Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 20. November 2000
Aktenzeichen: NotZ 18/00

(BGH: Beschluss v. 20.11.2000, Az.: NotZ 18/00)

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß des Senats für Notarsachen bei dem Oberlandesgericht Celle vom 19. Juni 2000 abgeändert.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird insgesamt zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Verfahrens zu tragen. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert für beide Rechtszüge wird auf 25.000 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wurde 1964 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und ist gegenwärtig zugelassener Rechtsanwalt bei dem Amtsgericht H. und dem Landgericht H. Am 28. September 1966 wurde er zum Notar mit dem Amtssitz in B. bestellt. Aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Rat der Stadt B. wurde der Antragsteller 1976 in den Verwaltungsrat der Stadtsparkasse B. berufen. Auf seinen Antrag vom 3. Februar 1987 erteilte ihm der Antragsgegner hierzu die Genehmigung. Auf Antrag vom 22. Dezember 1998 erteilte ihm der Antragsgegner am 30. März 1999 die Genehmigung zur Nebentätigkeit als Mitglied des Verwaltungsrats der Sparkasse W., in der die Sparkasse B. aufgegangen war. Die Genehmigung war mit der Auflage verbunden, jede Beurkundungstätigkeit für die Sparkasse W. oder für Rechtsuchende zugunsten der Sparkasse zu unterlassen. Auf Antrag des Antragstellers hob das Oberlandesgericht den Bescheid vom 30. März 1999 auf und verpflichtete den Antragsgegner, über den Genehmigungsantrag erneut zu entscheiden. Am 31. Januar 2000 erteilte der Antragsgegner die Genehmigung mit der Auflage, daß sich der Antragsteller jeder Beurkundung von Grundstückserwerbs- oder -veräußerungsgeschäften zu enthalten habe, die von der Sparkasse W. vermittelt worden sind oder bei denen die Sparkasse oder eine ihrer Tochtergesellschaften als Vertragspartei auftritt. Den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat das Oberlandesgericht dahin ausgelegt, daß er die Auflagen in dem Umfang zum Gegenstand habe, als dem Antragsteller Beurkundungshandlungen untersagt sind, die auf Vermittlungstätigkeiten der Sparkasse beruhen oder bei denen eine Tochtergesellschaft Vertragsbeteiligte ist. Unter Zurückweisung des Antrags auf ersatzlose Aufhebung der Auflagen hat es in diesem Umfang den Bescheid aufgehoben und den Antragsgegner zur erneuten Entscheidung verpflichtet. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragsgegners.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 111 Abs. 4 BNotO, § 42 Abs. 4 BRAO) und hat in der Sache Erfolg.

1. Der Senat hat mit Beschlüssen vom 31. Juli 2000 (NotZ 13/00, ZNotP 2000, 437, für BGHZ bestimmt; NotZ 14/00) nach Neufassung des § 8 Abs. 3 BNotO durch das Dritte Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze vom 31. August 1998 (BGBl I S. 2585) in Fortentwicklung seiner Rechtsprechung die Versagung der Genehmigung zur Tätigkeit eines Notars als Aufsichtsratsmitglied einer Kreditgenossenschaft (Volksbank ... e.G.) durch die Aufsichtsbehörde als rechtmäßig bestätigt. Er ist dabei davon ausgegangen, daß der Versagungsgrund, die Gefährdung des Vertrauens in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars (§ 8 Abs. 3 Satz 2 BNotO), auch soweit der Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit in Frage steht, einen der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegenden unbestimmten Rechtsbegriff darstellt. Seine Voraussetzungen hat der Senat in den entschiedenen Fällen bejaht, weil die Kreditinstitute satzungsgemäß mit der Vermittlung von Grundstücksgeschäften befaßt waren, was dem Notar gemäß § 14 Abs. 4 BNotO grundsätzlich untersagt ist. Dem Anschein der Interessenkollision bei Beurkundungshandlungen unter Beteiligung oder zugunsten des Kreditinstituts, dem mit Auflagen entgegengewirkt werden könne, hat er demgegenüber nachrangige Bedeutung beigemessen. Nach diesen Grundsätzen wäre eine Versagung der vom Antragsteller begehrten Genehmigung rechtlich nicht zu beanstanden gewesen:

a) Die Satzung der Sparkasse W. enthält zwar, anders als die Satzungen der Kreditgenossenschaften in den entschiedenen Fällen, keinen ausdrücklichen Hinweis auf die Erschließung, Belastung und Veräußerung von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten oder die Beteiligung an Unternehmen, die Geschäfte dieser Art zum Gegenstand haben. Nach § 2 Abs. 2 ihrer Satzung betreibt die Sparkasse aber neben Bankgeschäften im engeren Sinne (Spargeschäft, Einlagengeschäft, Kreditgeschäft, bargeldloser Zahlungsverkehr) sonstige Dienstleistungsgeschäfte sowie weitere Geschäfte nach den Bestimmungen der niedersächsischen Sparkassenverordnung (NSpVO). Nach der Verordnung gehört zu ihrem Aktivgeschäft die Anlage von Mitteln in Grundstücken (§§ 13, 22 NSpVO), zu den sonstigen Geschäften die Vermittlung von Anteilen an geschlossenen Immobilien- und Schiffsfonds (§ 24 Nr. 17 NSpVO). Im übrigen genügt es nach den Entscheidungen des Senats, daß sich das Kreditinstitut ernsthaft und nachhaltig mit Grundstücksgeschäften befaßt. Nicht erforderlich ist es, daß Geschäfte dieser Art der Hauptzweck der Tätigkeit oder deren Schwerpunkt bilden. Die Voraussetzungen der Ernstlichkeit und Nachhaltigkeit sind jedenfalls nach den im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen erfüllt. Die Sparkasse W. vermittelt durchschnittlich 200 Immobilien im Jahr. Sie bedient sich darüber hinaus der Tochtergesellschaften, deren Geschäftstätigkeit im Erwerb, der Erschließung, der Bebauung, der Veräußerung und Verwaltung von bebauten und unbebauten Grundstücken besteht. Persönlich haftende Gesellschafterin ohne Kapitaleinlage ist jeweils die Immobilien D. und Beteiligungsgesellschaft N. mit beschränkter Haftung, eine Gesellschaft des niedersächsischen Sparkassen- und Giroverbandes. Alleinige Kommanditistin ist jeweils die Sparkasse W. Diese übt mithin entscheidenden Einfluß auf die Geschäftstätigkeit der Tochtergesellschaften, die in ihrem Bestand gegenwärtig ca. 400 Grundstücke halten, aus.

b) Entgegen der Auffassung des Antragstellers unterscheidet sich die Tätigkeit als Verwaltungsrat der Sparkasse nicht grundsätzlich von derjenigen im Aufsichtsrat der Kreditgenossenschaften, die Gegenstand der Entscheidungen vom 31. Juli 2000 waren. Der Verwaltungsrat bestimmt nach § 15 NSpG die Richtlinien der Geschäftspolitik der Sparkasse und erläßt Geschäftsanweisungen. Er überwacht die Geschäftsführung des Vorstands. Außerdem ist ihm die Beschlußfassung über eine Reihe grundlegender Organisations- und Geschäftsführungsakte, darunter den Erwerb, die Veräußerung und die Belastung von Grundstücken für die Zwecke der Sparkasse vorbehalten. Seine Einwirkungsmöglichkeiten stehen mithin hinter denen des Aufsichtsrats einer Genossenschaft (vgl. §§ 38 ff GenG) nicht zurück. Der Umstand, daß der Antragsteller, wie er mitteilt, die Tätigkeit als Verwaltungsratsmitglied ab 1. Januar 2000 nur noch stellvertretend ausübt, ändert an dieser Beurteilung nichts. Die Genehmigung hat (auch) den Fall zum Gegenstand, daß der Vertretungsfall eintritt.

2. Der Umstand, daß der Antragsgegner die Genehmigung hätte versagen können, schließt allerdings Rechtsfehler bei deren Erteilung unter Auflage nicht aus. Solche Fehler treten indessen im Streitfalle nicht hervor. Die quantitative Betrachtung des Oberlandesgerichts aus der Sicht des Umfangs der Beurkundungstätigkeit des Antragstellers in Angelegenheiten der Sparkasse oder ihrer Tochtergesellschaften (drei Verträge unter Beteiligung der Sparkasse im Jahre 1999, vier weitere Beurkundungen im Bereich der Tochtergesellschaften), die zur Unverhältnismäßigkeit der Auflagen führen soll, wird dem Zweck des Genehmigungsvorbehalts und den durch § 8 Abs. 3 Satz 2 vorgezeichneten Grenzen der Genehmigungsbefugnis nicht gerecht. Bereits der Umstand, daß der Antragsteller überhaupt Grundstücksgeschäfte beurkundet, die auf Vermittlung der Sparkasse oder unter Beteiligung der Tochtergesellschaften zustandegekommen sind, kann in der "fragenden Öffentlichkeit" Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Amtsführung aufkommen lassen. Ob diese begründet sind, ist im Hinblick auf den vorbeugenden Charakter des Genehmigungsvorbehalts nicht maßgeblich. Darüber hinaus ist in Rechnung zu stellen, daß ein einziger Fall des Mißbrauchs das Ansehen des Notaramts nachhaltig schädigen würde. Dieser Gefahr vorzubeugen, ist rechtmäßiger Grund der Auflage.

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BGH:
Beschluss v. 20.11.2000
Az: NotZ 18/00


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