Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 7. Juli 1995
Aktenzeichen: 20 U 216/94
(OLG Köln: Urteil v. 07.07.1995, Az.: 20 U 216/94)
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten und die Anschluß-berufung der Klägerin wird das am 20. Oktober 1994 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 7 O 272/94 - abgeändert und wie folgt neu gefaßt:Unter Abweisung der Klage im übrigen wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.033.300,00 DM nebst 6 % Zinsen von 400.000,00 DM seit dem 30. Dezember 1993 und von 633.300,00 DM seit dem 15. Mai 1995 zu zah-len. Die weitergehende Berufung und Anschlußberufung werden zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 1.104.000,00 DM abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbR.en.
Tatbestand
Die derzeit 86-jährige Klägerin ist die Mutter des Beklagten,
dem sie unter dem 9. Dezember 1986 eine materiell beglaubigte
Generalvollmacht erteilte, in der es unter anderem heißt:
Frau I. St., geborene L., G., K.
bestellt hierdurch zu ihrem Generalbevollmächtigten: Herrn F. St.,
Architekt, V., K., und erteilt ihm alle notwendigen Befugnisse,
insbesondere auch:
I. Zu handeln und zu verwalten:
...
d)
Rentenpapiere, Aktien,
Schuldverschreibungen und an der Börse notierte Wertpapiere aller
Art zu erwerben, zu zeichnen und zu verkaufen.
...
II. Zu investieren, anzulegen und zu
verfügen:
a)
Grundstücke, Schiffe, Handelsgeschäfte,
Aktien, Schuldverschreibungen - auch soweit ihr Kurs nicht
festgesetzt ist - bewegliche Sachen und Rechte, Forderungen und
überhaupt Vermögenswerte jeder Art zu erwerben, zu verkaufen und
auszutauschen zu Preisen und gegen Leistungen und Bedingungen, die
der Bevollmächtigte bestimmt, Dienstbarkeiten zu bestellen,
abzuändern und darauf zu verzichten.
...
Zu den vom Beklagten zu verwaltenden Wertpapieren gehörten
Wertpapierdepots bei der B. AG und bei der D. AG, die seinerzeit
folgende Bestände aufwiesen:
Nennwert DM Stück Wertpapierart
139.000,00 7,5 % Bundesobligationen
1984/89
30.000,00 5,5 % Bundesschatzbriefe
A 1984/90
190.000,00 3,5 %
Schleswig-Holstein-
Anleihe
5700 DIT Rentenfonds "K"
690 DEGI Grundwertefonds I
784 Interrenta-Fondsanteile
30 Nixdorf-Aktien
5 neue Nixdorf-Aktien
600 Royal-Dutch-Aktien
Aufgrund der ihm erteilten Generalvollmacht übertrug der
Beklagte die vorstehend aufgeführten Wertpapiere in die
Vermögensverwaltung der S. in Ds., die sich unter anderem mit der
treuhänderischen Vermögensverwaltung für Kapitalanleger befaßte und
deren alleiniger Vorstand er seit dem 13.08.1986 war. Das
Unternehmen hatte am 12.06.1986 der Zeuge H. M. für die Schwester
des Beklagten, die Zeugin W. Bo. erworben, die dazu dem Zeugen
aufgrund eines mit diesem am selben Tag (12.06.1986) geschlossenen
Treuhandvertrages 700.000,00 DM zur Verfügung gestellt hat. Die
Zeugin war die einzige Aktionärin des Unternehmens, der Zeuge M.
seit dem 01.10.1986 dessen Generalbevollmächtigter.
Die S. verkaufte nach Erhalt der Wertpapiere der Klägerin
folgende Papiere:
Nennwert Stück Wertpapiere Kurs
Kurswert DM
DM
690 DEGI Grundwerte-
fonds 129,60 89.424,00
784 Interrenta 35,75 28.028,00
30.000,00 Bundesschatz-
briefe "A" 1984 100,00 30.565,88
(einschließlich Stückzinsen)
1000 Internationaler
Rentenfonds "K" 79,92 79.920,00
227.937,88
==========
Da der Kurswert der im Depot verbliebenen Wertpapiere 806.160,50
DM betrug, belief sich das von der S. verwaltete Vermögen der
Klägerin am 31.12.1986 auf 1.034.098,38 DM.
In den ersten Wochen des Jahres 1987 wurden von der S. auch die
zunächst im Depot verbliebenen Wertpapiere und Fondsanteile (4.700
Stück internationale Rentenfonds "K", 190.000,00 DM zu 3,5 %
Schlewig-Holstein-Anteile und 139.000,00 zu 7,5 %
Bundesobligationen 84/89) für 668.402,28 DM veräußert. Damit betrug
der Gesamterlös aller bis dahin verkauften Wertpapiere 896.340,16
DM.
Zu Beginn des Jahres 1987 verwaltete die S. ein Vermögen der
Klägerin im Wert von 1.033.300,00 DM, das sich wie folgt
zusammensetzte:
Verkaufserlöse 896.340,00 DM
Kurswert Nixdorf-Aktien 22.350,00
DM
Kurswert neue Nixdorf-Aktien 3.610,00
DM
Kurswert Royal-Dutch-Aktien 111.000,00
DM
In der Folgezeit gingen von Seiten der S. verschiedene Berichte
und "Kontoauszüge" an die Klägerin, die alle vom Beklagten
unterschrieben oder paraphiert waren, ausgenommen der "1.
Zwischenbericht" vom 6. März 1987.
Als im Jahre 1989 keine weiteren Rechnungslegungsberichte
erfolgten, forderte die Klägerin den Beklagten durch ihren
Steuerberater zur Auskunftserteilung über den Verbleib ihrer
Wertpapiere auf.
Unter dem 06.12.1990 ließ der Beklagte der Klägerin eine
Óbersicht über die angebliche Kapitalentwicklung zukommen. Diese
wies lediglich eine 8-%ige Verzinsung des am 11.12.1986
übernommenen Depotwertes von 1.021.769,10 DM aus, die zum
31.12.1990 Entnahmen in Höhe von 77.500,00 DM und einen Zinsertrag
von 365.363,23 DM auswies.
Diese Óbersicht stimmte mit den früher erteilten Berichten nicht
überein. Der in diesen mitgeteilte Kauf- und Verkauf amerikanischer
Aktien und anderer Wertpapiere hatte in Wirklichkeit nicht
stattgefunden. Auch hatten der Beklagte und der Zeuge M. das
Vermögen der Klägerin nicht verzinslich angelegt. Vielmehr hatte es
der Beklagte im wesentlichen dem Zeugen M. überlassen, über das
Wertpapiervermögen der Klägerin zu verfügen. Dazu teilte der
Beklagte dem anwaltlichen Vertreter der Klägerin Anfang 1993 mit,
daß etwa 360.000,00 DM an die Ehefrau des Zeugen M. und ca.
300.000,00 DM an die Ma. geflossen seien, die sich im
Mehrheitsbesitz des Zeugen M. befand.
Seit Herbst 1993 unterstützte der Beklagte die Klägerin in ihrem
Bemühen nicht mehr, ihr Geld von dem Zeugen M. zurückzuverlangen,
nachdem ihm eine Anklageschrift wegen Betruges zum Nachteil seiner
Schwester zugestellt worden war.
In dem von der Klägerin beim Landgericht Wuppertal (5 O 47/94 LG
Wuppertal) geführten Rechtsstreit wurde der Zeuge M. mit zwei
anderen Beklagten am 05.07.1994 gesamtschuldnerisch verurteilt, an
die Klägerin 950.800,00 DM nebst Zinsen zu zahlen. Ob das Urteil
rechtskräftig ist, ist nicht bekannt.
Durch Beschluß des Amtsgerichts Ds. vom 19.09.1989 wurde die
Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der S. mangels
Masse abgelehnt. Anfang 1993 wurde das Unternehmen im
Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen
gelöscht.
Nach dem Gutachten, das der S. Dr. A. in dem
Konkursantragsverfahren betreffend die S. unter dem 21.07.1989
erstellt hat, war seinerzeit eine freie Masse nicht vorhanden, es
bestanden jedoch Verbindlichkeiten des Unternehmens in Höhe von
mindestens 537.176,87 DM. Nach den Feststellungen des S.s sind dem
Unternehmen ab 1986 durch den Beklagten und den Zeugen M.
Finanzmittel in Höhe von mindestens 881.000,00 DM entzogen worden.
Die Erlöse aus den Wertpapierverkäufen wurden von dem Zeugen M. für
private Zwecke verbraucht, riskante Spekulationsgeschäfte waren
nicht getätigt worden. Es hatten aber auch keine Investitionen
stattgefunden.
In den Jahren 1987 und 1988 hat der Beklagte auf zuvor
angefallene Erträge namens der S. 42.500,00 DM und später nochmals
im eigenen Namen 40.000,00 DM an die Klägerin gezahlt.
Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin vom Beklagten
zunächst im Wege einer Teilklage die Zahlung von 400.000,00 DM
verlangt.
Sie hat behauptet, der Beklagte habe von allen Transaktionen des
Zeugen M. gewußt und habe sie auch gebilligt. Da dem Beklagten
aufgrund seiner Tätigkeit für die S. bekannt gewesen sei, daß die
in den Rechenschaftsberichten gemachten Angaben falsch gewesen
seien, habe er sie - die Klägerin - nicht nur in seiner Eigenschaft
als Vorstand der S., sondern auch als ihr Vermögensverwalter
getäuscht. Die von ihm insoweit begangene Untreue sei darin zu
sehen, daß er die Veruntreuungen durch die verantwortlichen
Personen bei der S. nicht unterbunden, sondern gebilligt und an der
Täuschung mittels falscher Rechenschaftsberichte aktiv mitgewirkt
habe.
Daß der Zeuge M. die Erlöse aus den Wertpapierverkäufen, die
zunächst dem Konto der S. gutgeschrieben worden seien, nicht im
Sinne einer Vermögensverwaltung verwertet habe, habe der Beklagte
ebenfalls gewußt, weil ihm jeder Zahlungseingang und jeder
Zahlungsausgang bekannt gewesen seien. Daß der Beklagte von
sämtlichen Transaktionen des Zeugen M. Kenntnis gehabt habe, habe
er gegenüber dem Zeugen Rechtsanwalt Dr. M. zugegeben.
Nach dem Gutachten des S.s habe aber nicht nur der Zeuge M.,
sondern auch der Beklagte die S. ohne Rücksicht auf das von ihr
verwaltete Treuhandvermögen systematisch ausgeschlachtet und dabei
erhebliche Finanzmittel der Gesellschaft entzogen und für private
Zwecke verbraucht.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie
400.000,00 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 01.01.1987 zu zahlen und
ihr zu gestatten, eine gegebenenfalls beizubR.ende Sicherheit durch
eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder
Sparkasse zu leisten.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen und ihm im
Unterliegensfalle nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen
Sicherheitsleistung abzuwenden und ihm zu gestatten, daß diese
durch Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Sparkasse
beigebracht werden kann.
Er hat behauptet, er habe als Vorstand der S. zu keiner Zeit
beabsichtigt, die aus dem Verkauf der klägerischen Wertpapiere
erzielten Erlöse der Klägerin vorzuenthalten. Die Erlöse hätten
vielmehr in andere Geschäfte investiert werden sollen, die der S.
lukrativ erschienen seien, dadurch habe das Vermögen der Klägerin
nicht nur erhalten, sondern auch vermehrt werden sollen.
Das Unternehmen habe hervorragend dagestanden, als ihm die
Erlöse aus den Wertpapierverkäufen zugeflossen seien. Zwischen
November 1986 und Juni 1987 habe die S. allein aus einem Geschäft
(Heinrichs/S.) Provisionen in Höhe von 1.140.000,00 DM erzielt. Der
Jahresüberschuß habe im Jahre 1987 542.809,67 DM betragen. Der
wirtschaftliche Verfall des Unternehmens sei nicht darauf
zurückzuführen, daß er, sondern der Zeuge M. dem Unternehmen
erhebliche Beträge entnommen habe.
Das Landgericht hat der Klage entsprochen. Wegen der
Einzelheiten wird auf das landgerichtliche Urteil verwiesen.
Mit der Berufung verfolgt der Beklagte weiterhin die Abweisung
der Klage, während die Klägerin im Wege der Anschlußberufung eine
Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von weiteren 633.300,00 DM
nebst Zinsen erstrebt.
Der Beklagte wiederholt im wesentlichen seinen erstinstanzlichen
Sachvortrag. Das Urteil des Landgerichts lasse im Dunkeln, bei
welcher Gelegenheit und mit welcher Maßgabe ihm ein Auftrag zur
Verwaltung des Wertpapiervermögens der Klägerin erteilt worden sei.
Insoweit ermangele es auch an einem substantiierten VorbR.en der
Klägerin. Anders als der Zeuge M., der seit 20 Jahren im Bank- und
Wertpapiergeschäft tätig gewesen sei, verstehe er - der Beklagte -
von Wertpapiergeschäften herzlich wenig. Aus diesem Grund und wegen
seiner anderweitigen beruflichen Beanspruchung als Architekt sei er
gar nicht in der Lage gewesen, sich um eine Verwaltung des
Wertpapiervermögens der Klägerin zu kümmern. Er habe auch
keineswegs die Bücher der S. geführt. Deren gesamte Buchhaltung sei
von dem Steuerberater Reinartz bearbeitet worden.
Das Amt als Vorstand der Gesellschaft habe er nur formal
verstanden und auch wahrgenommen. Die allumfassende
Geschäftsführertätigkeit sei durch den fachlich kompetenten Zeugen
M. erfolgt.
Da es der Klägerin darum gegangen sei, ihr Wertpapiervermögen
durch die S. verwaltet und gemehrt zu wissen, habe er insoweit
nicht mehr und nicht weniger übernommen, als das Wertpapiervermögen
der Klägerin der Aktiengesellschaft seiner Schwester an die Hand zu
geben, was ordnungsgemäß erfolgt sei.
Selbst wenn man jedoch seine persönliche Beauftragung mit der
Verwaltung des Wertpapiervermögens der Klägerin unterstellen
wollte, sei für die Beteiligten von vorneherein klar und im übrigen
auch abgesprochen gewesen, daß er nicht in der Lage gewesen sei,
sich persönlich der Verwaltung des Wertpapiervermögens anzunehmen.
Das habe vielmehr durch die S. geschehen sollen. Nach § 664 Abs. 1
BGB sei er auch zur Óbertragung des Auftrags an einen Dritten
befugt gewesen. Die S. sei im Jahre 1986 nicht verschuldet gewesen.
Ebenso hätten damals gegen die persönliche Qualifikation des Zeugen
M. und dessen Zuverlässigkeit keine Bedenken bestanden.
Rein vorsorglich erhebe er gegenüber Schadensersatzansprüchen
aus den §§ 823 ff BGB die Einrede der Verjährung. Die Kenntnisse
und Erkenntnisse aus denen angeblich seine Haftung abgeleitet
werden solle, seien der Klägerin bzw. ihren Beratern schon im Jahre
1989 bekannt gewesen.
Der Zinsanspruch der Klägerin sei in dem geltend gemachten
Umfang nicht gerechtfertigt.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen
Urteils die Klage abzuweisen,
hilfsweise, zulässige oder
erforderliche Sicherheit auch durch Bürgschaft einer deutschen
Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlichen Sparkasse leisten
zu können.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und - im
Wege der Anschlußberufung -, den Beklagten zur Zahlung weiterer
633.300,00 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 01.01.1987 zu
verurteilen,
hilfsweise, für den Fall der Anordnung
einer Sicherheitsleistung ihr zu gestatten, diese auch durch
Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder
Genossenschaftsbank zu erbR.en.
Der Beklagte beantragt,
die Anschlußberufung der Klägerin
zurückzuweisen.
Die Klägerin, die zwischenzeitlich eine Prozeßvollmacht für ihre
zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten vorgelegt hat, wiederholt
ebenfalls ihr früheres VorbR.en und führt in Ergänzung desselben
aus, der Beklagte habe in kollusivem Zusammenwirken mit dem Zeugen
M. seine Schwester dazu veranlaßt, diesem 700.000,00 DM zur
Verfügung zu stellen. Von dem Geld habe sie nie wieder etwas
gesehen. Ebenso sei es der Beklagte gewesen, der den Kontakt
zwischen seiner Schwester und dem Zeugen M. hergestellt und den
Zeugen als seriösen Vermögensverwalter empfohlen habe.
Entgegen seiner Behauptung sei der Beklagte für die S. intensiv
tätig gewesen, und zwar schon bevor er zu deren Alleinvorstand
ernannt worden sei. Vor allem habe er von sämtlichen
wirtschaftlichen Vorgängen in der S., insbesondere von den
Kontobewegungen Kenntnis gehabt. Als Architekt sei er so gut wie
nicht mehr tätig gewesen.
Der Beklagte habe ihr Vermögen wirtschaftlich vorteilhaft
verwalten und mehren sollen. Dementsprechend seien auch die ihr
erteilten Zwischenberichte und Quartalsberichte formuliert worden,
in denen der Beklagte - allerdings wahrheitswidrig - Dispositionen
geschildert habe, die zu einer Mehrung der Erträg- nisse führen
sollten. Daß der Beklagte ihr Vermögen habe verwalten sollen,
ergebe sich aus zwei von ihm an den Rechtsanwalt Dr. R. gerichteten
Schreiben vom 16.07. und 25.11.1989, in denen unter anderem vom
"Auftrag meiner Mutter" und von dem "von mir verwalteten
Kapitalvermögen" die Rede sei.
Nachdem bei ihr Zweifel an der ordnungsgemäßen
Vermögensverwaltung durch den Beklagten aufgekommen seien, habe sie
mit Schreiben vom 13.02.1990 den Verwaltungsvertrag mit dem
Beklagten gekündigt und die ihm erteilte Vollmacht widerrufen,
worauf der Beklagte die ihm erteilte Generalvollmacht zurückgegeben
habe.
Mehrfach habe ihr der Beklagte zugesagt, das Kapital
einschließlich Zinsgewinn an sie zurückzuerstatten. Dazu heiße es
in seinem Schreiben vom 20.02.1990: "Wir haben vereinbart, daß Dein
Kapital einschließlich Zuwachs auf Dein Konto bei der B. AG
K./Bismarkplatz transferiert wird".
Die vorgenannte Vereinbarung mit dem Beklagten mache sie zur
zusätzlichen Anspruchsgrundlage für ihre Klage.
In rechtlicher Hinsicht hafte ihr der Beklagte nicht nur wegen
positiver Vertragsverletzung sondern auch aus unerlaubter Handlung
(§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 266 StGB, 826 BGB).
Selbst wenn der Zeuge M. ganz oder teilweise die Geldbeträge
veruntreut haben sollte, treffe den Beklagten hieran ein
Verschulden, weil er sämtliche Verfügungen, insbesondere
Kontoverfügungen des Zeugen M. gekannt habe. Dazu überreiche sie
beispielhaft acht Kontoauszüge des Kontos Nr. X. der St. bei der
B., die mit Eingangsstempeln versehen seien, in denen sich jeweils
die Paraphe des Beklagten befinde.
Der Beklagte habe nachweislich mehrfach die Unwahrheit über die
Verwendung und den Verbleib des ihm treuhänderisch zur Verfügung
gestellten Kapitals gesagt bzw. geschrieben. Er könne sich deshalb
nicht darauf zurückziehen, daß der Zeuge M. das gesamte Kapital
veruntreut habe, wovon er aber nichts gewußt habe.
Hinzukomme, daß die S. bereits Ende 1986 überschuldet gewesen
sei. Das ergebe sich nicht nur aus dem Gutachten des S.s Dr. A.
sondern auch aus der Bilanz zum 31.12.1986. Diese weise für das
Jahr 1986 einen Bilanzverlust in Höhe von 1.028.484,31 DM bei einem
Grundkapital von 1.000.000,00 DM aus. Schon die Óbertragung der
Wertpapiere auf die überschuldete AG stellte eine erste unerlaubte
Handlung des Beklagten dar.
Ihre Ansprüche gegen den Beklagten seien nicht verjährt. Vom
Schaden und der Person der Ersatzpflichtigen habe sie erst im Jahre
1993 erfahren. Zur Höhe der Klageforderung verweise sie auf den
Vermögensstand zu Beginn des Jahres 1987, der damals 1.033.300,00
DM betragen habe.
Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des beiderseitigen
VorbR.ens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und
überreichten Urkunden Bezug genommen.
Gründe
Die Berufung des Beklagten ist in formeller Hinsicht nicht zu
beanstanden. In der Sache ist sie nur in geR.em Umfang begründet.
Die Anschlußberufung der Klägerin mußte dagegen bis auf einen Teil
des Zinsanspruchs Erfolg haben.
Die Klägerin kann vom Beklagten aus mehreren Gründen
Schadensersatz in Höhe der Klageforderung verlangen.
Der Beklagte ist der Klägerin wegen Verletzung des ihm mit der
Generalvollmacht vom 9. Dezember 1986 erteilten
Vermögensverwaltungsauftrags schadensersatzpflichtig.
Mit der Erteilung der Generalvollmacht vom 9. Dezember 1986 hat
die Klägerin den Beklagten konkludent damit beauftragt, ihr
Vermögen zu verwalten. Das ergibt sich aus dem Inhalt der
Generalvollmacht, wonach der Beklagte u.a. befugt war, für die
Klägerin Geldsummen in Empfang zu nehmen, Konten zu eröffnen und zu
unterhalten, Schecks auszustellen, einzulösen und zu indossieren,
Schließfächer zu mieten, Rentenpapiere, Aktien,
Schuldverschreibungen und andere an der Börse notierte Wertpapiere
aller Art zu erwerben und zu verkaufen, an Versammlungen von
Gesellschaften, Verbänden oder Berufsvereinigungen teilzunehmen und
das Stimmrecht auszuüben, Steuern und Abgaben zu bezahlen,
Eintragungen aller Art in Grundbüchern und Hypthekenregistern zu
bewilligen, bewegliche Sachen, Rechte, Forderungen und
Vermögenswerte jeder Art zu erwerben und zu verkaufen, Geldsummen
gegen von ihm zu bestimmende Bedingungen zu verleihen sowie für
Schulden Dritter eine Bürgschaft zu leisten. Angesichts dieser
umfassenden Befugnisse kann nicht zweifelhaft sein, daß mit der
Erteilung der Generalvollmacht zugleich ein Auftrag zur
Vermögensverwaltung verbunden war. Denn bei den genannten
Befugnissen handelt es sich um Maßnahmen der Vermögensverwaltung,
aber auch um solche der Vermögensmehrung, wie die Befugnis zum
Erwerb und Verkauf von Rentenpapieren, Aktien,
Schuldverschreibungen, beweglichen Sachen, Rechten, Forderungen und
Vermögenswerten jeder Art. Tatsächlich hat die Klägerin den
Beklagten mit der Erteilung der Generalvollmacht zugleich auch mit
der Vermögensverwaltung beauftragen wollen, denn nach ihren
Vorstellungen sollte der Beklagte ihr Vermögen wirtschaftlich
vorteilhaft verwalten und vermehren. Auch der Beklagte hat die
Erteilung der Generalvollmacht an ihn zugleich als Auftrag der
Klägerin zur Verwaltung ihres Vermögens verstanden. Das folgt aus
seinen Schreiben vom 16. Juli und 25. November 1989 an den Zeugen
Dr. R. bei der Treuhand- und Revisions-Aktiengesellschaft N. in K..
In dem ersten Schreiben hat der Beklagte u.a. mitgeteilt, daß er
aufgrund der ihm am 9. Dezember 1986 erteilten Generalvollmacht die
Wertpapierdepots (der Klägerin) bei der B. und der D. in K. im
Dezember 1986 zur Verwaltung übernommen hat.
In dem Schreiben vom 25. November 1989, das steuerliche
Angelegenheiten der Klägerin betraf, hat der Beklagte u.a.
ausgeführt, "für das von mir verwaltete Kapitalvermögen sind 1987
keine Einkünfte erzielt worden".
Aufgrund des von ihm übernommenen Auftrags, das Vermögen der
Klägerin zu verwalten, war der Beklagte verpflichtet, bei
sämtlichen Vermögensdispositionen die Interessen der Klägerin mit
der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zu wahren (§ 662 BGB).
Dieser Verpflichtung war der Beklagte nicht dadurch enthoben, daß
er sämtliche Wertpapiere der Klägerin in die Vermögensverwaltung
der S. überführt hat. Dadurch war keine Óbertragung des ihm von der
Klägerin erteilten Vollauftrags auf die vorgenannte Gesellschaft
erfolgt. Dazu war der Beklagte nicht befugt, denn der Beauftragte
darf im Zweifel die Ausführung des Auftrags nicht einem Dritten
übertragen (§ 664 BGB). Eine anderweitige Vereinbarung ist zwischen
den Parteien nicht getroffen worden. Nach Ziffer VII. der
Generalvollmacht durfte
der Beklagte lediglich "zu obigen Zwecken" eine Untervollmacht
erteilen, was nur so verstanden werden kann, daß er zur
Durchführung einer einzelnen Verwaltungsmaßnahme einem Dritten eine
Untervollmacht erteilen durfte, nicht aber, daß er den Auftrag zur
Vermögensverwaltung in seiner Gesamtheit einem Dritten übertragen
konnte. Der Beklagte blieb deshalb der Klägerin auch nach der
Óberführung von deren Wertpapieren in die Vermögensverwaltung der
S. aus dem mit ihr bestehenden Auftragsverhältnis zur
Vermögensverwaltung verpflichtet. Sein Pflichtenkreis hatte sich
sogar erweitert. In seiner Eigenschaft als alleiniger Vorstand der
S. war er gegenüber der Gesellschaft verpflichtet, bei der
Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften
Geschäftsleiters anzuwenden (§ 93 AktG). Gleichzeitig hatte er
aufgrund des von ihm übernommenen Auftrags, das Vermögen der
Klägerin zu verwalten, deren Interessen zu wahren. Diese
Verpflichtung bestand für ihn auch nach Óbernahme der Wertpapiere
der Klägerin in die Verwaltung der S. fort. Denn auf diese war
nicht die Generalvollmacht der Klägerin zur Vermögensverwaltung
übertragen, sondern ihr war lediglich das Wertpapiervermögen der
Klägerin treuhänderisch überlassen worden.
In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob die S. bereits im
Jahre 1986 überschuldet war, und es deshalb vom Beklagten
pflichtwidrig war, die Wertpapiere der Klägerin in das
überschuldete Unternehmen einzubR.en.
Für eine Óberschuldung des Unternehmens schon im Jahre 1986
sprechen der Bericht des S.s Dr. A. vom 21. Juli 1989 und der
vorliegende Auszug aus der Bilanz des Unternehmens zum 31. Dezember
1986. Nach dem Bericht des S.s war die S. seit 1986 verschuldet.
Dem Grundkapital von 1 Mio. DM zuzüglich der gesetzlichen Rücklage
in Höhe von 20.730,00 DM stand ein Bilanzverlust von 1.028.484,31
DM gegenüber, woraus sich eine Óberschuldung in Höhe von 7.754,31
DM ergibt.
Der vorstehende Bilanzverlust ist auch in der Bilanz zum 31.
Dezember 1986 ausgewiesen. In den Bemerkungen zur Gewinn- und
Verlustrechnung für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1986
heißt es außerdem, die Gesellschaft habe im Geschäftsjahr 1986
einen Jahresfehlbetrag von 228.745,27 DM erzielt, so daß sich der
Bilanzverlust auf die vorstehend angegebene Summe erhöht habe.
Es kann indessen nicht mit der erforderlichen Sicherheit
festgestellt werden, daß der Verlust des vom Beklagten in die
Verwaltung der S. überführten Vermögens der Klägerin auf die
Óberschuldung der Gesellschaft zurückzuführen ist.
Gegen einen entsprechenden ursächlichen Zusammenhang streitet
der Bericht des S.s Dr. A.. Danach muß die Ursache für den
wirtschaftlichen Zusammenbruch der S. darin gesehen werden, daß die
Gesellschaft systematisch ausgeschlachtet worden ist. Dazu hatte
der S. festgestellt, daß dem Unternehmen in unzulässiger Weise
erhebliche Finanzmittel entzogen wurden, und zwar ausweislich der
vorhandenen Buchhaltungsunterlagen ab 1986 mindestens 881.000,00
DM. Da außer dem Beklagten und dem von der Gesellschaft
Generalvollmacht erteilten Zeugen M. keine anderen Personen Zugriff
auf das Gesellschaftsvermögen hatten, können die Entnahmen nur
durch den Beklagten und den Zeugen M. erfolgt sein, wobei es
letztlich nicht darauf ankommt, wohin die entnommenen Finanzmittel
im einzelnen geflossen sind.
Selbst wenn jedoch die Darstellung des Beklagten als richtig
unterstellt wird, wonach er die Verfügung über das
Wertpapiervermögen der Klägerin im wesentlichen dem Zeugen M.
überlassen haben will, der über die Wertpapierverkaufserlöse
verfügt und aufgrund seiner Generalvollmacht der Gesellschaft
Kapital entzogen haben soll, was zu ihrem Zusammenbruch geführt
habe, ändert sich an der Schadensersatzverpflichtung des Beklagten
gegenüber der Klägerin nichts.
Dadurch, daß der Beklagte die Verfügung über das
Wertpapiervermögen der Klägerin und die daraus erzielten Erlöse im
wesentlichen dem Zeugen M. überlassen hat, hat er sich zur
Erfüllung der ihm gegenüber der Klägerin obliegenden Verpflichtung,
bei der Verwaltung ihres Wertpapiervermögens ihre Interessen zu
wahren, der S. und ihres Generalbevollmächtigten, des Zeugen M.,
als Hilfspersonen im Sinne von § 278 BGB bedient, wobei es ohne
Belang ist, ob der Zeuge gewußt hat, daß er bei seinen Verfügungen
über das Wertpapiervermögen der Klägerin eine dieser gegenüber
bestehenden Verpflichtung des Beklagten zur Wahrung ihrer
Interessen zu erfüllen hatte (vgl. Palandt/Heinrichs, 54. Aufl., zu
§ 278 BGB, Rdn. 7 m.w.N.). Daraus folgt, daß der Beklagte ein
Verschulden der S. und des Zeugen M. als deren Erfüllungsgehilfen
bei der Verwaltung und Verfügung über das Wertpapiervermögen der
Klägerin wie eigenes Verschulden zu vertreten hat. Sollte deshalb
der Zeuge M. das Wertpapiervermögen der Klägerin bzw. die daraus
erzielten Erlöse der S. unbefugterweise entzogen und damit
veruntreut haben, haftet für den der Klägerin dadurch entstandenen
Schaden auch der Beklagte.
Der Beklagte ist der Klägerin aber auch wegen eigenen
Verschuldens schadensersatzpflichtig.
Soweit der Beklagte nicht selbst über die Wertpapiere der
Klägerin verfügt hat, sondern dies der S. Und dem Zeugen M. als
deren Bevollmächtigten überlassen hat, mußte er dafür sorgen, daß
auch von seiten des Zeugen M. die Interessen der Klägerin gewahrt
wurden. Das folgte aus seiner entsprechenden persönlichen
Verpflichtung gegenüber der Klägerin. Zu deren ordnungsgemäßen
Erfüllung gehörte es, daß er für die Wahrung der Interessen der
Klägerin Sorge trug, wenn er die betreffenden
Vermögensdispositionen einem Dritten überließ. Der Beklagte mußte
sich deshalb darum kümmern, was mit den Wertpapieren der Klägerin
geschah und wo bei einem Verkauf von Wertpapieren der Erlös
verblieb. Insoweit mußte er die Verwaltung des Wertpapiervermögens
der Klägerin durch die S. bzw. durch deren Bevollmächtigten, den
Zeugen M., überwachen. Insbesondere hätte er dafür sorgen müssen,
daß die Wertpapiere der Klägerin gesondert verwahrt wurden und
etwaige Erlöse aus den Papieren nicht dem allgemeinen
Geschäftskonto der S. gutgeschrieben wurden, wie es offenbar
geschehen ist, sondern einem Sonderkonto. Außerdem hätte er die
Verwendung des Erlöses aus den Wertpapierverkäufen überprüfen
müssen, wozu er aufgrund seiner Stellung als Vorstand der AG ohne
weiteres in der Lage war (§§ 76, 77 AktG). Tatsächlich hat er auch
Einsicht in Kontoauszüge gehabt, die die S. betrafen. Das ergibt
sich aus den von der Klägerin vorgelegten Kontoauszügen für das
Konto der S. bei der B. mit der Nr. X.. Die überreichten acht
Kontoauszüge aus der Zeit zwischen dem 20. Februar 1987 und dem 25.
September 1987 sind alle mit einem Eingangsstempel versehen, auf
dem sich die Paraphe des Beklagten befindet.
Aus den Kontoauszügen konnte der Beklagte ersehen, daß immer
wieder Geldbeträge in unterschiedlicher Höhe abgebucht worden sind.
Um einen Óberblick über die von der S. getätigten Geschäfte zu
behalten, aber auch um seine fortbestehende Verpflichtung zur
Wahrung der Interessen der Klägerin zu erfüllen, hätte der Beklagte
laufend überprüfen müssen, wofür die Geldbeträge, die von den
Konten der S. abgebucht wurden, verwendet worden sind.
Unstreitig sind die Erlöse aus dem Verkauf von Wertpapieren der
Klägerin nicht zum Kauf weiterer Wertpapiere benutzt, sondern
verbraucht worden. Das hätte sich bei einer Kontrolle der
Kontenbewegungen ergeben.
Ein pflichtwidriges Verhalten des Beklagten ist auch darin zu
sehen, daß der Klägerin unzutreffende Berichte über die Verwaltung
ihres Vermögens, insbesondere über ihren Depotstand erteilt worden
sind. Selbst wenn es stimmen sollte, daß die betreffenden Berichte
von dem Zeugen M. erstellt worden sind, hat der Beklagte für ihre
inhaltliche Unrichtigkeit einzustehen, weil er sie mit Ausnahme des
ersten Zwischenberichts vom 6. März 1987 alle unterzeichnet und
sich damit zu eigen gemacht hat. Denn er durfte sich entgegen
seiner Auffassung nicht unbesehen auf die Richtigkeit der Berichte
verlassen. Eine eigene Óberprüfungspflicht ergab sich für ihn schon
allein daraus, daß er aufgrund des ihm von der Klägerin erteilten
Vermögensverwaltungsauftrags deren Interessen zu wahren hatte und
deshalb kontrollieren mußte, ob die der Klägerin erteilten Berichte
richtig waren.
Bei pflichtgemäßer Wahrung der Interessen der Klägerin unter
Anwendung der insoweit gebotenen Sorgfalt (Führen eines gesonderten
Depotkontos; Verbuchung der Erlöse aus dem Verkauf von Wertpapieren
auf einem Sonderkonto; Sicherstellung der sachgerechten Verwendung
von Erlösen aus dem Verkauf von Wertpapieren) wäre der der Klägerin
entstandene Schaden vermieden worden. Für diesen haftet deshalb der
Beklagte auch wegen eigenen pflichtwidrigen Verhaltens.
Schließlich ist der Beklagte der Klägerin auch nach § 93 Abs. 5
S. 2 AktG schadensersatzpflichtig.
Die Vorstandsmitglieder einer AG haben bei ihrer
Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften
Geschäftsleiters anzuwenden. Verletzen sie ihre diesbezüglichen
Verpflichtungen, sind sie der Gesellschaft zum Ersatz des daraus
entstehenden Schadens verpflichtet (§ 93 Abs. 1 und Abs. 2
AktG).
Der Ersatzanspruch der Gesellschaft kann auch von den Gläubigern
der Gesellschaft geltend gemacht werden, soweit sie von dieser
keine Befriedigung erlangen können. Außer in den Fällen des § 93
Abs. 3 AktG gilt das allerdings nur dann, wenn die
Vorstandsmitglieder die Sorgfalt eines ordentlichen und
gewissenhaften Geschäftsleiters gröblich verletzt haben. Diese
gesetzlichen Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Beklagte hat
als alleiniger Vorstand der S. die Sorgfalt eines ordentlichen und
gewissenhaften Geschäftsleiters gröblich verletzt. Insoweit ist
maßgeblich, wie ein pflichtbewußter, selbständig tätiger Leiter
eines Unternehmens der konkreten Art, der nicht mit eigenen Mitteln
wirtschaftet, sondern ähnlich wie ein Treuhänder fremden
Vermögensinteressen verpflichtet ist, zu handeln hat (Hüffer, AktG,
1993, zu § 93 AktG Rdn. 4 m.w.N.). Wie bereits zuvor ausgeführt
wurde, hat der Beklagte nicht nur in seiner Eigenschaft als
Verwalter des Vermögens der Klägerin, sondern auch als Vorstand der
S. die ihm bei der Geschäftsführung für die Gesellschaft oblegenen
Verpflichtungen in grober Weise verletzt. Ausweislich seines
eigenen Sachvortrags hat er die allumfassende
Geschäftsführertätigkeit dem angeblich fachlich kompetenten Zeugen
M. als dem Generalbevollmächtigten der S. überlassen. Sein Amt als
Vorstand der Gesellschaft hat der Beklagte nur formal verstanden
und auch so wahrgenommen. Die eigentliche
Geschäftsführungstätigkeit wurde von dem Zeugen M. erledigt. Diese
Verhaltensweise des Beklagten war in hohem Maße pflichtwidrig, denn
er mußte im Rahmen der Geschäftsführung dafür Sorge tragen, daß die
Vermögensinteressen der Gläubiger, die ihr Vermögen in die
Gesellschaft investiert (Tochter der Klägerin) oder ihr zur
Verwaltung überlassen hatten (Klägerin) ordnungsgemäß und
sachgerecht wahrgenommen wurden. Insoweit hat es der Beklagte an
jeglicher eigenverantwortlicher Tätigkeit und Sorgfalt fehlen
lassen, indem er die ihm oblegene Geschäftsführungstätigkeit dem
Zeugen M. überlassen hat.
Für die Veruntreuung des Vermögens der Klägerin durch den Zeugen
M. haftete die S..
In der Óberführung des Wertpapiervermögens der Klägerin durch
den Beklagten in die Verwaltung der S. ist entweder ein
Vertragsabschluß zwischen dem Beklagten als Vertreter der Klägerin
und der S. mit der Folge zu sehen, daß sich eine unmittelbare
vertragliche Haftung der S. für das Fehlverhalten des Zeugen M. aus
Vertrag in Verbindung mit § 278 BGB ergibt. Wenn dagegen der
Beklagte mit der S. im eigenen Namen einen Vertrag über die
Verwaltung des Vermögens der Klägerin geschlossen haben sollte,
würde es sich um einen Vertrag zugunsten der Klägerin handeln,
zumindest aber um einen solchen mit Schutzwirkung für die Klägerin,
aus dem sich ebenfalls ein vertraglicher Schadensersatzanspruch der
Klägerin gegen die S. wegen des Fehlverhaltens des Zeugen M.
ergeben würde.
Den ihr gegen die S. zustehenden Schadensersatzanspruch kann die
Klägerin, weil sie von der Gesellschaft wegen deren
Vermögensverfall keine Befriedigung erlangen kann, gegen den
Beklagten geltend machen (§ 93 Abs. 5 AktG).
Die vom Beklagten erhobene Verjährungseinrede greift nicht durch
soweit der Beklagte der Klägerin aus positiver Vertragsverletzung
schadensersatzpflichtig ist, ist die für einen solchen
Schadensersatzanspruch maßgebende Verjährungsfrist von 30 Jahren
noch nicht abgelaufen. Für die fünfjährige Verjährungsfrist nach §
93 Abs. 6 AktG gilt dasselbe.
Der Schaden der Klägerin beträgt mindestens 1.033.300,00 DM.
Diesen Wert hatte das Vermögen der Klägerin, das sich zu Beginn des
Jahres 1987 in der Verwaltung der S. befand. Der Betrag setzte sich
zusammen aus dem Erlös aus Wertpapierverkäufen (896.340,00 DM)
sowie aus dem Kurswert der seinerzeit noch vorhanden gewesenen
Nixdorf- und Royal-Dutch-Aktien (insgesamt 136.960,00 DM).
Da der Beklagte selbst zugibt, daß die zunächst verbliebenen
Wertpapiere in den ersten Wochen des Jahres 1987 veräußert worden
sind, andererseits aber nicht nachzuweisen vermocht hat, daß mit
dem aus Wertpapierverkäufen erzielten Erlös befugterweise Geschäfte
getätigt worden sind, die Verluste ergeben haben, ist davon
auszugehen, daß der Gesamterlös aus den Wertpapierverkäufen
veruntreut worden ist. Dem stehen die der Klägerin von der S.
erteilten Quartalsberichte nicht entgegen, denn soweit darin über
angeblich getätigte Wertpapiergeschäfte berichtet wurde,
entsprachen die Berichte unstreitig nicht den Tatsachen.
Daß mit den Verkaufserlösen aus den vorhanden gewesenen
Wertpapieren tatsächlich keine weiteren Wertpapiergeschäfte
vorgenommen worden sind, beweist auch die vom Beklagten unter dem
6. Dezember 1990 für die Klägerin erstellte Óbersicht über die
Kapitalentwicklung. Darin ist für die Zeit ab Ende 1986 nur noch
der jeweilige Kapitalstand mit einer 8%igen Verzinsung aufgeführt.
Von noch vorhandenem Wertpapiervermögen ist in der Óbersicht keine
Rede.
Verzugszinsen konnten der Klägerin nur ab Rechtshängigkeit
zuerkannt werden, weil sie eine Mahnung nicht vorgetragen hat,
durch die der Beklagte in Zahlungsverzug geraten ist. Von der
Hauptsumme ist der Teilbetrag von 400.000,00 DM seit dem 30.
Dezember 1993 und der weitere Teilbetrag von 633.300,00 DM seit dem
15. Mai 1995 rechtshängig.
Zur Zinshöhe hat der Beklagte nicht in Abrede gestellt, daß die
Klägerin ihr Geld hätte gewinnbR.end anlegen können. Er hat nur
bestritten, daß ein Renditesatz von 8 % zu erzielen gewesen
wäre. Nach Kenntnis des Senats sind seit Ende 1993 bis heute
durch Kapitalanlagen Renditen von durchschnittlich wenigstens 6 %
zu erzielen. Der Klägerin war deshalb dieser Zinssatz
zuzuerkennen.
Danach war wie geschehen zu erkennen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 708 Ziff. 10, 711
ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer des
Beklagten: 1.033.300,00 DM.
OLG Köln:
Urteil v. 07.07.1995
Az: 20 U 216/94
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/1a79d9cb32b6/OLG-Koeln_Urteil_vom_7-Juli-1995_Az_20-U-216-94