Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. März 2002
Aktenzeichen: 28 W (pat) 17/02

(BPatG: Beschluss v. 27.03.2002, Az.: 28 W (pat) 17/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt Einsicht in die Akten der unter der Nummer 399 66 415.7 am 23. Oktober 1999 angemeldeten Wortmarke "chickenpopcorn", der die Anmelderin widersprochen hat. Aus dieser Markenanmeldung ist gegen die Eintragung der prioritätsjüngeren Marke 30028138 "Popcorn Chicken" der Antragstellerin Widerspruch eingelegt worden. Dieses Widerspruchsverfahren ist derzeit nach § 29 Abs. 2 MarkenV iVm § 9 Abs. 2 MarkenG ausgesetzt.

Die Markenstelle für Klasse 29 hat dem Antrag auf Akteneinsicht nach Abwägung der beiderseitigen Belange mit der Begründung stattgegeben, das berechtigte Interesse der Antragstellerin ergebe sich aus der Möglichkeit, die Verteidigung im anhängigen Kollisionsverfahren abschätzen zu können.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag, den Beschluss der Markenstelle aufzuheben und den Antrag auf Akteneinsicht zurückzuweisen.

Sie führt aus, die Markenstelle habe ein begründetes Interesse der Antragstellerin zu Unrecht angenommen, da das Widerspruchsverfahren ausgesetzt sei, so dass derzeit keine Verteidigungsmöglichkeit zu prüfen sei. Darüber hinaus habe sie die erforderliche Abwägung zwischen den Interessen der Anmelderin und der Antragstellerin nicht vorgenommen.

Seitens der Antragstellerin lagen keine Anträge vor. Sie ist entsprechend ihrer fernmündlichen Mitteilung im Termin nicht erschienen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist nicht begründet.

Nach § 62 Abs. 1 MarkenG gewährt das Patentamt auf Antrag Einsicht in die Akten von Markenanmeldungen, wenn ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird und schützenswerte Belange der Anmelderin nicht entgegenstehen. Dies ist vorliegend der Fall.

Die Antragstellerin hat ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in die Akten der oben genannten Anmeldung in ihrem Schriftsatz vom 23. Juli 2001 glaubhaft gemacht, indem sie auf die Widerspruchseinlegung durch die Anmelderin hingewiesen hat. Ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Kenntnis der Akten für das künftige Verhalten der Antragstellerin bei der Wahrung oder Verteidigung von Rechten bestimmend sein kann. Hierzu genügt ein rein tatsächliches, insbesondere ein wirtschaftliches Interesse der Antragstellerin (Althammer/Ströbele, Rdnr 4 zu § 62 MarkenG). Zu bejahen ist dieses berechtigte Interesse gerade in den Fällen, in denen wie vorliegend Rechte aus der fraglichen Anmeldung gegenüber der Antragstellerin geltend gemacht werden. Hier hat sich die Anmelderin durch Einlegung des Widerspruchs bewußt aus der vom Gesetzgeber als besonders schützenswert angesehenen Position des Anmelders bis zur Veröffentlichung der Eintragung herausbegeben. Auch die Mitteilung der Markenstelle, die Beschlussfassung im Widerspruchsverfahren könne erst erfolgen, wenn das Verfahren betreffend die widersprechende Anmeldung abgeschlossen ist, steht entgegen der Ansicht der Anmelderin der Annahme eines berechtigten Interesses der Antragstellerin nicht entgegen. Vielmehr wird mit dieser quasi "automatischen" Aussetzung des Widerspruchsverfahrens (§ 9 Abs. 2 MarkenG, § 29 Abs. 2 MarkenV) durch die Markenstelle eine Entscheidung im Widerspruchsverfahren und damit über den endgültigen Schutz der Marke der Antragstellerin nicht absehbar. Ohne Einsicht in die Akte der mangels Eintragung allenfalls unvollständig veröffentlichten Widerspruchsmarke (vgl. § 33 Abs. 3 MarkenG, § 14a MarkenV) kann die Antragstellerin und Inhaberin der angegriffenen Marke regelmäßig keine Kenntnis darüber erlangen, wie die Widerspruchsmarke aussieht und für welche Waren sie Schutz beanspruch und somit nicht wirtschaftlich disponieren. Vor diesem Hintergrund können an einem berechtigten Interesse der Antragstellerin an der Einsicht in die Akten der angemeldeten Marke keine ernsthaften Zweifel bestehen.

Der Akteneinsicht entgegenstehende schützenswerte Geheimhaltungsinteressen der Anmelderin sind weder erkennbar noch von dieser vorgetragen worden, so dass deren Beschwerde zurückzuweisen war.

Von einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen (§ 71 MarkenG) hat der Senat noch abgesehen.

Stoppel Schwarz-Angele Martens Fa






BPatG:
Beschluss v. 27.03.2002
Az: 28 W (pat) 17/02


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