Oberlandesgericht Celle:
Urteil vom 5. September 2002
Aktenzeichen: 13 U 125/02

(OLG Celle: Urteil v. 05.09.2002, Az.: 13 U 125/02)

Tenor

Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Stade vom 5. April 2002 wird zurückgewiesen.

Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe

<Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tatbestand wurde vom Gericht nicht mitgeteilt.>

A.

Die Verfügungsklägerin (Klägerin) ist Kfz-Versicherer des DLRG-Landesverbands ... sowie der diesem angeschlossenen 7 rechtlich selbstständigen Bezirksverbände. Der Verfügungsbeklagte (Beklagte) ist Vorsitzender des DLRG-Verbands ... und Versicherungsvertreter für die LVM Versicherungen. Der Landesverband ... beschloss im September 2001, den Vertrag mit dem Versicherungsmakler ..., der bis dahin Versicherungsverträge zwischen den DLRG-Verbänden in ... und der Klägerin vermittelt hatte, aufzulösen und eine Zusammenarbeit mit dem Beklagten anzustreben. Im Einvernehmen mit dem Landesverband hatte der Beklagte die Bezirksverbände bereits unter dem 27. August 2001 ein besonderes Versicherungsangebot der LVM-Versicherungen für DLRG-Fahrzeuge informiert. Unter dem 23. November 2001 übersandte der Beklagte den Bezirksverbänden des DLRG in ... ein Schreiben, in dem es heißt:

"Ich wende mich heute an Sie, um Sie auf die Kündigungsmöglichkeit Ihrer Kfz-Anhänger- und Trailerversicherungen hinzuweisen.

Nach einem weiteren Gespräch mit dem LV ... ... wurde eine Zusammenarbeit zwischen der DLRG im Bereich ... und unserem Servicebüro vereinbart. Ich selbst bin seit vielen Jahren Vorsitzender der DLRG in ... und habe die Rahmenverträge mit dem DLRG-Präsidium vereinbart. Daher sehen die Kam. ... und Kam. ... mich als den richtigen Partner in Versicherungsfragen für die DLRG.

...

Weiterhin ist es wichtig, die Versicherungen Kfz und Anhänger bei einem Versicherungswechsel bis zum 30.11.2001 zu kündigen!

Ich habe Ihnen aus diesem Grund eine vorbereitete Kündigung beigefügt. Sollten Sie nicht bei der ...-Versicherung (Klägerin) Ihre Versicherungsverträge haben, so verwenden Sie bitte das Schreiben als Kündigungsvorlage.

..."

Diesem Schreiben war jeweils eine vorbereitete Kündigungserklärung beigefügt.

Die Klägerin hat geltend gemacht, das Verhalten des Beklagten stelle eine Form des unzulässigen Behinderungswettbewerbs dar. Durch die Verwendung vorformulierter Kündigungsschreiben bestehe die Gefahr, dass die Kunden das Für und Wider der Kündigung der mit der Klägerin bestehenden Versicherungen nicht mit der gebotenen Sorgfalt abwägten. Das Verhalten des Beklagten sei daher sittenwidrig i.S. des § 1 UWG. Außerdem habe der Beklagte gegen § 1 UWG in Verbindung mit Nr. 56 der Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft verstoßen, nach denen es unzulässig sei, vorgedruckte Kündigungsschreiben zu verwenden oder Versicherungsinteressenten vor Unterzeichnung vorzulegen.

Das Landgericht hat dem Beklagten auf Antrag der Klägerin durch Beschlussverfügung unter Androhung der üblichen Ordnungsmittel untersagt,

a) an die Klägerin gerichtete vorformulierte Kündigungsschreiben für Versicherungsnehmer zu erstellen und/oder zu verbreiten, wie Bl. 3, 4 d.A. abgebildet (Schreiben vom 23. November 2001 mit Kündigungsformular),

b) in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des DLRG ... und unter Hinweis darauf Bezirksverbänden des DLRG des Landesverbandes ... Versicherungen der LVM anzubieten.

Im Widerspruchsverfahren hat das Landgericht die Beschlussverfügung aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter.

B.

Die Berufung ist unbegründet.

I.

Das Landgericht hat beide Unterlassungsansprüche zu Recht verneint.

1. Verbot der Erstellung/Verbreitung der vorformulierten Kündigungsschreiben

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht der Klägerin nicht zu.

Das Abwerben von Kunden gehört zum Wesen des Wettbewerbs. Deshalb ist das Bestimmen zu ordnungsgemäßer Vertragsauflösung unter Beachtung der Kündigungsfristen wettbewerbsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Wettbewerbswidrig wird das Abwerben vertraglich an einen Mitbewerber gebundenen Kunden erst dann, wenn besondere Unlauterkeitsumstände hinzutreten (BGH, VersR 2002, 633, 634). Bei der Beurteilung eines Abwerbens als sittenwidrig i.S. des § 1 UWG kommt es auf eine umfassende Abwägung der Umstände des Einzelfalles an (zur Sittenwidrigkeit, wenn Kunden mit Hilfe vorgefertigter Kündigungsschreiben zu einer außerordentlichen Kündigung des mit dem Konkurrenten bestehenden Vertrages veranlasst werden: Senat, Urt. v. 13.9.2001 - 13 U 46/01).

Im Streitfall ist eine Prüfung der Umstände des Einzelfalls nicht deshalb entbehrlich, weil gemäß Nr. 56 der Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft die Verwendung vorgedruckter und sonst auf mechanischem Wege vervielfältigter Kündigungsschreiben bei der Werbung von Versicherungsverträgen unzulässig ist. Zum einen sind Versicherungsvertreter an die Wettbewerbsrichtlinien nicht ohne vertragliche Verpflichtung gebunden. Eine vertragliche Verpflichtung des Beklagten besteht im Verhältnis zur Klägerin nicht. Zum anderen handeln auch diejenigen Unternehmen und Personen, die an die Wettbewerbsrichtlinien gebunden sind, bei einem Verstoß gegen diese nicht allein schon deshalb rechtswidrig (Pieper, GR 1990, 643, 648). Die Wettbewerbsrichtlinien können allenfalls als Indiz dafür herangezogen werden, welches Wettbewerbsverhalten nach Auffassung der beteiligten Verkehrskreise als unlauter anzusehen ist. Dabei ist zu beachten, dass in den Richtlinien möglicherweise die Freiheit des Wettbewerbs in einem Umfang beschränkt wird, der wegen des Gebots der Lauterkeit des Wettbewerbs nicht erforderlich ist. Deshalb ist bei der Berücksichtigung von Wettbewerbsrichtlinien in der Wirtschaft stets zu prüfen, ob ein wettbewerbliches Verhalten bei Anlegung des Maßstabs des § 1 UWG auch vom Standpunkt der ebenfalls betroffenen Allgemeinheit als unlauter erscheint (BGH, NJW-RR 1991, 809, 810, VersR 2002, 633, 634).

Hier stellte die Überlassung der vorgefertigten Kündigungsschreiben an die 7 Bezirksverbände des DLRG Landesverbands ... jedenfalls kein Verhalten dar, das vom Standpunkt der Allgemeinheit aus unlauter erscheint. Der Beklagte hatte unstreitig mit dem Landesverband ... eine Zusammenarbeit vereinbart, mit der angestrebt war, die Fahrzeuge des Landesverbandes und der Bezirksverbände zukünftig bei der LVM-Versicherung zu versichern. Aufgrund der eidesstattlichen Versicherung des Vorstandsmitglieds des DLRG-Landesverbands ... ist es glaubhaft gemacht, dass der entsprechende Vorstandbeschluss des Landesverbands mit den Bezirksverbänden abgestimmt war. Im Rahmen der getroffenen Absprache übersandte der Beklagte den Bezirksverbänden zwei Werbeschreiben und die vorgefertigte Kündigungserklärung. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist nicht anzunehmen, dass die vorgefertigte Kündigungserklärung, die im Wesentlichen aus dem Satz "hiermit kündigen wir die bei Ihnen bestehende Versicherung zum 01.01.2002" bestand und im Hinblick auf die zu kündigenden Versicherungsverträge noch ergänzt werden musste, geeignet war, die Vorstandsmitglieder der Bezirksverbände zu einem unüberlegten Vertragsabschluss mit der LVM-Versicherung zu veranlassen oder ihre Entscheidungsfreiheit unzumutbar einzuengen.

2. Verbot, in der Eigenschaft als Vorsitzender des DLRG ... und unter Hinweis darauf Mitgliedern des DLRG-Landesverbandes ... LVM-Versicherungen anzubieten

Auch dieser Unterlassungsanspruch ist nicht gerechtfertigt.

Die Klägerin macht geltend, der Beklagte habe das Vertrauen, das er als Vorsitzender eines DLRG Ortsverbands bei anderen DLRG Mitgliedern genieße, missbraucht. Die angesprochenen DLRG Mitglieder vermuteten bei dem Rat des Beklagten, die Leistungen der LVN-Versicherungen in Anspruch zu nehmen, keine gewerbliche Motivation. Die Vertrauensausnutzung sei wettbewerbswidrig i.S. des § 1 UWG. Außerdem würden die DLRG Mitglieder, die annähmen aus selbstlosen Gründen beraten zu werden, irregeführt (§ 3 UWG).

Damit hat die Berufung keinen Erfolg.

Die beanstandete Werbung des Beklagten erfolgte unter dem Briefkopf der LVM Versicherungen sowie des "LVM-Servicebüro ... ". Schon deshalb konnte bei den DLRG Bezirksverbänden Irrtum darüber entstehen, dass der Beklagte sie in Ausübung seines Versicherungsgewerbes ansprach.

Die Aussagen im Werbeschreiben, dass der Beklagte seit vielen Jahren Vorsitzender der DLRG in ... sei, und das die "Kameraden" ... und ... ihn als den richtigen Partner in Versicherungsfragen für die DLRG ansähen, stellen auch keine wettbewerbswidrige Gefühls- oder Vertrauensausnutzung dar. Zwar liegt in diesen Aussagen (auch) der Versuch, mit einem Appell an die "kameradschaftliche" Verbundenheit die Bereitschaft zum Abschluss der angebotenen Versicherungen zu erhöhen. Eine solche "Gefühlswerbung" ist aber nicht grundsätzlich verboten. Es kommt vielmehr darauf an, ob durch die Ausnutzung des Gefühls die Entscheidungsfreiheit der angesprochenen Personen in wettbewerbswidriger Weise beschränkt wird (Baumbach/Hefermehl, 22. Aufl., § 1 Rdn. 175). Das ist hier nicht der Fall. Eine unzulässige Beschränkung der Entscheidungsfreiheit liegt nicht vor, weil der Beklagte offen als Vertreter der LVM-Versicherungen aufgetreten ist, und weil nicht ersichtlich ist, dass die angesprochenen Vorstandsmitglieder der Bezirksverbände sich durch den Hinweis des Beklagten auf seine Vereinstätigkeit gebunden fühlen konnten.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.






OLG Celle:
Urteil v. 05.09.2002
Az: 13 U 125/02


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