Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. September 2000
Aktenzeichen: 5 W (pat) 410/99

(BPatG: Beschluss v. 20.09.2000, Az.: 5 W (pat) 410/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen 1 und 2 wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung I - vom 17. September 1998 aufgehoben.

Das Gebrauchsmuster 92 18 940 wird im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 9 gelöscht.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Antragsgegnerin.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des am 21. Februar 1996 zur Eintragung eingereichten Gebrauchsmusters 92 18 940 (Streitgebrauchsmuster), das aus der europäischen Patentanmeldung 92 913 812.1 vom 5. Juni 1992 abgezweigt ist und für die ihrerseits die Prioritäten in den Vereinigten Staaten von Amerika vom 5. Juni 1991 710 786 und 5. November 1991 787 828 in Anspruch genommen worden sind. Das Streitgebrauchsmuster wurde am 9. Mai 1996 unter der Bezeichnung "Miniaturtransponder" mit den ursprünglich eingereichten Unterlagen in die Rolle eingetragen. Seine Laufzeit ist verlängert worden. Die eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 13 haben folgenden Wortlaut:

1. Integrierte Schaltungsvorrichtung, die einen Teil eines verkapselten Miniaturtransponders bildet, mit:

einem Siliziumsubstrat, das einen Chip bildet, in dessen einer Oberfläche eine integrierte Schaltung gebildet ist und der eine Metallisierungsschicht aufweist, die einen ersten Satz von Kontaktpads bildet;

einer Isolationsschicht, die die Oberfläche des die Metallisierungsschicht enthaltenden Chips bedeckt und Öffnungen darin aufweist, die die ersten Kontaktpads freilegen; undeiner Vielzahl von zweiten Kontaktpads, die auf der Isolationsschicht angeordnet sind und die ersten Pads durch die Öffnungen kontaktieren.

2. Integrierte Schaltungsvorrichtung nach Anspruch 1, wobei die Isolationsschicht eine Dicke von über 10 10-7 mm (10.000 Angström) hat.

3. Integrierte Schaltungsvorrichtung nach Anspruch 2, wobei die Dicke der zweiten Pads über 20 10-3 mm (20 Micron) liegt.

4. Integrierte Schaltungsvorrichtung nach Anspruch 3, wobei die integrierte Schaltungsvorrichtung die Signalerzeugungsschaltkreise der Transpondervorrichtung bildet.

5. Integrierte Schaltungsvorrichtung nach Anspruch 4, weiterhin mit einer Einrichtung, die eine elektromagnetische Antenne mit Anschlußdrähten bildet, die auf die zweiten Pads bondiert sind.

6. Integrierte Schaltungsvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 5, weiterhin mit einer Verkapselungseinrichtung, die den Chip und die Antenne gemeinsam verkapselt unter Ausbildung einer Transpondervorrichtung.

7. Integrierte Schaltungsvorrichtung nach Anspruch 6, wobei die Verkapselungseinrichtung ein wärmeschrumpfendes Kunststoffmaterial aufweist.

8. Integrierte Schaltunsvorrichtung nach Anspruch 7, wobei das Kunststoffmaterial inert und geeignet zur Verwendung in einem lebenden Körper ist.

9. Integrierte Schaltungsvorrichtung nach Anspruch 8, wobei die Verkapselungseinrichtung eine Glaskapsel aufweist, um die das wärmeschrumpfende Kunststoffmaterial geformt ist.

10. Anschlußloser passiver Transponder, mit:

einem Signalgenerator, einem Signalsender und einer Koppeleinrichtung zur induktiven Kopplung an ein Kraftfeld, so daß eine Veränderung des Kraftfeldes relativ zu der Koppeleinrichtung einen elektrischen Strom zumindest innerhalb des Generators erzeugt;

wobei der gesamte Transponder in einem wärmegeschrumpften Material verkapselt ist.

11. Transponder nach Anspruch 10, wobei der Transponder zuerst in einer Glaskapsel und danach in dem wärmegeschrumpften Material verkapselt wird.

12. Transponder nach Anspruch 10 oder Anspruch 11, wobei das wärmegeschrumpfte Material vor der Aufbringung zur Verkapselung des Transponders in der Form eines hohlen Rohres vorliegt, welches an einem Ende geschlossen ist.

13. Transponder nach Anspruch 12, wobei das Rohr einen thermischen Kunststoff aufweist, der bei Aufbringung von Wärme auf das Rohr unter Abdichtung des offenen Endes des Rohrs fließt.

Die Antragstellerinnen 1 und 2 haben mit Schriftsätzen vom 19. Juni 1997 bzw 30. Juni 1997 die Löschung des Streitgebrauchsmusters im Umfang seiner eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 9 beantragt. Die Löschungsverfahren sind verbunden worden.

Zur Begründung ihrer Auffassung, die Gegenstände der Schutzansprüche 1 bis 9 seien nicht neu bzw beruhten nicht auf einem erfinderischen Schritt, haben sich die Antragstellerinnen auf die folgenden vorveröffentlichten Druckschriften berufen:

D1) H.-J. Hacke: "Montage Integrierter Schaltungen", Springer-Verlag Berlin, 1987, S 108 bis 116 D2) "Solid State Technology", März 1980, S 71 bis 76 D3) "Thin Solid Films", Vol. 166, 1988, S 113 bis 120 D4) PCT-Offenlegungsschrift WO 87/04900 D5) schweizerische Offenlegungsschrift 669 079 D6) europäische Offenlegungsschrift 0 076 856 D7) US-Patentschrift 4 263 606 D8) US-Patentschrift 4 273 859 D9) D.Widmann et al: "Technologie hochintegrierter Schaltungen", Springer-Verlag Berlin, 1988, S 83 bis 86, D10) I. Ruge: "Halbleiter-Technologie", Springer-Verlag Berlin, 2. Auflage 1984, S 336 bis 341 D11) US-Patentschrift 4 507 852 D12) US-Patentschrift 4 695 926 D13) US-Patentschrift 4 262 632 D14) US-Patentschrift 4 992 794 Nach rechtzeitig eingelegtem Widerspruch der Antragsgegnerin hat die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluß vom 17. September 1998 das Gebrauchsmuster teilgelöscht.

Die Gebrauchsmusterabteilung hat ihre Entscheidung damit begründet, daß der Schutzanspruch 1 in der nach dem damaligen Hilfsantrag 2 verteidigten eingeschränkten Fassung zulässig sei, und daß sein Gegenstand gegenüber dem von den Antragstellerinnen entgegengehaltenen Stand der Technik neu sei und auf einem erfinderischen Schritt beruhe.

Gegen diesen Beschluß der Gebrauchsmusterabteilung haben sowohl die Antragstellerinnen 1 und 2 als auch die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt.

Die Antragsgegnerin verteidigt das Gebrauchsmuster mit den am 23. Juni 2000 eingereichten neuen Schutzansprüchen 1 bis 8, hilfsweise mit in der mündlichen Verhandlung überreichten Schutzansprüchen gemäß Hilfsanträgen 1, 2 und 3.

Die Schutzansprüche 1 bis 8 nach der in erster Linie verteidigten Fassung (Hauptantrag) haben folgenden Wortlaut:

1. Integrierte Schaltungsvorrichtung, die einen Teil eines verkapselten Miniaturtransponders bildet, der eine elektromagnetische Antenne (12) mit Anschlußdrähten (14, 16) aufweist, die direkt mit der integrierten Schaltungsvorrichtung verbunden sind, wobei die integrierte Schaltungsvorrichtung aufweist:

- ein Siliziumsubstrat (30), das einen Chip (20) bildet, in dessen einer Oberfläche eine integrierte Schaltung (42) gebildet ist und der eine Metallisierungsschicht (46) aufweist, die einen ersten Satz von Kontaktpads (44) bildet;

und - eine Isolationsschicht (34), die die Oberfläche des die Metallisierungsschicht (46) enthaltenden Chips (20) bedeckt und Öffnungen (50) darin aufweist, die die ersten Kontaktpads (44) freilegen;

dadurch gekennzeichnet, daß

- eine Vielzahl von zweiten Kontaktpads (22, 24) aus Gold oder Kupfer vorgesehen ist, die über den ersten Kontaktpads (44) angeordnet sind und die ersten Kontaktpads (44) durch die Öffnungen (50) hindurch kontaktieren, und die vergrößert sind, so daß sie auch auf der Isolationsschicht (34) und über der integrierten Schaltung (42) angeordnet sind; und - die Anschlußdrähte (14, 16) der Antenne (12) Kupferdrähte sind und auf die zweiten Kontaktpads (22, 24) bondiert sind.

2. Integrierte Schaltungsvorrichtung nach Anspruch 1, wobei die Isolationsschicht (34) eine Dicke von über 1 µm (10.000 Angström) hat.

3. Integrierte Schaltungsvorrichtung nach Anspruch 2, wobei die Dicke der zweiten Pads (22, 24) über 20 10-3 mm (20 Micron) liegt.

4. Integrierte Schaltungsvorrichtung nach Anspruch 3, wobei die integrierte Schaltungsvorrichtung die Signalerzeugungsschaltkreise des Transponders bildet.

5. Integrierte Schaltungsvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 - 4, weiterhin mit einer Verkapselungseinrichtung, die den Chip (20) und die Antenne (12) gemeinsam verkapselt unter Ausbildung des Transponders.

6. Integrierte Schaltungsvorrichtung nach Anspruch 5, wobei die Verkapselungseinrichtung ein wärmeschrumpfendes Kunststoffmaterial aufweist.

7. Integrierte Schaltungsvorrichtung nach Anspruch 6, wobei das Kunststoffmaterial inert und geeignet zur Verwendung in einem lebenden Körper ist.

8. Integrierte Schaltungsvorrichtung nach Anspruch 7, wobei die Verkapselungseinrichtung eine Glaskapsel aufweist, um die das wärmeschrumpfende Kunststoffmaterial geformt ist.

Der Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 lautet:

Integrierte Schaltungsvorrichtung, die einen Teil eines verkapselten Miniaturtransponders bildet, der eine elektromagnetische Antenne (10, 12) mit einem gewickelten Draht (12) aufweist, dessen Enden [mit] Anschlußdrähten[n] (14, 16) bilden [aufweist], die direkt mit der integrierten Schaltungsvorrichtung verbunden sind, wobei die integrierte Schaltungsvorrichtung aufweist:

- ein Siliziumsubstrat (30), das einen Chip (20) bildet, in dessen einer Oberfläche eine integrierte Schaltung (42) gebildet ist und der eine Metallisierungsschicht (46) aufweist, die einen ersten Satz von Kontaktpads (44) bildet; und - eine Isolationsschicht (34), die die Oberfläche des die Metallisierungsschicht (46) enthaltenden Chips (20) bedeckt und Öffnungen (50) darin aufweist, die die ersten Kontaktpads (44) freilegen;

dadurch gekennzeichnet, daß

- eine Vielzahl von zweiten Kontaktpads (22, 24) aus Gold oder Kupfer vorgesehen ist, die über den ersten Kontaktpads (44) angeordnet sind und die ersten Kontaktpads (44) durch die Öffnungen (50) hindurch kontaktieren, und die vergrößert sind, so daß sie auch auf der Isolationsschicht (34) und über der integrierten Schaltung (42) angeordnet sind; und - der Draht (12) [die Anschlußdrähte (14, 16)] Kupferdraht[ähte] ist [sind] und die Anschlußdrähte (14, 16) auf die zweiten Kontaktpads (22, 24) bondiert sind.

Der Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 entspricht demjenigen nach Hauptantrag mit der Maßgabe, daß im letzten Merkmal vor den Worten "auf die zweiten Kontaktpads (22, 24) bondiert sind", die Angabe "im Thermokompressionsverfahren" zu ergänzen ist.

Der Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 lautet:

Integrierte Schaltungsvorrichtung, die einen Teil eines verkapselten Miniaturtransponders bildet, der eine elektromagnetische Antenne (10, 12) mit einem gewickelten Draht (12) aufweist, dessen Enden [mit] Anschlußdrähte[n] (14, 16) bilden [aufweist], die direkt mit der integrierten Schaltungsvorrichtung verbunden sind, wobei die integrierte Schaltungsvorrichtung aufweist:

- ein Siliziumsubstrat (30), das einen Chip (20) bildet, in dessen einer Oberfläche eine integrierte Schaltung (42) gebildet ist und der eine Metallisierungsschicht (46) aufweist, die einen ersten Satz von Kontaktpads (44) bildet; und - eine Isolationsschicht (34), die die Oberfläche des die Metallisierungsschicht (46) enthaltenden Chips (20) bedeckt und Öffnungen (50) darin aufweist, die die ersten Kontaktpads (44) freilegen;

dadurch gekennzeichnet, daß

- eine Vielzahl von zweiten Kontaktpads (22, 24) aus Gold oder Kupfer vorgesehen ist, die über den ersten Kontaktpads (44) angeordnet sind und die ersten Kontaktpads (44) durch die Öffnungen (50) hindurch kontaktieren, und die vergrößert sind, so daß sie auch auf der Isolationsschicht (34) und über der integrierten Schaltung (42) angeordnet sind; und - der Draht (12) [die Anschlußdrähte (14, 16)] der Antenne (10, 12) Kupferdraht[drähte] ist [sind] und die Anschlußdrähte (14, 16) im Thermokompressionsverfahren auf die zweiten Kontaktpads (22, 24) bondiert sind.

Die Unteransprüche 2 bis 8 nach Hilfsantrag 1, 2 und 3 stimmen mit denjenigen nach Hauptantrag überein.

Die Antragstellerinnen machen demgegenüber geltend, daß die verteidigten Schutzansprüche 1 nach Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 bis 3 gegenüber der ursprünglichen Offenbarung unzulässig erweitert seien, und daß die Gegenstände des Schutzanspruchs 1 nach Hauptantrag und Hilfsanträgen nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhten. Sie verweisen hierzu insbesondere auf die og Druckschriften D4 und D5 sowie auf die erstmals im Beschwerdeverfahren genannten Druckschriften D15) europäische Offenlegungsschrift 0 177 251 D16) deutsche Offenlegungsschrift 36 40 248.

Die Antragstellerinnen 1 und 2 beantragen übereinstimmenddie Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Löschung des Gebrauchsmusters im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 9, sowie im übrigen die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschungsanträge im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 8, eingegangen am 23. Juni 2000, hilfsweise im Umfang der in der mündlichen Verhandlung überreichten Schutzansprüche gemäß Hilfsantrag 1, 2 und 3 zurückzuweisen, im übrigen die Beschwerden der Antragstellerinnen zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin widerspricht dem Vorbringen der Antragstellerinnen. Sie ist der Auffassung, daß der verteidigte Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag und Hilfsanträgen 1, 2 und 3 zulässig sei und der im jeweiligen Schutzanspruch 1 umschriebene Gegenstand gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik neu sei und auf einem erfinderischen Schritt beruhe.

II.

Die Beschwerden der Beteiligten sind zulässig. Die Beschwerden der Antragstellerinnen 1 und 2 sind auch begründet. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist dagegen unbegründet. Soweit das Gebrauchsmuster hinsichtlich der angegriffenen Schutzansprüche 1 bis 9 nicht mehr verteidigt wird, ist der Löschungsantrag ohne weiteres aus § 17 Abs 1 Satz 2 GebrMG begründet. Aber auch im Umfang der zuletzt verteidigten Fassungen der Schutzansprüche 1 bis 8 nach Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 bis 3 ist der Löschungsantrag begründet. Denn insoweit ist der geltend gemachte Löschungsanspruch mangelnder Schutzfähigkeit aus § 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG gegeben.

1) Der Prüfung des Löschungsantrags ist das Gebrauchsmuster mit dem Altersrang der mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erfolgten europäischen Patentanmeldung 92 913 812.1, aus der die Abzweigung erklärt worden ist, zugrundezulegen.

2) Die verteidigten Schutzansprüche sind zulässig.

So stützt sich der geltende Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag inhaltlich auf die eingetragenen Schutzansprüche 1 und 5 iVm der die Ausführungsform gemäß Fig 2 und 3 betreffenden Beschreibung S 3 Abs 2 (hinsichtlich des Teilmerkmals, daß die zweiten Kontaktpads (22, 24) über den ersten Kontaktpads (44) angeordnet und so vergrößert sind, daß sie auch auf der Isolationsschicht (34) angeordnet sind) und S 6 Abs 2 (hinsichtlich der Teilmerkmale, daß die zweiten Kontaktpads (22, 24) aus Gold oder Kupfer so vergrößert sind, daß sie auch über der integrierten Schaltung (42) angeordnet sind, und daß die Anschlußdrähte (14, 16) Kupferdrähte sind), vgl zur Zulässigkeit derartiger Beschränkungen für das Patentrecht: BGH Mitt 1996, 204, 206 - Spielfahrbahn mwN; BGH GRUR 1991, 307, 308 - Bodenwalze mwN. Die weiteren Merkmale des verteidigten Schutzanspruchs 1 nach Hilfsanträgen 1 bis 3, nämlich hinsichtlich der Antenne mit einem gewickelten Kupferdraht sowie hinsichtlich der Bondierung der Anschlußdrähte im Thermokompressionsverfahren sind in der Beschreibung S 4 letzter Absatz Satz 1 iVm S 6 Abs 2 als zur Erfindung gehörend offenbart.

Die nach Hauptantrag und Hilfsanträgen verteidigten gleichlautenden Schutzansprüche 2 bis 8 entsprechen den eingetragenen Schutzansprüchen 2 bis 4 und 6 bis 9 (in dieser Reihenfolge), wobei im Schutzanspruch 2 lediglich ein offensichtlicher Umrechnungsfehler berichtigt worden ist. Die verteidigten Schutzansprüche 2 bis 8 liegen daher ebenfalls im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung.

3) Das Streitgebrauchsmuster geht nach den Angaben der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung und im Schriftsatz vom 28. April 1999 (S 4 Abschn 3.1) bzw vom 21. Juni 2000 (S 7 Abs 2) im jeweiligen Oberbegriff des verteidigten Schutzanspruchs 1 nach Hauptantrag und Hilfsanträgen von einem Stand der Technik aus, wie er aus der og PCT-Offenlegungsschrift WO 87/04900 (D4) bekannt geworden ist.

Aus dieser Druckschrift ist ein verkapselter Miniaturtransponder (32) - dh eine elektromagnetische Sende- und Erfassungsvorrichtung zur kontaktlosen Identifizierung von Objekten, zB zum Implantieren in lebende Tiere - bekannt, der innerhalb der Verkapselung (encapsulation glass member 50) eine integrierte Schaltungsvorrichtung (integrated circuit chip 54) und eine mit dieser direkt verbundene elektromagnetische Antenne aus einem gewickeltem Draht, nach dem Ausführungsbeispiel Aluminiumdraht, aufweist (coil 52, preferred interrogation frequency of 400 kHz, two leads 56), vgl dort insbesondere Fig 4 bis 7 mit zugehöriger Beschreibung S 14 Abs 2 bis S 16 Abs 2 sowie die dortigen Ansprüche 1 und 9.

Der in der gattungsbildenden Druckschrift D4 genannten speziellen Anwendung für Tiere entsprechend, hat der bekannte Miniaturtransponder eine Länge von nur etwa 10 mm (0,400 inch) und einen Außendurchmesser von etwa 2 mm (0,080 inch), wobei die integrierte Schaltungsvorrichtung (chip 54), an deren beiden Kontaktpads (ohne Bezugszeichen) die dünnen Anschlußdrähte (56) der gewickelten Antenne (Drahtdurchmesser 25 µm) direkt kontaktiert sind, als Teil des verkapselten Miniaturtransponders lediglich eine Querschnittsfläche von etwa 1 mm x 1 mm (0,045 inch square) aufweist.

Als nachteilig wird angesehen, daß bei diesem bekannten Miniaturtransponder insbesondere aufgrund der geringen Größe der (Standard-)Kontaktpads, an denen die Antennen-Anschlußdrähte (56) kontaktiert sind, eine automatisierte Herstellung nicht möglich sei.

Mit dem Gegenstand des Schutzanspruchs 1 soll daher die Aufgabe gelöst werden, eine integrierte Schaltungsvorrichtung als Teil eines verkapselten Miniaturtransponders anzugeben, die eine automatisierte und damit kostengünstige Herstellung des Transponders gestattet, wobei der Transponder sehr klein ausgebildet sein soll.

Die Antragsgegnerin macht geltend, daß insbesondere dadurch, daß beim Gebrauchsmustergegenstand die Anschlußdrähte der Antenne auf - gegenüber den Standard-Kontaktpads (erste Kontaktpads) beim Stand der Technik - vergrößerten, zweiten Kontaktpads bondiert sind, eine automatisierte und damit kostengünstige Herstellung ermöglicht wird.

4) Die Gegenstände der verteidigten Schutzansprüche 1 nach Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 bis 3 sind zwar gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik unbestritten neu. Sie beruhen diesem gegenüber jedoch nicht auf einem erfinderischen Schritt (GebrMG § 1 Abs 1); denn sie ergeben sich für den Fachmann, vorliegend einem mit dem Aufbau und der Anschluß-Kontaktierung von integrierten Schaltungsvorrichtungen für Transponder ("Transponder- IC's") vertrauten berufserfahrenen Diplom-Physiker oder Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik/Halbleitertechnik mit Universitätsabschluß, unter Berücksichtigung des maßgeblichen Standes der Technik nach den Druckschriften D4, D5 und D15 im Rahmen seines routinemäßigen Handelns.

a) Hauptantrag Eine integrierte Schaltungsvorrichtung mit den Merkmalen gemäß dem Oberbegriff des in erster Linie verteidigten Schutzanspruchs 1 ist - wie vorstehend dargelegt und wie auch die Antragsgegnerin bestätigt hat - aus der PCT-Offenlegungsschrift WO 87/04900 (D4) bekannt. Soweit dort das Siliziumsubstrat und die die Chip-Oberfläche bedeckende Isolationsschicht nicht ausdrücklich erwähnt sind, handelt es sich im Hinblick auf den dort verwendeten CMOS (= Complementary-Metal-Oxide Semiconductor)-Chip (S 7 letzter Absatz Z 8 bis 10 in D4) um vom Fachmann mitgelesene Merkmale des bekannten Transponder-IC's (BGH GRUR 1995, 330 - Elektrische Steckverbindung).

Da in dieser gattungsbildenden Druckschrift D4 hinsichtlich der Kontaktierung der Antennen-Anschlußdrähte mit Kontaktpads des CMOS-Chips keine näheren Einzelheiten offenbart sind, wird der Fachmann bei der Suche nach geeigneten Lösungen auch die das Kontaktieren eines MOS-IC-Chips mit Anschlußdrähten betreffende europäische Offenlegungsschrift 0 177 251 (D15) in Betracht ziehen.

Aus dieser Druckschrift D15 ist eine integrierte Schaltungsvorrichtung (MOS-IC-11, 12) bekannt, die üblicherweise - entsprechend den gegenständlichen Merkmalen des kennzeichnenden Teils des Schutzanspruchs 1 - eine Vielzahl von zweiten Kontaktpads (bonding pad metal 16') aufweist, die zum einen über den ersten Kontaktpads (wiring metal 15') angeordnet sind und die ersten Kontaktpads (15') durch Öffnungen der Isolationsschicht (second insulating layer 14) hindurch kontaktieren ("contact portion"), sie sind zum anderen vergrößert, so daß sie auch auf der Isolationsschicht (14) und über der integrierten Schaltung (diffusion region 12) angeordnet sind, wobei die Anschlußdrähte (fine wire 17') auf die zweiten Kontaktpads (16') bondiert sind ("bonding portion"), vgl dort insbesondere Fig 3 mit zugehöriger Beschreibung S 8 Abs 2 bis S 9 Abs 1 iVm S 5 Z 4 sowie die dortigen Ansprüche 1 und 5.

Die in Druckschrift D15 genannten Vorteile der Anschlußdraht-Bondierung bei dieser bekannten integrierten Schaltungsvorrichtung mit vergrößerten Bondpads, nämlich die Schaffung einer verläßlichen Bondpad-Struktur (reliable bonding pad structure), mit der ein Eindringen von Feuchtigkeit verhindert und die elektrischen Eigenschaften der IC-Vorrichtung durch den Bondprozeß (bonding stress) nicht beeinträchtigt werden (S 2 letzter Absatz bis S 3 Abs 1 iVm S 7 letzter Absatz bis S 8 Abs 1), sind für den Fachmann hinreichender Anlaß, diese bekannte und bewährte Kontaktierungstechnik auch zur direkten Verbindung der Anschlußdrähte der Antenne nach D4 vorzusehen. Darüber hinaus erkennt der Fachmann ohne weiteres, daß aufgrund der vergrößerten Bondpads ein automatisiertes Bonden mit Anschlußdrähten möglich ist, zumal in der D15 auch bereits darauf hingewiesen wird, daß das andere Ende des Bonddrahtes direkt mit anderen Schaltungselementen - bei einem Transponder-IC ist die Antennen-Spule notwendiges Element der elektrischen Schaltung - verbunden werden kann, vgl dort S 7 Z 12 bis 17.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin (Schriftsatz vom 21. Juni 2000 S 13 und 14) ist diese bekannte Bondverbindung (16', 17') gemäß D15 weder auf den lediglich im Ausführungsbeispiel genannten Golddraht (17') als Bonddraht noch auf Aluminium als Material der vergrößerten Bondpads (16') beschränkt. Denn nach dem durch die dortigen Ansprüche 1 und 5 festgelegten umfassenderen Offenbarungsgehalt dieses Standes der Technik ist sowohl das Material des Bonddrahtes (conductive wire being bonded) als auch das der vergrößerten Bondpads (bonding portion of second metal layer) offengelassen (vgl BPatG BlPMZ 1989, 360, 361 - Kernreaktorbrennelement).

Eine Anregung für die im verteidigten Schutzanspruch 1 angegebene Materialpaarung für die Bondverbindung, nämlich Kupferdrähte als Antennen-Anschlußdrähte, die mit den vergrößerten zweiten Kontaktpads aus Kupfer oder Gold bondiert sind, erhält der Fachmann aus der ebenfalls einen Miniaturtransponder betreffenden und daher einschlägigen schweizerischen Offenlegungsschrift 669 079 (D5). Denn in dieser Druckschrift sind die Vorteile der Verwendung einer Antenne (bobine 4) aus gewickeltem Kupferdraht (fil de cuivre) bei einem Miniaturtransponder gegenüber dem leicht brechenden, porösen Aluminiumdraht (extrême fragilite de l'aluminium) einerseits und das Thermokompressionsbonden (soude par thermocompression) des Kupferdrahts mit Kontaktflecken aus Gold oder Kupfer (deux pistes ou surfaces metallisees 11 en nickel, or ou cuivre) andererseits, ausdrücklich genannt, vgl die dortigen Ansprüche 4 und 5 iVm S 2 reSp Abs 2 und S 2 reSp Z 39/40 sowie die Zusammenfassung auf der Titelseite. Der Umstand, daß die Kupfer-Anschlußdrähte (9) nach dem dortigen Ausführungsbeispiel gemäß Fig 3 und 4 nicht direkt mit Kontaktflecken des Halbleiterchips (3), sondern mit Kontaktflecken (11) aus Gold oder Kupfer einer mit dem Halbleiterchip kontaktierten gedruckten Leiterplatte (circuit imprime 10) bondiert sind, spielt bei der Auswahl einer für die Bondverbindung geeigneten Materialpaarung ersichtlich keine Rolle. Vielmehr liegt es im Griffbereich des Fachmanns, diese speziell für Transponder bekannte vorteilhafte Materialpaarung für die Bondverbindung zwischen dem Kupferdraht der Antenne und den Kontaktpads aus Gold oder Kupfer auch bei der direkten Kontaktierung der Antennen-Anschlußdrähte mit dem Halbleiterchip nach dem Vorbild der gattungsbildenden D4 unter Ausbildung vergrößerter zweiter Kontaktpads gemäß D15 vorzusehen.

Der von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemachte wirtschaftliche Erfolg mit den anmeldungsgemäßen, in großer Stückzahl vertriebenen Miniaturtranspondern rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn der wirtschaftliche Erfolg beruht vorliegend nicht so sehr auf technischen Ursachen, sondern erklärt sich vielmehr durch das mehr wirtschaftliche Verdienst des Erkennens einer günstigen Marktlage für Miniaturtransponder seit Anfang der 90er-Jahre und Entwickelns einer dementsprechend für größere Stückzahlen geeigneten, kostengünstigeren Lösung durch Automatisierung, die das routinemäßige Können des Fachmanns nicht übersteigt (vgl BGH GRUR 1987, 351, 353 reSp - Mauerkasten II; BGH GRUR 1994, 36, 38 reSp - Meßventil; Busse, PatG 5. Aufl, § 4 PatG, Rdn 183 bis 185 mwN).

b) Hilfsanträge 1, 2 und 3 Die Schutzansprüche 1 nach Hilfsantrag 1, 2 und 3 enthalten gegenüber dem Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag die unterstrichenen Ergänzungen. Diese demnach in den Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag zusätzlich aufgenommenen Merkmale, nämlich eine Antenne aus dem gewickelten Kupferdraht und/oder das Bonden der Antennen-Anschlußdrähte im Thermokompressionsverfahren fügen diesem nichts Erfinderisches hinzu. Denn eine Antenne aus einem gewickeltem Kupferdraht und das Bonden der Antennen-Anschlußdrähte im Thermokompressionsverfahren sind - wie dargelegt - bereits bei dem bekannten Miniaturtransponder nach der Druckschrift D5 verwirklicht.

c) Die auf den Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 bis 3 jeweils rückbezogenen, gleichlautenden Schutzansprüche 2 bis 8 teilen als echte Unteransprüche das Schicksal der Hauptansprüche. Die Überprüfung dieser Unteransprüche hat keinen eigenständigen erfinderischen Gehalt dieser Unteransprüche ergeben, was auch die Antragsgegnerin im übrigen nicht geltend gemacht hat.

5) Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs 3 Satz 2 GebrMG iVm § 84 Abs 2 Satz 1 und 2 PatG, § 91 Abs 1 Satz 1 § 97 ZPO. Es ist nicht ersichtlich, daß die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert.

Goebel Dr. Meinel Lokys Pr






BPatG:
Beschluss v. 20.09.2000
Az: 5 W (pat) 410/99


Link zum Urteil:
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