Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Juni 2010
Aktenzeichen: 6 W (pat) 322/06

(BPatG: Beschluss v. 22.06.2010, Az.: 6 W (pat) 322/06)

Tenor

Das Patent 103 14 691 wird widerrufen.

Gründe

I.

Gegen das am 17. November 2005 veröffentlichte Patent 103 14 691 mit der Bezeichnung "Druckmittelbetätigte Federdruckbremse" ist am 26. Januar 2006 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand der erteilten Anspruchs 1 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

In der Einspruchsbegründung verweist die Einsprechende u. a. auf folgende Druckschriften:

(D1) DE 202 14 801 U1 und (D3) DE 44 32 134 A1.

Die Einsprechende beantragt, das angegriffene Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das angegriffene Patent in vollem Umfang aufrecht zu erhalten.

Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sowohl neu sei als auch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Der erteilte Anspruch 1 lautet:

"Druckmittelbetätigte Federdruckbremse mit einem Bremsengehäuse, das einen Außenkörper aufweist und in dem eine Bremsscheibenanordnung, eine axial verschiebliche Bremskolbenanordnung und eine auf die Bremskolbenanordnung wirkende Druckfedereinheit integriert sind, dadurch gekennzeichnet, dass der Außenkörper (6) als einteiliger Hohlkörper ausgeführt ist und sich über die gesamte axiale Länge -bezogen auf eine Bremsendrehachse D der Federdruckbremse (1) -erstreckt, und dass der Außenkörper (6) an gegenüberliegenden, offenen Endbereichen innenseitig jeweils eine Ringnut (13, 14) zur Einrastung jeweils eines Axialsicherungsringes (11, 12) aufweist, zwischen denen die Bremsscheibenanordnung (4), die Bremskolbenanordnung (5) und die Druckfedereinheit (8) angeordnet sind."

Wegen der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 4 sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1.

Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den vorliegenden Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung zuständig geworden und auch nach der ab 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Fassung des § 147 Abs. 3 PatG gemäß dem Grundsatz der perpetuatio fori zuständig geblieben (vgl. hierzu BGH GRUR 2007, 859, 861 f. -Informationsübermittlungsverfahren I; BGH GRUR 2007, 862 f. -Informationsübermittungsverfahren II; BGH GRUR 2009, 184 f. -Ventilsteuerung).

2.

Der fristund formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und auch im Übrigen zulässig.

Dies ist seitens der Patentinhaberin nicht bestritten worden.

3.

Die erteilten Ansprüche sind zulässig.

Der erteilte Anspruch 1 ergibt sich aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 2, die erteilten Ansprüche 2 bis 4 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 3 bis 5.

Die Zulässigkeit der erteilten Ansprüche ist im Übrigen seitens der Einsprechenden nicht bestritten worden.

4. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt keine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.

a. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist zwar neu, er beruht jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Die (D3) DE 44 32 134 A1 offenbart ein Antriebsaggregat mit einer Federspeicher-Lamellenbremse 34 (Figur 2 und Sp. 4, Z. 26 bis 31).

Die Ausführungen der Patentinhaberin, wonach die (D3) DE 44 32 134 A1 keine mit der patentgemäßen Federdruckbremse vergleichbare selbständig handhabbare Federdruckbremse betreffe, sondern ein Antriebsaggregat, bei dem zwar auch eine Lamellenbremse vorgesehen sei, die aber unselbständig in der Antriebseinheit enthalten sei (S. 2, Abs. 1 des Schriftsatzes vom 19. September 2006), vermögen schon allein deshalb nicht zu überzeugen, weil zum einen der erteilte Anspruch 1 des Streitpatents keine entsprechende Einschränkung enthält und zum anderen auch die patentgemäße Federdruckbremse über die Flansche 16, 17 mit entsprechenden Bauteilen, wie z. B. einem Hydromotor (Abs. [0020] der Streitpatentschrift) verbunden werden kann (Abs. [0023] der Streitpatentschrift) und dann ebenfalls ein Antriebsaggregat im Sinne der (D3) DE 44 32 134 A1 bildet.

Die Federspeicher-Lamellenbremse 34 gemäß der (D3) DE 44 32 134 A1 hat ein von einem hohlen Zahnrad 8 gebildetes Bremsengehäuse, das einen Außenkörper aufweist und in dem eine Bremsscheibenanordnung, eine axial verschiebliche Bremskolbenanordnung 35 und eine auf die Bremskolbenanordnung 35 wirkende Druckfedereinheit 36 integriert sind (Figur 2 und Sp. 4, Z. 31 bis 37).

Weiterhin ist der Außenkörper (= Zahnrad 8) als einteiliger Hohlkörper ausgeführt und erstreckt sich über die gesamte axiale Länge -bezogen auf eine Bremsendrehachse der Federdruckbremse (Figur 2). Der Außenkörper weist darüber hinaus an dem bremsscheibenseitigen Endbereich innenseitig eine Ringnut zur Einrastung eines Axialsicherungsringes auf (Figur 2), während an dem bremskolbenseitigen offenen Ende ein verschraubter Deckel 37 vorgesehen ist, wobei die Bremsscheibenanordnung 34, die Bremskolbenanordnung 35 und die Druckfedereinheit 36 zwischen dem Axialsicherungsring und dem Deckel angeordnet sind.

Von dieser aus der (D3) DE 44 32 134 A1 bekannten Federdruckbremse unterscheidet sich die patentgemäße Federdruckbremse dadurch, dass der bremskolbenseitige Deckel 37 durch eine Ringnut und einen darin rastenden Axialsicherungsring ersetzt ist.

Eine solche Maßnahme hat für den Fachmann -einen Maschinenbauingenieur mit langjähriger Erfahrung in der Konstruktion und Entwicklung von Bremssystemen jedoch nahe gelegen.

Bei der patentgemäßen Federdruckbremse wird als vorteilhaft herausgestellt (Abs. [0012] der Streitpatentschrift), dass aufgrund der erfindungsgemäßen Ausgestaltung die verschiedenen Funktionsteile der Federdruckbremse von beiden offenen Stirnseiten des Hohlkörpers her eingebaut werden können.

Dies ist auch bei der Federdruckbremse nach der (D3) DE 44 32 134 A1 möglich, da im Montagezustand der Federdruckbremse, d. h. bei noch nicht montiertem Motor 1 und nicht montiertem Deckel 37, die verschiedenen Funktionsteile der Federdruckbremse von beiden offenen Stirnseiten des Hohlkörpers her eingebaut werden können.

Der Fachmann, der nach Lösungen sucht, wie der Aufbau vereinfacht und der Montageaufwand verringert werden soll (Abs. [0010] der Streitpatentschrift), wird auch die (D1) DE 202 14 801 U1 in seine Betrachtung einbeziehen.

Die (D1) DE 202 14 801 U1 offenbart einen hydrostatischen Direktantrieb, an den eine Federspeicher-Lamellenbremse 9 angeflanscht ist (Figur 1 und S. 8, Z. 19 bis 21). Diese Federspeicher-Lamellenbremse 9 hat ein Bremsengehäuse 7, das einen Außenkörper aufweist und in dem eine Bremsscheibenanordnung 9, eine axial verschiebliche Bremskolbenanordnung 10 und eine auf die Bremskolbenanordnung wirkende Druckfedereinheit 12 integriert sind (Figur 1 und S. 6, Z. 21 bis 29).

Weiterhin ist der Außenkörper (gebildet durch das Bremsengehäuse 7) als einteiliger Hohlkörper ausgeführt und erstreckt sich über die gesamte axiale Länge -bezogen auf eine Bremsendrehachse der Federdruckbremse (Figur 1). Der Außenkörper weist darüber hinaus an dem bremskolbenseitigen Endbereich (rechts in Figur 1) innenseitig eine Ringnut zur Einrastung eines Axialsicherungsringes auf.

Der Fachmann brauchte also lediglich den aus der (D3) DE 44 32 134 A1 bekannten bremskolbenseitigen Deckel gegen einen in eine Ringnut einrastbaren Axialsicherungsring gemäß der (D1) DE 202 14 801 U1 auszutauschen, um zum Gegenstand des angegriffenen Anspruchs 1 zu gelangen. Ein solcher Austausch liegt nahe, denn eine gleichgeartete Ausgestaltung der axialen Sicherungselemente auf beiden Seiten der die Bremse bildenden Elemente führt nicht nur zu einer Verringerung der Anzahl der Bauteile -was den Aufbau vereinfacht -, sondern auch zu einer standardisierten und damit weniger aufwendigen Montage.

Nach alledem ist der erteilte Anspruch 1 nicht bestandsfähig.

b. Die übrigen Ansprüche fallen notwendigerweise mit dem Anspruch 1 (vgl. BGH GRUR 1989, 103 "Verschlussvorrichtung für Gießpfannen" i. V. m. BGH GRUR 1980, 716 "Schlackenbad").

Das Patent war somit zu widerrufen.

2. Nachdem die Beteiligten keinen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt haben, konnte der Senat im schriftlichen Verfahren entscheiden.

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BPatG:
Beschluss v. 22.06.2010
Az: 6 W (pat) 322/06


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