Verwaltungsgericht Freiburg:
Beschluss vom 10. August 2006
Aktenzeichen: A 3 K 11018/05

(VG Freiburg: Beschluss v. 10.08.2006, Az.: A 3 K 11018/05)

Tenor

Die Erinnerung der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 28.04.2006 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Erinnerungsverfahrens.

Gründe

Die nach §§ 165, 151 VwGO zulässige Erinnerung ist unbegründet. Zu Recht hat die Urkundsbeamtin als unter anderem von der Beklagten dem Kläger Ziff. 1 zu erstattende Kosten die 1,3 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (im folgenden: VV RVG) - in der bis 30.06.2006 geltenden Fassung (vgl. die Übergangsvorschrift in § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG) - festgesetzt und darauf keine Geschäftsgebühr angerechnet. Eine Pflicht zur Anrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren folgt auch nicht aus der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG. Danach wird, soweit wegen des selben Gegenstandes eine Geschäftsgebühr nach den Nummern 2400 bis 2403 entstanden ist, diese Gebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Nach den Ausführungen in den Gesetzesmaterialien (BT-Dr 15/1971, 209) ist eine Anrechnung bereits aus systematischen Gründen erforderlich, weil der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren entscheidend davon beeinflusst wird, ob der Rechtsanwalt durch eine vorgerichtliche Tätigkeit bereits mit der Angelegenheit befasst war. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist die Anrechnung auch erforderlich, um eine außergerichtliche Erledigung zu fördern. Es müsse der Eindruck vermieden werden, der Rechtsanwalt habe ein gebührenrechtliches Interesse an einem gerichtlichen Verfahren. Die Anrechnungsregelung habe zur Folge, dass bei verwaltungsrechtlichen Mandaten eine Änderung zum geltenden Recht eintrete. Während nach § 118 Abs. 2 Satz 1 BRAGO die Geschäftsgebühr beim Übergang in ein gerichtliches Verfahren nicht angerechnet worden sei, könne dieser Rechtszustand im Hinblick auf die systematischen und Prozess leitenden Überlegungen nicht beibehalten werden; dies sei auch vor dem Hintergrund der Regelung des § 17 Nr. 1 RVG zu sehen, der spürbare Verbesserungen der Vergütung in verwaltungsrechtlichen Mandaten zur Folge habe.

Dem gesetzgeberischen Willen, mit der Anrechnungsvorschrift eine €doppelte€ Honorierung des Rechtsanwalts zu verhindern und eine außergerichtliche Erledigung zu fördern, ist jedoch nicht zu entnehmen, dass damit zugleich eine Entlastung des unterliegenden Prozessgegners gewollt gewesen sein könnte (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 25.04.2006, NJW 2006, 1991; VG Köln, Beschl. v. 16.03.2006 - 18 K 6475/04.A - juris; a.A. Bayer. VGH, Beschl. v. 06.03.2006, NJW 2006, 1990 und Beschl. v. 03.11.2005 - 10 C 05.1131 - juris sowie wohl VGH Bad.-Württ., obiter dictum im Beschl. v. 27.06.2006 - 11 S 2613/05 -). Die Anrechnungsvorschrift bezieht sich allein auf das Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten. Die Anrechnung ist ein nur im Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant wirksamer Rechenvorgang. Gekürzt wird lediglich der Honoraranspruch des Rechtsanwalts (vgl. VG Frankfurt, Beschl. v. 13.03.2006 - 2 J 662/06 - juris; VG Sigmaringen, Beschl. v. 12.06.2006 - A 1 K 10321/05 - juris). Damit ist auch gewährleistet, dass der Rechtsanwalt nicht für die (annähernd) gleiche Tätigkeit zwei Mal honoriert wird. Gegen die Anwendung der Anrechnungsvorschrift spricht im Übrigen, dass andernfalls das Kostenfestsetzungsverfahren mit allein das Verhältnis des Rechtsanwalts und seines Mandanten betreffenden Fragen belastet werden würde, insbesondere geprüft werden müsste, in welcher Höhe die Geschäftsgebühr nach Nr. 2400, die sich auf 0,5 bis 2,5 beläuft, entstanden ist. Die Anrechnungsvorschrift ist im Rahmen der gerichtlichen Kostenfestsetzung jedenfalls dann nicht zu berücksichtigen, wenn die Geschäftsgebühr nicht (als notwendige Kosten des Vorverfahrens) Gegenstand der gerichtlichen Kostenfestsetzung ist. Jedenfalls in den Fällen, in denen - wie hier - kein Vorverfahren im Sinne der §§ 68 ff VwGO stattgefunden hat und deshalb die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts nicht nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO erstattungsfähig sind (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.06.2006 a.a.O), hindert die Anrechnungsbestimmung die Festsetzung der vollen Prozessgebühr gegen den Gegner nicht (vgl. Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl., 2400 - 2403 VV Rn. 205).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar(§ 80 AsylVfG).






VG Freiburg:
Beschluss v. 10.08.2006
Az: A 3 K 11018/05


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