Brandenburgisches Oberlandesgericht:
Urteil vom 30. Januar 2007
Aktenzeichen: 6 U 48/06
(Brandenburgisches OLG: Urteil v. 30.01.2007, Az.: 6 U 48/06)
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 5.4.2006 verkündeteUrteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Neuruppin€ 6 O 100/04 € wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 5.4.2006 verkündeteUrteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Neuruppin€ 6 O 100/04 € teilweise abgeändert und die Klageinsgesamt abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beidenInstanzen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Es wird zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat Beweis erhoben und mit am 5.4.2006 verkündetem Urteil der Klage im Umfang von 5.001,00 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, es stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin am 19.7.2004 in einem von einer Schwestergesellschaft der Beklagten betriebenen Baumarkt einen Sack Sanierputz und zwei Säcke Schamotte erworben habe, wobei die Verpackungen dieser Baustoffe durch Namen und EAN-Nummern auf die Klägerin hinwiesen. Der Sanierputz stamme aus der Produktion der Beklagten, die beiden Säcke Schamotte dagegen nicht. Deshalb sei die auf Zahlung einer Vertragsstrafe gerichtete Klage hinsichtlich der beiden Säcke Schamotte abzuweisen. Die Beklagte müsse dagegen die Vertragsstrafe wegen des Sanierputzes zahlen. Indem die Beklagte es unterlassen habe, Altbestände vom Markt zu nehmen, habe sie gegen die Unterlassungsverpflichtung verstoßen. Der Vergleich habe sie auch dazu verpflichtet, Altbestände zurückzurufen.
Gegen dieses Urteil richten sich die wechselseitigen Berufungen beider Parteien.
Die Klägerin hat, nachdem ihr das Urteil am 4.5.2006 zugestellt worden ist, durch bei Gericht am 1.6.2006 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese durch am 1.8.2006 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf ihren am 30.6.2006 eingegangenen Antrag bis zu diesem Tag verlängert worden war. Die Beklagte hat, nachdem ihr das landgerichtliche Urteil am 5.5.2006 zugestellt worden ist, durch bei Gericht am 6.6.2006, dem Dienstag nach Pfingsten, Berufung eingelegt und sie durch am 30.6.2006 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Klägerin meint, es sei bewiesen, dass auch die beiden Säcke Schamotte aus der Produktion der Beklagten stammten. Die Beklagte habe deshalb die Vertragsstrafe drei Mal verwirkt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Neuruppin - 6 O 100/04 - teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 10.002,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.8.2006 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das landgerichtliche Urteil für richtig, soweit die Klage abgewiesen worden ist.
Die Beklagte meint, der Klägerin sei der Beweis nicht gelungen, dass der Sanierputz aus der Produktion der Beklagten stamme. Jedenfalls liege kein eine Vertragsstrafe auslösender Verstoß der Beklagten gegen ihre Verpflichtungen aus dem Vergleich vor. Eine Rückrufverpflichtung habe sie nicht getroffen. Im Übrigen erfasse die Abgeltungsklausel in dem Vergleich die ihr von der Klägerin vorgeworfenen Verhaltensweisen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 5.4.2006 - 6 O 100/04 - teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und ihre Anlagen Bezug genommen.
Die Berufungen beider Parteien sind gemäß den §§ 517, 520 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg, auf die Berufung der Beklagten war das angefochtene landgerichtliche Urteil abzuändern. Die Klage ist insgesamt unbegründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus dem gerichtlichen Vergleich der Parteien vor dem Landgericht Rostock vom 20.4.2004 kein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe zu.
1.) Zwar ist nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweiserhebung davon auszugehen, dass die Beklagte die EAN-Nummern der Klägerin verwendet hat.
Es ist bewiesen, dass die streitgegenständliche Ware am 19.7.2004 in einem Schwesterunternehmen der Beklagten gekauft worden ist. Die Annahme des Landgerichts, dass aufgrund der Aussage des Zeugen H. bewiesen sei, dass die Ware am 19.7.2004 in K. gekauft wurde und die EAN-Nummer der Kläger auf der Verpackung stand, hat die Beklagte nicht angegriffen.
Die bei diesem Testkauf erworbene Ware stammt nicht aus der Produktion der Klägerin. Dies ist durch das vom Landgericht eingeholte Sachverständigengutachten bewiesen. So hat der Gutachter festgestellt, dass sich der Sanierputz der Klägerin deutlich von dem Sanierputz unterscheidet, den der Zeuge H. am 19.7.2004 im Baumarkt in einer auf die Klägerin hinweisenden Verpackung erworben hat. Dasselbe gilt auch für die Schamotte. Der Gutachter hat festgestellt, dass es keine Übereinstimmung zwischen der von der Klägerin hergestellten Schamotte und derjenigen Schamotte gibt, die am 19.7.2004 im Baumarkt in einer Verpackung der Klägerin gekauft wurde.
Dass irgendjemand anderes als die Beklagte die Verpackungen mit den EAN-Nummern der Klägerin mit fremden Produkten gefüllt haben könnte, hat die Beklagte nicht behauptet. Sie hat selbst vorgetragen, dass ihr Verpackungen der Klägerin zur Verfügung stehen und sie diese auch zum Verkauf verwendet hat.
Grundsätzlich wäre damit der Anspruch aus Nr. 1 und 2 des Vertragsstrafenversprechens gegeben. Denn hierfür ist es nicht erforderlich, dass die Beklagte eigene Produkte in Verpackungen der Klägerin einfüllt. Es reicht für einen Vertragsstrafenanspruch aus, dass die Beklagte die EAN-Nummern der Klägerin für den Verkauf fremder Produkte, d. h. zum Verkauf von Produkten, die nicht von der Klägerin stammen, verwendet.
2.) Die Beklagte schuldet jedoch deshalb keine Vertragsstrafe, weil die Befüllung dieser Verpackungen mit Produkten, die nicht von der Klägerin stammen, mit der Vereinbarung des Vertragsstrafenversprechens nach dessen Ziffer 5.) abgegolten ist.
Die Beklagte hat bewiesen, dass es sich um einen Altverstoß handelt, der der Abgeltungsklausel unterfällt. Nach der Aussage des Zeugen Ho. ist davon auszugehen, dass die Beklagte nach Vergleichsabschluss am 20.4.2004 durch betriebsinterne Kontrollen sichergestellt hat, dass Säcke mit den EAN-Nummern der Klägern nicht ohne Überklebung ausgeliefert worden sind. Diese Aussage ist glaubhaft. Der Zeuge hat nachvollziehbar geschildert, dass die Vertragsstrafe für die Beklagte existenzbedrohend war und dass sie damit rechnete, dass die Klägerin Kontrollen durchführen würde.
Davon, dass die fremde Ware vor dem 20.4.2004 in die Verpackungen der Klägerin gelangt ist, gehen im Übrigen beide Parteien aus, weil sie ausschließlich über die Frage streiten, ob der gerichtliche Vergleich mit dem Vertragsstrafenversprechen auch eine Rückholverpflichtung der Beklagten für bereits ausgelieferte Ware beinhaltet oder nicht.
3.) Die Beklagte schuldet auch nicht deshalb die Vertragsstrafe, weil sie von ihr bereits ausgelieferte, falsch deklarierte Ware nicht zurückgerufen hat. Eine entsprechende strafbewehrte Verpflichtung der Beklagten haben die Parteien in dem gerichtlichen Vergleich vom 20.4.2004 nicht vereinbart.
a.) Eine ausdrückliche Verpflichtung der Beklagten zum Rückruf falsch gekennzeichneter Ware fehlt.
Die Beklagte hat sich in dem Vergleich lediglich zur Unterlassung verpflichtet. Der Unterlassungsanspruch zielt auf die Abwehr künftigen rechtswidrigen Handelns. Zwar erschöpft sich die Unterlassungsverpflichtung nicht im bloßen Nichtstun. Er richtet sich insbesondere auch gegen die Vermeidung einer bevorstehenden Verletzungshandlung.
Eine Rückrufverpflichtung stellt in seiner Zielsetzung demgegenüber etwas anderes dar. Eine Verpflichtung, bereits ausgelieferte Ware zurückzurufen, ist der Sache nach ein Beseitigungsanspruch. Der Beseitigungsanspruch ist auf die Abwehr einer bereits eingetretenen, aber fortwirkenden Beeinträchtigung gerichtet. Eine solche Beseitigungsverpflichtung haben die Parteien nicht ausdrücklich miteinander vereinbart. Dies wäre jedoch für einen Vertragsstrafenanspruch erforderlich gewesen. Denn der wettbewerbsrechtliche Beseitigungsanspruch ist nur gegeben, wenn der Schuldner auch in der Lage ist, den wettbewerbswidrigen Zustand zu beseitigen. Dies scheidet regelmäßig aus, wenn wie hier der Schuldner die vertriebenen Gegenstände nicht mehr in seinem Besitz hat und sie sich auch außerhalb seiner tatsächlichen und rechtlichen Reichweite befinden. Eine Rückrufaktion hätte die Beklagte nur mit Erfolg durchführen können, wenn die Ware sich noch in ihrem Einflussbereich befunden hätte, etwa bei einem Kommissionär oder Franchisenehmer. Dass der Baumarkt in K. zu diesem Personenkreis zählt, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Hatte die Beklagte also keine rechtliche Handhabe, bereits ausgelieferte Ware zurückzurufen, wäre ein wettbewerbsrechtlicher Beseitigungsanspruch mit diesem Ziel gerichtlich nicht durchzusetzen gewesen. Wenn nun die Klägerin geltend macht, die Parteien hätten sich dennoch auf eine möglicherweise mit einigen Kosten verbundene und nicht mit Sicherheit erfolgreiche Rückrufaktion geeinigt, hätte dies aus dem Wortlaut des Vergleichs unzweifelhaft hervorgehen müssen. Dies ist nicht der Fall.
b.) Auch aus Ziffer 3. des Vergleichs kann keine entsprechende Verpflichtung hergeleitet werden. Danach war die Beklagte zwar verpflichtet, ihre Kunden darüber zu informieren, dass sie keine Produkte der Klägerin vertreibt. Dem Wortlaut dieser Vertragspassage lässt sich eine Rückrufverpflichtung jedoch gerade nicht entnehmen.
c.) Aus der vereinbarten Verpflichtung, es zu unterlassen, Ware veräußern zu lassen, kann ebenfalls nicht hergeleitet werden, dass die Beklagte vor der Abgabe des Vertragsstrafenversprechens ausgelieferte Ware zurückrufen muss.
Diese Vertragspassage untersagt es der Beklagten lediglich, über solche Personen die verbotene Handlung vornehmen zu lassen, für die sie nach allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Grundsätzen einzustehen hat. Das sind ihre gesetzlichen Vertreter und ihre Führungskräfte. In weitergehendem Umfang als nach dem Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 UWG kommt im Rahmen eines Vertragsstrafenversprechen auch eine Haftung für Verrichtungs- und Erfüllungsgehilfen gemäß den §§ 278, 831 BGB in Betracht. Zu dieser Gruppe von Personen gehört der Baumarkt in K. jedoch nicht, bei dem die streitgegenständliche Ware gekauft worden ist. Dabei handelt es sich um eine nicht weisungsgebundene Schwestergesellschaft, für deren Verhalten die Beklagte nicht haftet.
3.) Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, § 543 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Brandenburgisches OLG:
Urteil v. 30.01.2007
Az: 6 U 48/06
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