Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. April 2006
Aktenzeichen: 32 W (pat) 62/04
(BPatG: Beschluss v. 27.04.2006, Az.: 32 W (pat) 62/04)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. Februar 2003 und vom 11. Februar 2004 insoweit aufgehoben, als die angemeldete Marke für die Waren und Dienstleistungen
"Bildschirmschoner; Mouse-Pads; Datenbankprogramme; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate) in Form von Globen und Wandtafelzeichengeräten; Verbreitung, Verteilung und Weiterleitungen von Fernseh-, Hörfunk-, Telekommunikations- und Informationssignalen über kabelfreie und/oder kabelgebundene digitale und analoge Netze, auch im Online- und Offline-Betrieb sowie mittels Computer; Sammeln und Liefern von Nachrichten, Betreiben von Datenbanken; Musikdarbietungen; Durchführung von Konzertveranstaltungen, von Konferenzen, Tagungen, Seminaren, Lehrgängen, Symposien, kulturellen Ausstellungen und Vorträgen; Beherbergung, Verpflegung und Bewirtung von Gästen; Vermittlung von Beherbergung und Verpflegung von Gästen in Hotels und Restaurants; Fotografieren; Erstellen von Computerprogrammen und Grafiken"
zurückgewiesen wurde.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die am 25. April 2001 seitens einer öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalt angemeldete Wortmarke Schwarzwaldhof 1902 ist für folgende Waren und Dienstleistungen bestimmt:
"bespielte mechanische, magnetische, magnetooptische, optische und elektronische Träger für Ton und/oder Bild und/oder Daten; codierte Telefonkarten; codierte Ausweise; Spielprogramme für Computer; Bildschirmschoner; Mouse-Pads; Brillen und Sonnenbrillen sowie Brillenetuis; Datenbankprogramme; Computer-Software, netzwerkunterstützende Computer-Software (Netware); Firmware; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate) in Form von Druckereierzeugnissen, Spielen, Globen, Wandtafeln und Wandtafelzeichengeräten; Verpackungsmaterial aus Kunststoff, nämlich Hüllen, Beutel, Taschen, Folien (letztere auch selbstklebend und für Dekorationszwecke); Spielkarten und Kartenspiele; Veranstaltung von Hörfunk- und Fernsehsendungen/ -programmen; Verbreitung, Verteilung und Weiterleitungen von Fernseh-, Hörfunk-, Telekommunikations- und Informationssignalen über kabelfreie und/oder kabelgebundene digitale und analoge Netze, auch im Online- und Offline-Betrieb sowie mittels Computer; Veranstaltung und Betrieb von interaktiven elektronischen Mediendiensten; Sammeln und Liefern von Nachrichten, Betreiben von Datenbanken; Film-, Ton-, Video- und Fernsehproduktion; Musikdarbietungen; Veröffentlichung und Herausgabe von elektronisch wiedergebbaren Text-, Grafik-, Bild- und Toninformationen, die über Datennetze abrufbar sind; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen; Durchführung von Konzert-, Theater- und Unterhaltungsveranstaltungen, von Konferenzen, Tagungen, Seminaren, Lehrgängen, Symposien, kulturelle Ausstellungen von Vorträgen; Veranstaltung von Sportwettbewerben; Entwickeln und Gestalten von digitalen Ton-, Bild- und Datenträgern; Vermittlung und Vermietung von Zugriffszeiten auf Datenbanken; Beherbergung, Verpflegung und Bewirtung von Gästen; Vermittlung von Beherbergung und Verpflegung von Gästen in Hotels und Restaurants; Fotografieren; Erstellen von Computerprogrammen und Grafiken".
Die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung nach vorangegangener Beanstandung mit einem ersten Beschluss vom 17. Februar 2003 in vollem Umfang als nicht unterscheidungskräftig zurückgewiesen. Dem Beschluss waren zahlreiche Belege aus Prospekten, Zeitungsanzeigen sowie dem Internet beigefügt.
Auf die Erinnerung der Anmelderin hat die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle durch Beschluss vom 11. Februar 2004 den Erstbeschluss insoweit aufgehoben, als die Anmeldung für die Waren und Dienstleistungen
"codierte Telefonkarten; codierte Ausweise; Brillen und Sonnenbrillen sowie Brillenetuis; Computer-Software; netzwerkunterstützende Computer-Software (Netware); Firmware; Verpackungsmaterial aus Kunststoff, nämlich Hüllen, Beutel, Taschen, Folien (letztere auch selbstklebend und für Dekorationszwecke); Veranstaltung von Sportwettbewerben; Vermittlung und Vermietung von Zugriffszeiten auf Datenbanken"
zurückgewiesen worden war. Im Übrigen ist die Erinnerung ohne Erfolg geblieben, weil hinsichtlich der weiterhin zu versagenden Waren und Dienstleistungen der als Marke angemeldete Begriff das Leben in einem Bauernhof im Schwarzwald um das Jahr 1902 beschreiben könne (unter Hinweis auf weitere Internet-Ausdrucke).
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie stellt (sinngemäß) den Antrag, die Beschlüsse der Markenstelle vom 17. Februar 2003 und vom 11. Februar 2004 aufzuheben, soweit der angemeldeten Marke die Eintragung versagt worden ist.
Der Begriff "Schwarzwaldhof 1902" sei mehrdeutig. Er könne eine Dokumentation über die damalige Architektur, ein Portrait einer Familie aus jener Zeit oder ein Experiment, bei dem heutige Menschen eine Zeitreise unternähmen, bezeichnen und vieles mehr. Ergänzend verweist die Anmelderin auf zahlreiche, ihrer Ansicht nach vergleichbare eingetragene Marken.
Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und hinsichtlich der in der Beschlussformel genannten Waren und Dienstleistungen mangels Vorliegen von Schutzhindernissen auch begründet. Im Übrigen ist ihr der Erfolg zu versagen, weil bezüglich der verbleibenden beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen die angemeldete Bezeichnung jeglicher Unterscheidungskraft entbehrt (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete Eignung), vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. EuGH GRUR 2003, 514, 517 [Nr. 40] - Linde, Winward u. Rado; BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice). Bei Wortmarken ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes von fehlender Unterscheidungskraft auszugehen, wenn der Marke ein für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Sinngehalt zugeordnet werden kann oder wenn es sich um ein gebräuchliches Wort bzw. eine Wortfolge der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr, etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung, stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (st. Rspr.; vgl. BGH a. a. O. - Cityservice).
Handelt es sich bei den beanspruchten Waren und Dienstleistungen um solche, die neben ihrem Charakter als handelbare Waren oder Dienstleistungen auch einen bezeichnungsfähigen gedanklichen Inhalt aufweisen oder aufweisen können, so ist - unbeschadet eines etwaigen Werktitelschutzes nach § 5 Abs. 3 MarkenG - die markenrechtliche Unterscheidungskraft auch dann zu verneinen, wenn die betreffende Bezeichnung geeignet ist, diesen gedanklichen Inhalt der Waren und Dienstleistungen zu beschreiben (vgl. BGH GRUR 2000, 882, 883 - Bücher für eine bessere Welt; GRUR 2001, 1042, 1043 - REICH UND SCHOEN; GRUR 2001, 1043, 1045 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten; GRUR 2002, 1070, 1072 Bar jeder Vernunft; GRUR 2003, 342 - Winnetou).
2. Die Bezeichnung "Schwarzwaldhof 1902" wird vom Verkehr zwanglos als Hinweis auf ein einen Bauernhof im Schwarzwald aus dem Jahre 1902 bzw. um das Jahr 1902 verstanden. Insoweit eignet sich die angemeldete Marke ohne weiteres zur inhaltlichen Beschreibung von medialen Produkten, die sich in irgendeiner Form mit dieser Thematik beschäftigen können, wobei eine gewisse Mehrdeutigkeit dieser Beurteilung nicht entgegensteht (vgl. BGH GRUR 2000, 882, 883 - Bücher für eine bessere Welt).
a) Vom Schutz ausgeschlossen ist die angemeldete Marke daher für Ton- und Bildträger aller Art, sowie deren Entwicklung und Gestaltung, für Computerspiel-Programme, für Spielkarten und Kartenspiele, für Hörfunk- und Fernsehsendungen, für interaktive elektronische Mediendienste, für Film-, Ton-, Video- und Fernsehproduktion sowie für Theater- und Unterhaltungsveranstaltungen. Auch für Dienstleistungen, die sich auf die Veröffentlichung und Herausgabe von elektronisch wiedergebbaren Informationen und von Druckerzeugnissen beziehen, stellt "Schwarzwaldhof 1902" eine inhaltsbezogene Angabe dar; insoweit hat der Winnetou-Beschluss des Bundesgerichtshofs (a. a. O.) eine Verschärfung der Anforderungen gegenüber den vorangegangenen oben genannten Entscheidungen mit sich gebracht.
Gleichfalls nicht unterscheidungskräftig ist die angemeldete Bezeichnung für Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate) in Form von Druckereierzeugnissen, Spielen und Wandtafeln. weil es nicht fern liegt, dass ein Schwarzwaldhof nach dem Zustand des Jahres 1902 Gegenstand des Druckwerks usw. ist.
b) Aus der Schutzgewährung für andere, vermeintlich ähnlich gebildete deutsche Marken vermag die Anmelderin keinen Anspruch auf Registrierung der vorliegend angemeldeten Bezeichnung abzuleiten. Voreintragungen - selbst identischer Marken - führen weder für sich, noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer anspruchsbegründenden Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Schutzgewährung zu befinden haben. Denn die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke stellt keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage dar (vgl. z. B. BGH GRUR 1989, 420 - KSÜD; BlPMZ 1998, 248 - Today; BPatGE 32,5 - CREATION GROSS).
c) Ob die angemeldete Marke hinsichtlich der weiterhin zu versagenden Waren und Dienstleistungen auch als Merkmalsbezeichnung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dienen kann und deshalb von Monopolrechten eines einzelnen Unternehmens freizuhalten ist, bedarf - da nicht entscheidungserheblich - keiner Entscheidung.
3. Eine andere Beurteilung ist für die in der Beschlussformel aufgeführten Waren und Dienstleistungen angebracht. Für diese ist "Schwarzwaldhof 1902" weder glatt beschreibend und somit für Konkurrenzunternehmen nicht freihaltebedürftig i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, noch steht eine unmittelbar produktbezogene Vorstellung im Vordergrund des Verständnisses relevanter Publikumskreise, woraus das Vorhandensein des Mindestmaßes an betriebskennzeichnender Hinweiskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG folgt.
Für die verbleibenden Waren in den Klassen 9 und 16 ergibt sich kein nahe liegender Bezug zu einem Schwarzwaldhof, erst recht nicht in Verbindung mit der Jahreszahl 1902; letzteres gilt auch bezüglich der Programme für Datenbanken sowie deren Betrieb.
Bei den musikbezogenen Dienstleistungen (Musikdarbietungen, Konzertveranstaltungen) scheidet ein Bezug zu einem Schwarzwaldhof aus dem Jahre 1902 ebenfalls aus. Dass Konferenzen, Tagungen, Seminare, Lehrgänge, Symposien, Ausstellungen und Vorträge einen Schwarzwaldhof nach dem Stande des Jahres 1902 zum Gegenstand hätten oder auf einem solchen stattfinden würden, liegt ebenfalls nicht wirklich nahe. Bei den auf Beherbergung, Verpflegung und Bewirtung von Gästen bezogenen Dienstleistungen mag zwar das Wort Schwarzwaldhof (als Ort der Erbringung) an sich nicht fern liegen; jedoch führt die Verbindung mit der Jahreszahl weg von einer beschreibenden Aussage. Auch für die Dienstleistung des Fotografierens liegt ersichtlich keine den Gegenstand unmittelbar bezeichnende Angabe vor.
Die verbleibenden, auf Zusammenstellung und Übermittlung von Nachrichten und Signalen gerichteten Dienstleistungen sind schwerpunktmäßig technischer, nicht aber inhaltsbezogener Art, und deshalb nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (a. a. O. - REICH UND SCHOEN; Gute Zeiten - Schlechte Zeiten) nicht schutzunfähig. Entsprechendes gilt für das Erstellen von Computerprogrammen und Grafiken (vgl. BGH GRUR 2005, 578 - LOKMAUS).
BPatG:
Beschluss v. 27.04.2006
Az: 32 W (pat) 62/04
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