Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Januar 2003
Aktenzeichen: 23 W (pat) 8/01

(BPatG: Beschluss v. 21.01.2003, Az.: 23 W (pat) 8/01)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelder wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Prüfungsstelle für Klasse H 05 K - vom 30. Oktober 2000 aufgehoben.

Die Sache wird auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Ansprüche 1 bis 9 zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung ist unter der Bezeichnung "Verfahren zur Herstellung einer gedruckten Schaltung" am 3. September 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden.

Mit Beschluß vom 30. Oktober 2000 hat die Prüfungsstelle für Klasse H 05 K des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung zurückgewiesen. Sie hat ihre Entscheidung damit begründet, dass das Verfahren nach dem damals geltenden, mit Schriftsatz vom 6. September 2000 eingereichten Patentanspruch 1 im Hinblick auf den Stand der Technik nach dem deutschen Gebrauchsmuster 299 05 472 und der europäischen Patentschrift 0 026 211 sowie unter Berücksichtigung des allgemeinen Wissens und Könnens des zuständigen Fachmannes nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Gegen diesen Zurückweisungsbeschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelder.

Im Beschwerdeverfahren haben die Anmelder zunächst mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2000 neue Patentansprüche 1 bis 9 eingereicht und die Patentfähigkeit des auf die Verwendung eines "Zwei-Komponenten-Toners" bei einem Verfahren zur Herstellung einer gedruckten elektrischen Schaltung oder einer Hybridschaltung gestützten Patentbegehrens damit begründet, dass die genannten Entgegenhaltungen, einschließlich der im Prüfungsverfahren noch ermittelten japanischen Offenlegungsschriften 59-168463 und 4-346359, von "Ein-Komponenten-Tonern" ausgehen und das Drucken von elektrischen Bauelementen mit den bekannten Verfahren nicht möglich sei.

Mit Zwischenverfügung vom 23. Dezember 2002 hat der Senat zum relevanten Stand der Technik das Fachlexikon "Ullmann«s Encyclopedia of Industrial Chemistry, 5. Auflage, Band A 13, VCH Verlagsgesellschaft Weinheim, 1989, Seiten 574 bis 581, sowie die japanischen Offenlegungsschriften 11-193402 und 11-177213, letztere jeweils mit englischsprachigem Abstract und englischsprachiger Computerübersetzung des JPO, genannt.

Im Hinblick auf den letztgenannten Stand der Technik haben die Anmelder in der mündlichen Verhandlung nach Erörterung der Sach- und Rechtslage zuletzt neue Patentansprüche 1 bis 9 vorgelegt und die Auffassung vertreten, dass das nunmehr auf den Einsatz einer speziellen Prüf- und Steuereinrichtung zur Korrektur des Druckbildes gestützte Verfahren zur Herstellung einer gedruckten elektrischen Schaltung oder einer Hybridschaltung durch den nachgewiesenen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen sei. Sie machen insbesondere geltend, dass aus keiner der entgegengehaltenen Druckschriften ein Hinweis oder eine Anregung für die erfindungswesentliche Merkmalskombination entnehmbar sei, nämlich die gedruckte oder teilgedruckte Schaltung mittels einer Prüfvorrichtung zu vermessen, die ermittelten Messdaten einem Soll-Ist-Vergleich zu unterziehen, und bei Vorliegen einer aus dem Soll-Ist-Vergleich hervorgehenden Differenz mittels einer Steuereinrichtung das elektrostatische oder elektrografische Druckbild zu korrigieren, um auf diese Weise eine Qualitätskontrolle der Schaltung durchzuführen und hierbei direkt in den Fertigungsablauf eingreifen zu können (ursprüngliche Beschreibung S 4 leAbs bis S 5 Abs 1).

Die Anmelder beantragen, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 9 und der noch anzupassenden Beschreibung zu erteilen.

Die geltenden Patentansprüche 1 bis 9 haben folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zur Herstellung einer gedruckten elektrischen Schaltung oder einer Hybridschaltung, wobei auf ein Substrat ein Druckmittel aufgedruckt wird, das Partikel mit elektrischer Leitfähigkeit, ferromagnetischen, piezoelektrischen, dielektrischen, elektrochromen und/oder elektrolumineszenten Eigenschaften aufweist, und das Druckmittel in Form eines Toners auf elektrografischem oder elektrostatischem Wege auf das Substrat aufgedruckt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die gedruckte oder teilgedruckte Schaltung mittels einer Prüfvorrichtung vermessen wird, dass die ermittelten Messdaten einem Soll-Ist-Vergleich unterzogen werden, und dass bei Vorliegen einer aus dem Soll-Ist-Vergleich hervorgehenden Differenz eine Steuereinrichtung das elektrostatische oder elektrografische Druckbild korrigiert.

2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Toner mittels einer Korona, die auf der der Druckfläche des Substrats abgewandten Substratseite angeordnet ist, auf die Druckfläche angebracht wird.

3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der auf dem Substrat aufgebrachte Toner unter Temperatureinwirkung fixiert wird.

4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass in zwei oder mehreren aufeinanderfolgenden Druckschritten unterschiedliche Toner auf das Substrat zur Erzeugung unterschiedlicher elektrischer Bauteile aufgebracht werden.

5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass das Substrat eine gedruckte Teil-Schaltung aufweist, die mit dem Toner in einem oder mehreren elektrografischen oder elektrostatischen Druckschritten ergänzt wird.

6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass der Toner Ladungssteuerungsteilchen und Trägersubstanzen aufweist.

7. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Trägersubstanzen Haftvermittlungsstoffe, organische und/oder anorganische Flussmittel aufweisen.

8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass ein als Zwei-Komponenten-Toner ausgebildeter Toner verwendet wird.

9. Verfahren nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass für die Partikel des Toners B2O3-, Bi2O3- oder TiO2-Keramiken zur Bildung von Kondensatoren oder Cermet-Keramik zur Bildung von Widerständen oder ferritische Pulver zur Bildung von Induktivitäten oder kolloidales Platin, Silber oder Gold zur Bildung temperaturstabiler Leiterbahnen verwendet werden."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelder ist nur insoweit begründet, als der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache mit den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten neugefassten Patentansprüchen 1 bis 9 zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen ist, weil das wesentlich geänderte Patentbegehren noch nicht ausreichend geprüft ist (§ 79 Abs 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 PatG).

1.) Sämtliche Patentansprüche sind zulässig.

So stützt sich der geltende Patentanspruch 1 inhaltlich auf die ursprünglichen Ansprüche 1 und 6. Die geltenden Patentansprüche 2 bis 9 entsprechen in ihrem technischen Inhalt den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 5 und 7 bis 10 (in dieser Reihenfolge).

2.a) Da das Patenbegehren im Beschwerdeverfahren wesentlich geändert worden ist und nunmehr auf den Einsatz einer Prüf- und Steuereinrichtung zur Korrektur des elektrostatischen oder elektrografischen Druckbildes gestützt wird, ist der dem angefochtenen Beschluss zugrundeliegende Zurückweisungsgrund der mangelnden Patentfähigkeit gegenüber dem Stand der Technik nach dem deutschen Gebrauchsmuster 299 05 472 und der europäischen Patentschrift 0 026 211 entfallen, weil bei diesem Stand der Technik, ebenso wie im übrigen auch bei den im Prüfungsverfahren noch ermittelten japanischen Offenlegungsschriften 59-168463 und 4-346359, jegliches Vorbild zur Korrektur des elektrostatischen oder elektrografischen Druckbildes mittels einer Prüf- und Steuereinrichtung fehlt.

Aus den im Beschwerdeverfahren erstmals genannten japanischen Offenlegungsschriften 11-193402 und 11-177213 sind zwar gattungsgemäße Verfahren zur Herstellung einer gedruckten elektrischen Schaltung oder einer Hybridschaltung bekannt, wobei aus ersterer auch bereits die Verwendung eines Zwei-Komponenten-Toners (twocomponents development method) bekannt ist, und gemäß letzterer zur Herstellung einer gedruckten elektrischen Schaltung in zwei oder mehreren aufeinanderfolgenden Druckschritten unterschiedliche Toner auf das Substrat zur Erzeugung der Leiterbahnen einerseits sowie unterschiedlicher elektrischer Bauteile, wie Widerstände (40 - Fig. 4 (1)) oder Kondensatoren (50 - Fig. 4 (2)) andererseits, aufgebracht werden, vgl in der erstgenannten Druckschrift das englischsprachige Abstract sowie die englischsprachige Computerübersetzung iVm Fig. 1 bzw in der letztgenannten Druckschrift die Figuren 1 bis 4 nebst zugehöriger Computerübersetzung, insbesondere S 7 vorle Abs bis S 8 le Abs. Jedoch geben auch diese beiden letztgenannten Druckschriften keinen Anhalt für eine Vermessung der gedruckten oder teilgedruckten Schaltung und zur Korrektur des elektrostatischen oder elektrografischen Druckbildes durch Soll-Ist-Vergleich in einer Steuereinrichtung, wie dies der Lehre im kennzeichnenden Teil des neugefassten Patentanspruchs 1 entspricht.

Aus dem og Fachlexikon "Ullmann«s..." sind zwar die Grundlagen elektrografischer und elektrostatischer Druckverfahren (Xerographie), einschließlich der diesbezüglichen einschlägigen Fachbegriffe (Zwei-Komponenten-Toner bzw Ein-Komponenten-Toner) bekannt, vgl dort insbesondere Fig. 7 nebst zugehöriger Beschreibung auf S 579 Abschnitt "Magnetic Brush Development" sowie den Abschnitt "Development Materials" auf S 578/579; jedoch fehlt jeglicher Hinweis auf die Anwendung der Xerographie zur Herstellung gedruckter elektrischer Schaltungen oder Hybridschaltungen.

b) Die vorliegende Sache ist jedoch noch nicht entscheidungsreif. Soweit die Prüfungsstelle in ihrem Prüfungsbescheid vom 5. Mai 2000 zu den - nunmehr in den geltenden Anspruch 1 aufgenommenen - Merkmalen des ursprünglichen Anspruchs 6 lediglich pauschal ausgeführt hat, dass diese "über rein handwerkliches Tun ersichtlich nicht hinausgehen", kann eine derartige bloße Behauptung über das angebliche Können des Fachmanns ohne jeglichen nachprüfbaren Stand der Technik keine Basis für eine sachgerechte Entscheidung sein, vgl hierzu GRUR 1990, 111 - "Transportsicherung". Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es im vorliegenden Fall, bei dem die Erfindung zwei unterschiedliche technische Fachgebiete (Xerographie und gedruckte elektrische Schaltungen) berührt, nicht genügt, das fachmännische Handeln des zuständigen Durchschnittsfachmanns, vorliegend eines mit der Herstellung von gedruckten elektrischen Schaltungen befassten, berufserfahrenen Diplomphysikers oder Diplomingenieurs der Fachrichtung Elektrotechnik mit Fachhochschulabschluß, der Kenntnisse auf dem Gebiet der Xerographie besitzt oder einen diesbezüglichen Fachmann zu Rate zieht, allein aus der Sicht eines Fachgebietes zu prüfen; vielmehr ist das fachmännische Handeln im Hinblick auf die aus beiden Fachgebieten gestellten Anforderungen zu beurteilen (in Fortführung von BPatG BlPMZ 1989, 359).

Nachdem in der vorliegenden Sache nicht auszuschließen ist, dass ein einer Patenterteilung möglicherweise entgegenstehender Stand der Technik existiert und eine sachgerechte Entscheidung nur aufgrund einer vollständigen Recherche des relevanten druckschriftlichen Standes der Technik ergehen kann, wofür in erster Linie die Prüfungsstellen des Patentamts mit ihrem Prüfstoff und den ihnen zur Verfügung stehenden Recherchemöglichkeiten in Datenbanken berufen sind, ist die Sache im Rahmen der geltenden Patentansprüche 1 bis 9 an das Deutsche Patent- und Markenamt zur weiteren Prüfung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 79 Abs 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 PatG).

Dr. Beyer Dr. Meinel Martens Dr. Häußler Ko






BPatG:
Beschluss v. 21.01.2003
Az: 23 W (pat) 8/01


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