Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Dezember 2006
Aktenzeichen: 14 W (pat) 311/04
(BPatG: Beschluss v. 12.12.2006, Az.: 14 W (pat) 311/04)
Tenor
1. Der Einspruch der Einsprechenden 1 wird als unzulässig verworfen.
2. Auf den Einspruch der Einsprechenden 2 wird das Patent 101 57 129 widerrufen.
Gründe
I Die Erteilung des Patents 101 57 129 mit der Bezeichnung
"Verfahren zur Herstellung eines hydraulischen Bindemittels"
ist am 30. Oktober 2003 veröffentlicht worden. Es umfasst 4 Patentansprüche, von denen Anspruch 1 wie folgt lautet:
"Verfahren zur Herstellung eines hydraulischen Bindemittels, bei dema) Zement als Hauptbestandteil mitb) einer Mischung, deren Körnung auf einem 0,2 mm Sieb einen Siebrückstand von kleiner oder gleich 30 Gew.-% aufweist, aus feuchtem Grünsalz, inertem Trägermaterial in Form von gemahlenem Kalkstein oder anderen natürlichen Mineralien undzumindest einen der Zuschlagstoffe Zink, Aluminium, Phosphor oder Titanoxidvermischt wird."
Zum Wortlaut der auf diesen Anspruch rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 4 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Gegen dieses Patent sind am 26. und 27. Januar 2004 zwei Einsprüche erhoben worden, die u. a. auf die Behauptung gestützt sind, dem patentgemäßen Verfahren fehle die erfinderische Tätigkeit gegenüber dem durch D1 WO 84/01942 A1 und D3 Baustoffkenntnis, Werner-Verlag 1995, Seiten 78, 191, 193, 235, 240 bis 243 sowie weiteren Entgegenhaltungen belegten Stand der Technik. Im Laufe des Einspruchsverfahrens hat die Einsprechende 2 noch auf die Seiten 171 und 220 der D3 sowie auf die dort zitierte DIN 1164 hingewiesen.
Die ordnungsgemäß geladene Einsprechende 1 ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Sinngemäß beantragt sie schriftsätzlich wie die Einsprechende 2 in der mündlichen Verhandlung, das Patent zu widerrufen.
Der Patentinhaber beantragt, das Patent in vollem Umfang aufrecht zu erhalten.
Er beruft sich insbesondere darauf, dass eine Mischung b) mit der im Anspruch 1 definierten Körnung im Stand der Technik nirgends beschrieben sei.
Wegen weiterer Einzelheiten des schriftlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II 1. Der Einspruch der Einsprechenden 1 ist unzulässig.
Das im Einspruchsschriftsatz genannte Forschungsinstitut der Zementindustrie Düsseldorf ist als Organ des Vereins Deutscher Zementwerke e. V. nicht rechts- und daher nicht parteifähig (§ 50 Abs. 1 ZPO).
Zur Begründung kann auf die entsprechenden Ausführungen unter II.1. im Beschluss vom 28. November 2006 in dem sämtlichen Beteiligten bekannten Verfahren 14 W (pat) 314/04 in vollem Umfang verwiesen und zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen werden.
2. Der Einspruch der Einsprechenden 2 ist zwar wegen Adressierung an das BPatG beim falschen Adressaten eingegangen, jedoch innerhalb der Einspruchsfrist an den nach § 147 Satz Abs. 3 PatG richtigen Adressaten weitergeleitet worden. Die falsche Adressierung ist somit unschädlich (siehe Schulte PatG, 7. Aufl., Einleitung Rn. 64).
Der Einspruch ist somit frist- und formgerecht sowie mit Gründen versehen erhoben und mithin zulässig. Er führt zum Widerruf des Patents, weil das beanspruchte Verfahren nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Nach dem Vortrag des Patentinhabers in der mündlichen Verhandlung ist die sich gegenüber dem nächstgelegenen Stand der Technik nach D1 stellende Aufgabe darin zu sehen, eine Verbesserung der Dosierung des Chromatreduzierers zu erzielen (vgl. auch Streitpatentschrift [0011]).
Diese(r) Aufgabe(nteil) soll durch ein Verfahren nach dem erteilten Anspruch 1 gelöst werden, wobei insbesondere der Körnung der Mischung b) mit einem Siebrückstand von kleiner oder gleich 30 Gew.-% auf einem 0,2 mm Sieb besondere Bedeutung zukommen soll.
Aus der D1 ist ein Verfahren zur Herstellung eines hydraulischen Bindemittels bekannt, bei dem a) Zement als Hauptbestandteil mit b') einer Mischung aus feuchtem Grünsalz und einem Pulver aus inertem Trägermaterial in Form von Kreide (Calciumcarbonat) oder anderen natürlichen Materialien (Ton, Gips) vermischt wird (Anspruch 1 i. V. m. S. 4 Abs. 2).
Dass die dem Zement zuzugebende Mischung b') die im erteilten Anspruch 1 spezifizierte Körnung aufweisen und einen weiteren Zusatz, beispielsweise Titanoxid, enthalten soll, ist in D1 nicht beschrieben. Diese in D1 nicht aufgeführten Merkmale können aber die erfinderische Tätigkeit des patentgemäßen Verfahrens nicht begründen.
Es trifft zu, dass in D1 als einziger Zahlenwert für die Teilchengröße eines freifließenden Pulvers aus Grünsalz und Trägermaterial (hier: Flugasche) eine Korngröße von ungefähr 0,5 mm angegeben ist (S. 9 Z. 24/25 und 30). Dieser einzige, beispielhafte Wert schränkt aber die in D1 gegebene Lehre nicht ein. Es steht im Belieben des Fachmanns, andere Korngrößen einzusetzen, wenn dies zweckmäßig erscheint.
Eine Anregung, für die Mischung b') eine Körnung festzulegen, die einen geringeren Siebrückstand als 30 Gew.-% auf einem 0,2 mm Sieb aufweist, liefern die Anforderungen an die Mahlfeinheit von Zement gemäß D3 (S. 171 4.6.4 a) a1) Abs. 1) bzw. der dort zitierten, bereits im Prüfungsverfahren (gemäß Niederschrift über die Anhörung vom 12. Februar 2003) in Betracht gezogenen DIN 1164. Zum Erhalt eines die DIN-Spezifikationen erfüllenden hydraulischen Bindemittels liegt es nahe, weitere mit dem Zement abzumischende pulverförmige Bestandteile in bereits spezifikationsgerechter Form einzubringen.
Der Senat verkennt nicht, dass auch eine Zugabe der Mischung b') mit groberer Körnung zum Zement und anschließende Vermahlung des Gesamtgemisches - wie z. B. in der US-PS 2 307 270 (Sp. 2 Z. 12 bis 18) beschrieben - einen gangbaren, möglicherweise in der Praxis sogar bevorzugten Weg zu einem spezifikationsgerechten Bindemittel darstellt. Dies kann aber nicht einer - wie aufgezeigt - naheliegenden Alternative zu erfinderischer Qualität verhelfen. Auf diese Alternative verweist aber D1 direkt durch die Aufzählung der Möglichkeiten, die Mischung b') vor, während oder - wie patentgemäß - nach dem Aufmahlen des Zements zuzugeben (Anspruch 1).
Auch das Argument des Patentinhabers, auf Grund des geringen Anteils der Mischung b) in der Gesamtmischung werde die Anforderung an die Mahlfeinheit gemäß DIN 1164 auch mit gröberem Korn dieses Zusatzes erfüllt, kann nicht überzeugen. Denn bei Anteilen der Mischung b) von 5 Gew.-% (gemäß erteiltem Anspruch 3) führt ein Siebrückstand von größer oder gleich 60 Gew.-% auf einem 0,2 mm Sieb - also beispielsweise eine (mittlere) Teilchengröße von 0,5 mm - dazu, dass die Anforderungen der DIN 1164 an die Mahlfeinheit (höchstens 3 Gew.-% Rückstand auf 0,2 mm Sieb) verfehlt werden.
Der Zusatz von Titanoxid (Titandioxid) kann keinen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit leisten. Titandioxid ist ein allgemein bekanntes Weißpigment zum Einfärben von Beton (vgl. z. B. D3 s. 243 vorle. Abs.). Es gehört zu den üblichen Betonzusatzstoffen, die (nach DIN 1045) fein aufgeteilte Stoffe sind (D3 S. 242 le. Abs.). Bei der Mitverwendung von Titandioxid in einem hydraulischen Bindemittel liegt es für den Fachmann nahe, die Menge und die Korngröße derart einzustellen, dass sein Anteil die Anforderungen an die Mahlfeinheit des hydraulischen Bindemittels nicht beeinträchtigt.
Dies gilt unabhängig davon, ob das Pigment zuerst dem Zement a) oder zuerst der Mischung b) oder einer Abmischung von Zement mit dem Grünsalz-Trägermaterial-Gemisch zugesetzt wird. Dass nämlich die Einbringung von Titandioxid mit der Mischung b) irgendwelche oder gar unvorhersehbare Vorteile gegenüber den anderen denkbaren Varianten bewirkt, ist weder vom Patentinhaber geltend gemacht, noch für den Senat erkennbar.
Der geltend gemachte, von den Einsprechenden nicht bestrittene Vorteil einer besseren Dosierbarkeit der Zusatzmischung bei kleinerer Korngröße ergibt sich als Folge der auf Grund der Anforderungen an die Mahlfeinheit naheliegenden Festlegung dieses Parameters. Im Übrigen entspricht es der Lebenserfahrung, dass feinteiliges Gut präziser dosiert werden kann als grobstückiges.
Nach alledem beruht jedenfalls diejenige Ausführungsform des Verfahrens nach Anspruch 1, bei der Titanoxid als "Zuschlagstoff" verwendet wird, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Da über den Anspruch nicht in Teilen entschieden werden kann, erübrigt sich ein Eingehen auf weitere vom Anspruch 1 umfasste Varianten mit den Zuschlagstoffen Zink, Aluminium oder Phosphor; vielmehr kann der erteilte Anspruch 1 insgesamt keinen Bestand haben.
Mit ihm fallen die auf besondere Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 1 gerichteten Unteransprüche 2 bis 4.
BPatG:
Beschluss v. 12.12.2006
Az: 14 W (pat) 311/04
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