Landgericht Kassel:
Urteil vom 30. Mai 2008
Aktenzeichen: 12 O 4202/07
(LG Kassel: Urteil v. 30.05.2008, Az.: 12 O 4202/07)
Tenor
Das Versäumnisurteil der 12. Zivilkammer (2. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Kassel vom 5. Dezember 2007 wird aufrechterhalten.
Der Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar; die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden.
Tatbestand
Der Kläger macht gegen den Beklagten wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend.
Der Beklagte betreibt ausweislich seines eigenen Internetauftritts die regional- und bundesweittätige ..., zu der wiederum "das ..., welches den Focus auf IT-Sicherheitslösungen setzt" gehört. Die Firma ... wiederum bietet u. a. Dienstleistungen im Zusammenhang mit Datenschutz an, insbesondere die Tätigkeiten eines externen Datenschutzbeauftragten im Sinne des § 4 f BDSG.
Der Beklagte wandte sich mit Schreiben vom 13. Juni 2007, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Anlage AST 2), an eine Arztpraxis in .... Im Betreff des Schreibens heißt es:
"Beantragung der Einsicht in das öffentliche Verfahrensverzeichnis Datenschutzpflicht bei Gemeinschaftspraxen und Praxisgemeinschaften".
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30. Mai 2008 erklärte der Beklagte hierzu, dass er mit dem Schreiben seine Hilfe im Bereich des Datenschutzes habe anbieten wollen.
Der Kläger ist der Auffassung, das Schreiben des Beklagten vom 13. Juni 2007 verstoße gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Auf Antrag des Klägers erließ das Landgericht Kassel (Az.: 11 O 4153/07) am 24. Juli 2007 eine einstweilige Verfügung, mit der dem Beklagten aufgegeben wurde, das von dem Kläger beanstandete Verhalten zu unterlassen. Mit Schreiben vom 3. September 2007 forderte der Kläger den Beklagten vergeblich auf, eine Abschlusserklärung abzugeben und den Verfügungsbeschluss als endgültige und zwischen den Parteien verbindliche Regelung anzuerkennen. Sogleich machte er Abmahnkosten von 277,00 EUR für Abmahnungen vom 26. Juni 2007 und 9. Juli 2007 geltend.
Auf Antrag des Klägers hat die Kammer am 5. Dezember 2007 ein Versäumnisurteil mit folgendem Inhalt erlassen:
"Der Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,00, im Nichtbeitreibungsfall von Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd bei der Beratung im Zusammenhang mit datenschutzrechtlichen Vorschriften und/oder im Rahmen der Bewerbung von Dienstleistungen eines Datenschutzbeauftragten im Sinne des § 4 f BDSG
a) Dritte unter dem Betreff "Beantragung der Einsicht in das Öffentliche Verfahrensverzeichnis" und/oder unter dem Vorwand, dass es ihm um die Einsicht in dieses Verfahrensverzeichnis gehe, anzuschreiben, ohne den werblichen Charakter des Schreibens hervorzuheben;
b) von Dritten die Zusendung des Öffentlichen Verfahrensverzeichnisses unter Hinweis auf eine diesbezügliche Verpflichtung aus § 4 g BDSG zu verlangen;
c) gegenüber Dritten eine Verpflichtung, die in § 4 e BDSG festgelegten Angaben verfügbar zu machen, zu behaupten, ohne dabei darauf hinzuweisen, dass diese Verpflichtung nur besteht, wenn mindestens neun Personen mit der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten beschäftigt sind;
d) darauf hinzuweisen, dass die Nichtbestellung eines Datenschutzbeauftragten als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeldern bis zu EUR 25.000,00, geahndet wird, ohne zugleich klarzustellen, dass die Bestellung eines Datenschutzbeauftragten nur erforderlich ist, wenn in der Regel mehr als neun Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt sind,
insbesondere wenn dies geschieht, wie mit dem nachstehend einkopierten Schreiben vom 13. Juni 2007
sei
Name: 0 Telefon: (D e-Mail: () Datum: (13.06.2007)Betreff: Beantragung der Einsicht in das öffentliche Verfahrensverzeichnis Datenschutzrecht bei Gemeinschaftspraxen und Praxisgemeinschaften
Sehr geehrte ärztliche Leitung,
gemäß § 4 g BDSG hat der Beauftragte für den Datenschutz auf Antrag von Jedermann in geeigneter Weise die in § 4 e BDSG festgelegten Angaben verfügbar zu machen. Dieser Verpflichtung bitte ich Sie nachzukommen und mir unmittelbar ihr öffentliches Verfahrensverzeichnis zuzusenden.
Datenschutz ist ein ernstes Thema. Wer ihn aktiv betreibt, verhilft nicht nur Patienten zu ihrem Recht, sondern erspart auch sich selbst eventuelle Unannehmlichkeiten. Falls Sie trotz Erfordernis keinen DSB bestellen oder auch nur die einmonatige Bestellungsfrist überschreiten, kann das als Ordnungswidrigkeit geahndet werden (§ 43 Abs. 1 Nr. 2 BDSG). Nach Bundesdatenschutzgesetz führt eine Nichtbestellung zu Bußgeldern bis zu 25.000Euro.
Der Zusammenschluss zu Gemeinschaftspraxen oder Praxisgemeinschaften ist datenschutzrechtlich eine besondere Herausforderung, zumal auch für Patienten solcher Gemeinschaftsunternehmen die freie Arztwahl gewährleistet sein muss. Das heißt im Klartext. Wer sich einer bestimmten Arztperson in der Praxis anvertraut, muss darauf vertrauen dürfen, dass die anderen Praxismitinhaber ohne seine Einwilligung keine Kenntnis seiner persönlichen und medizinischen Daten erlangen können. In Praxen, die keine diesbezügliche Zustimmung der Patienten einholen, sind z. B. folgende Datenschutzmaßnahmen erforderlich:
- Das Äußere der Patientenakte muss den behandelnden Arzt erkennen lassen, damit nur er sie vorgelegt bekommt.
- Bei gemeinsam genutzten EDV-Systemen müssen in der Benutzerwaltung mehrere Arztkennungen eingerichtet werden, die den Zugriff auf arztspezifische Patientendaten beschränken und sicherstellen. So ist es rechtlich vorgeschrieben, auch wenn das Praxispersonal in der Regel für alle Ärzte arbeitet und somit alle Patientendaten im Zugriff hat.
Je nach Aufwand kann die Tätigkeit des externen Datenschutzbeauftragten mit einer Vergütung in Höhe von 100 Euro im Monat möglich sein.
Gern möchte ich bei dieser Gelegenheit mit ihnen ein gemeinsames eventuelles Engagement besprechen.
Für weitere Informationen siehe ich Ihnen telefonisch und persönlich jederzeit zur Verfügung und verbleibe mit sicheren Grüßen.
...
...
2. an den Kläger EUR 277,00 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus EUR 189,00 seit dem 18. Juli 2007 und aus weiteren EUR 88,00 seit dem 24. September 2007 zu bezahlen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar."
Gegen das dem Beklagten am 18.12.2007 zugestellte Versäumnisurteil hat dieser mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 02.01.2008, bei Gericht am selben Tag eingegangen, Einspruch eingelegt.
Der Kläger beantragt,
das Versäumnisurteil der 12. Zivilkammer (2. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Kassel vom 05.12.2007 aufrecht zu erhalten.
Der Beklagte beantragt,
das genannte Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, er sei berechtigterweise vorgegangen und solle seitens des Klägers lediglich an der Ausübung seiner datenschutzrechtlichen Informations- und Auskunftspflicht gehindert werden. Die von ihm mit dem Schreiben vom 13.06.2007 beantragte Einsicht in das öffentliche Verfahrensverzeichnis sei nach dem Bundesdatenschutzgesetz zulässig gewesen. Er sei auch nicht verpflichtet, die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Der Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil der Kammer vom 05.12.2007 ist gemäß §§ 338, 339, 340 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. Er ist mithin zulässig.
Die Klage ist begründet.
Der gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG prozessführungsbefugte Kläger hat gegen den Beklagten gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 3, 4 Nr. 1 € 3, 5 UWG einen Anspruch auf Unterlassung des beanstandeten Verhaltens, wie es sich im Einzelnen aus dem Tenor des Versäumnisurteils vom 05.12.2007 ergibt.
Das Schreiben des Beklagten vom 13.06.2007 stellt eine Wettbewerbshandlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar. Danach ist Wettbewerbshandlung jede Handlung einer Person mit dem Ziel, zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens den Absatz oder den Bezug von Waren oder die Erbringung oder den Bezug von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern. Der Beklagte erweckt mit der Formulierung "Beantragung der Einsicht in das öffentliche Verfahrensverzeichnis" zunächst den Eindruck, er wolle den gemäß § 4 g Abs. 2, 2 a BDSG bestehenden, jedermann zustehenden Anspruch auf Einsichtnahme in die nach § 4 e Satz 1 Nr. 1 € 8 BDSG zu machenden Angaben einsehen. Im weiteren Verlauf des Schreibens geht der Beklagte dann jedoch auf das Thema Datenschutz näher ein, speziell soweit es Arztpraxen betrifft, und bietet schließlich seine Dienstleistung als Datenschutzbeauftragter an. Auf letzteres kam es ihm nach seinen Angaben im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30.05.2008 auch entscheidend an. Damit hat der Beklagte versucht, unter dem nicht geschäftlichen Vorwand "Beantragung der Einsicht in das öffentliche Verfahrensverzeichnis" einen Kontakt zu Marktteilnehmern herzustellen, um sie dann mit einem geschäftlichen Angebot zu konfrontieren und zu einer Bestellung oder Beauftragung zu veranlassen. Darin liegt eine nach § 4 Nr. 3 UWG unlautere Verschleierung eines werblichen Kontaktes vor.
Desweiteren verstößt der Beklagte mit dem Inhalt seines Schreibens gegen §§ 3, 5 UWG, denn sein Schreiben führt über die Zwecktauglichkeit seines Dienstleistungsangebotes in die Irre. Es erweckt den Eindruck, dass die angesprochene Arztpraxis uneingeschränkt verpflichtet sei, einen Datenschutzbeauftragten zu bestellen. Die Notwendigkeit der Bestellung eines solchen Datenschutzbeauftragten wird durch den Hinweis auf eine sonst bestehende Ordnungswidrigkeit, die durch Bußgelder bis zu 25.000 Euro geahndet werden kann, unterstrichen. Tatsächlich haben jedoch nicht öffentliche Stellen wie die angesprochene Arztpraxis gemäß § 4 f Abs. 1 BDSG nur dann einen Beauftragten für den Datenschutz zu bestellen, wenn sie in der Regel mehr als 9 Personen ständig mit der automatisierten Bearbeitung personenbezogener Daten beschäftigen. Dies wird normalerweise bei Arztpraxen nicht der Fall sein, zumindest hätte jedenfalls der Beklagte auf die bestehende Einschränkung hinweisen müssen.
Weiter verstößt der Beklagte gegen §§ 3, 4 Nr. 2 UWG, weil sein Schreiben darauf abzielt, die Rechtsunkenntnis als Unterfall der geschäftlichen Unerfahrenheit der Adressaten auszunutzen. Schließlich liegt durch den Hinweis auf erhebliche Bußgelder eine Druckausübung vor, die unter den Tatbestand der §§ 3, 4 Nr. 1 UWG fällt.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Beklagte mit dem Inhalt seines Schreibens vom 13.06.2007 gegen die genannten Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb verstößt, weswegen der geltend gemachte Unterlassungsanspruch besteht.
Der Anspruch auf die Erstattung der geltend gemachten Abmahnkosten ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.
Das Versäumnisurteil der Kammer vom 05.12.2007 war daher gemäß § 343 ZPO aufrecht zu erhalten.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 709 ZPO.
LG Kassel:
Urteil v. 30.05.2008
Az: 12 O 4202/07
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