Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 11. September 2007
Aktenzeichen: I-20 U 36/07
(OLG Düsseldorf: Urteil v. 11.09.2007, Az.: I-20 U 36/07)
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 2. Februar 2007 abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs in N.-W. die von ihr betriebenen Automatenvideotheken - auch ohne Einsatz von Personal - an Sonntagen oder gesetzlichen Feiertagen geöffnet zu halten und für die Öffnung der Automatenvideotheken an Sonn- und Feiertagen zu werben.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Parteien betreiben Videotheken in D.. Die Beklagte vermietet auch an Sonn- und Feiertagen in ihrem Ladenlokal in D. Filme an ihre Kunden, wobei sie sich eines Automatensystems ohne Personaleinsatz bedient. Die Klägerin sieht hierin einen Verstoß gegen § 3 des Feiertagsgesetzes NW und verfolgt mit ihrer zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten Berufung den erstinstanzlich abgewiesenen Unterlassungsanspruch entsprechend dem Urteilstenor weiter.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und auf die in der Berufungsinstanz zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 3 Feiertagsgesetz NW begründet.
Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Zwar dient sie in erster Linie dem Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe, soll aber auch für Wettbewerbsneutralität zwischen den Wettbewerbern sorgen (vgl. Piper/Ohly, UWG, 4. Auflage, § 4, Rdnr. 11/286; Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Auflage, § 4, Rdnr. 11.144).
Der Senat sieht in dem Betrieb einer Automatenvideothek ohne Personaleinsatz an Sonn- und Feiertagen einen Verstoß gegen § 3 Feiertagsgesetz NW und folgt hiermit der Sicht des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 09.07.2007 - 9 S 594/07 - entgegen der Ansicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. Beschluss vom 27.06.2005 - 24 Cs 05.493) und des OLG Bamberg (Senat für Bußgeldsachen) in seinem Beschluss vom 08.09.2006 (3 Ss Owi 800/05).
Der Betrieb einer Automatenvideothek unterfällt dem Begriff der Arbeit in § 3 Feiertagsgesetz NW. Hierzu hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, a.a.O., ausgeführt:
"Das Element öffentlich bemerkbarer Arbeit wird durch die Automatisierung und Selbstbedienung der Kunden nicht ausgeschlossen. Denn es reicht aus, dass die ohne weiteres erkennbaren Umstände den Schluss nahe legen, dass Arbeit in Form von gewerblicher Tätigkeit ausgeführt wird."
Dem folgt der Senat. Durch die Öffnung ihres Ladengeschäfts an Sonn- und Feiertagen für den Kundenverkehr und die Vermietung von Filmen übt die Beklagte nach außen erkennbar ihre gewerbliche Tätigkeit und damit öffentlich erkennbare Arbeit aus, auch wenn sie an Sonn- und Feiertagen die Ladenöffnung und den Vermietungsvorgang ohne den Einsatz von Personal in automatisierter Form bewerkstelligt.
§ 3 Feiertagsgesetz NW setzt weiter voraus, dass die öffentlich bemerkbare Arbeit geeignet ist, die äußere Ruhe der Sonn- und Feiertage zu stören. Auch dies ist bei dem Betrieb einer Automatenvideothek ungeachtet der Tatsache, dass das Mieten von Filmen der Freizeitgestaltung der Kunden dient, der Fall.
Hierzu hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, a.a.O., dem der Senat auch insoweit folgt, ausgeführt:
"Das Ruhen werktäglicher Geschäftigkeiten ist dahin zu verstehen, dass allgemein an Sonn- und Feiertagen die werktäglichen Bindungen und Zwänge entfallen und es dem Einzelnen dadurch möglich wird, diese Tage im sozialen Zusammenleben nach ihren vielfältigen und unterschiedlichen individuellen Bedürfnissen allein oder in Gemeinschaft mit anderen ungehindert von den werktäglichen Verpflichtungen und Beanspruchungen zu begehen. Das Gefühl des Einzelnen, dass es sich um für alle verbindliche Ruhetage handelt, soll nicht durch eine nach außen erkennbare gewerbliche Tätigkeit anderer, die üblicherweise an Werktagen erfolgt, beeinträchtigt werden. Mit der Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage stehen solche Veranstaltungen nicht im Einklang, die sich nach ihrem Zweck, ihrer Ausgestaltung und dem Erscheinungsbild im öffentlichen Leben als typisch werktägliche Lebensvorgänge darstellen..."
Wenn, wie im Streitfall, die Vermietung von Videofilmen in einem für die Kunden zugänglichen Ladengeschäft betrieben wird, erweckt dies aufgrund des Kundenverkehrs in dem Ladengeschäft auch nach außen den Eindruck werktäglicher Geschäftigkeit und stört damit die äußere Ruhe von Sonn- und Feiertagen. Anders als an Bankautomaten halten sich Kunden, die Videofilme zunächst aussuchen und sodann - automatisiert - mieten, für eine gewisse Zeit in dem betreffenden Ladengeschäft auf, was eine typisch werktägliche Tätigkeit ist. Für den Kauf von Lebensmitteln an Warenautomaten, die in der Regel an Orten wie Bahnhöfen aufgestellt sind, um den Reisebedarf zu decken, ist das Betreten eines Ladengeschäfts nicht erforderlich.
Soweit das Oberlandesgericht Bamberg a.a.O. ausführt, der Zweckbestimmung von Sonn- und Feiertagen liefen "naturgemäß" solche Betätigungen nicht zuwider, durch die "ein typisches Freizeitbedürfnis" befriedigt werden solle, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Hiermit könnte grundsätzlich der "automatisierte" Verkauf oder Vermietung jedweden Gegenstandes, der typischerweise in der Freizeit Verwendung findet, gerechtfertigt werden, z.B. der Verkauf von Unterhaltungselektronik oder Sport- und Freizeitkleidung. Auch insoweit hält der Senat die Begründung des VGH Baden-Württemberg für überzeugender, in der es heißt:
"Die gewerbliche Vermietung von Videokassetten an Sonn- und Feiertagen ist ungeachtet dessen, ob sie automatisiert ist oder nicht, nicht durch die Eigenart der angebotenen Gegenstände oder Dienstleistungen gerechtfertigt. Die vermieteten Videokassetten und DVDs dienen zwar auch dem Freizeitvergnügen der Kunden an Sonn- und Feiertagen. Sie müssen zu diesem Zweck aber nicht notwendigerweise auch an diesen Tagen entliehen werden, sondern können werktags zum Gebrauch an Sonn- und Feiertagen gemietet werden.... Art. 140 GG, Art. 139 WRV machen die Rechtmäßigkeit der zum Schutz der Sonntagsruhe getroffenen gesetzlichen Regelungen auch nicht davon abhängig, dass spontane Wünsche auf der Stelle befriedigt werden können, und muten dem betroffenen Publikum mit dem gesetzlichen Schutz der Sonntage und Feiertage eintretende Beschränkungen als verfassungsmäßige Beschränkungen grundrechtlicher Freiheiten zu.... Es bleibt danach letztlich der gesellschaftspolitischen Entscheidung des Gesetzgebers vorbehalten, ob er auch im Rahmen des Sonn- und Feiertagsschutzes trotz eines schon jetzt weiten Angebots an zulässigen Freizeitbeschäftigungen weitere Lockerungen vornehmen will und wie diese, etwa auch in zeitlicher Hinsicht, gestaltet werden sollen...."
Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Ausnahmeregelung des § 4 Nr. 5 Feiertagsgesetz NW berufen. Danach sind Arbeiten an Sonn- und Feiertagen erlaubt, die der Erholung im Rahmen der Freizeitgestaltung dienen. Weiter heißt es in der Vorschrift: "Dazu gehört insbesondere der Betrieb von Saunas, Bräunungs- und Fitnessstudios."
Hiermit zielt der Gesetzgeber ersichtlich auf solche Freizeitbeschäftigungen ab, die der Deckung eines an Sonn- und Feiertagen bestehenden Publikumbedarfs an Ort und Stelle dienen. Der Umsatz von Waren, die von dem Kunden an einen anderen Ort mitgenommen werden, um dort mit ihrer Hilfe einer Freizeitbetätigung nachzugehen, fällt ersichtlich nicht hierunter.
Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie ihre Videothek nur in D. betreibt und deshalb das Verbot auf D. beschränkt werden müsse. Der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch wird in seinem räumlichen Umfang durch ein räumlich beschränktes Tätigkeitsfeld des Gläubigers oder des Schuldners nicht eingeschränkt (Bornkamm, a.a.O., § 8, Rdnr. 1,56 m.w.Nachw.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO.
Der Streitwert beträgt - entsprechend der unbeanstandet gebliebenen Festsetzung der ersten Instanz - 20.000,- Euro.
Ein begründeter Anlass zur Zulassung der Revision ist nicht gegeben.
Prof. B. D. G.
OLG Düsseldorf:
Urteil v. 11.09.2007
Az: I-20 U 36/07
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