Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. September 2001
Aktenzeichen: 17 W (pat) 46/00
(BPatG: Beschluss v. 18.09.2001, Az.: 17 W (pat) 46/00)
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse H 01 H des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. Januar 2000 aufgehoben.
Das nachgesuchte Patent 195 44 626 wird unter der Bezeichnung "Elektromagnetisches Relais und Verfahren und Vorrichtung zur Justierung der Anzugsspannung des elektromagnetischen Relais" mit folgenden Unterlagen erteilt:
Patentansprüche 1 bis 6, Beschreibung Seiten 1 bis 8, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, 2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 und 2, eingegangen am 23. Januar 1996.
Gründe
I.
1. Die am 30. November 1995 beim Deutschen Patentamt eingegangene Patentanmeldung 195 44 626.7 - 34 mit der Bezeichnung
"Elektromagnetisches Relais und Verfahren zur Justierungder Anzugsspannung des elektromagnetischen Relais "
wurde am 28. Januar 2000 durch Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse H 01 H mit der Begründung zurückgewiesen, der Gegenstand des (damaligen) Patentanspruchs 1 sei nicht neu. Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie ihr Patentbegehren auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen weiterverfolgt.
Die geltenden Patentansprüche 1, 4, 5 und 6 lauten:
"1. Elektromagnetisches Relais, welches als Klappankerrelais ausgebildet ist, bei dem der Anker(5) mit einer Flachformfeder (6), welche einstückig sowohl Schaltkontaktfeder als auch Rückstellfeder des Ankers (5) ausbildet, verbunden ist und die mechanisch und elektrisch mit einer Laststromanschlußklemme (11) verbunden ist, wobei die Laststromanschlußklemme (11) einen Federfixierbereich (11a) und einen Anschlußbereich (11b) aufweist, dadurch gekennzeichnet,
- daß die Flachformfeder (6) zwei etwa rechtwinklig zueinander angeordnete Schenkel aufweist, von denen der eine Schenkel mindestens einen Schaltkontakt (8a, 8b) trägt und zudem mit dem Anker (5) mechanisch verbunden ist und von denen der andere Schenkel mit dem Federfixierbereich (11a) der Laststromanschlußklemme (11) mechanisch verbunden ist,
- daß die Laststromanschlußklemme (11) eine schlitzförmige Ausnehmung (18) zwischen dem Federfixierbereich (11a) und dem Anschlußbereich (11b) aufweist,
- daß der Federfixierbereich (11a) und der Anschlußbereich (11b) zur Justierung der Anzugsspannung gegeneinander verbiegbar sind,
- und daß ein mit der Flachformfeder (6) verbundener Schaltkontakt (8a) unter, durch Verbiegung des Federfixierbereiches (11a) gegenüber dem Anschlußbereich (11b), veränderbarer Vorspannung an einem Ruhekontakt (9) anliegt."
"4. Verfahren zur Justierung der Anzugsspannung bei einem elektromagnetischen Relais nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch folgende Verfahrensschritte:
1.) Das elektromagnetische Relais wird in einer Justiervorrichtung fixiert.
2.) An die Anschlüsse der Magnetspule (2) wird die vorgesehene Anzugsspannung angelegt und die Anschlüsse des Arbeitskontaktes (10) und der beweglichen Schaltkontaktfeder werden mit einer Strom- oder Widerstandsmeßeinrichtung verbunden.
3.) Mittels eines Justierstempels (12) wird der Federfixierbereich (11a) der Laststromanschlußklemme soweit gegenüber dem Anschlußbereich (11b) gebogen, bis die Magnetspule (2) den Anker (5) anzieht und der bewegliche Schaltkontakt (8b) mit dem Arbeitskontakt (10) elektrisch verbunden ist."
"5. Vorrichtung zur Ausführung des Verfahrens nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, daß der Justierstempel (12) keilförmig ausgebildet ist."
"6. Vorrichtung zur Ausführung des Verfahrens nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, daß der Justierstempel um eine Drehachse drehbar ist, die annähernd in Verlängerung der Prägung (19) liegt."
Wegen der abhängigen Ansprüche 2 und 3 wird auf die Akte Bezug genommen.
2. Im Prüfungsverfahren wurden folgende Druckschriften in Betracht gezogen:
[1] DE-AS 18 16 364
[2] DE 43 26 362 A1
[3] DE 38 41 667 C1.
Die Anmelderin ist ursprünglich von folgendem Stand der Technik ausgegangen:
[4] DE 42 43 852 C1
[5] DE 42 43 854 C1
[6] DE 32 35 714 A1.
3. Die Anmelderin macht geltend, bei dem angemeldeten Relais gehe es darum, den Federfixierbereich und den Anschlußbereich der mit der Kontaktfeder verbundenen Lastanschlußklemme zur Justierung der Mindest-Anzugsspannung des Relais gegeneinander verbiegbar, also nachträglich formbar auszugestalten. Hierdurch werde die Vorspannung verändert, mit der der Schaltkontakt an einem Ruhekontakt anliege. Der Stand der Technik gebe hierzu keine Anregung.
Die Anmelderin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 6, Beschreibung Seiten 1 bis 8, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, 2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 und 2, eingegangen am 23. Januar 1996.
II.
Die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig und führt im Umfang des gestellten Antrags zum Erfolg, weil die beanspruchten Gegenstände die Kriterien der Patentfähigkeit gemäß §§ 1 bis 5 PatG erfüllen.
1. Dem geltenden Patentanspruch 1 entnimmt der Fachmann, ein Fachhochschulabsolvent der Elektrotechnik mit Berufserfahrung in der Entwicklung von Relais, ein Klappankerrelais mit einer den beweglichen Kontakt tragenden Blattfeder, die mit der Lastanschlußklemme verbunden ist. Letztere weist zwei Bereiche, den "Federfixierbereich 11a" und einen "Anschlußbereich 11b" auf, die durch eine schlitzförmige Ausnehmung teilweise voneinander getrennt sind. Die Vorspannung der Feder ist dadurch veränderbar, daß der Federfixierbereich gegenüber dem Anschlußbereich verbogen werden kann. Nach den Ansprüchen 4 bis 6 geschieht dies durch einen keilförmigen Justierstempel, der zwischen Anschlußklemme und Joch geschoben wird, und mit dem unter Kontrolle durch eine elektrische Meßeinrichtung die Andruckkraft der entsprechend abgewinkelten und abgestützten Kontaktfeder und damit die Mindest-Anzugsspannung des Relais einjustiert werden kann.
2. Die geltenden Patentansprüche sind gedeckt durch die ursprünglich eingereichten Unterlagen, insbesondere durch das einzige Ausführungsbeispiel gemäß den Figuren 1 und 2 und deren Beschreibung, Seite 4 Mitte bis Seite 5, Abs. 2 sowie Seite 6.
3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu. Keine der Druckschriften beschreibt ein Relais mit allen in diesem Anspruch angegebenen Merkmalen. Dies gilt auch für die Druckschrift [1], die sich weder mit der Justierung der Anzugsspannung befaßt noch ein Relais betrifft, dessen Anschlußklemme zwei gegeneinander verbiegbare Bereiche aufweist.
Das Relais gemäß geltendem Patentanspruch 1 beruht darüber hinaus auf erfinderischer Tätigkeit, weil es sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.
Aus der Druckschrift [4] ist ein einschlägiges Klappankerrelais bekannt, das ausweislich der einzigen Figur eine Kontaktfeder (5) besitzt, die am etwa rechtwinklig abgebogenen Ende mit einem Verbindungselement (11) an einem Fortsatz (8a) der Anschlußzunge (8) befestigt wird. Die Anzugsspannung kann dadurch justiert werden, daß mit einem Justierstempel (13'') das Verbindungselement (11) längs des Fortsatzes (8a) verschoben wird. Hierzu wird an die Anschlußelektroden der Magnetspule die vorgegebene Mindest-Anzugsspannung angelegt und das Verbindungselement der Kontaktfeder solange verschoben, bis das Relais sicher anzieht. Ist diese Position erreicht, wird die Zuordnung durch Laserschweißen fixiert.
Von diesem Stand der Technik unterscheidet sich der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 durch die drei letzten kennzeichnenden Merkmalsgruppen, nämlich die Ausbildung der Laststromanschlußklemme mit einer schlitzförmigen Ausnehmung und die gegenseitige Verbiegbarkeit der beiden Bereiche der Laststromanschlußklemme, wodurch die Federvorspannung verändert und die elektrische Anzugsspannung justiert werden können. Die Druckschrift [4], derzufolge die Justierung durch Verschieben des Kontaktfederendes in Längsrichtung der Anschlußklemme erfolgt, liefert für eine solche Lösung keinen Hinweis.
Dies gilt auch für den übrigen im Verfahren befindlichen Stand der Technik.
Die Druckschrift [5], die im wesentlichen den gleichen Gegenstand wie Druckschrift [4] betrifft, beschreibt zugehörige Justierverfahren, die zum Einstellen verschiedener Komponenten des Relais verwendet werden können und geht, soweit es den angemeldeten Gegenstand betrifft, nicht über den o. gen. Stand der Technik hinaus.
Die Druckschrift [1] beschreibt anhand der Figur 1 ein Relais, dessen Kontaktfeder (4) an einer Stelle (9) mit dem Laststromanschluß (5) verschweißt ist. Die Feder ist in diesem Bereich daher geschwächt und durch die auf die Kontaktfeder wirkenden Biegekräfte verformbar, was im Betrieb zur Dejustierung des Relais führen kann (Figur 2). Dem wird durch ein Deckblech (10) entgegengewirkt, das an der Kontaktfeder aufliegt und die Schweißstelle überdeckt. Auf diese Weise werden die auftretenden Biegekräfte von der Schweißstelle ferngehalten. Mit einer Justierung der Anzugsspannung und der Lehre vorliegender Anmeldung hat die Druckschrift [1] somit nichts zu tun.
Die Druckschriften [2] und [3] betreffen jeweils Klappankerrelais, bei denen die Festkontakte zwecks Justierung des Kontaktabstands auf einem Träger mit plastisch deformierbaren Bereichen angebracht sind. Gemäß Druckschrift [2], Figuren 2 und 3 wird der Festkontakt (17) in Richtung (Y) des beweglichen Kontakts verschoben, wenn eine entsprechende Krafteinwirkung in der dazu senkrechten Richtung (X) auf einen polygonartig geformten Träger (14) erfolgt. Nach der Druckschrift [3] geschieht das gleiche durch Quetschen der Zwischenstege (31, 32) des Kontaktträgers (22), der in diesem Falle einen Hauptkontakt (21) hoher Leitfähigkeit und einen verschleißfesten Vorkontakt (20) trägt, die so justiert werden müssen, daß der Vorkontakt jeweils vor dem Hauptkontakt von den beweglichen Kontakten (18, 19) der Kontaktfeder beaufschlagt wird. Diese Justierung der Festkontakte hat aber keinen Einfluß auf die Mindest-Anzugsspannung, weil sich hierbei weder die Position des Ankers relativ zum Spulenkern noch die Federkräfte ändern. Insoweit kann diese Lehre ebenfalls nicht zum angemeldeten Gegenstand führen.
Gemäß Druckschrift [6], Figur 1 und der zugehörigen Beschreibung wird die Kontaktfeder eines Relais punktweise nach einem vorgegebenen Raster durch Wärmebehandlung mit einem Laser getrimmt. Auf diese Weise können die elastischen Eigenschaften der Kontaktfeder verändert und damit die Anzugsspannung des Relais eingestellt werden. Weitere Gemeinsamkeiten mit dem angemeldeten Gegenstand bestehen nicht.
4. Für die Ansprüche 4 bis 6, die ein Justierverfahren für ein Relais mit den Merkmalen des Anspruchs 1 bzw. eine Vorrichtung zur Durchführung dieses Verfahrens betreffen, müssen die vorgenannten Argumente in gleicher Weise gelten.
Vom gewährbaren Anspruch 1 werden auch die abhängigen Ansprüche 2 und 3 mitgetragen, die nichttriviale Weiterbildungen des im Anspruch 1 ausgewiesenen elektromagnetischen Relais betreffen.
Grimm Dr. Greis Püschel Schuster Bb
BPatG:
Beschluss v. 18.09.2001
Az: 17 W (pat) 46/00
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