Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 11. Januar 2002
Aktenzeichen: 6 U 172/01
(OLG Köln: Urteil v. 11.01.2002, Az.: 6 U 172/01)
Tenor
Die Berufungen der Beklagten zu 2) gegen das Teilurteil vom 18.05.2001 sowie das Schluss- und Versäumnisurteil vom 29.06.2001 der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen - 42 O 120/00 - werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass I.der unter Ziff. 3 des vorbezeichneten Teilurteils formulierte Feststellungstenor die folgende Neufassung erhält: Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr durch die vorstehend unter Ziff. 1a) und b) bezeichneten Handlungen bzw. Behauptungen in der Zeit vom 1.10.2000 bis zum 31.01.2001 entstanden ist bzw. künftig noch entstehen wird;II.die jeweils unter Ziff. 5 des Teilurteils sowie unter Ziff. 1 des o.g. Schluss- und Versäumnisurteils enthaltenen erstinstanzlichen Kostenaussprüche wie folgt zusammengefasst und neu formuliert werden: Die Gerichtskosten I. Instanz werden dem Beklagten zu 1) auferlegt, davon zu 90 % als Gesamtschuldner gemeinsam mit der Beklagten zu 2). Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte zu 1), davon 90 % als Gesamtschuldner gemeinsam mit der Beklagten zu 2). Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) werden der Klägerin 10 % auferlegt, im übrigen trägt die Beklagte zu 2) ihre außergerichtlich Kosten selbst. Der Beklagte zu 1) hat seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahren werden der Klägerin mit 20 %, der Beklagten zu 2) mit 80 % auferlegt. Das Urteil ist vollstreckbar. Die mit diesem Urteil für die Beklagte zu 2) verbundene Beschwer wird auf 3.750,00 DM (1.900,00 EUR) festgesetzt.
Gründe
Die in formeller Hinsicht einwandfreien Berufungen der Beklagten zu 2) sind zulässig. Hinsichtlich des gegen das sachlich lediglich einen Kostenausspruch enthaltende Schluss- und Versäumnisurteil eingelegten Rechtsmittels gilt das ungeachtet der Bestimmung des § 99 Abs. 1 ZPO. Denn diese Berufung ficht die in dem Schluss- und Versäumnisurteil allein enthaltene Kostenentscheidung (nur) an, soweit sich diese auf das vorangegangene streitige Teilurteil bezieht. Bei dieser Sachlage hindert § 99 Abs. 1 ZPO nicht, mit dem Teilurteil auch allein die Kostenentscheidung des Schlussurteils anzufechten (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 22. Auflage, § 99 Rdn. 10 m.w.N.). In der Sache haben die Rechtsmittel der Beklagten zu 2), soweit über diese materiell noch eine Entscheidung zu treffen ist, jedoch keinen Erfolg.
Nachdem die Beklagte zu 2) ihre Berufung gegen das Teilurteil hinsichtlich der darin titulierten Unterlassungsverpflichtung (Ziffern 1 und 2 des erstinstanzlichen Tenors) zurückgenommen und die Klägerin den Auskunftsantrag, wie er unter Ziff. 3 des erwähnten Teilurteils tituliert ist, gegenüber der Beklagten zu 2) zurückgenommen hat, ist Gegenstand der hier zu beurteilenden Berufungen allein noch die in dem angefochtenen Teilurteil getroffene Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten zu 2) sowie ferner die in dem Schluss-Versäumnisurteil getroffene, die Beklagte zu 2) belastende Kostenentscheidung. Das gegen die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung gerichtete Rechtsmittel der Beklagten zu 2) ist indessen nicht erfolgreich. Denn in dem von der Klägerin nach teilweiser Rücknahme dieses Petitums geltend gemachten Umfang besteht eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten zu 2) aus den §§ 1, 3 UWG. Die aus der Urteilsformel ersichtlichen Neufassungen des erstinstanzlichen Teilurteils sowie des Schluss- und Versäumnisurteils tragen allein dem Umstand Rechnung, dass die Klägerin ihre Klage teilweise zurückgenommen hat.
Im einzelnen begründet sich das dargestellte Ergebnis wie folgt:
Nachdem die Beklagte zu 2) die Berufung gegen das Teilurteil zurückgenommen hat, soweit sie darin zur Unterlassung verurteilt worden ist, steht rechtskräftig fest, dass sie entsprechend dem erstinstanzlichen Unterlassungstenor nicht nur verpflichtet ist, selbst die Verbreitung der darin aufgeführten Behauptungen zu unterlassen. Auch wenn der landgerichtliche Unterlassungstenor das redaktionell nicht in dieser Form zum Ausdruck bringt, umfasst das Verbot vielmehr auch die Unterlassungsverpflichtung, die streitbefangenen Aussagen behaupten bzw. verbreiten zu lassen. Denn sowohl nach der Klagebegründung als auch nach den Entscheidungsgründen des Teilurteils beruht das begehrte bzw. sodann titulierte Verbot gerade auf dem Umstand, dass der Beklagte zu 1) die inkriminierten Aussagen gegenüber (potentiellen) Kunden aufgestellt hat, die Beklagte hierfür jedoch gemäß § 13 Abs. 4 UWG eine Haftung als Betriebsinhaberin trifft.
Erstreckt sich die gegen die Beklagte zu 2) rechtskräftig titulierte Unterlassungsverpflichtung aber (auch) auf durch den Beklagten zu 1) verbreitete
Aussagen des in dem Verbotstenor aufgeführten Inhalts, so ist die Beklagte zu 2) aus den §§ 1 und 3 UWG auch verpflichtet, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der dieser durch das Verbreiten dieser Aussagen durch den Beklagten zu 1) im noch geltend gemachten Zeitraum vom 01.10.2000 bis 31.01.2001 entstanden ist oder noch entstehen wird, und stellt sich das auf die Feststellung dieser Schadensersatzverpflichtung bezogene Klagepetitum als begründet dar.
Die Klage auf Feststellung eines Schadensersatzanspruchs setzt neben dem Bestehen der materiellen Anforderungen eines Ersatzanspruchs einen Schaden voraus. Dabei genügt die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts, die allerdings nicht hoch zu sein braucht und sich beispielsweise auch aus allgemeinen Erfahrungssätzen herleiten lässt (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Auflage, UWG Einl. Rdn. 500; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Auflage, 52. Kap. Rdn. 29 - jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Mit Recht hat das Landgericht die materiellen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus § 1 UWG angenommen, der unter dem Gesichtspunkt einer Rufausbeutung durch Täuschung über die betriebliche Herkunft des von der Beklagten zu 2) vertriebenen Produkts zu bejahen ist (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 UWG Rdn. 542, 544 a f m. w. N.). Erforderlich ist dabei, dass die Gütevorstellung durch die Vorstellung von der betrieblichen Herkunft eines Produkts ausgelöst wird. Das ist hier der Fall. Denn die mit den streitbefangenen Aussagen angesprochenen Adressaten bringen den ihnen unter A. bekannten Produkten eine Wertschätzung entgegen, die sich gerade mit der betrieblichen Herkunft "von A." verbindet. Die Täuschung über die betriebliche Herkunft wird weiter auch als Mittel der Rufausbeutung eingesetzt. Die mittels der Aussagen suggerierte betriebliche Herkunft der Reiniger aus dem Unternehmen der Klägerin oder einer mit ihr verbundenen Betriebsstätte löst die Erwartung aus und soll diese auch auslösen, eine Ware gleicher Güte erhalten zu können. Da es dem Beklagten zu 1) auch ohne weiteres zumutbar und abzuverlangen ist, die tatsächliche betriebliche Herkunft der Reiniger offenzulegen, liegen insgesamt die Voraussetzungen einer wettbewerblich unzulässigen Rufausbeutung vor. Darüber hinaus sind aber auch die materiellen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus § 3 UWG unter dem Aspekt der Irreführung über die betriebliche Herkunft zu bejahen (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O, § 3 UWG Rdn. 261 ff). In der nach der rechtskräftig gewordenen Unterlassungsverpflichtung verbotenen Verwendung des Begriffs A. liegt eine qualifizierte betriebliche Herkunftsangabe, weil der Verkehr damit die Vorstellung verbindet, die solcherart bezeichneten Reiniger ("ein neues Produkt aus der Palette der Klägerin" = "A.-Reiniger") kämen aus dem Betrieb der Klägerin, dessen Produkte die Verbraucher wegen deren Güte/Vertrauenswürdigkeit schätzen. Die Verwendung einer qualifizierten Herkunftsangabe ist aber i. S. von § 3 UWG irreführend, wenn die damit bezeichnete Ware nicht aus dem Betrieb stammt, der nach der Verkehrsauffassung für ihre Wertschätzung maßgebend ist (vgl. B/H a.a.O., § 3 UWG Rdn. 264/265 m. w. N.).
Dass bei alledem das für die vorbezeichneten wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen erforderliche Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien besteht, hat das Landgericht ebenfalls zu Recht bejaht. Auch wenn von Hause aus ein solches Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien nicht existiert, so wurde dieses jedoch ad hoc durch die streitbefangenen, von der rechtskräftigen Unterlassungsverpflichtung erfassten Aussagen begründet. Denn die beiden Aussagen, mit denen unter Nennung der Bezeichnung A. der Klägerin bei den Adressaten der objektiv unzutreffende Eindruck erweckt wird, der beworbene Reiniger stamme aus dieser oder jedenfalls einer mit ihr in Verbindung stehenden Herkunftsstätte, setzen diese Herkunftstäuschung gerade als Mittel der Rufausbeutung ein. Der durch den Beklagten zu 1) vorgestellte Reiniger segelt hinsichtlich seiner betrieblichen Herkunft unter fremder Flagge, um an die Wertschätzung der den umworbenen Gesprächspartnern bereits unter der Bezeichnung A. bekannten Produkte anzuknüpfen bzw. von der Vorstellung zu profitieren, ein Erzeugnis gleicher oder zumindest vergleichbarer Güte zu erhalten. Der damit gegebene Rufausbeutungstatbestand begründet ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Auflage, UWG Einl. Rdn. 228/229 b m. w. N.). Unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Ausnutzung fremden Rufs und Ansehens hat der BGH ein konkretes Wettbewerbsverhältnis für die Fälle bejaht, in denen der Handelnde sich zur Empfehlung der eigenen Ware an die Bekanntheit einer wegen ihrer anerkannten Qualität oder Exklusivität besonders geschätzten fremden Ware anhängt und dies für den Absatz seiner nicht konkurrierenden Ware ausnutzt (vgl. GRUR 1988, 453/454 -"Ein Champagner unter den Mineralwässern"-; ders. GRUR 1985, 550/552 -"DIMPLE"-). Das setzt voraus, dass der fremden Kennzeichnung und/oder Ware ein so bedeutender Ruf zukommt, dass der Berechtigte diesen selber auch außerhalb seines eigenen Warenbereichs wirtschaftlich nutzen könnte. So liegt der Fall entgegen dem prozessualen Standpunkt der Beklagten hier. Nach den Bekundungen des Zeugen H.-G. Z. sowie des weiter vernommenen Zeugen W.J. wurde dem von dem Beklagten zu 1) vorgestellten Reiniger/Staubsauger gerade vor dem Hintergrund der langjährigen und guten Erfahrungen mit den A.-Produkten Interesse entgegengebracht. Das spricht dafür, dass den unter A. vertriebenen Produkten ein solch bedeutender Ruf anhaftet, dass dieser von der Klägerin auch für andere Warenbereiche - konkret auch für die hier in Frage stehenden Haushaltsgeräte - wirtschaftlich - z.B. durch Lizensierung der Bezeichnung A. - genutzt werden könnte. Das liegt gerade auch mit Blick auf die Art der in Frage stehenden Waren nahe. Denn die unter A. vertriebenen Waren der Klägerin, nämlich Kochgeschirre (Töpfe/Pfannen u.ä.) sowie Küchen decken einen nahe bei den Haushaltsgeräten bzw. den Reinigern der Beklagten liegenden Bereich ab. Jedenfalls aus der Sicht eines erheblichen Teils des angesprochenen Verkehrs liegt es dabei auch nicht fern, dass die Klägerin, die ihr unter A. vertriebenes Sortiment von Kochgeschirr auf Küchen bereits erweitert hat, nunmehr unter der Bezeichnung auch die vom Beklagten als A.-Geräte angedienten Reiniger anbietet bzw. die Bezeichnung nunmehr auch hierfür nutzt oder nutzen lässt.
Die Beklagte zu 2) trifft dabei weiter auch das erforderliche Verschulden. Denn mit Blick auf den als solchen unstreitigen Umstand, dass die Beklagte zu 2) die Besuche ihrer Handelsvertreter telefonisch ankündigt, sowie darauf, dass der Beklagte zu 1) im hier betroffenen Zeitraum vom 01.10.2000 bis 31.01.2001 unstreitig auch (wieder) als ihr Handelsvertreter tätig war, hätte sie zumindest vorhersehen und damit rechnen müssen, dass dieser die hier fraglichen Aussagen im Rahmen der Kundengespräche machen werde. Dafür spricht maßgeblich der Umstand, dass bereits im Rahmen der telefonischen Ankündigung der Vertreterbesuche Bezug auf die Produkte der Klägerin genommen bzw. ein solcher Bezug suggeriert wird. Letzteres geht aus den in dem Verfahren bei dem LG Würzburg festgehaltenen Bekundungen der Zeugin B. C. hervor. Diese hat dort ausgesagt, dass eine Anweisung bzw. ein Leitfaden der Beklagten zum Telefonierverhalten ihrer Mitarbeiter existiere, dass sie danach vorgehe und die Kunden eingangs frage, ob sie vor einigen Jahren Edelstahltöpfe über Handelsvertreter gekauft hätten. Dies führt bei Altkunden der Klägerin, die deren Töpfe erworben haben, auch ohne ausdrücklichen Hinweis auf deren Firma zu der Annahme, sie wurden im Auftrag der Klägerin angerufen. Nach den auf diese Weise telefonisch angekündigten Vertreterbesuchen musste die Beklagte zu 2) aber ohne weiteres damit rechnen, dass ihre Vertreter den dadurch suggerierten Eindruck nicht nur aufrechterhalten, sondern durch Äußerungen der streitbefangene Art perpetuieren würden, und hatte sie unzweifelhaft die Möglichkeit, die wettbewerbswidrige Handlung des Beklagten zu 1) zu unterbinden.
Bei alledem ist schließlich auch die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts zu bejahen. Denn es besteht nicht nur die Möglichkeit, dass sich aus der Auskunft des mit Teilversäumnisurteil vom 12.01.2001 (Bl. 99 ff d.A.) rechtskräftig zur Auskunftserteilung verpflichteten Beklagten zu 1) ergibt, dass er die streitbefangenen Aussagen im Zeitraum von 01.10.2000 bis 31.01.2001, also während einer Zeitspanne verbreitet hat, in der er als Handelsvertreter der Beklagten zu 2) tätig war. Der Klägerin kann nach der Lebenserfahrung hieraus auch ein Schaden jedenfalls in der Form entstehen, dass sie sich zur Beseitigung der dadurch entstandenen Marktverwirrung an die betroffenen Adressaten wenden und sich dabei ggf. anwaltlicher Hilfe bedienen muss.
Die Kostenfolge ergibt sich aus den §§ 92 Abs. 1 ZPO i.V. mit §§ 269 Abs. 3, 515 Abs. 3 ZPO.
Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Streitwert: - bis zum 11.12.2001 30.000,00 DM;
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- danach bis zur Rücknahme des Auskunftsantrags am 14.12.2001
10.000,00 DM;
- danach bis zur Eingrenzung des Feststellungsantrags 7.500,00 DM;
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- anschließend: 3.750,00 DM.
OLG Köln:
Urteil v. 11.01.2002
Az: 6 U 172/01
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