Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 24. Januar 2007
Aktenzeichen: 8 U 69/06

(OLG Hamm: Urteil v. 24.01.2007, Az.: 8 U 69/06)

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 11. Januar 2006 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten wird das vorgenannte Urteil abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage wird festgestellt, dass die Kläger mit ihrer Erklärung vom 22.12.2003 ihr Optionsrecht nach Ziffer III des Vertrages vom 07.11.2000 (UR Nr. ...#/2000 des Notars Q aus E) nicht wirksam ausgeübt haben.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Klägern wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

A.

Die Kläger, die einzige Gesellschafter der D waren, vereinbarten mit Vertrag vom 7. November 2000 eine Übertragung ihrer Geschäftsanteile in Höhe von je 25.000,00 DM an die Beklagte, wobei diese in Höhe von je 20.000,00 DM sofort teilweise gegen Barzahlung und teilweise gegen die Übertragung von je 50.000 Aktien der Beklagten aus einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage erfolgte. Für die weiteren Geschäftsanteile von je 5.000,00 DM gaben die Parteien Vertragsangebote ab, die von der Gegenseite bis zum 30. Juni 2004 angenommen werden konnten. Der Vertrag wurde hinsichtlich der Übertragung der ersten Geschäftsanteile von je 20.000,00 DM gegen Barzahlung und Aktienzeichnung durchgeführt. Die Kläger gaben auch die Annahmeerklärung bezüglich der weiteren Geschäftsanteile von je 5.000,00 DM im Jahre 2003 ab, ohne dass die Beklagte ihre Forderungen erfüllte.

Im vorliegenden Rechtsstreit machen die Kläger Ansprüche auf Zahlung einer erhöhten Gegenleistung für die von ihnen zunächst erworbenen 100.000 Aktien geltend, wobei sie sich auf eine ihrer Ansicht nach von der Beklagten abgegebene Wertgarantie stützen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat den Klagen in Höhe von jeweils 713.000,00 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Es hat einen Anspruch der Kläger aus der Wertgarantie in Ziffer III 5 b des Vertrages vom 7. November 2000 für begründet erachtet, jedoch nur in Höhe der Kursdifferenz zum maßgeblichen Stichtag. Einen zusätzlichen Schadensersatzanspruch der Kläger hat es mangels Feststellbarkeit eines Schadens verneint. Die von der Beklagten erhobene Widerklage, mit der diese die Zustimmung der Kläger zur Wandlung des Anteilsübertragungsvertrages vom 22.12.2003 angestrebt hatten, hatte das Landgericht für unzulässig gehalten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Beide Parteien greifen das Urteil jeweils mit der Berufung an.

Die Kläger verfolgen ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiter. Sie meinen, der ihnen durch die Vorenthaltung weiterer Aktien entgangene Gewinn sei entgegen der Auffassung des Landgerichts im Wege der Schätzung zu ermitteln. Die Veräußerung von Aktienpaketen entsprechend ihrer Planung hätte sich auf den Kurs nicht negativ ausgewirkt, so dass die von ihnen vorgenommene Berechnung zutreffend sei und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit habe erwartet werden können.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu verurteilen, an sie jeweils weitere 306.486,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Dezember 2005 sowie nebst Zinsen auf die vom Landgericht zugesprochenen jeweils 713.000,00 € in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 20. November 2000 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Darüber hinaus beantragt sie,

die Klage abzuweisen und auf die Widerklage die Kläger zu verurteilen, sich mit der von der Beklagten erklärten Wandlung des durch die Annahmeerklärung der Kläger vom 22.12.2003 zustande gekommenen Anteilsübertragungsvertrages einverstanden zu erklären;

hilfsweise festzustellen, dass die Kläger mit ihrer Erklärung vom 22.12.2003 ihr Optionsrecht aus Ziffer III des Vertrages vom 07.11.2000 (URNr. ...#/2000 des Notars Q aus E) nicht wirksam ausgeübt haben.

Sie vertritt die Auffassung, ein Zahlungsanspruch stehe den Klägern schon dem Grunde nach nicht zu. Dieser folge nicht aus Ziffer III 5 b des Vertrages vom 7. November 2000. Insoweit meint die Beklagte, entgegen der Auffassung des Landgerichts seien die weiteren Aktien, für deren Vorenthaltung die Kläger nunmehr Schadensersatz verlangen, versprochen worden für die letzten 20 % der Geschäftsanteile an der D, die bei Ausübung der Put/Call-Option einzubringen waren. Dies folge aus Wortlaut und Systematik der Regelung. Da die D zum Zeitpunkt der Ausübung der Option durch die Kläger aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wertlos geworden sei, seien ihre Geschäftsanteile nicht mehr sacheinlagefähig gewesen, so dass die zugrunde liegende Sacheinlagevereinbarung unwirksam sei. Aber selbst wenn man mit dem Landgericht unabhängig von der Ausübung der Option über den zweiten Teil der Geschäftsanteile von einer Kursgarantie betreffend die zunächst übertragenen Aktien ausgehe, so meint die Beklagte, sei diese Kursgarantie wegen Verstoßes gegen die Regeln der Kapitalaufbringung und erhaltung unwirksam. Die Übernahme einer Kursgarantie habe dazu geführt, dass die Beklagte das wirtschaftliche Risiko der Aktien weiterhin getragen habe, was zur Anwendung des § 56 Abs. 3 AktG führe. Das Verlangen der Kläger stelle sich darüber hinaus als eine Leistung dar, die wegen Verstoßes gegen das Vermögensbindungsgebot des § 57 Abs. 1 AktG unzulässig sei.

Da den Klägern bereits ein Anspruch dem Grunde nach nicht zustehe, sei auch ihre mit der Berufung geltend gemachte weitergehende Forderung unbegründet. Unabhängig davon, so meint die Beklagte, habe das Landgericht zu Recht erkannt, dass der von den Klägern verfolgte weitergehende Schaden nicht festgestellt werden könne, da es an Schätzungsgrundlagen fehle.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte weiterhin den erstinstanzlichen Widerklageantrag weiter und wendet sich gegen die Auffassung des Landgerichts, dieser Antrag sei unzulässig. Hilfsweise für den Fall, dass die Ausübung der Option durch die Kläger bereits unwirksam gewesen sei, wovon die Beklagte ausgeht, und es deshalb einer Wandlung nicht bedurft hätte, begehrt sie entsprechende Feststellung.

Die Kläger beantragen,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil insoweit, als ihr Schadensersatzanspruch dem Grunde nach für berechtigt erklärt worden ist. Die von der Beklagten geltend gemachten Wirksamkeitsbedenken halten sie für unzutreffend. § 57 AktG sei schon deshalb nicht einschlägig, weil die Erfüllung der jetzt geltend gemachten Forderung bei zutreffender Bilanzierung einen Vermögensabfluss nicht zur Folge hätte. Ein Verstoß gegen das Kapitalaufbringungsgebot des § 56 Abs. 3 AktG komme nicht in Betracht, da von Anfang an eine latente Nachzahlungspflicht bestanden habe und diese in den Zeichnungsschein hätte aufgenommen werden können.

Selbst für den Fall, dass die im Vertrag vom 7. November 2000 vorgesehene Nachlieferung von Aktien aus den dargelegten aktienrechtlichen Erwägungen heraus unzulässig sein sollte, so meinen die Kläger, ändere dies nichts an ihrem Zahlungsanspruch jedenfalls in Höhe des vom Landgericht zuerkannten Betrages. In Ziffer III 5 c des Vertrages hätten die Parteien nämlich festgelegt, dass sie sich auf eine andere, rechtlich durchführbare Verfahrensweise einigen wollten, die die Kläger wirtschaftlich gleichstellten, wenn sich hinsichtlich der Ausgabe der als Gegenleistung geschuldeten Stückaktien rechtliche Probleme ergäben. Hätten die Kläger die jetzt aufgetretenen Probleme vorhergesehen, hätten sie uneingeschränkt auf Barzahlung bestanden, worauf sich die Beklagte nach Treu und Glauben hätte einlassen müssen.

B.

I. Berufung der Beklagten

Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache weitgehend Erfolg. Die Klage erweist sich als unbegründet, so dass sie in Abänderung des landgerichtlichen Urteils abzuweisen war. Die Widerklage ist zulässig und nach dem Hilfsantrag begründet.

1. Zur Klage

Der vom Landgericht zuerkannte Zahlungsanspruch wegen Verzugs mit der Lieferung weiterer Aktien steht den Klägern nicht zu, da sie nach Ziffer III 5 b des Vertrages vom 7. November 2000 keine zusätzlichen Aktien der Beklagten fordern konnten. Die Klageforderung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines zusätzlichen Kaufpreises für die Übertragung der ersten Geschäftsanteile von je 20.000,00 DM an der D berechtigt.

a)

Die Vereinbarung zur Ausgabe zusätzlicher Aktien der Beklagten in Ziffer III 5 b des Geschäftsanteilskauf- und übertragungsvertrages vom 7. November 2000 verstößt gegen mehrere aktienrechtliche Normen, wie im Folgenden zu begründen sein wird, und ist deshalb keine wirksame Grundlage für das ursprüngliche Verlangen der Kläger und die nunmehr darauf gestützte Schadensersatzforderung.

Der Senat kann offen lassen, ob sich die genannte Regelung als Ergänzung der Vereinbarung über die ursprünglich erbrachte Gegenleistung von je 50.000 Aktien im Sinne einer Kursgarantie darstellt, wie vom Landgericht angenommen wurde, oder ob darin vielmehr eine zusätzliche Gegenleistung für die nachträglich zu übertragenden Geschäftsanteile zu sehen ist, wofür der insoweit eindeutige Wortlaut spricht. Auch im letztgenannten Fall sollte die zusätzliche Gegenleistung dem Ausgleich des Wertverlustes für die früher erworbenen Aktien dienen. Die damit einhergehende Risikoübernahme durch die Beklagte sowie die Ausschüttung zu Lasten des Gesellschaftsvermögens, die zur Unwirksamkeit des Verlangens der Kläger führen, sind unabhängig davon zu beurteilen, in welche konkrete Form die entsprechende Vereinbarung gekleidet ist.

(1)

Die Kläger können aus der Vereinbarung in Ziffer III 5 b keine Rechte herleiten, weil die Verpflichtung der Beklagten zur Ausgabe zusätzlicher Aktien im Fall des Kursverlustes der ursprünglich ausgegebenen Aktien dazu führt, dass diese Aktien für Rechnung der Beklagten übernommen wurden, § 56 Abs. 3 S. 1 AktG. Liegt aber ein Fall des § 56 Abs. 3 AktG vor, kann der Zeichner, hier die Kläger, weder Rechte aus der Aktie noch aus den zugrunde liegenden Abreden geltend machen, solange er die Aktien nicht für eigene Rechnung übernommen hat (Hüffer, AktG, 7. Aufl. § 56 Rdn. 14).

Entgegen der Auffassung der Kläger ist der Tatbestand des § 56 Abs. 3 S. 1 AktG erfüllt. Der Erwerb "für Rechnung" der Gesellschaft erfolgt nach ganz herrschender Meinung, der sich der Senat anschließt, dann, wenn nach dem Inhalt des Rechtsverhältnisses zwischen Aktiengesellschaft und Zeichner die Gesellschaft das wirtschaftliche Risiko aus den Aktien trägt (Lutter in Kölner Kommentar, § 56 Rdn. 38; Henze in Großkommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl. § 56 Rdn. 53; Hüffer, a.a.O. § 56 Rdn. 12; Winter in Festschrift für Röhricht, S. 709, 713). Das wirtschaftliche Risiko aus den Aktien trägt die Gesellschaft auch dann, wenn sie für den Fall künftig fallender Kurse eine Nachschusspflicht eingegangen ist, also inhaltlich eine Wert- oder Kursgarantie übernommen hat (Hüffer, a.a.O.; Winter, a.a.O.). Auch in einer solchen Fallgestaltung wird dem Zeichner das mit dem Erwerb der Aktien verbundene wirtschaftliche Risiko, das sich in sinkenden Kursen verkörpert, von der Gesellschaft abgenommen. Eine solche Vereinbarung wird von § 56 Abs. 3 S. 1 AktG erfasst.

An der vorstehenden Beurteilung ändert sich auch nichts dadurch, dass die Beklagte sich nicht zu einem Wertausgleich in Geld verpflichtet hat, sondern die Parteien eine Zeichnung junger Aktien seitens der Kläger im Wege einer Sachkapitalerhöhung vereinbart haben. Auch durch die Verpflichtung, einen evtl. Kursverlust durch die Ausgabe eigener Aktien zu kompensieren, hat die Beklagte allein das Kursrisiko getragen. Sie war verpflichtet, eine Sachkapitalerhöhung vorzunehmen, obwohl eine Sacheinlage wirtschaftlich nicht mehr zur Verfügung stand, da die eigentliche Gegenleistung, nämlich die Geschäftsanteile an der D aus der Übertragung von November 2000, bereits mit der Ausgabe von 100.000 Aktien aus dem Jahre 2000 abgedeckt worden war.

Als unbegründet erweist sich auch der Einwand der Kläger, bei einem Wert der Geschäftsanteile, die mit Aktien "bezahlt" wurden, von 1,75 Mio. Euro habe die Beklagte im Jahre 2000 nur für 100.000,00 € Aktien ausgegeben, so dass noch "Luft" in Höhe von 1,65 Mio. Euro für Nachzahlungen vorhanden gewesen wäre. Es habe eine latente Nachschusspflicht der Beklagten bestanden, die im Zeichnungsschein für die ursprünglich ausgegebenen 100.000 Aktien hätte vereinbart werden können, ohne dass dann ein Fall des § 56 Abs. 3 AktG anzunehmen sei. Zwar ist den Klägern zuzugestehen, dass § 56 Abs. 3 AktG nicht berührt wird, wenn ein Fall der gemischten Sacheinlage vorliegt, wenn also dem Inferenten als Gegenleistung für eine Sacheinlage teils Aktien, teils eine Barleistung bis zum Wert der Sacheinlage gewährt wird (vgl. etwa Winter in Festschrift für Röhricht, S. 709, 721). Dies setzt aber zum einen voraus, dass die latente Leistungspflicht der Aktiengesellschaft im Erhöhungsbeschluss genannt und dem Registergericht gemeldet wird. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Darüber hinaus darf in der genannten Vorgehensweise kein Verstoß gegen den aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz liegen, der etwa in § 255 Abs. 2 AktG ausgeprägt ist. Danach ist die Kapitalerhöhung unter Ausschluss der bestehenden Aktionäre anfechtbar, wenn der Wert der Sacheinlage nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Wert der Aktien steht. Dieser Fall ist aber gegeben, wenn wie im Streitfall der Wert der GmbH-Geschäftsanteile (Sacheinlage) durch den (Kurs)Wert von 100.000 Aktien im Jahre 2000 vollständig abgedeckt worden ist, wovon die Parteien ausweislich ihrer Darlegungen im Vertrag vom 7. November 2000 (vgl. Ziffer II 5 b) ausgegangen sind. Dann aber läge in der zusätzlichen Verpflichtung, evtl. erhebliche Kursverluste in den nächsten Jahren auszugleichen, eine Zusatzleistung, die nicht angemessen wäre und einer gleichmäßigen Behandlung aller Aktionäre entgegengestanden hätte.

Rechtsfolge der dargestellten Situation ist, dass die Kläger als Inferenten aus dem zugrunde liegenden Vertragsverhältnis mit der Beklagten keine Rechte herleiten dürfen, solange sie die Aktien für Rechnung der Beklagten halten. Erst nach Aufhebung der in Rede stehenden Vereinbarung hielten die Kläger die Aktien für eigene Rechnung. Dann aber entfiele die Anspruchsgrundlage für ihre Forderung.

(2)

Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen ist die Vereinbarung in Ziffer III 5 b des Vertrages vom 7. November 2000, auf die sich die Kläger stützen, auch wegen Verstoßes gegen die Vermögensbindungsvorschrift des § 57 Abs. 1 AktG nichtig, § 134 BGB. Die Kläger als frühere Aktionäre verlangen eine Leistung der Aktiengesellschaft an sie, die unter § 57 Abs. 1 AktG fällt und damit unzulässig ist.

Zwar setzt § 57 Abs. 1 AktG seinem Wortlaut nach voraus, dass die Leistung an Aktionäre erfolgt, während die Kläger derzeit nach Veräußerung der ursprünglich erworbenen 100.000 Aktien keine weiteren Aktien der Beklagten mehr halten. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass Leistungen an Dritte gleichstehen, wenn diese wegen der früheren Aktionärseigenschaft des Empfängers erfolgen (Hüffer, § 57 Rdn. 14). Dieser Fall ist hier gegeben, da die Vereinbarung zur Ausgabe weiterer Aktien in untrennbarem Zusammenhang mit dem Erwerb von je 50.000 Aktien durch die Klägerin steht und damit wegen der dadurch begründeten Aktionärseigenschaft getroffen worden ist.

Das Verlangen der Kläger ist auch nicht deshalb zulässig, weil die zugrunde liegende Vereinbarung einem Drittvergleich standhielte und deshalb akzeptabel wäre, wie sie meinen. Ein Drittvergleich, der einen Verstoß gegen § 57 Abs. 1 AktG ausschließen könnte, kommt von vornherein nicht in Betracht, wenn das in Rede stehende Rechtsgeschäft nach seinem Inhalt überhaupt nur mit Aktionären abgewickelt werden kann. Dann ergibt sich bereits aus diesem Umstand, dass eine Leistung an den Vertragspartner nur mit Rücksicht auf dessen Aktionärseigenschaft erfolgt ist (Henze in Großkommentar zum Aktiengesetz, § 57 Rdn. 45). Wie vorstehend dargelegt, beruht die Vereinbarung über die Ausgabe zusätzlicher Aktien in Ziffer III 5 b des Vertrages vom 7. November 2000 auf der Aktionärseigenschaft der Kläger, so dass diese sich nicht darauf berufen können, die Vereinbarung hielte auch einem Drittvergleich stand. Allerdings wird gleichwohl angenommen, dass § 57 AktG seinem Schutzzweck nach nicht eingreift, wenn Leistungs- und Gegenleistungswert ersichtlich äquivalent sind (Henze, a.a.O. Fn. 113). Diese Äquivalenz liegt hier aber nicht vor. Die Beklagte hat im Jahre 2000 für eine Sacheinlage im Wert von 1,75 Mio. Euro Aktien im von den Parteien seinerzeit übereinstimmend angenommenen Kurswert von 1,75 Mio. Euro hingegeben. Die jetzt verlangte Leistung von weiteren Aktien im Kurswert von ca. 1,4 Mio. Euro führt zu einem Missverhältnis. Soweit die Kläger zu einer anderen Wertrelation gelangen, beruht dies wesentlich darauf, dass sie den Nennwert der im Jahre 2000 ausgegebenen Aktien von 100.000,00 € zugrunde legen. Das ist jedoch nicht gerechtfertigt, um zu einer sachgerechten Wertrelation zwischen Leistung und Gegenleistung zu gelangen.

(3.)

Geht man mit den Klägern davon aus, dass es sich bei der Vereinbarung in Ziffer III 5 b des Vertrages vom 7. November 2000 um eine die ursprüngliche Ausgabe von Aktien ergänzende Wertgarantie handelt, folgt die relative Unwirksamkeit auch aus § 205 Abs. 4 S. 1 AktG. In dem Fall wäre entgegen § 205 Abs. 2 S. 1 AktG die Zahl der zu gewährenden Aktien in dem Beschluss des Vorstandes der Beklagten über die Ausnutzung des genehmigten Kapitals vom 1. November 2000 nicht festgesetzt und nicht in den Zeichnungsschein aufgenommen worden. Der genannte Beschluss bezieht sich lediglich auf die Ausgabe von 100.000 Stück Aktien, ohne dass die evtl. künftige Ausgabe weiterer Aktien erwähnt wird. Letzteres war naturgemäß noch gar nicht möglich, da die Entscheidung darüber, ob und ggf. in welcher Höhe zusätzliche Aktien aus der Wertgarantie beansprucht werden konnten, zu jenem Zeitpunkt völlig offen war. Rechtsfolge eines solchen Verstoßes gegen § 205 Abs. 2 AktG ist die relative Unwirksamkeit der Verträge über die Sacheinlage sowie Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung (Hüffer, § 205 Rdn. 7).

b)

Der geltend gemachte Zahlungsanspruch lässt sich auch nicht auf Ziffer III 5 c des Vertrages stützen. In dieser Vereinbarung haben die Parteien festgelegt, dass sie sich für den Fall, dass sich hinsichtlich der Ausgabe von Aktien nach Ziffer III 5 a und b rechtliche Probleme ergeben, auf eine andere, rechtlich durchführbare Verfahrensweise einigen werden, die die Verkäufer wirtschaftlich gleichstellt. Die Kläger und ihnen folgend das Landgericht vertreten die Auffassung, dass bei rechtlichen Schwierigkeiten hinsichtlich der Ausgabe von Aktien die wirtschaftlich gleichwertige Lösung in der Zahlung von Geld in Höhe des Kurswertes der zum Stichtag geschuldeten Aktien zu seien sei. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

Die Zahlung von Geld anstelle der Ausgabe von Aktien beseitigt nicht die Wirksamkeitshindernisse aus §§ 56 Abs. 3, 57 Abs. 1 AktG. Auch dann bliebe es dabei, dass in der Sache ein Ausgleich für den Wertverlust der ursprünglich ausgegebenen Aktien gewährt würde, was sowohl zur Anwendbarkeit des § 56 Abs. 3 AktG als auch zur Nichtigkeit nach § 57 Abs. 1 AktG führt. Ziffer III 5 c ist Teil der zugrunde liegenden Abreden, aus denen die Kläger gerade keine Rechte herleiten können. Die Zahlung von Geld in Höhe des Kurswertes der zum Stichtag geschuldeten Aktien stellt somit keine rechtlich durchführbare Verfahrensweise dar.

c)

Ein Zahlungsanspruch in der vom Landgericht zuerkannten Höhe kann schließlich auch nicht aus einer ergänzenden Vertragsauslegung hergeleitet werden. Die Kläger haben zwar im Verhandlungstermin vor dem Senat die Auffassung vertreten, dass der Vertrag vom 7. November 2000 für den Fall, dass Ansprüche aus Ziffer III 5 b nicht hergeleitet werden könnten, eine Regelungslücke aufweise, die dadurch zu schließen sei, dass sie, die Kläger, so gestellt werden müssten, als hätten die Parteien für die Übertragung der Geschäftsanteile an der D in voller Höhe einen Barbetrag als Kaufpreis vereinbart. Hätten sie, die Kläger, seinerzeit erkannt, dass sie allein das bis zum Ablauf der 4jährigen Veräußerungssperre bestehende Kursrisiko zu tragen hätten, hätten sie auf Zahlung des Kaufpreises in Geld bestanden, anstatt die Regelung über eine teilweise Abgeltung durch Sacheinlage in eine Kapitalerhöhung zu akzeptieren. Darauf hätte sich die Beklagte nach Treu und Glauben einlassen müssen.

Das Rechtsinstitut der ergänzenden Vertragsauslegung führt entgegen der Auffassung der Kläger nicht zum Erfolg ihrer Klage. Die Umwandlung der im Jahre 2000 getroffenen Abreden zur Gegenleistung in einen reinen Barkaufpreis ist heute schon deshalb nicht möglich, weil damit die Zeichnung der insgesamt 100.000 Aktien durch die Kläger ignoriert würde. Eine Rückabwicklung der Ausgabe dieser Aktien ist nicht möglich. Insbesondere ist die Sacheinlagevereinbarung als solche nicht unwirksam (vgl. Winter in Festschrift für Röhricht, S. 709, 718 f.).

Unabhängig davon lassen sich die weiteren Voraussetzungen der ergänzenden Vertragsauslegung nicht feststellen. Selbst wenn man eine Regelungslücke unterstellt, kann der Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit die Feststellung treffen, dass die Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien in voller Höhe eine Barzahlung als Kaufpreis vereinbart hätten, wenn sie bedacht hätten, dass auf dem im Vertrag vorgegebenen Lösungsweg ein evtl. Kursverlust nicht wirksam ausgeglichen werden könnte. Bei der Frage nach der von den Parteien gewählten hypothetischen Regelung ist an den Vertrag selbst anzuknüpfen (Palandt-Heinrichs, 65. Aufl. § 157 Rdn. 7). Zwar ist nachvollziehbar, dass die Kläger bei Veräußerung auf eine auch nach Ablauf der Veräußerungssperre werthaltige Gegenleistung Wert legten. Andererseits ist dem Vertrag zu entnehmen, dass die Beklagte in besonderem Maße daran interessiert war, nur einen geringen Teil der für die Geschäftsanteile an der D zu erbringenden Gegenleistung in bar zu zahlen. Im Übrigen wollte sie die Gegenleistung durch Ausgabe eigener Aktien erbringen. Dass sie auf ein evtl. Verlangen der Kläger nach 100%iger Barzahlung eingegangen wäre oder nach Treu und Glauben hätte eingehen müssen, lässt sich nicht feststellen. Vielmehr gab es seinerzeit verschiedene Handlungsalternativen, die der Beklagten zur Verfügung standen. Dass sie überhaupt über Liquidität in Höhe des von den Parteien angenommenen Unternehmenswertes der D in Höhe von 6,1 Mio. DM verfügte oder liquide Mittel in dieser Höhe für den Unternehmenskauf einsetzen wollte oder konnte, kann nicht ohne weiteres angenommen werden. Das im Vertrag zum Ausdruck gekommene Streben nach einer möglichst geringen Barzahlung spricht dagegen. Möglicherweise hätte die Beklagte von der gesamten Transaktion Abstand genommen, wenn die Kläger auf vollständiger Barzahlung bestanden hätten.

2. Zur Widerklage

Die Widerklage ist nach dem Hilfsantrag zulässig und begründet.

a)

Die mit dem Hauptantrag auf Verurteilung der Kläger zur Einverständniserklärung mit der Wandlung gerichtete Widerklage ist zwar zulässig. Der Senat teilt insbesondere nicht die Bedenken des Landgerichts gegen das Rechtsschutzinteresse. Dieses folgt bereits daraus, dass die Parteien unterschiedliche Auffassungen darüber vertreten, ob und ggf. welche Rechtsfolgen sich aus der Wahrnehmung der Option gemäß Ziffer III des Vertrages vom 7. November 2000 durch die Kläger ergeben. Mit dem Antrag will die Beklagte erkennbar das rechtliche Schicksal des Vertrags zu Ziffer III betreffend die restlichen 20 % der Geschäftsanteile an der D klären. Dass insoweit Einvernehmen darüber herrscht, dass keine gegenseitigen Ansprüche zwischen den Parteien mehr bestehen, ist nicht ersichtlich.

Das Wandlungsbegehren der Beklagten ist jedoch unbegründet, da es bereits an einem wirksamen Vertrag fehlt, auf den sich die Wandlung bezieht. Wie sich aus den obigen Ausführungen zur Klage ergibt, stellt die Vereinbarung zur Gegenleistung jedenfalls zum Teil einen Verstoß gegen § 57 AktG dar, was zur Nichtigkeit der Regelung nach § 134 BGB führt.

b)

Die Widerklage ist aber nach dem hilfsweise gestellten Feststellungsantrag begründet.

Die Beklagte hat ein schutzwürdiges Interesse an der Klärung der Frage, ob die Kläger mit ihrer Erklärung vom 22. Dezember 2003 in wirksamer Weise die Option nach Ziffer III des Vertrages wahrgenommen haben. Diese Frage kann durch die begehrte Feststellung geklärt werden.

Das Feststellungsbegehren ist auch begründet, da ein wirksamer Vertrag in Bezug auf die restlichen Geschäftsanteile an der D durch Ausübung der Option seitens der Kläger nicht zustande gekommen ist. Zumindest ein Verstoß gegen § 57 bei der Bemessung der Gegenleistung führt zur Nichtigkeit nach § 134 BGB, wie bereits vorstehend ausgeführt wurde.

II. Berufung der Kläger

Die zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg.

Da der Zahlungsanspruch der Kläger bereits dem Grunde nach nicht begründet ist, wie den Ausführungen zur Berufung der Beklagten entnommen werden kann, fehlt es an der Grundlage für die mit der Berufung verfolgte Erhöhung der vom Landgericht zuerkannten Beträge.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.






OLG Hamm:
Urteil v. 24.01.2007
Az: 8 U 69/06


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