Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 13. Juni 2002
Aktenzeichen: 1 K 12514/98

(VG Köln: Urteil v. 13.06.2002, Az.: 1 K 12514/98)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Berufung wird zugelassen.

Die Revision unter Óbergehung der Berufungsinstanz wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin der Telekommunikationsnetze der ehemaligen Deutsche Bundespost Telekom. Sie betreibt u.a. Sprachtelefondienst im Rahmen der Lizenzklasse 4. Seit dem 1.1.1998 ist sie gesetzlich verpflichtet, in ihrem Netz sicher- zustellen, dass ihre Nutzer bei einem Wechsel des Betreibers und Verbleiben am selben Standort ihnen zugeteilte Nummern beibehalten können (Rufnummernportabi- lität).

Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht beantragte die Klägerin unter dem 21.9.1998 bei der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP), die von ihr verlangten Endkundenentgelte für die Leistung "Portierung zu besonderen Zeiten" in Höhe von 94,33 DM (ohne USt) je Anschluss sowie für die Leistung "Por- tierung Projekte" nach Aufwand, d.h. entsprechend den AGB "Sonstige Dienstleis- tungen", zu genehmigen. Zu "besonderen" Zeiten wurde im Antrag bestimmt: dienstags zwischen 21.00 und 22.00 Uhr, mittwochs zwischen 6.00 und 7.00 Uhr, freitags zwischen 17.00 und 18.00 Uhr, samstags zwischen 10.00 und 12.00 Uhr.

Mit Bescheid vom 30.11.1998 erteilte die RegTP die beantragte Genehmigung, und zwar unter Ziffer 1 in Bezug auf das Entgelt für die Erfolgskontrolle bei Sicher- stellung der Rufnummernportabilität zu besonderen Zeiten befristet bis zum 30.9.1999 und unter Ziffer 2 hinsichtlich der Abrechnung von "Projekten" nach Auf- wand, soweit die "Portierung zu besonderen Zeiten" betroffen ist, befristet bis zum 31.12.2000.

Dagegen hat die Klägerin am 30.12.1998 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, die Entgelte für die Leistungen "Portierung zu besonderen Zeiten und Projekten" sei- en nicht nach § 25 Abs. 1 TKG genehmigungspflichtig, da sie nicht unter den Begriff des Sprachtelefondienstes fielen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der RegTP vom 30.11.1998 (BK 00-00/000) aufzuheben und festzustellen, dass die damit genehmigten Entgelte nicht der Genehmigungspflicht unterliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt über die Begründung des angefochtenen Bescheides hinaus vor: Die in Rede stehenden Leistungen seien ebenso wie die Basisleistung - die Rufnummernportierung als solche - Sprachtelefondienst i.S.d. § 3 Nr. 15 TKG. Rufnummernportierung mache nur dann Sinn, wenn sichergestellt sei, dass der wechselwillige Kunde jedenfalls im alten Netz erreichbar bleibe, wenn beim Umschalten der Teilnehmeranschlussleitung Fehler aufgetreten seien. Deshalb sei eine Vorortüberwachung durch einen Mitarbeiter der Klägerin erforderlich, damit dieser bei eventuellen Störungen sofort eingreifen könne, indem er den Portierungsvorgang abbreche und neu starte oder den Portierungsvorgang rückgängig mache. Diese Erfolgskontrolle könne nicht anders beurteilt werden als die Basisleistung. Darauf, ob sie innerhalb oder außerhalb der Regelarbeitszeit erbracht werde, könne es nicht ankommen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie der Verfahrensakte 1 K 958/98 verwiesen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid der RegTP geht zu Recht von der Genehmigungsbedürftigkeit der in Rede stehenden Entgelte aus, so dass auch der negative Feststellungsantrag keinen Erfolg hat.

Die Kammer hat bereits entschieden,

VG Köln, Urteile vom 10.5.2001 - 1 K 958/98 - und 28.2.2002 - 1 K 3741/98 -,

dass die (Basis-)Leistung "Rufnummernportierung" Sprachtelefondienst darstellt und dass deshalb das dafür von der Klägerin verlangte Endkundenentgelt gemäß § 25 Abs. 1 TKG genehmigungsbedürftig ist. Dafür waren folgende Gründe maßgeblich:

Nach § 3 Nr. 15 TKG ist Sprachtelefondienst "die gewerbliche Bereitstellung für die Öffentlichkeit des direkten Transports und der Vermittlung von Sprache in Echtzeit von und zu den Netzabschlusspunkten des öffentlichen, vermittelnden Netzes, wobei jeder Benutzer das an solch einem Netzabschlusspunkt angeschlossene Endgerät zur Kommunikation mit einem anderen Netzabschlus- spunkt verwenden kann".

Die Rufnummernportierung lässt sich als Bereitstellung des Transports und der Vermittlung von Sprache beurteilen. Sie ist nämlich Teil der - insgesamt in den Blick zu nehmenden - technischen Einrichtungen, welche zur Übermittlung der Sprache zwischen dem jeweiligen Kunden der Klägerin und dessen Anrufpartner unerlässlich sind. Das ergibt sich aus der technischen Erläuterung dieses Vorgangs, wie er von den Beteiligten im Verfahren 1 K 958/98 inhaltlich übereinstimmend gegeben wird. Danach wird diese Leistung durch Umprogrammierungsmaßnahmen in der für den Anschluss des Kunden zuständigen Teilnehmervermittlungsstelle der Klägerin erbracht. Im Rechner der für den bisherigen Kunden der Klägerin maßgeblichen Teilnehmervermittlungsstelle wird ein Datensatz hinterlegt, der sicherstellt, dass die Verbindung von dieser Teilnehmervermittlungsstelle zunächst zu einem sog. Rufnummernportierungsserver geführt wird. In diesen Server werden die Informationen einprogrammiert, die darüber Auskunft geben, bei welchem Teilnehmernetzbetreiber der betreffende Kunde - nunmehr - seinen Anschluss hat und welche Teilnehmervermittlungsstelle des anderen Netzbetreibers für diesen Anschluss des Endkunden zuständig ist. Es geht also um eine Leitwegänderung, die sich ebenso wie sonstige vermittlungstechnische Vorgänge beim Aufbau und beim Halten der jeweiligen Verbindung zwanglos dem Sprachtelefondienst zurechnen lässt.

Dem kann nicht entgegenhalten werden, es handele sich jeweils nur um eine einmalige Leistung, die sich in der bloßen Programmierung erschöpfe. Denn dagegen spricht, dass auch sonstige einmalige Leistungen, wie etwa die Verlegung von Leitungen oder die Errichtung von Gebäuden für Vermittlungsstellen, kostenmäßig (vgl. § 2 Abs. 2 TEntGV) dem Sprachtelefondienst zuzurechnen sind. Außerdem erschöpft sich die Rufnummernportierung nicht in einer einmaligen Dateiänderung. Vielmehr wirkt sich diese bei jeder davon erfassten Verbindung aus. Dass es sich "nur" um eine Programmierungsmaßnahme handelt, unterscheidet sie nicht wesentlich von sonstigen, für die Verbindungsführung maßgeblichen Arbeiten in EDV-gestützten Vermittlungsstellen.

Auch kann gegen die Einordnung als Sprachtelefondienst nicht eingewendet werden, es handele sich nur um eine Teilleistung. Denn der Transport und die Vermittlung von Sprache setzen sich ohnehin aus einer Vielzahl von Einzelvorgängen und -leistungen zusammen, die bei der rechtlichen Qualifizierung nicht isoliert betrachtet werden dürfen. Dies zeigt sich auch an der Regelung des § 27 Abs. 1 Nr. 1 TKG, wonach die Entgeltgenehmigung nach § 25 Abs. 1 TKG auf der Grundlage der "auf die einzelne Dienstleistung" entfallenden Kosten zu erfolgen hat. Dies setzt voraus, dass die "einzelne" Dienstleistung überhaupt nach § 25 Abs. 1 TKG genehmigungspflichtig ist, was wiederum nur dann der Fall sein kann, wenn der Umstand der bloßen Teilleistung (innerhalb der Gesamtleistung Sprachtelefondienst) nicht entgegensteht.

Schließlich lässt sich nicht mit Erfolg einwenden, es fehle an der für den Begriff der Vermittlung erforderlichen Auswahlmöglichkeit zwischen mehreren Endpunkten.

vgl. Schütz in Beck`scher TKG-Kommentar, 2. Aufl., Rn. 18 a zu § 3 TKG und Rn. 59 zu § 6 TKG; Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht, Kommentar, Rn. 27 zu § 3 TKG.

Es kann dahingestellt bleiben, ob dieses Merkmal, das aus der Zeit des Telefondienstmonopols des Bundes stammt (vgl. § 1 Abs. 4 FAG a.F.), auch noch nach Aufhebung dieses Monopols zur Auslegung des Vermittlungsbegriffs des TKG herangezogen werden kann. Denn selbst wenn man dies bejahte, wäre hier die Auswahlmöglichkeit gegeben. Es ist nämlich auch in dieser Hinsicht nicht allein auf die Teilleistung Rufnummernportierung abzustellen. Vielmehr ist auch im vorliegenden Zusammenhang der Gesamthergang der Sprachübermittlung zwischen dem Anrufer und seinem Gesprächspartner in den Blick zu nehmen, wie er nach der Leitwegänderung infolge der Rufnummerübertragung abläuft. Der Kunde der Klägerin ist nicht etwa wie bei einer Festverbindung auf einen bestimmten Netzabschlusspunkt festgelegt, sondern er hat weiterhin die Wahl zwischen mehreren Endpunkten. Über welche Wege innerhalb des Netzes der Klägerin und des damit zusammengeschalteten Netzes des anderen Betreibers die Sprachverbindung letztlich abläuft, ist für die Frage der Auswahlmöglichkeit zwischen mehreren Gesprächspartnern unerheblich.

Es besteht kein Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen, zumal die Klägerin im vorliegenden Verfahren nichts Neues vorgetragen hat.

Fällt somit die Basisleistung der Rufnummernportierung unter den Begriff des Sprachtelefondienstes, so muss dies auch für die hier umstrittenen Leistungen "Portierung zu besonderen Zeiten und Projekten" gelten.

Zur Leistung "Portierung Projekte" heißt es im Entgeltantrag:

"Endkunden mit fünf oder mehr Primärmultiplexanschlüssen können im Rahmen der bestehenden technischen, betrieblichen und rechtlichen Möglichkeiten auch außerhalb der Regelarbeitszeit zu beliebigen Zeiten geschaltet werden (Projekte)".

Es handelt sich somit ebenfalls um bloße Programmierungsarbeiten im Rahmen einer Leitwegänderung, welche sich ihrer Art nach von der Basisleistung nicht wesentlich unterscheiden.

Zur Leistung "Portierung zu besonderen Zeiten" wird in der dem Antrag beigefügten Leistungsbeschreibung (Anlage 1.1) erläutert:

"Das Angebot ´Portierung zu besonderen Zeiten` umfasst die Leistung, die zusätzlich zur Basisleistung Portieren (entsprechend der multilateralen Spezifikation) erbracht wird. Diese Leistung ist abgeschlossen, wenn die Portierung im vereinbarten Zeitfenster erfolgreich abgeschlossen wurde. Dabei werden die zum Einbringen der Kommandos in die Netzknoten notwendigen Kommandodateien als Bestandteil der Basisleistung erstellt. Für den erfolgreichen Abschluss der Portierung im vereinbarten Zeitfenster muss darüber hinaus eine Erfolgskontrolle durchgeführt werden. Diese kann nur im manuellen Wege erfolgen. Systembedingt erfolgt nämlich kein Alarm, wenn nach Ablauf der Kommandodatei die Portierung gleichwohl nicht erfolgt ist. Es werden deshalb die Rechnerprotokolle des Portierungsvorgangs immer manuell kontrolliert. Sofern festgestellt wird, dass die Umschaltung nicht erfolgt ist, wird entsprechendes Personal tätig, das zu diesem Zwecke eigens in den Betriebszentren vorgehalten werden muss. Insoweit handelt es sich also um eine manuelle Nacharbeitung oder Erfolgskontrolle des Por- tierungsvorgangs zu besonderen Zeiten."

Dies zugrunde gelegt, geht es zwar nicht wie bei der Basisleistung um Programmierungsvorgänge im engeren Sinne, sondern um eine manuelle Nacharbeitung oder Erfolgskontrolle. Doch lässt sich auch dies ohne weiteres der letztlich beabsichtigten Leitwegänderung zurechnen, da diese erst dann als abgeschlossen angesehen werden kann, wenn nach der Programmierungsänderung auch alles wie geplant funktioniert. Dass die Nacharbeitung und die Erfolgskontrolle außerhalb der regulären Dienstzeit durchgeführt werden, ändert nichts an ihrem Zweck, die Vermittlung von Sprache i.S.d. § 3 Nr. 15 TKG von und zum Kunden unter dessen bisheriger Rufnummer auch nach Wechsel des Netzbetreibers zu ermöglichen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, die der Sprungrevision auf § 134 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.






VG Köln:
Urteil v. 13.06.2002
Az: 1 K 12514/98


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