Oberlandesgericht München:
Urteil vom 30. Juli 2009
Aktenzeichen: 6 U 3008/08

(OLG München: Urteil v. 30.07.2009, Az.: 6 U 3008/08)

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 6.3.2008 (Az.: 4 HK O 20393/07) abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Das Landgericht hat den Beklagten in seiner Funktion als Admin-C verurteilt, die für eine Abmahnung wegen zweier die Klagemarke O verletzender Domains angefallenen rechts- und patentanwaltlichen Kosten in Höhe von 2.959,80 Euro zu tragen, da er als Störer verantwortlich sei. Gegen das am 24.04.2008 zugestellte Urteil hat er am 28.04.2008 Berufung eingelegt, die er binnen verlängerter Frist am 24.07.2008 begründet hat. Er verfolgt seinen Klageabweisungsantrag vollumfänglich weiter, wobei er die Kennzeichenverletzung als solche nicht in Abrede stellt.

Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird mit folgenden Änderungen und Ergänzungen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO):

Der Beklagte hatte sich im Frühjahr 2006 bereit erklärt, für Mandanten seines nunmehrigen Prozessbevollmächtigten, allesamt im Ausland ansässige Firmen, als Admin-C zu fungieren. Direkter Kontakt zu diesen Firmen bestand nicht, er war ihnen nicht geschäftlich verbunden, insbesondere war er nicht Gesellschafter oder Organ. Die Tätigkeit des Beklagten bestand neben seiner Bereitschaft, als Admin-C zur Verfügung zu stehen, darin, die für diese Firmen eingehende Post an seinen Prozessbevollmächtigten weiterzuleiten. Für seine Tätigkeit erhielt er eine monatliche Unkostenvergütung von 65,€ Euro. Die vorgenannten Firmen registrieren Domains in einem vollautomatisierten Verfahren ohne menschliches Zutun, indem die Registrierungsaufträge automatisiert über deren Hoster an die Denic weitergeleitet werden. Der Beklagte war an diesem Prozess weder beteiligt noch in ihn eingebunden.

Die Klägerin nimmt die rechtliche Überwachung und Verwaltung von Domains nicht selbst wahr, sondern hat dies der Patent- und Rechtsanwaltskanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten überlassen. Die Tätigkeit umfasst die Überwachung bezüglich neuer rechtsverletzender Domains, die Information der Klägerin und die Durchführung entsprechender Schritte.

Der Beklagte behauptet, er habe weder vor noch nach einer erfolgten Domainreservierung eine Nachricht darüber erhalten, dass eine Registrierung erfolgt bzw. für welche Domain er als Admin-C eingetragen war.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass das Landgericht zu Unrecht aus Ziffer VIII der Domainbedingungen, zitiert auf Seite 5 der Berufungsbegründung, seine Verantwortlichkeit als Störer hergeleitet habe. Aus der Bevollmächtigtenstellung als Admin-C folge keine Haftung. Das Landgericht habe zum einen bereits die Art und Weise der Bevollmächtigung übergangen und zudem das aus den Denic-Bestimmungen folgende Fazit verkannt:

Die Vollmacht werde nach § 167 Abs. 1 2. Alternative BGB vom Domaininhaber durch Benennung einer Person gegenüber der Denic erteilt. Als einseitiges Rechtsgeschäft sei sie weder von der Annahme durch den Bevollmächtigten noch von dessen Zustimmung abhängig. Die Bereitschaft, als Admin-C zur Verfügung zu stehen, sei daher keine für die Störung adäquat-kausale Handlung, sondern ein rechtliches Nullum. Der Admin-C könne die einseitig erteilte Vollmacht analog § 333 BGB zurückweisen oder auf sie verzichten. Unerheblich sei auch die Kenntnis des Bevollmächtigten von der Vollmachtserteilung. Schon in Ermangelung dieser Kenntnis könnten den Bevollmächtigten keine Prüfungs- oder Handlungspflichten treffen. Solche Pflichten folgten auch nicht aus der Erklärung des Beklagten, grundsätzlich dazu bereit zu sein, sich nach Maßgabe der Denic-Bestimmungen bevollmächtigen zu lassen. Denn dadurch könne weder die Zustimmung noch die Kenntnis im Einzelfall ersetzt werden. Wegen des Erfordernisses, für jede einzelne Domain einen Admin-C zu benennen, sei die jeweilige Einzelvollmacht akzessorisch mit der Domain verbunden. Eine Erkundigungspflicht bestehe schon deshalb nicht, weil der Domaininhaber jede natürliche Person wirksam als seinen Bevollmächtigten benennen könne, ohne diese vorab um Zustimmung bitten oder in Kenntnis setzen zu müssen.

Ferner habe das Erstgericht das von den Denic-Bestimmungen selbst gezogene Fazit verkannt, wonach der Admin-C "den Ansprechpartner Denics darstellt". Damit sei er allein im Innenverhältnis zu Denic bevollmächtigt. Die Rolle als Zustellungsbevollmächtigter im Fall eines Domaininhabers mit Sitz im Ausland begründe ebenfalls keine Prüfungs- oder Handlungspflichten, da die Zustellungsvollmacht nur eine Vollmacht zum Empfang, nicht auch zum Handeln sei.

Die Nichtigkeit der Bevollmächtigung, die sich insbesondere aus §§ 134, 138 BGB ergeben könne, habe das Landgericht nicht geprüft. Die §§ 14 Abs. 2 ff., 15 Abs. 2 ff. MarkenG seien gesetzliche Verbote im Sinne des § 134 BGB. Insoweit sei die Bevollmächtigung bereits nichtig, weil mit der Vollmacht, über kennzeichenverletzende Domains verfügen oder alle eine fremde kennzeichenverletzende Domain betreffenden Angelegenheiten entscheiden zu können, bereits gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen worden sei. Der Beklagte dürfe sich auf die Nichtigkeit der Vollmacht berufen, ohne dem Vorwurf der Treuwidrigkeit ausgesetzt zu sein, denn das Vertrauen auf die Wirksamkeit einer verbotsgesetzwidrigen Vereinbarung verdiene generell keinen Schutz.

Bejahe man dennoch Prüfungs- oder Handlungspflichten im Sinne der Störerhaftung, könnten sie frühestens ab Kenntnis der Bevollmächtigung und der Störung eingreifen.

Eine Haftung des Beklagten lasse sich auch nicht aus wettbewerbsrechtlichen Erwägungen ableiten. Der BGH habe zwar in der Entscheidung "Jugendgefährdende Medien bei eBay" die Bereitstellung der Plattform für Internetauktionen als Wettbewerbshandlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG angesehen. In der vorliegenden Fallkonstellation fehle es jedoch bereits an einer eigenen Handlung des Beklagten, die in einer ihm zurechenbaren Weise die Gefahr von Wettbewerbs- oder Rechtsverstößen eröffne. Denn die Bevollmächtigung gehe in jedem Einzelfall vom Domaininhaber aus. Die grundsätzliche Bereitschaft des Beklagten, als Admin-C zu fungieren, führe zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung, denn sie sei nicht erforderlich und stelle keine Besserstellung des Domaininhabers oder eine Erleichterung der später erfolgten Rechtsverletzung dar, weil der Domaininhaber jedermann ohne dessen Kenntnis oder Zustimmung hätte bevollmächtigen können. Wenn man in der Bereitschaft des Beklagten, als Admin-C zur Verfügung zu stehen, eine vertragliche Abrede sehen wolle, sei seine Erklärung dahin auszulegen, sich nicht für kennzeichenverletzende und strafbare Domains als Bevollmächtigter zur Verfügung zu stellen.

Als Bevollmächtigter des Domaininhabers sei der Beklagte rechtlich nicht anders zu behandeln als jeder andere Inlandsbevollmächtigte nach § 184 ZPO oder der Inlandsvertreter im Sinne von § 96 Abs. 1 MarkenG. Die Denic selbst messe dem Admin-C keine darüber hinausgehende Bedeutung bei, wie sich aus den Ausführungen unter "FAQ" ergebe. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Formulierungen in den vorgenannten Vorschriften und in Ziffer VIII der Denic-Domainbedingungen dieselbe Systematik aufwiesen, nämlich die Benennung eines Bevollmächtigten durch denjenigen, der vertreten werden soll, gegenüber demjenigen, demgegenüber die Vertretung stattfinden soll. Darauf sei das Erstgericht nicht eingegangen.

Für eine Störerhaftung fehle auch schon deshalb die Grundlage, weil eine .de-Domain auch dann registriert werden könne, wenn gar kein oder jedenfalls kein gültiger Admin-C benannt sei. Wegen der Einzelheiten wird auf Ziff. 2.1 f. nebst Anlagen BK 1 bis 12 des Schriftsatzes vom 26.07.2009 Bezug genommen. Als Reaktion auf die fehlerhafte Nennung eines Admin-C werde die Domain durch die Denic nicht umgehend gelöscht, sondern es erfolge eine Aufforderung, einen neuen Admin-C zu benennen. Diese Umstände seien dem Beklagten erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz bekannt geworden.

Die Klageforderung sei auch der Höhe nach nicht gerechtfertigt. Nach der im Termin erster Instanz abgegebenen Erklärung der Klägerin über die Auslagerung ihrer Kennzeichenüberwachung stelle sich nur noch die Frage, ob sie berechtigt gewesen sei, noch einen Rechtsanwalt hinzuziehen; auf § 140 Abs. 3 MarkenG komme es insoweit nicht mehr an. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Klägerin die Einschaltung eines Rechtsanwalts für erforderlich habe halten dürfen.

Der Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des LG München I vom 06.03.2008 € 4 HKO 20393/07 € die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Die Klägerin beantragt:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I, Az.: 4 HKO 20393/07, vom 14.05.2008 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie ist der Auffassung, es könne dem Beklagten nicht zum Vorteil gereichen, dass er in keiner Weise geprüft habe, für welche Domains er eingetragen wurde, sondern seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten freie Hand gelassen habe.

Als Admin-C habe er aus bloßem Eigeninteresse gehandelt und sei daher beispielsweise nicht vergleichbar mit der im öffentlichen Interesse tätigen Denic, die ihre Aufgabe nicht erfüllen könne, wenn sie bei jeder Domainanmeldung prüfen müsse, ob eine Kennzeichenverletzung vorliegt. Der Beklagte hätte daher dafür Sorge tragen müssen, vor der jeweiligen Registrierung über die jeweiligen Domains informiert zu werden, um sie auf eine Rechtsverletzung hin prüfen zu können. Dann würde er erkannt haben, dass die streitgegenständlichen Domains Tippfehlervarianten des als berühmt anzusehenden Kennzeichens Osram darstellten und die Funktion als Admin-C für diese Domains ablehnen müssen. Da er dies nicht getan habe, habe er bereits vor Zugang der Abmahnung als Störer gehandelt.

Die Klägerin verweist auf eine Entscheidung des OLG Koblenz vom 23.04.2009 (Az.: 6 U 730/08) mit einer Fallkonstellation, die der hiesigen vergleichbar sei. Sie behauptet, die dort zitierte Fassung der Domainrichtlinien (Anlage BE 3) gelte bereits seit 01.04.2004 und sei damit auch für den Streitfall maßgeblich. Lege man diese Fassung der Richtlinien zugrunde, wonach der Admin-C gegenüber jedermann berechtigt sei, verbindliche Entscheidungen bezüglich der Domain zu treffen, ihn aber eine Verpflichtung nur gegenüber der Denic treffe, bestehe im Verhältnis zwischen Domaininhaber und Admin-C nicht nur eine reine Außenvollmacht. Vielmehr sei aus der Verpflichtung des Admin-C gegenüber der Denic zu schließen, dass auch im Innenverhältnis zwischen Domaininhaber und Admin-C eine Vereinbarung bestehe, wonach letzterer berechtigt sei, für den Inhaber verbindliche Entscheidungen zu treffen. Wegen seiner Berechtigung gegenüber jedermann sei der Pflichtenkreis des Admin-C nicht von vornherein auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Domaininhaber und der Denic beschränkt. Deshalb sei er auch von einer Prüfungspflicht im Sinne der Rechtsprechung zur Störerhaftung nicht befreit. Aufgrund der vollautomatisierten Domainregistrierung habe der Beklagte mit der Verletzung von Namensrechten rechnen müssen. Er habe daher nicht unbesehen eine Ursache für eine unbestimmte Zahl möglicherweise rechtswidriger Registrierungen setzen und sich als Admin-C zur Verfügung stellen dürfen. Bei den streitgegenständlichen Domains hätte ihm bereits bei bloßem Hinsehen auffallen müssen, dass mit der Registrierung dieser Tippfehlerdomains die Kennzeichenrechte der Klägerin verletzt werden konnten. Auf die in erster Linie dem Domaininhaber obliegende Prüfungspflicht könne der Beklagte sich nicht berufen, da er aufgrund der Verfahrensweise der jeweiligen Domaininhaber gewusst habe, dass diese gegen ihre Pflichten verstießen. Ebenso wenig könne er sich darauf berufen, dass ihm die Prüfung der Rechtmäßigkeit nicht möglich gewesen sei. Denn wer sich für eine unbekannte Anzahl künftiger Domainregistrierungen als Admin-C benennen lasse und hierbei in Kauf nehme, dass sich eine konkrete Gefahr von Rechtsverstößen dadurch realisiere, müsse entweder seine Zusage dafür verweigern oder in jedem Einzelfall die Rechtmäßigkeit der Registrierungen selbst überprüfen.

Die Abmahnkosten seien in voller Höhe zu erstatten, die Rechtsanwaltskosten schon deshalb, weil der klägerische Prozessbevollmächtigte intensiver mit der Verwaltung der Osram-Domains beschäftigt gewesen sei als Patentanwalt Dr. Sch Dessen zusätzliche Expertise sei angesichts der hoch umstrittenen kennzeichenrechtlichen Frage hilfreich gewesen, weshalb auch die Kosten seiner Einschaltung zu erstatten seien.

Der Beklagte erwidert, die in erster Instanz zugrunde gelegten Domainrichtlinien (Anlage BK 16) hätten bis 18.12.2008 gegolten. Mithin sei das OLG Koblenz in seiner Entscheidung von einer falschen Grundlage ausgegangen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg, denn der Beklagte ist weder als Täter oder Teilnehmer noch als Störer für die Verletzung der Klagemarke durch die streitgegenständlichen Domains verantwortlich, so dass er die der Klägerin in Rechnung gestellten Abmahnkosten weder aus § 14 Abs. 6 MarkenG noch aus §§ 683, 677, 670 BGB zu erstatten hat.

1. Da der Beklagte die Domains nicht selbst angemeldet hat, käme eine täterschaftliche Verantwortlichkeit (§ 830 I 1 BGB) nur in Gestalt der Mittäterschaft in Betracht. Für das hierzu erforderliche bewusste und gewollte Zusammenwirken mehrerer zur Herbeiführung eines Erfolges ist die Klägerin jedoch beweisfällig geblieben. Zum Beweis für ihre Behauptung, der Beklagte sei als Domaingrabber bekannt, der insbesondere im Zusammenhang mit sogenannten Tippfehlerdomains als Domaininhaber oder Admin-C auftauche, hat sie als Anlage K 4 einen Google-Ausdruck vorgelegt. Dieser belegt aber nur die Äußerung Dritter über den Beklagten, nicht jedoch ein tatsächliches Domaingrabbing durch ihn. Auf den entsprechenden Hinweis des Vorsitzenden gemäß Ziffer 5 a der Verfügung vom 05.09.2008 (Bl. 82 d. A.) hat die Klägerin eingeräumt, dass sich aus dieser Anlage nicht ergebe, dass der Beklagte als Domaingrabber bekannt ist. Ein weiteres Beweisangebot ist nicht erfolgt. Sonstiger zur Stützung einer täterschaftlichen Verantwortlichkeit geeignet erscheinender Sachvortrag der Klagepartei ist nicht ersichtlich.

2. Für die Verantwortlichkeit als Teilnehmer (§ 830 I 2 BGB) ist die vorsätzliche Unterstützung einer fremden Tat erforderlich, wobei bedingter Vorsatz des Teilnehmers genügt. Ob auch der Täter vorsätzlich handeln muss oder ob die vorsätzliche Mitwirkung an der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der Zuwiderhandlung durch einen Anderen ausreicht (vgl. Harte/Henning/Bergmann, 2. Aufl., § 8 UWG Rn. 62; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 27. Aufl., § 8 UWG Rn. 2.6), kann dahinstehen. Denn angesichts des vollautomatischen Domainregistrierungssystems kann ein vorsätzliches Handeln der Domaininhaber angenommen werden, da diese bei ihrer Vorgehensweise zumindest billigend in Kauf nehmen, dass kennzeichenverletzende Domains zur Anmeldung gelangen.

Eine Kenntnis des Beklagten davon ist in erster Instanz seitens der Klagepartei nicht behauptet worden; die Klägerin hat lediglich die Unkenntnis des Beklagten, ob und wann welche Domains registriert werden, in Zweifel gezogen (Schriftsatz vom 06.02.2008, Seite 3 = Bl. 36 d. A.). Darin liegt nicht zugleich die Behauptung der Kenntnis der kennzeichenverletzenden Vorgehensweise der Domaininhaber. Soweit in der Berufungsinstanz mit dem Schriftsatz vom 30.06.2009, Seite 4 (= Bl. 98 d. A.) behauptet wird, dass der Beklagte damit rechnen musste, dass das Vorgehen der Registranten die potentielle Verletzung von Namensrechten bereits in sich getragen habe, handelt es sich um neues Vorbringen, dass nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht berücksichtigt werden kann und zudem nicht unter Beweis gestellt ist.

293. Der Beklagte ist nicht als Störer verantwortlich, weil ihn als Admin-C keine proaktiven Prüfungspflichten treffen (OLG Düsseldorf MMR 2009, 336; OLG Köln MMR 2009, 48).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GRUR 2004, 860 € Internet-Versteigerung I; GRUR 2007, 708, 711 € Internet-Versteigerung II) haftet im Fall der Verletzung absoluter Rechte derjenige als Störer, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beiträgt. Weil die Störerhaftung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus, deren Umfang sich danach bestimmt, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist. Letzteres ist unter Berücksichtigung der Funktion und Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch genommenen sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung des unmittelbar handelnden Dritten zu beurteilen, wobei die Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit einer bestimmten Domainbezeichnung grundsätzlich zunächst allein in den Verantwortungsbereich des Anmelders fällt (BGH GRUR 2001, 1038, 1040 € ambiente).

Auf dieser rechtlichen Grundlage ergibt sich in Bezug auf die Funktion und Aufgabenstellung des Admin-C folgendes:

Die Position des Admin-C ist nicht gesetzlich geregelt, sondern durch die Denic-Domainrichtlinien bestimmt. Maßgeblich ist die Fassung gemäß Anlage BK 16, denn in erster Instanz war zwischen den Parteien unstreitig, dass dies die zum Zeitpunkt der Verletzung aktuellen Domainrichtlinien waren. Die erstmals im Berufungsrechtszug aufgestellte bestrittene Behauptung der Klägerin, sie seien bereits zum 01.04.2004 durch die Domainrichtlinie gemäß Anlage BE 3 abgelöst worden, die auch das OLG Koblenz seiner Entscheidung zugrunde gelegt hatte, kann nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht mehr berücksichtigt werden.

Ziffer VIII der Richtlinie lautet:

Der administrative Ansprechpartner (admin-c) ist die vom Domaininhaber benannte natürliche Person, die als sein Bevollmächtigter berechtigt und verpflichtet ist, sämtliche die Domain betreffenden Angelegenheiten verbindlich zu entscheiden, und die damit den Ansprechpartner DENICs darstellt. Für jede Domain kann nur ein admin-c benannt werden. Mitzuteilen sind Name, Anschrift, Telefonnummer und E-Mail-Adresse des admin-c. Sofern der Domaininhaber seinen Sitz nicht in Deutschland hat, ist der admin-c zugleich dessen Zustellungsbevollmächtigter i. S. v. § 174 f ZPO; er muss in diesem Falle seinerseits in Deutschland ansässig sein und mit seiner Straßenanschrift angegeben werden.

35Die Aufgaben des Admin-C sind darin damit beschrieben, dass er sämtliche die Domain betreffenden Angelegenheiten verbindlich entscheiden kann, und zwar allein gegenüber der Denic als Stellvertreter des Domaininhabers. Seine dieses Vertragsverhältnis betreffenden Willenserklärungen entfalten nach § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB Wirkung allein für den Vertretenen. Daraus ergibt sich, dass der Pflichtenkreis des Admin-C allein das Innenverhältnis zwischen Domaininhaber und der Denic betrifft. Diese rechtliche Konstellation verbietet es, Prüfungspflichten des Admin-C im Außenverhältnis zu Dritten anzunehmen. Vielmehr ist allein der Anmelder für die Zulässigkeit einer bestimmten Domainbezeichnung verantwortlich (BGH GRUR 2001, 1038 € ambiente).

Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit den ansonsten im Zivilrecht geltenden Regeln über die Haftung des Vertreters. Nach der vom Gesetzgeber in Gestalt des § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB vorgenommenen Wertung kommt die Haftung des Vertreters nur ausnahmsweise in Betracht, nämlich wenn er am Vertragsschluss ein unmittelbar eigenes wirtschaftliches Interesse hat oder wenn er besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat. Beides ist hier nicht der Fall: Letzteres ist nicht einmal behauptet, ein unmittelbar eigenes wirtschaftliches Interesse an der Registrierung bestimmter, kennzeichenverletzender Domains ist nicht ersichtlich, denn der Beklagte hat sich lediglich pauschal gegen ein Entgelt von 65,€ Euro pro Monat als Admin-C zur Verfügung gestellt.

4. Auf Wettbewerbsrecht gestützte Ansprüche sind nicht Gegenstand der Klage; auf sie war im Übrigen die Abmahnung auch nicht gestützt.

5. Da schon dem Grunde nach kein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten besteht, kann offen bleiben, ob rechts- und patentanwaltliche Kosten erstattungsfähig wären.

6. Kosten: § 91 ZPO.

7. Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

8. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Sache, wie die Häufung von Rechtsstreitigkeiten gegen sogenannte administrative Ansprechpartner wegen einer Rechtsverletzung durch die Domain, für die sie benannt sind, zeigt, grundsätzliche Bedeutung hat. Darüber hinaus ist die obergerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage uneinheitlich und nicht höchstrichterlich geklärt.






OLG München:
Urteil v. 30.07.2009
Az: 6 U 3008/08


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