Landgericht Bielefeld:
Urteil vom 20. November 2007
Aktenzeichen: 13 O 93/07

(LG Bielefeld: Urteil v. 20.11.2007, Az.: 13 O 93/07)

Tenor

Es wird der Antragsgegnerin bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwi-derhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,-- €, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) verboten,

1. den Artikel Nail Art Liner (NAL) gewerbsmäßig in Verkehr zu bringen,

a) und dabei die Liste der Bestandteile auf der Rückseite des auf dem Be-hältnis aufgeklebten Etiketts anzugeben,

b) und dabei die Angaben gemäß den §§ 4, 5 KVO nicht unverwischbar an-zubringen;

wenn dies wie in Anlage AS 1 wiedergegeben geschieht;

2. den Artikel Nail Art Brush + Pen (NAP) gewerbsmäßig in Verkehr zu bringen,

und dabei die Liste der Bestandteile auf der Rückseite des auf dem Behältnis aufgeklebten Etiketts anzugeben, wenn dies wie in Anlage AS 2 wiedergegeben geschieht,

3. im Rahmen des Fernabsatzes Kosmetikprodukte an Verbraucher zum Kauf an-zubieten, ohne den Verbraucher klar und verständlich über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts sowie die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung, insbesondere Namen und Anschrift desjenigen, ge-genüber dem der Widerruf zu erklären ist, und die Rechtsfolgen des Widerrufs oder Rückgabe zu informieren, wie dies wie in Anlage AS 3 wiedergegeben ge-schieht.

4. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die Antragstellerin verfolgt gegen die Antragsgegnerin einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch.

Die Parteien dieses Verfahrens sind unmittelbare Wettbewerber. Die Antragstellerin vertreibt sowohl über Kataloge als auch über ihre Internetpräsenz unter www.h.-n..de u.a. Nagelkosmetikprodukte an Verbraucher und gewerbliche Kunden. Die Antragsgegnerin vertreibt ebenfalls Nagelkosmetikprodukte über Produktkataloge sowie ihre Internetpräsenz www.i. -n..de. In ihrem Verkaufsshop weist die Antragsgegnerin auf das Widerrufsrecht wie folgt hin:

"Widerrufsrecht:

(gilt nicht für Gewerbekunden) Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb

von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax,

e-Mail) oder durch Rücksendung der Ware widerrufen. Die Frist beginnt

frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt

die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache. Der Widerruf ist zu

richten: ..."

In ihrem elektronischen Verkaufshop belehrt die Antragsgegnerin ferner über die Widerrufsfolgen. Wegen der Einzelheiten der Belehrung wird auf den zur Akte gereichten Ausdruck verwiesen (Bl. 36 d.A.).

Die Antragsgegnerin lieferte am 12.10.2007 an eine Testkäuferin der Antragstellerin über das Internet bestellte Nagellacke, und zwar den Artikel Nail Art Liner (NAL) sowie den Artikel Nail Art Brush + Pen (NAP). Der Nagellack befindet sich in einem Behältnis aus Glas. In einer gesonderten Verpackung befanden sich die bestellten und gelieferten Nagellacke nicht. Auf einer Seite der vierseitigen Glasfläche ist ein selbstklebendes Etikett angebracht, u.a. mit Angaben zur Artikelnummer, Charge und Vertreiber. Ferner heißt es auf dem Etikett:

"Inhaltsstoffe auf der Etikettenrückseite".

Auf der Rückseite dieses Etiketts sind Bestandteile des Nagellackes aufgeführt. Um diese Bestandteile wahrnehmen und lesen zu können, muß das Etikett von der Oberfläche des Glasbehälters abgezogen werden. Da es sich um ein selbstklebendes Etikett handelt, kann dieses nach Entfernen von der Glasoberfläche dort auch wieder aufgeklebt werden. Den an die Testkäuferin ausgelieferten Nagellacken lag ferner ein mit "Produktinformation und Risikohinweise" überschriebenes Formblatt sowie ein weiteres Informationsblatt bei. In dem Informationsblatt heißt es u.a. wie folgt:

"Senden Sie uns keine unfreien Sendungen. Diese werden von uns

generell nicht entgegengenommen und an den Absender kostenpflichtig

zurückgewiesen."

Das Formblatt "Produktinformation und Risikohinweise" enthält u.a. eine Widerrufsbelehrung. Wegen deren Inhalt wird auf das in Ablichtung zur Akte gereichte Formblatt verwiesen (Bl. 18 d.A.).

Mit am 12.11.2007 bei Gericht eingegangenem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung beanstandet die Antragstellerin u.a., dass die Liste mit den Bestandteilen der Inhaltsstoffe des Nagellackes für den Verbraucher nur in dem Fall wahrnehmbar sei, dass das selbstklebende Etikett von dem Behältnis entfernt werde und somit die Rückseite des Etiketts mit der Auflistung der Bestandteile zu sehen sei. Werde das Etikett anschließend wieder auf den Glasbehälter aufgeklebt, so verwische nach der Behauptung der Antragstellerin die Aufschrift des Etiketts des Artikels Nail Art Liner (NAL). Die Antragstellerin ist ferner mit näherer Begründung der Auffassung, die Widerrufsbelehrung entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben. Sie hält das geschilderte Verhalten der Antragsgegnerin insgesamt für wettbewerbswidrig.

Die Antragstellerin beantragt,

es der Antragsgegnerin bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,-- €, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) verboten,

den Artikel Nail Art Liner (NAL) gewerbsmäßig in Verkehr zu bringen,

und dabei die Liste der Bestandteile auf der Rückseite des auf dem Behältnis aufgeklebten Etiketts anzugeben, und dabei die Angaben gemäß den §§ 4, 5 KVO nicht unverwischbar anzubringen; wenn dies wie in Anlage AS 1 wiedergegeben geschieht;

den Artikel Nail Art Brush + Pen (NAP) gewerbsmäßig in Verkehr zu bringen, und dabei die Liste der Bestandteile auf der Rückseite des auf dem Behältnis aufgeklebten Etiketts anzugeben, wenn dies wie in Anlage AS 2 wiedergegeben geschieht, im Rahmen des Fernabsatzes Kosmetikprodukte an Verbraucher zum Kauf anzubieten, ohne den Verbraucher klar und verständlich über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts sowie die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung, insbesondere Namen und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, und die Rechtsfolgen des Widerrufs oder Rückgabe zu informieren, wie dies wie in Anlage AS 3 wiedergegeben geschieht.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Ausgestaltung und Anbringung des Etiketts verstoße nicht gegen die Kosmetikverordnung. Die Liste der Inhaltsstoffe befinde sich auf der Rückseite eines aufgeklebten Etiketts. Die sichtbare Fläche des Etikettes enthalte einen Hinweis darauf, dass die Inhaltsstoffe auf der Rückseite des Etikettes einzusehen seien. Verbraucher könnten das Etikett ohne Probleme abziehen und somit die Liste der Inhaltsstoffe einsehen, den Vorgaben der Kosmetikverordnung sei damit Genüge getan. Die Widerrufsbelehrung sei ebenfalls nicht zu beanstanden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zur Akte gereichten Schriftsätze verwiesen. Beide Parteien haben ihr Vorbringen zur Beschaffenheit und Inhalt des auf den Behältnissen angebrachten Etikett glaubhaft gemacht durch Überreichung von insgesamt acht Nagellackbehältnissen. Die Antragstellerin hat ihr weiteres Vorbringen zudem glaubhaft gemacht durch Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen ihres Geschäftsführers sowie der Testkäuferin J. S.. Auf den Inhalt der eidesstattlichen Versicherungen vom 08.11.2007 (Bl. 11 und 12 d.A.) wird Bezug genommen.

Gründe

Der Untersagungsantrag hat in vollem Umfang Erfolg.

I.

Der Verfügungsgrund ist gegeben, die Dringlichkeitsvermutung ist nicht widerlegt. Durch eidesstattliche Versicherung der Frau J. S. ist hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin über die durch Testkauf bezogenen Produkte der Antragsgegnerin frühestens am Nachmittag des 12.10.2007 verfügen und sich somit ein Bild von der Beschaffenheit und Aufmachung der Behältnisse machen konnte. Die Monatsfrist ist gewahrt, denn der Verfügungsantrag ist am 12.11.2007 bei Gericht eingegangen.

II.

Der Antragsgegnerin ist es nicht gestattet, die Artikel Nail Care Liner und Nail Art Brush + Pen in der von der Antragstellerin beanstandeten und im Urteilstenor unter der Ziffer 1. und 2. näher beschriebenen Weise gewerbsmäßig in Verkehr zu bringen. Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus den §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 4 Nr. 11, 3 UWG, § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, S. 3, Abs. 3 Kosmetikverordnung.

Die Verfahrensbeteiligten sind unmittelbare Wettbewerber i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, denn beide vertreiben Kosmetikprodukte u.a. über ihre Internetverkaufsshops. Die Antragsgegnerin handelt einer gesetzlichen Vorschrift zuwider, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (§ 4 Nr. 11 UWG). Die Antragsgegnerin hat die sich aus § 5 Kosmetikverordnung ergebende Kennzeichnungspflicht nicht beachtet. Die sich aus § 5 Kosmetikverordnung ergebende Kennzeichnungspflicht stellt auch eine Marktverhaltensregelung dar (BGH GRUR 1989, 673). Zur Kennzeichnungspflicht im einzelnen:

Die Antragsgegnerin vertreibt den in Glasfläschchen gefüllten Nagellack nicht in Verpackungen. Demgemäß sind die Angaben über die Bestandteile des Nagellackes nicht auf Verpackungen, sondern unmittelbar auf den Behältnissen -hier den Glasfläschchen- selbst anzugeben, § 5 Abs. 1 S. 2 Kosmetikverordnung. Davon kann nur dann abgewichen werden, wenn dies aus praktischen Gründen nicht möglich ist. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor. Bereits das Anbringen des selbstklebenden Etiketts auf den Glasbehältnissen macht deutlich, dass praktische Gründen einer solchen Anbringung nicht entgegenstehen. Die Angaben über die Bestandteile sind gem. § 5 Abs. 3 Kosmetikverordnung unverwischbar, deutlich sichtbar und leicht lesbar anzubringen. Diesen Anforderungen werden die auf der Rückseite des selbstklebenden Etiketts aufgedruckten Angaben über die Bestandteile nicht gerecht. Die Angaben über die Bestandteile des Nagellackes Nail Art Liner (NAL) sind weder unverwischbar, deutlich sichtbar noch leicht lesbar. Im einzelnen: Auf der Vorderseite des Aufklebers wird auf die auf der Rückseite abgedruckten Bestandteile hingewiesen. Unabhängig von der Frage, ob die auf der Rückseite gemachten Angaben deutlich sichtbar und leicht lesbar sind und unabhängig von der Frage, ob die Bestandteile selbst unverwischbar angegeben werden, hat der Verbraucher nur dann eine theoretische Möglichkeit, die Bestandteile des Nagellacks zur Kenntnis zu nehmen, wenn der auf der Vorderseite befindliche Hinweis auf die auf der Rückseite abgedruckten Bestandteile unverwischbar ist. Ist der Verweisungshinweis verwischbar und mithin nach Verwischung nicht mehr zur Kenntnis zu nehmen, so hat der Verbraucher keinerlei Anhaltspunkte, dass sich die Angaben über die Bestandteile auf der Rückseite des Etiketts befinden. Der Verweisungshinweis auf der Vorderseite des Aufklebers ist jedoch -davon konnte sich die Kammer im Termin anhand der von den Parteien überreichten Behältnisse ein Bild machen- verwischbar und nach Verwischung nicht mehr kenntlich. Um die Schrift auf der Vorderseite des Etiketts zu verwischen und damit unkenntlich zu machen, reicht es bereits aus, zwei- bis dreimal mit dem Finger über das Etikett zu streichen. Geschieht dies, ist der Verweisungshinweis auf der Vorderseite des Etiketts -wie im übrigen auch die sonstigen Angaben- unkenntlich gemacht. Ist aber der Verweisungshinweis verwischbar und unkenntlich, so hat der Verbraucher auch keine Möglichkeit, die verwiesenen Angaben zur Kenntnis zu nehmen. Das Verwischen des Verweisungsvermerks ist demgemäß gleichzusetzen mit Verwischung der Angaben über die Bestandteile des Nagellacks. Die Angaben über die Bestandteile sind ferner nicht deutlich sichtbar. Sie sind -da sie auf der Rückseite des Etiketts angebracht sind- gar nicht sichtbar. Der Normgeber verfolgt mit dem Gebot, dass die Angaben über die Bestandteile der Kosmetika deutlich sichtbar sein müssen, das Ziel, dass ein Verbraucher ohne weiteres in die Lage versetzt sein muß, Kenntnis von den Bestandteilen nehmen zu können. Davon kann hier keine Rede sein. Allein der Hinweis auf die auf der Etikettenrückseite abgedruckten Bestandteile reicht nicht aus. Obgleich die Formulierung "Etikettenrückseite" an sich klar erscheint, kommt der durchschnittliche Verbraucher, zu denen auch die Kammermitglieder gehören, nicht ohne weiteres darauf, dass das Entfernen eines auf einer Glasflasche angebrachten Etikettes erforderlich ist, um auf deren Rückseite aufgedruckte Angaben zur Kenntnis nehmen zu können. Ob die Angaben bewusst auf der Rückseite des Etikettes angebracht worden sind, um sie den Verbraucher vorzuenthalten, bedarf keiner Entscheidung. Deutlich sichtbar sind sie nicht. Schließlich sind auch die Angaben nicht leicht lesbar.

Für den Artikel Nail Art Brush + Pen (NAB) gilt folgendes: Die Bestandteile sind -wie ausgeführt- weder deutlich sichtbar noch leicht lesbar. Hier kommt indes noch erschwerend hinzu, dass das Etikett mit einem Klebeband am Behältnis befestigt ist, das Abziehen des Etikettes somit das Entfernen dieses Klebebandes erforderlich macht und damit zusätzlich erschwert.

Schließlich genügt auch die Widerrufsbelehrung der Antragsgegnerin nicht den gesetzlichen Anforderungen. Die mit dem Formblatt "Produktinformation und Risikohinweise" erfolgte Widerrufsbelehrung beschränkt sich auf die Wiedergabe einer zwischenzeitlich überholten gesetzlichen Vorschrift (§ 361 a BGB). Das Widerrufsrecht ist gesetzlich neu geregelt worden. Im vorliegenden Fall spricht vieles dafür, dass der Vertragsschluß bereits mit der elektronischen Bestellung des Produktes zustandegekommen ist. Die Belehrung über den Widerruf muß demgemäß den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB entsprechen. Dies ist hier schon deshalb nicht der Fall, weil die Belehrung sich nicht über die Widerrufsfrist von einem Monat verhält.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es bei durch Urteil erlassenen einstweiligen Verfügungen nicht.






LG Bielefeld:
Urteil v. 20.11.2007
Az: 13 O 93/07


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