Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. März 2004
Aktenzeichen: 32 W (pat) 389/02
(BPatG: Beschluss v. 03.03.2004, Az.: 32 W (pat) 389/02)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die am 24. April 1998 angemeldete, für Schokolade, Schokoladenwaren, Zucker, Zuckerwaren, Pralinen, Bonbons, Back- und Konditorwaren, Süßigkeitenam 30. Oktober 1998 eingetragene Wortmarke Nussrieserichtet sich der Widerspruch vom 28. Januar 1999 aus der am 4. August 1979 angemeldeten Wortmarke 993 300 RIESEN die Schutz genießt für die Waren Zuckerwaren, einschließlich Kaugummi für nichtmedizinische Zwecke, Schokolade, Schokoladewaren, einschließlich Pralinen, alle Waren auch unter Verwendung von Spirituosen oder Wein hergestellt oder mit Spirituosen oder Wein gefüllt.
Die Markeninhaberin hat die Einrede mangelnder Benutzung des Widerspruchszeichens erhoben.
Mit Erstbeschluss vom 23. Oktober 2000 hat die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamtes den Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, die bestrittene Benutzung der Widerspruchsmarke sei nicht glaubhaft gemacht worden.
Die Widersprechende hat Erinnerung eingelegt und Belege für eine ihrer Ansicht nach rechtserhebliche Benutzung der Widerspruchsmarke vorgelegt. Die mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle hat die Erinnerung mit Beschluss vom 4. Oktober 2002 zurückgewiesen. Trotz Warenidentität/Warenähnlichkeit und einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke seien die Unterschiede der sich gegenüberstehenden Marken ausreichend, um eine Gefahr von Verwechslungen zu vermeiden. Hinsichtlich der von der Widerspruchsmarke beanspruchten Zucker- und Schokoladenwaren sei die Marke "RIESEN" so zu verstehen, dass es sich bei den mit so gekennzeichneten Produkten um besonders große Zucker- bzw Schokoladewaren handele. Durch den nur in der angegriffenen Marke enthaltenen Wortbestandteil "Nuss" würden sich die Marken ausreichend voneinander unterscheiden. Es sei auch nicht zu besorgen, dass die beiden Wortmarken wegen des gemeinsamen Bestandteils "riese" gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden könnten.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 23. Oktober 2000 und vom 4. Oktober 2002 aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei mindestens durchschnittlich, wenn nicht aufgrund intensiver Benutzung gesteigert. Sie sei nicht etwa durch einen beschreibenden Charakter eingeschränkt. Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichne das Wort "RIESE" unmittelbar übermenschlich große Märchengestalten und im übertragenen Sinn ungewöhnlich große Menschen. Durch die Angabe "RIESEN" erhalte der Abnehmer keinerlei konkrete Informationen über die so bezeichneten Waren. Die Vergleichsmarken seien identisch, da dem Bestandteil "Nuss" in der jüngeren Marke als glatt warenbeschreibende Bezeichnung jegliche Kennzeichnungskraft fehle. Zur Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke hat die Widersprechende weitere Unterlagen vorgelegt.
Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Benutzung der Widerspruchsmarke sei nicht glaubhaft gemacht worden bzw. aufgrund von Ungereimtheiten der vorgelegten Eidesstattlichen Versicherungen bestünden erhebliche Zweifel an der Glaubhaftmachung. Bestritten werde auch die Bekanntheit der Widerspruchsmarke. Zur Frage der Markenähnlichkeit schließt sich die Markeninhaberin den Argumenten der Markenstelle an.
In der mündlichen Verhandlung hat die Markeninhaberin die beanspruchten Waren wie folgt eingeschränkt:
Schokoladenwaren, nämlich Tafelschokolade mit Nüssen.
Die Benutzung der Widerspruchsmarke für Schoko-Karamellbonbons hat die Markeninhaberin anerkannt, die Bekanntheit jedoch weiterhin bestritten.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn und soweit wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2002, 626, 627 - IMS).
Bei Anlegung dieser Maßstäbe besteht im vorliegenden Fall für das Publikum keine Gefahr von Verwechslungen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Widerspruchszeichen i.S. d. § 43 Abs. 1, § 27 MarkenG in rechtserhaltender Weise benutzt worden ist.
1. Die von der Markeninhaberin noch beanspruchten Waren sind mit den Schokoladenwaren der Widerspruchsmarke identisch.
2. Der Senat geht von einer gut durchschnittlichen bis überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus. Dabei hat er berücksichtigt, dass die Marke "RIESEN" in bezug auf die hier in Rede stehenden Schoko - Karamellbonbons einen beschreibenden Charakter hat. Die angesprochenen Verkehrskreise werden darin einen Hinweis sehen, dass es sich bei den so gekennzeichneten Produkten um besonders große Bonbons handelt. Soweit die Widersprechende meint, bei "RIESEN" denke man an die bekannten Sagengestalten, ist dieses Verständnis im Hinblick auf die beanspruchten Waren eher fernliegend. Trotz des beschreibenden Charakters der Widerspruchsmarke misst der Senat der Marke wegen der intensiven Benutzung und der dadurch entstandenen gesteigerten Verkehrsbekanntheit eine gut durchschnittliche bis überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. Die gesteigerte Bekanntheit der Marke "RIESEN" ist gerichtsbekannt und wird durch die von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen gestützt. Ausweislich der eidesstattlichen Versicherung des Prokuristen der Widersprechenden vom 25. Februar 2004 erzielte diese mit ihren "RIESEN"-Schokoladenkaramellbonbons in den letzten zehn Jahren jährlich einen Umsatz zwischen ca. ... DM bis ... DM und setzte jährlich zwischen 1945 bis ... Tonnen ab.
3. Trotz der Warenidentität und der gut durchschnittlichen bis überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist der Abstand, den die jüngere Marke gegenüber der älteren einhält, noch ausreichend, um Verwechslungen rechtserheblichen Umfangs ausschließen zu können.
a) Die schriftbildliche Ähnlichkeit ist trotz der gemeinsamen Buchstaben "riese" als gering einzustufen, weil die beiden Markenwörter mit neun gegenüber sechs Buchstaben bzw. drei gegenüber zwei Silben von deutlich unterschiedlicher Länge sind. Ein weiterer Unterschied ist darin zu sehen, dass die angegriffene Marke als Singular, die Widerspruchsmarke dagegen als Plural gewählt wurde.
b) Auch klanglich sind die beiden Markenwörter nicht zu verwechseln. Bei mündlicher Wiedergabe wird man die erste Silbe der jüngeren Marke "Nuss" ebensowenig weglassen wie den letzten Buchstaben der Widerspruchsmarke "N".
c) Eine begriffliche Ähnlichkeit kann entgegen der Auffassung der Widersprechenden nicht auf eine isolierte Betrachtung des Bestandteils "riese" in der jüngeren Marke gestützt werden, weil dieser Bestandteil den Gesamteindruck der angegriffenen Marke nicht allein prägt. Von einer Abspaltung oder Vernachlässigung des ersten Wortbestandteils "Nuss" bei der jüngeren Marke kann nicht ausgegangen werden. Der Verkehr hat hier keine Veranlassung, die jüngere Marke zu zergliedern, sondern wird ihr eine Gesamtbedeutung beimessen. Er wird Nussriese als einen Gesamtbegriff verstehen, bei dem der Riese durch eine Eigenschaft bzw. Zutat gekennzeichnet wird, nämlich die Nuss. Der Bestandteil riese kann sich auf die Vielzahl/ Größe der Nüsse beziehen.
d) Es besteht auch nicht die Gefahr, dass die sich gegenüberstehenden Marken gedanklich in Verbindung gebracht und unter diesem Aspekt verwechselt werden. Wegen des Grundsatzes, dass beim Vergleich zweier Marken vom jeweiligen Gesamteindruck auszugehen ist, reicht es zur Annahme einer derartigen Verwechselungsgefahr noch nicht aus, dass sich in beiden Marken der Bestandteil "riese" befindet, da dieser Bestandteil weder bei "Nussriese" noch bei "Riesen" eigenständig hervortretend ist. Abgesehen davon kann nicht festgestellt werden, dass der Bestandteil "riese", also der Singular, der jüngeren Marke auf die Widersprechende hinweist, für die der Begriff in der Pluralform geschützt ist. Die Widersprechende verfügt nicht über eine Markenserie, in die sich die angegriffene Marke einfügen könnte. Zwar ist wegen der Bekanntheit der Marke "Riesen" davon auszugehen, dass diese auf die Widersprechende hinweist. Der Singular bei "Nussriese" wirkt jedoch im Verhältnis zu dem Plural bei "Riesen" nicht wie ein Serienzeichen, da es bei einem Serienzeichen nicht üblich ist, zwischen Singular und Plural zu wechseln.
Winkler Sekretaruk Kruppa Ju
BPatG:
Beschluss v. 03.03.2004
Az: 32 W (pat) 389/02
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