Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 7. März 2003
Aktenzeichen: 6 U 134/02

(OLG Köln: Urteil v. 07.03.2003, Az.: 6 U 134/02)

Tenor

1.)

Die Berufung der Klägerin gegen das am 28.6.2002 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 7/01 - wird zurückgewiesen.

2.)

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

3.)

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % der zu vollstreckenden Summe abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Parteien können die Sicherheit durch eine schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstitutes leisten.

4.)

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Begründung:

Wegen des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs.1 Ziff.1 ZPO auf die Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen. Im Berufungsverfahren, in dem sie ihr Klageziel weiter verfolgt, rügt die Klägerin, das Landgericht habe in unzulässiger Weise eine eigene Bewertung vorgenommen, obwohl sie "den Verstoß gegen das Geschmacksmustergesetz sowie gegen das UWG unter Beweis gestellt habe".

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt u.a. ihren Einwand der fehlenden Zuständigkeit des Landgerichts.

II

Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens ist die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts zu Recht ergangen. Einer Beweisaufnahme bedarf es auch im Berufungsverfahren nicht.

Ohne Erfolg rügt die Beklagte allerdings die angeblich fehlende - internationale - Zuständigkeit des Landgerichts. Der Sache nach ist ihr Einwand nicht auf das Fehlen der Zuständigkeit, das gem. § 513 Abs.2 ZPO im Berufungsverfahren auch gar nicht mehr mit Erfolg gerügt werden könnte, sondern darauf gerichtet, dass dem vorliegenden Verfahren die anderweitige Rechtshängigkeit bzw. sogar die in dem Verfahren vor dem Landgericht von Pordenone in Italien angeblich eingetretene Rechtskraft entgegenstehe. Dieser Einwand ist zwar zulässig, aber unbegründet.

Ungeachtet der - zumindest in der Übersetzung - möglicherweise missverständlichen Formulierung durch das italienische Gericht, hat dessen Entscheidung nach dem Territorialitätsprinzip nur Auswirkungen auf das italienische Hoheitsgebiet. Daran ändert der Umstand nichts, dass das klägerische Muster nach dem Haager Abkommen über die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster und Modelle (HMA) bei der WIPO in Genf hinterlegt worden ist. Denn diese Hinterlegung ersetzt nur die für den Rechtsschutz erforderlichen formellen Erfordernisse nach den betreffenden nationalen Rechtsordnungen (vgl. - für die frühere Fassung des HMA - BGH GRUR 67,533, 535 - "Myoplast"). Der materielle Schutz der registrierten Hinterlegung in den einzelnen Ländern richtet sich demgegenüber gem. Art.7 Abs.1 b) HMA ausschließlich nach den Bestimmungen des betreffenden Landes und ist dementsprechend durch die nationalen Gerichte zu überprüfen. Die Entscheidung des Landgerichts Pordenone konnte damit nicht den durch die Hinterlegung bewirkten Musterschutz in allen von dem Abkommen erfassten Ländern insgesamt beseitigen, sondern nur feststellen, dass der Schutzfähigkeit in Italien Hinderungsgründe entgegenstehen. Angesichts dieser klaren Rechtslage ist davon auszugehen, dass das italienische Gericht, in dessen Darstellung des Verfahrensablaufes es im übrigen ausdrücklich heißt, die - dortige - Klägerin habe verlangt, die Eintragung "für Italien" für nichtig zu erklären, eine weitergehende, das Muster generell in allen Ländern, für die es hinterlegt ist, für wirkungslos erklärende Entscheidung, die aus den vorstehenden Gründen ersichtlich unrichtig wäre, nicht getroffen hat. Aus diesem Grunde steht das Urteil des Landgerichts Pordenone - ungeachtet der Frage seiner Anfechtbarkeit - der Zulässigkeit des vorliegenden Verfahrens, in dem allein der Schutz des Musters auf deutschem Territorium in Rede steht, nicht entgegen.

Die mithin zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltendgemachten Ansprüche nicht zu.

Die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruches aus § 14 a Abs.1 GeschmMG liegen nicht vor. Allerdings ist aus den von dem Landgericht dargelegten Gründen von der durch die schwungvolle Form der Tischbeine gegebenen Eigentümlichkeit des Musters der Klägerin auszugehen. Dass das hiergegen erstinstanzlich angeführte Modell "K.G.", wie es aus den Abbildungen in den vorgelegten, als BB 3 und BB 4 (nicht: "B 3" und "B 4") gekennzeichneten Prospekten ersichtlich ist, die Eigentümlichkeit nicht beseitigt, bedarf angesichts seiner schon von der Kammer angeführten Gradlinigkeit und Eckigkeit keiner weiteren Begründung, zumal sich die Beklagte im Berufungsverfahren auf eine Schwächung oder gar Beseitigung der Eigentümlichkeit durch das Modell "K.G." nicht mehr beruft. Die Eigentümlichkeit kann auch nicht mit der Begründung des Landgerichts Pordenone verneint werden. Dieses hat sich auf ein schon 1944 geschaffenes Modell von C. M. und ein Modell einer Fa. C. aus dem Jahre 1991 gestützt. Beide Modelle sind indes im vorliegenden Verfahren nicht angeführt und vorgelegt worden.

Ist damit neben der gem. § 13 GeschmMG vermuteten Neuheit auch von der Eigentümlichkeit der Tischbeine auszugehen, so besteht der Anspruch gleichwohl nicht, weil die angegriffenen Tischbeine eine Nachbildung des Musters nicht darstellen. Dabei ist im Ausgangspunkt zugrunde zu legen, dass dem Muster der Klägerin ein nur durchschnittlicher Schutzumfang zukommt. Beide Muster von Tischbeinen heben sich zwar durch ihre geschwungene Form und - was die kleineren Füße angeht - durch ungewöhnliche Proportionen von durchschnittlichen Tischbeinen ab, dadurch wird indes keine ästhetische Wirkung erreicht, die sich in ihrem Erscheinungsbild völlig von gängigen Möbelfüßen abheben würde. Ausgehend hiervon kann von einer Nachbildung keine Rede sein, weil die angegriffenen Tischbeine deutlich von dem geschützten Muster der Klägerin abweichen. Die angegriffenen Tischbeine unterscheiden sich zwar von herkömmlichen Tischbeinen für Bürotische ebenfalls durch eine geschwungene Form, von dem Muster weichen sie aber - wie schon das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - dadurch ab, dass bei seitlicher Draufsicht der Eindruck eines Vogels entsteht, dessen Schnabel die Auflage für die Tischplatte bildet. Dieser von dem Muster ganz unterschiedliche Eindruck wird dadurch erreicht, dass der vertikal aufstehende Träger zwischen dem eigentlichen Fuß und der horizontalen Stütze der Schreibfläche wesentlich bauchiger und voluminöser ausgestaltet ist als die gestreckte und längliche Form des Musters. Es kommt hinzu, dass das aufgesetzte Rückenteil, das dem Muster in diesem Bereich eine besondere Note verleiht, bei den Tischbeinen der Beklagten fehlt. Im übrigen ist die erwähnte Stütze der Schreibfläche völlig anders gestaltet. Während das Muster dort eine durchgängige, auf die obere Kante des vertikalen Trägers aufgesetzte flächige Unterlage vorsieht, ist bei dem angegriffenen Modell die Tischplatte unmittelbar auf den vertikalen Träger aufgesetzt und dieser nur nach vorne, eben um den "Schnabel" des Vogels, verlängert, wobei dieser Unterschied durch die Zweifarbigkeit noch betont wird. Ausgehend von diesen Abweichungen, die den Tischbeinen der Beklagten bei der gebotenen Gesamtbetrachtung eine ganz andere Anmutung verleihen, liegt auch unter Berücksichtigung der weitgehenden Übereinstimmungen im Bereich der eigentlichen Füße eine Nachbildung nicht vor, zumal diese nur zu einem untergeordneten Teil die Eigentümlichkeit des Musters begründen.

Ohne Erfolg führt die Klägerin noch an, die Tische seien in gleicher Weise angeordnet und mit gleichem Zubehör versehen. Da Musterschutz ausschließlich für die Tischbeine besteht, ist die Frage der unzulässigen Nachbildung des Musters allein danach zu beurteilen, ob ungeachtet der Ausgestaltung des vollständigen Tisches im übrigen die Tischbeine selbst sich als Nachahmung gerade der geschützten Elemente des Musters darstellen. Das ist indes aus den vorstehenden Gründen zu verneinen.

Der Unterlassungsanspruch lässt sich auch nicht aus § 1 UWG unter dem allein in Betracht kommenden Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstäuschung herleiten. Das gilt auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Ausführungen der Klägerin in deren Schriftsatz vom 21.2.2003, weswegen eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht geboten ist.

Die von der Klägerin hergestellten Tischbeine weisen allerdings die für einen ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz erforderliche wettbewerbliche Eigenart auf. Diese ist in den Elementen begründet, die auch die Eigentümlichkeit des Musters, dem sie genau nachgebaut sind, ausmachen. Es wird daher auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Die wettbewerbliche Eigenart der Tischbeine ist von Hause aus allenfalls durchschnittlicher Art, weil derartige Tischbeine zwar auf dem Markt von Dritten nicht angeboten werden, sie sich ihrer Ausgestaltung nach aber von üblichen Tischbeinen nicht in besonders großem Maße unterscheiden. Die wettbewerbliche Eigenart ist auch nicht durch gewerbliche Aktivitäten gesteigert. Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 21.2.2003 angeführten "Verkaufszahlen" vermögen eine besondere Bekanntheit auf dem deutschen Markt nicht zu belegen. Es handelt sich um die Umsatzzahlen nicht etwa für die streitgegenständlichen Tischbeine, sondern für die gesamte "Produktlinie T.". Diese Produktlinie umfasst indes ausweislich des nunmehr vorgelegten Verkaufsprospektes "T." (= Anlage 6 zum Schriftsatz vom 21.2.2003) eine Vielzahl von Büromöbeln, von denen - wie sich ohne weiteres aus S. 43 und 44 und der hinteren aufklappbaren Innenseite des Prospektes ergibt - noch nicht einmal alle Tische die hier in Rede stehenden Beine aufweisen. Die Zahlen belegen daher eine gesteigerte Bekanntheit nicht. Eine solche wird auch nicht durch den Internet-Auftritt der Klägerin vermittelt. Abgesehen davon, dass darin - soweit ersichtlich - nur auf einem Bild die besondere Form des Tischbeines deutlich wird, ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin auch nicht, dass dieser Internet-Auftritt im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der ersten Kollision beider Modelle bereits so lange geschaltet gewesen war, dass Interessenten in gesteigertem Umfang von der Werbung hätten Kenntnis nehmen können. Auch eine etwaige anderweitige Werbung ist nicht vorgetragen worden. Danach ist zwar angesichts des Verkaufsprospekts davon auszugehen, dass die Klägerin (auch) mit den Tischbeinen in einem für einen ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz ausreichenden Umfang (vgl. hierzu näher BGH WRP 02,207,210 - "Noppenbahnen") überhaupt in Deutschland auf dem Markt war, dass aber die wettbewerbliche Eigenart der Tischbeine nicht gesteigert ist. Vor diesem Hintergrund besteht angesichts der deutlichen Abweichungen der streitgegenständlichen Tischbeine auch die Gefahr vermeidbarer betrieblicher Herkunftstäuschungen nicht. Auch insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Soweit die Klägerin (auf S.7 ihres erwähnten Schriftsatzes) anhand bestimmter Katalogdarstellungen angebliche Übereinstimmungen hinsichtlich des "Aufbaus der Büromöbel" und der "Präsentation der Produktlinien" der Parteien rügt, kann dahinstehen, ob diese Vorwürfe berechtigt sind. Denn auch wenn das der Fall sein sollte, kann damit der Unterlassungsanspruch, der ausschließlich Tischbeine für Schreib- und Bürotische zum Gegenstand hat, nicht begründet werden.

Die vorstehenden Fragen vermag der Senat entgegen der Auffassung der Klägerin ohne sachverständige Hilfe selbst zu beurteilen. Die Prüfung der behaupteten Nachbildung ist anhand eines durchschnittlichen Geschmacksempfindens vorzunehmen und setzt keine besonderen Fähigkeiten und Kenntnisse voraus, die etwa nur Designsachverständigen zukämen. Dasselbe gilt für die Frage, ob die angegriffenen Tischbeine die Gefahr vermeidbarer betrieblicher Herkunftstäuschungen auslösen.

Ist damit der Unterlassungsanspruch nicht begründet, so bestehen auch die weiter geltendgemachten Ansprüche auf Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung mangels Verletzungshandlung nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711, 108 Abs.1 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO liegen nicht vor.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 125.000 EUR






OLG Köln:
Urteil v. 07.03.2003
Az: 6 U 134/02


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