Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 17. September 2001
Aktenzeichen: 13 B 1204/01

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 17.09.2001, Az.: 13 B 1204/01)

Tenor

Der Antrag wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 50.000 DM festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde ist nicht zuzulassen, da keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe der §§ 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 3, 146 Abs. 4 VwGO vorliegt.

Zunächst hat der Senat nicht die nach Nr. 1 der v.g. Vorschrift erforderlichen ernstlichen Zweifel, wobei es nach ständiger Rechtsprechung allein auf das Ergebnis der erstinstanzlichen Entscheidung ankommt und nicht auf die einzelnen Begründungselemente.

Auch aus Sicht des Senats fällt die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus. Bei der in der vorliegenden Verfahrensart nur möglichen eingeschränkten Prüfungsintensität lässt sich die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide der Antragsgegnerin vom 29. August 2001 nicht abschließend feststellen, insbesondere die behördliche Ermessensentscheidung nicht in der erforderlichen Weise nachvollziehen. Die Bescheide sind jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig und unterliegen im Übrigen auch keinen schwerwiegenden Rechtsbedenken, so dass besondere, den öffentlichen Interessen vorzuziehende Gründe im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Mai 1994 - 3 C 11.94 -, Buchh. 310 § 80 VwGO Nr. 57,

nicht vorliegen und es bei der durch § 80 Abs. 1 TKG vorgegebenen höheren Gewichtung der sofortigen Vollziehbarkeit dieser Bescheide verbleibt.

Soweit die Antragstellerin ein Auskunftsersuchen nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 TKG nur dann für statthaft hält, wenn es auf zulässige Auskunftsgegenstände gerichtet ist, ist dem beizupflichten. Die Formulierung der genannten Vorschrift gewährt der Regulierungsbehörde jedoch einen relativ weiten Auskunftserhebungsrahmen. Im Ergebnis übereinstimmend mit dem Verwaltungsgericht versteht der Senat die Formulierung "in Wahrnehmung der Entgeltregulierung" im Sinne von "im Zusammenhang und zur Durchführung einer, wenn auch noch nicht beantragten, so doch erkennbar anstehenden, konkretisierbaren Entgeltgenehmigung bzw -festsetzung".

Vgl. zum weiten Anwendungsbereich der Vorschrift auch Beck´scher TKG Kommentar, § 31 Rdn. 6; Ethling-Ernst, Praxis-Kommentar zum TKG, § 31 Rdn. 1 u. 3; Trute/Spoerr/Bosch, Telekommunikationsgesetz mit FTEG, § 31 Rdn. 7.

Diese weite Interpretation ist schon nach der Begründung zu § 30 des Gesetzesentwurfs - dem späteren § 31 TKG -, BT- Drucks. 13/3609, S. 45, geboten, wonach die Auskunftsrechte der Schaffung einer Grundlage für eine fundierte Entscheidungspraxis dienen, also umfassendes Basiswissen verschaffen sollen und selbst Erkenntnisse aus dem Problemumfeld alsbald zu treffender konkreter Entgeltentscheidungen betreffen können.

Der Durchführung eines in dem Sinne jedenfalls konkretisierbaren und erst recht eines anhängigen Regulierungsverfahrens dienen Auskünfte schon dann, wenn sie bei der Entscheidungsfindung grundsätzlich Verwendung finden können. Nicht kommt es darauf an, dass sie zwingend Verwendung finden müssen und werden. Denn im Vorfeld der Informationssammlung ist regelmäßig noch nicht abschließend überschaubar, ob es auf die mittels der Auskünfte zu gewinnenden Erkenntnisse ankommen wird.

Aus Sicht des Senats können die von der Antragstellerin geforderten umstrittenen Auskünfte selbst im anhängigen Entgeltgenehmigungsverfahren der Antragstellerin Verwertung finden, auch wenn die künftige Entscheidung auf sie nicht gestützt sein sollte. So dürften sie beispielsweise Vergleichsbetrachtungen oder Plausibilitätserwägungen zulassen oder Kapazitätsreserven des Netzes der Antragstellerin erkennbar machen. Im Übrigen hat die Antragsgegnerin den Hintergrund ihrer Auskunftsverlangen im Verwaltungsverfahren skizziert, was dem Senat nicht abwegig oder vorgeschoben erscheint und erst recht nicht für die Überprüfung der Richtigkeit der zur Genehmigung gestellten Entgelte der Antragstellerin völlig irrelevant ist. Ob der Antragsgegnerin durch Verwertung der umstrittenen Auskünfte der Antragstellerin bei der Entgeltüberprüfung und - festsetzung Rechtsfehler unterlaufen werden, ist gegenwärtig nicht überschaubar. Sollte das der Fall sein, kann die Antragstellerin dies in einem Anfechtungsverfahren gegen die Entgeltfestsetzung geltend machen. Das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen ein Auskunftsersuchen ist jedenfalls nicht geeignet, eine Prüfung der künftigen Entgeltfestsetzung und des dazu von der Antragsgegnerin evtl. beabsichtigten Kostenmodells vorwegzunehmen.

Soweit die Antragstellerin mit ihrem Hinweis auf ihre "nicht so einfach(e)" Netzstruktur und die dazu nicht immer stimmige Fragenstellung betreffend die Routingfaktoren etwa auf eine - teilweise - Unmöglichkeit der abverlangten Auskunft zielt, führt auch das nicht zu durchgreifenden Bedenken. Die Antragstellerin kann die verlangten Auskünfte unter Hinweis auf eine vermutliche Falschbezeichnung auf ihre KVSt bzw. RVSt beziehen und könnte überdies, um im eigenen Interesse der Antragsgegnerin einen richtigen Überblick zu verschaffen, dies um Angaben bezogen auf die VSt mit Teilnehmerfunktion ergänzen.

Die Rüge der zu kurzen Fristen führt ebenfalls nicht weiter. Zutreffend ist zwar, dass die Antragstellerin nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 27. August 2001 - 1 L 1801/01 - den Bescheiden der Antragsgegnerin vom 15. und 20. August 2001 im Wesentlichen nicht nachzukommen brauchte. Dass sie aber das Auskunftsanliegen der Antragsgegnerin kannte und mit der Wiederholung des Auskunftsverlangens auf richtiger Rechtsgrundlage rechnen musste und sich insoweit hätte vorbereiten können, bedarf keiner weiteren Darlegung. Im Übrigen hat die Antragsgegnerin dadurch, dass sie im gerichtlichen Verfahren zweimal die Frist für Vollziehungsmaßnahmen bei Nichtbefolgung des Auskunftsverlangens - zuletzt bis zum 17. September 2001 - zurückgestellt hat, im Ergebnis auch die ursprünglichen - so gut wie nicht einhaltbaren - Beantwortungsfristen auf ein ausreichendes Maß verlängert.

Auch die Erwägungen der Antragstellerin zur Unverhältnismäßigkeit hoheitlichen Vorgehens schlagen nicht durch. § 31 TKG gibt der Regulierungsbehörde die Möglichkeit des hoheitlichen Vorgehens. Dem steht § 24 Abs. 1 VwVfG nicht entgegen, nach welchem die Behörde auch die Art ihrer Ermittlungen bestimmen kann. Entscheidet sie sich für eine grundsätzlich erlaubte Verfahrensweise, die dann allerdings nicht den gewünschten oder sogar einen unerwünschten Effekt erzielt, ist das rechtlich nicht angreifbar. Die Möglichkeit der Ablehnung eines Entgeltgenehmigungsantrages ist, wenn sie überhaupt als geeignet zur Erlangung von Auskünften anzusehen wäre, auf jeden Fall ein gegenüber dem hoheitlichen Auskunftsverlangen schwererer und deshalb unzulässiger Eingriff. Dass ein hoheitliches Auskunftsverlangen im Grundsatz jedenfalls keine mit Blick auf das Gesetzesanliegen unverhältnismäßige Maßnahme und nicht ungeeignet ist, der Regulierungsbehörde die Grundlagen für eine fundierte Entscheidungspraxis zu verschaffen, wird durch die gesetzgeberische Entscheidung, hierfür eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage zu schaffen, evident.

Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Behörde im Einzelfall ihr Entschließungsermessen, von der Ermächtigungsgrundlage Gebrauch zu machen, beanstandungsfrei wahrgenommen hat. Ob der Antragsgegnerin insoweit Ermessensfehler unterlaufen sind, kann im vorliegenden Falle nicht abschließend beurteilt werden. Insbesondere bedürfte die Frage, ob die Antragsgegnerin berechtigten Anlass zu der Annahme hatte, die Antragstellerin werde nicht förmlich erbetene Auskünfte überhaupt nicht oder für deren Berücksichtigung im anhängigen Entgeltgenehmigungsverfahren nicht mehr rechtzeitig beantworten, weitere Aufklärungen im Hauptsacheverfahren. Immerhin hat die Antragstellerin gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 15. und 20. August 2001 beim Verwaltungsgericht an dem Tag um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht, bis zu dem eine vom Beschlusskammervorsitzenden mündlich gewährte Verlängerung der Antwortfrist lief, und in jenem Rechtsstreit zum Ausdruck gebracht, dass sie das Auskunftsverlangen grundsätzlich für nicht gerechtfertigt hielt und nicht befolgen wolle. Diese ihre Position hat die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren bestätigt.

Der im Ergebnis auch vom Verwaltungsgericht angelegte Maßstab führt entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht zu einer unzumutbaren, insbesondere verfassungswidrigen Rechtsschutzverkürzung. Zwar muss die Antragstellerin möglicherweise rechtswidrige Auskunftsaufforderungen befolgen. Diese Möglichkeit ist jedoch der vom Gesetzgeber gewollten sofortigen Vollziehbarkeit immanent. Der betroffenen Partei verbleibt die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit der Auskunftsaufforderung notfalls im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage in einem Hauptsacheverfahren klären zu lassen. Der von der Antragstellerin beanstandete Maßstab verbietet sich auch nicht aus der gesetzlichen Wertung des § 44a VwGO. Denn diese geht nur dahin, dass alle vollstreckbaren Behördenmaßnahme auch anfechtbar sein sollen. Das ist für die hier zu betrachtende Maßnahme der Fall.

Die Folgen der Versagung der aufschiebenden Wirkung der Klagen gegen die angefochtenen Bescheide sind für die Antragstellerin nicht schwerwiegend. Es mag zutreffen, dass die Ermittlung der angeforderten Daten für die Antragstellerin mit nicht unbeträchtlichem Personalaufwand, also Kosten verbunden ist. Dies hat das Gesetz aber für hinnehmbar bewertet, indem es hoheitliche Auskunftsverlangen auch zu den hier gestellten Fragen erlaubt. Im Übrigen dürften die Erklärungen der Antragstellerin in ihrem Schreiben vom 8. August 2001 an die Antragsgegnerin dahin verstanden werden, dass sie nach Beseitigung von Unklarheiten grundsätzlich zur Erteilung von Informationen im Zusammenhang mit ihrem Entgeltantrag bereit sei. Sollten ihr bestimmte Daten nicht zur Verfügung stehen, wird sie dies in ihrer Antwort kenntlich machen müssen. Hätte die Antragsgegnerin ihr Auskunftsersuchen unförmlich an die Antragstellerin gerichtet, wäre die die Antragstellerin betreffende und aus Sicht des Senats zumutbare tatsächliche Belastung die gleiche wie bei einem hoheitlichen Auskunftsverlangen. Demgegenüber kommt dem öffentlichen Interesse an einer zügigen - vorläufige Entgelte ablösenden - Festsetzung endgültiger Entgelte im Sinne einer Ordnung des Wettbewerbs von Gesetzes wegen höheres Gewicht zu.

Besondere rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) weist die Rechtssache nach den obigen Ausführungen nicht auf. Sie geht über das allgemeine Anforderungsniveau verwaltungsgerichtlicher einstweiliger Rechtsschutzverfahren nicht hinaus.

Grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) kommt der Rechtssache nicht zu. Die von der Antragstellerin aufgeworfene erste Frage beantwortet sich bereits ohne weiteres aus dem Gesetz und seinen Materialien und die zweite Frage stellte sich in der Beschwerde nicht. Bezüglich beider bedarf es daher der Durchführung der Beschwerde nicht.






OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 17.09.2001
Az: 13 B 1204/01


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