Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Januar 2004
Aktenzeichen: 26 W (pat) 210/02
(BPatG: Beschluss v. 14.01.2004, Az.: 26 W (pat) 210/02)
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Juli 2002 dahingehend abgeändert, daß die Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke 2 101 681 angeordnet wird.
Gründe
I.
Gegen die für die Waren
"Wasser, versetzt mit Sauerstoff und/oder Kohlensäure"
unter der Nummer 399 38 060 eingetragene Wortmarke ISIS ist (u.a.) Widerspruch eingelegt worden aus der Wortmarke 2 101 681 ISIS, die für die Waren
"Säfte und Nektare aus Früchten, Gemüse und Getreide"
eingetragen ist.
Die Markenstelle für Klasse 32 hat diesen Widerspruch zurückgewiesen. Es bestehe keine Warenähnlichkeit und damit insgesamt auch keine Verwechslungsgefahr. Fruchtsäfte und Mineralwässer seien unähnlich. An dieser Beurteilung ändere sich auch nichts durch den Umstand, daß "kohlensäurehaltige Wässer" mit "Fruchtsaftgetränken, Limonaden" im Ähnlichkeitsbereich lägen, denn diese seien - im Gegensatz zu Frucht- und Gemüsesäften - in der Regel mit Kohlensäure versetzt und hätten deshalb hinsichtlich ihrer stofflichen Zusammensetzung enge Berührungspunkte.
Hiergegen wendet sich die aus der Marke 2 101 681 Widersprechende mit der Beschwerde. Angesichts der Identität der Marken sei entscheidend, ob zwischen den betreffenden Erzeugnissen so enge Beziehungen bestünden, daß sich den Abnehmern, wenn sie an den Waren dasselbe Zeichen angebracht sähen, der Schluß aufdränge, daß diese Waren vom selben Unternehmen stammten. Diese Voraussetzungen lägen entgegen der Auffassung der Markenstelle vor. Die Waren stimmten in ihrer stofflichen Beschaffenheit als Getränke überein. Sie würden in den gleichen Verkaufsstätten in unmittelbarer Nähe angeboten, häufig miteinander gemischt und stünden im Kühlschrank nebeneinander. Demgemäß beantragt die Widersprechende, den angegriffenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Der Markeninhaber hat sich im Verfahren vor dem Bundespatentgericht nicht geäußert.
II.
Die gemäß § 165 Abs 4, § 66 Abs 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde hat Erfolg, weil eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen ist.
Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl/Puma). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Insbesondere kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/ TISSERAND).
Da die Marken übereinstimmen und der Widerspruchsmarke ohne weiteres jedenfalls eine mittlere Kennzeichnungskraft zuzubilligen ist, kommt es für die Beurteilung einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr auf die Ähnlichkeit der zu vergleichenden Waren an. Eine Gefahr markenrechtlicher Verwechslungen kann jedoch nur bei Warenunähnlichkeit verneint werden, die hier entgegen der Auffassung der Markenstelle nicht vorliegt.
Dabei ist bei der jüngeren Marke von dem eingetragenen Warenverzeichnis, also "Wasser, versetzt mit Sauerstoff und/oder Kohlensäure", auszugehen. Ob dieses Wasser mittels Tabletten oder einem Apparat produziert und direkt vom Hersteller bezogen oder vom Verbraucher selbst hergestellt wird, muß angesichts der eindeutigen Formulierung des Warenverzeichnisses bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit außer Betracht bleiben. Diese Waren sind aber unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung den Waren der Widerspruchsmarke jedenfalls nicht völlig unähnlich.
Eine Ähnlichkeit von Waren liegt vor, wenn sie in Berücksichtigung aller erheblicher Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen - insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe - , so enge Berührungspunkte aufweisen, daß die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder ggf wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie mit identischen Marken gekennzeichnet sind (BGH GRUR 1999, 245 - LIBERO; 1999, 496 - TIFFANY; 2001, 507 - EVIAN/REVIAN). Damit ist zwischen den vorliegenden Waren eine Ähnlichkeit zu bejahen. Diese entsprechen einander in ihrer stofflichen Beschaffenheit sowie ihrer Vertriebsart. Der Verwendungszweck und die Nutzung als (durststillende) Getränke stimmen überein, denn sie werden regelmäßig sowohl zu den Mahlzeiten wie auch dazwischen konsumiert. Zudem ergänzen diese Waren einander, denn sie werden miteinander gemischt, um einerseits dem Wasser etwas Geschmack zu verleihen und andererseits die oft etwas intensiven Säfte und Nektare zu verdünnen.
In diesem Zusammenhang sei auch verwiesen auf die Rechtsprechung des BGH, wonach Wein und Mineralwasser ähnlich sind (BGH aaO - EVIAN/REVIAN), aber auch des HABM zur Ähnlichkeit von alkoholfreien Getränken und Bier (GRUR-RR 2002, 104 - Mystery/Mixery) und Mineralwasser und Sekt (MarkenR 2002, 448 - Linderhof/Lindenhof). Die hier unter anderem mit dem Hinweis auf einander ergänzende Waren getroffenen Feststellungen zur Ähnlichkeit können ohne weiteres erst recht auf die vorliegend zu beurteilenden Waren angewandt werden, da diese sich, wie oben ausgeführt, noch deutlich näher stehen (vgl auch Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl, 2002, S 195: Kohlensäurehaltige Wässer = alkoholfreien Getränken, nämlich Fruchtsaftgetränken; Kohlensaures Wasser = Limonaden; S 143: Fruchtsäfte = alkoholfreie Getränke, Ähnlichkeit mittleren Grades sogar mit alkoholischen Getränken wegen wirtschaftlicher Gemeinsamkeiten).
Dabei kommt es im vorliegenden Fall angesichts der vollständigen Übereinstimmungen der Marken nicht auf den Grad der Ähnlichkeit der Vergleichswaren an. Ausreichend war die Feststellung, daß Ähnlichkeit als solche besteht.
Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen (§ 71 Abs 1 S 1 MarkenG) bestand keine Veranlassung.
Albert Reker Eder Bb
BPatG:
Beschluss v. 14.01.2004
Az: 26 W (pat) 210/02
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