Kammergericht:
Beschluss vom 8. März 2011
Aktenzeichen: 5 U 155/10
(KG: Beschluss v. 08.03.2011, Az.: 5 U 155/10)
1. Das als "Berufung" eingelegte Rechtsmittel ist (analog § 99 Abs. 2 ZPO) als sofortige Beschwerde zu verstehen, wenn es sich gegen ein auf einen Kostenwiderspruch ergangenes Urteil richtet.
2. Wenn ein Unternehmen erfolglos abgemahnt wird, mag eine weitere Abmahnung eines Organs des Unternehmens überflüssig erscheinen. Ein Unternehmen gibt aber im umgekehrten Fall keine Veranlassung zur Klageerhebung i.S.d. § 93 ZPO, wenn nicht das Unternehmen, sondern nur sein Geschäftsführer erfolglos abgemahnt worden ist.
Tenor
1. Die als sofortige Beschwerde verstandene "Berufung" der Antragstellerin gegen das am 22. Juni 2010 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 103 des Landgerichts Berlin - 103 O 51/10 - wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis 1.500 €.
Gründe
I.
Das als "Berufung" eingelegte Rechtsmittel der Antragstellerin ist als sofortige Beschwerde zu verstehen. Denn es richtet sich gegen ein auf einen Kostenwiderspruch ergangenes Urteil, mit dem das Landgericht allein über die Verfahrenskosten entschieden hat. Gegen ein solches Urteil ist analog § 99 Abs. 2 die sofortige Beschwerde gegeben, also nicht die Berufung (OLG Koblenz, JurBüro 1997, 38; Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 99 Rn. 17 m.w.N.). Als sofortige Beschwerde ist das Rechtsmittel zulässig, § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, insbesondere ist es innerhalb der Frist des § 569 ZPO eingelegt worden.
II.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist allerdings nicht begründet, § 93 ZPO. Mangels Abmahnung hat die Antragsgegnerin keine Veranlassung zur Einleitung des gerichtlichen Eilverfahrens gegeben.
1.
Jedenfalls die Antragsgegnerin ist mit dem Schreiben der Antragstellerin vom 8.3.2010 (Anlage Ast 4) nicht abgemahnt worden. Das Schreiben wendet sich persönlich an "Herrn J€ S€ ", ohne dessen Stellung als Geschäftsführer in irgendeiner Form anzusprechen. Ob daneben auch ein von ihm vertretenes Unternehmen Adressat der Abmahnung sein sollte, kann hier dahingestellt bleiben. Denn die insoweit allein in Betracht kommende Angabe im Adressfeld "T€ T€ M€ &L€ G€ " weist gerade nicht auf die Antragsgegnerin "T€ T€ G€ " hin, sondern auf deren ebenfalls im Handelsregister eingetragene Schwestergesellschaft. Aus der maßgeblichen Sicht des Empfängers dieser Abmahnung bestand auch kein hinreichender Anlass, von einer bloßen Falschbezeichnung auszugehen. Denn die Stellung der Antragsgegnerin als Betreiberin der streitgegenständlichen Internetseite war mit den Angaben im Impressum eindeutig klargestellt.
2.
Die Abmahnung auch der Antragsgegnerin war vorliegend nicht (ausnahmsweise) wegen der dem Geschäftsführer der Antragsgegnerin persönlich zugestellten Abmahnung entbehrlich. Insoweit kommt es darauf an, ob ein verständiger Gläubiger in der Situation der Antragstellerin vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens davon ausgehen durfte und musste, eine zielgerichtete Abmahnung der Antragsgegnerin werde (ebenfalls) erfolglos bleiben.
a)
Wenn ein Unternehmen erfolglos abgemahnt wird, mag eine weitere Abmahnung eines Organs des Unternehmens überflüssig erscheinen (vgl. Landgericht Berlin, WRP 1977, 671, juris Rn. 58; Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 12 Rn. 1.14). Denn es liegt eher fern, dass etwa ein Geschäftsführer sich unterwirft, wenn er gleichzeitig für das von ihm vertretene Unternehmen eine Unterwerfung ablehnt.
Dies kann aber auf den vorliegenden (umgekehrten) Fall einer erfolglosen Abmahnung des Geschäftsführers nicht ohne weiteres übertragen werden. Denn ein Geschäftsführer haftet persönlich auf Unterlassung nur unter der weiteren Voraussetzung, dass er entweder selbst die Rechtsverletzung begangen oder veranlasst hat oder die eines anderen gekannt und pflichtwidrig nicht verhindert hat (BGH, GRUR 1986, 248, 251 - Sporthosen; BGH, WRP 2009, 1001, TZ. 47 - Internet-Video-Recorder; Köhler, a.a.O., § 8 Rn. 2.20 m.w.N.). Ein Gläubiger muss daher regelmäßig damit rechnen, dass der abgemahnte Geschäftsführer eine persönliche Unterwerfung (nur) deswegen ablehnt, weil er die besonderen persönlichen Voraussetzungen einer Haftung für sich verneint. Die Antragstellerin macht nicht geltend, dass eine solche Annahme aufgrund besonderer Umstände hier fern lag. Die Antragstellerin musste vorliegend auch damit rechnen, dass nach den vom Landgericht aufgezeigten Umständen der Geschäftsführer der Antragsgegnerin das Abmahnschreiben als an ihn persönlich gerichtet verstanden hat.
b)
Wird ein Unternehmen erfolglos abgemahnt, kann eine zusätzliche Abmahnung einer mit ihr kapitalmäßig und persönlich verflochtenen Schwestergesellschaft überflüssig erscheinen, wenn beide Unternehmen gleichermaßen an dem Wettbewerbsverstoß beteiligt sind (OLG Hamburg, WRP 1973, 537; Bornkamm, a.a.O., § 12 Rn. 1.14). Dies gilt insbesondere dann, wenn das abgemahnte Unternehmen juristisch beraten einen Wettbewerbsverstoß verneint und deshalb eine Unterwerfung ablehnt (vgl. OLG Hamburg, a.a.O.).
Davon kann hier aber nicht ausgegangen werden. Denn die Schwestergesellschaft der Antragsgegnerin war nicht Betreiberin des streitgegenständlichen Internet-Shops. Ob sie als Inhaberin der Domain überhaupt wettbewerbsrechtlich verantwortlich war, kann dahingestellt bleiben. Denn die Verantwortung traf vorliegend wettbewerbsrechtlich im Schwerpunkt allein die Antragsgegnerin.
Darüber hinaus konnte die Antragstellerin auch nicht davon ausgehen, dass die Schwestergesellschaft der Antragsgegnerin die Abmahnung (auch) gegen sich gerichtet ansehen musste. Denn sie war im Impressum der streitgegenständlichen Internet-Shops gerade nicht als Betreiberin benannt. Soweit sie im Adressfeld der Abmahnung genannt wird
"T€ T€ M€ & L€ G€
Herrn
J€ S€
D €
1€ B€",
konnte dies ohne weiteres dahin verstanden werden, dass Herr J€ S€ persönlich angeschrieben werden soll, allerdings unter der Geschäftsanschrift der Schwestergesellschaft. Die Angabe der Firma der Schwestergesellschaft diente dann nur Adressierungszwecken.
Die Schwestergesellschaft der Antragsgegnerin oder ihr Geschäftsführer haben vorliegend auch nicht ausdrücklich den Wettbewerbsverstoß verneint und deshalb eine Unterwerfung verweigert. Denn immerhin ist der Wettbewerbsverstoß vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens abgestellt worden. Dies ließ ohne weiteres auf eine gewisse Einsicht des Verletzers schließen. Umso mehr hätte es sich dann hier der Antragstellerin aufdrängen müssen, dass eine gezielte Abmahnung auch der Antragsgegnerin erfolgreich sein könnte.
III.
Die Nebenentscheidungen zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens und zur Wertfestsetzung beruhen auf § 97 Abs. 1, § 3 ZPO.
KG:
Beschluss v. 08.03.2011
Az: 5 U 155/10
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