH im Jahre 1989 eingetreten

wäre, wenn zu einem früheren Zeitpunkt Rückstellungen für das

Prozeßrisiko aus dem Prozeß mit den Klägern in der Bilanz

vorgenommen worden wären.

Wie sich jedoch aus der Bilanz für das

Jahr 1990 entnehmen läßt, hat die B. Metallbau GmbH noch 1989

Umsatzerlöse von 1.492.324,25 DM erzielt. Eine nachvollziehbare

Erklärung, warum 1990 nur noch Umsatzerlöse von 18.131,31 DM

erwirtschaftet wurden, sind nicht ersichtlich. Vielmehr kann

dieses Ergebnis nur darauf zurückzuführen sein, daß die

Geschäftstätigkeit eingestellt wurde. Bei einem wie im Jahre 1989

erzielten Umsatz ist aber nicht verständlich, warum die

Gesellschaft nicht fortgeführt wurde. Aufträge haben

offensichtlich in ausreichendem Maße vorgelegen. Wäre die

Geschäftstätigkeit fortgesetzt worden, hätte jedenfalls die

Möglichkeit für die Kläger bestanden, Forderungen der Gesellschaft

aus ihrer Betriebstätigkeit zu Pfänden. Darüber hinaus hätte den

Klägern auch die Möglichkeit offengestanden, Sicherungsrechte an

dem Wagenpark oder den Waren geltend zu machen, deren Wert immerhin

132.000,00 DM ausmachte. Auch der Jahresfehlbetrag von 13.473,19 DM

für das Jahr 1989, wie er sich aus der Gewinn- und Verlustrechnung

für 1990 ergibt, zeigt eine Größenordnung, bei der die Fortführung

des Unternehmens durchaus noch sinnvoll erscheint. Es kann daher

nicht davon ausgegangen werden, daß die Kläger auch bei

ordnungsgemäßer Bilanzierung und Fortführung der B. Metallbau GmbH

mit ihrer Forderung ins Leere gelaufen wären.

Ob auch die Voraussetzungen für eine

Haftung nach den Grundsätzen des qualifizierten faktischen

Konzerns in analoger Anwendung der §§ 302, 303 AktG erfüllt sind,

kann dahinstehen, da jedenfalls die Haftung nach § 826 BGB

durchgreift.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97

I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf

§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für die 1. Instanz:

bis 16. Januar 1994

für die Klage und Widerklage 20.000,00

DM

ab 17. Januar 1994 148.144,11 DM

Streitwert des Berufungsverfahrens

und Beschwer des Beklagten: 148.144,11

DM






OLG Köln:
Urteil v. 09.11.1994
Az: 11 U 99/94


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/19d059745c39/OLG-Koeln_Urteil_vom_9-November-1994_Az_11-U-99-94




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