Oberlandesgericht Karlsruhe:
Beschluss vom 14. März 2006
Aktenzeichen: 2 AR 73/05
(OLG Karlsruhe: Beschluss v. 14.03.2006, Az.: 2 AR 73/05)
Tenor
Der Antrag des dem Angeklagten zum Verteidiger bestellten Rechtsanwalts C. W. in H. auf Bewilligung einer Pauschgebühr wird als unbegründet zurückgewiesen.
Gründe
Der im Verfahren 6 Ls 27598/04 am 14.12.2004 und in dem später hinzu verbundenen Verfahren 6 Ls 21170/04 am 05.01.2005 zum Pflichtverteidiger bestellte Rechtsanwalt, dem gesetzliche Gebühren von insgesamt 1188.- Euro zustehen, begehrt mit seinem Antrag vom 23.05.2005 vor allem im Hinblick auf den Umfang der durchzuarbeitenden Akten die Bewilligung einer ins Ermessen des Senats gestellten Pauschgebühr.
Der Antrag ist unbegründet.
Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ist auf Antrag eine Pauschvergütung für das gesamte Verfahren oder von Teilen davon zu gewähren, die über die Gebühren nach dem Gebührenverzeichnis hinausgeht, wenn diese wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit nicht zumutbar sind. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 51 Abs. 4 in Verbindung mit § 48 Abs. 5 RVG kann eine Vergütung auch für Tätigkeiten beantragt werden, die der Rechtsanwalt vor seiner Bestellung erbracht hat.
Die Pauschvergütung soll nach dem Willen des Gesetzgebers, der die Rechtsanwaltsvergütung insbesondere für den Bereich der Pflichtverteidigung erheblich verbessert hat, Ausnahmecharakter haben (BTDrucks. 15/1971, S.201, 202; Burhoff, RVG, § 51, Rdn. 1, 10). § 51 RVG knüpft daher nicht - wie noch § 99 BRAGO - allein daran an, ob die Strafsache besonders umfangreich oder schwierig ist. Hinzutreten muss vielmehr weiterhin, dass die gesetzlich bestimmten - und im Vergleich zur bisherigen Rechtslage erheblich angehobenen - Gebühren als unzumutbar erscheinen.
Für die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des besonderen Umfangs und der besonderen Schwierigkeit kann auf die bisher zu § 99 BRAGO ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist dies nicht schon dann der Fall, wenn die Angelegenheit überhaupt von einer durchschnittlichen Sache abweicht. Vielmehr muss es sich um ein Verfahren handeln, das nach Umfang oder Schwierigkeit erheblich über dem Durchschnitt der bei einem Gericht gleicher Ordnung anfallenden Sachen liegt und dem Verteidiger einen über das Maß normaler Inanspruchnahme erheblich hinausgehenden Zeit- und Arbeitsaufwand abverlangt hat (vgl. Senat, Justiz 1997, 482 ).
Bei der Beurteilung der Frage, ob ein erheblich über dem Durchschnitt liegender Umfang der Sache und ein erheblich überdurchschnittlicher Zeit- und Arbeitsaufwand des Verteidigers vorliegen, sind nunmehr die neu eingeführten Gebührentatbestände zu berücksichtigen. So sind für die - nach der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte bisher für die Angemessenheit einer Pauschgebühr herangezogene - Teilnahme an Vernehmungen im Ermittlungsverfahren (Nr. 4103 VV), die Teilnahme am Haftprüfungstermin (Nr. 4102 VV) oder die Teilnahme an Hauptverhandlungsterminen mit mehr als 5 bzw. 8 Stunden Dauer (Nr. 4128 VV) neue Gebührentatbestände geschaffen worden. Diese Tätigkeiten können deshalb nur noch in Ausnahmefällen zur Begründung einer Pauschgebühr herangezogen werden (siehe auch Beschluss des OLG Celle vom 11.02.2005 - 1 ARs 293/04 P, veröffentlicht in juris).
Gemessen an diesen Maßstäben sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr nicht gegeben. Dem Umstand, dass ursprünglich zwei Verfahren gegen den Verurteilten geführt wurden, ist dadurch Rechnung getragen, dass dem Verteidiger zwei Grundgebühren mit Zuschlag gemäß Nr. 4101 RVG und zwei Verfahrensgebühren mit Zuschlag gemäß Nr. 4107 RVG zustehen. Seine Teilnahme am Vernehmungstermin vom 14.12.2004 hat eine Terminsgebühr mit Zuschlag gemäß Nr. 4103 RVG ausgelöst, und die fünf Stunden übersteigende Dauer der Hauptverhandlung ist durch die Zusatzgebühr der Nr. 4110 RVG abgegolten. Ein erheblich überdurchschnittlicher Umfang der Sache, der das Entgelt des Verteidigers als unzumutbar erscheinen ließe, kann bei zusammenfassender Bewertung des Verfahrens nicht festgestellt werden. Auch der Aktenumfang mit ca. 700 Seiten fällt nicht aus dem Rahmen.
OLG Karlsruhe:
Beschluss v. 14.03.2006
Az: 2 AR 73/05
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