Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. März 2004
Aktenzeichen: 32 W (pat) 2/03
(BPatG: Beschluss v. 31.03.2004, Az.: 32 W (pat) 2/03)
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 30 - vom 5. September 2002 aufgehoben.
Gründe
I Die als Marke für Speiseeis und Zubereitungen im wesentlichen bestehend aus Speiseeisangemeldete dreidimensionale Darstellung (Farbe: silber)
siehe Abb. 1 am Endehat die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 5. September 2002 wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zurückgewiesen, weil der Verkehr in der angemeldeten Gestaltung keinen betrieblichen Herkunftshinweis sehe, sondern lediglich eine auf dem angesprochenen Warengebiet üblicherweise verwendete Warenverpackung. Die beanspruchte Form der Verpackung stelle sich als eine der möglichen Grundformen für Behältnisse von Eiscreme und Eiscremezubereitungen dar, die für die Aufnahme der beanspruchten Waren im Handel seit Jahren üblich seien. Die äußere Gestaltung des Behältnisses sei in ihren wesentlichen Merkmalen funktional vorgegeben, d.h. sie weise Eigenschaften technischer Art auf, die eine besondere Handhabbarkeit der nicht unproblematischen Ware als Creme ermöglichten. Diese prototypische Form besitze keine charakteristischen zusätzlichen Gestaltungselemente, insbesondere keine Abwandlungen, die sich nicht lediglich in rein dekorativer Gefälligkeit oder sonstigen unbedeutenden Zusätzen erschöpften.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie stellt den Antrag, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. September 2002 aufzuheben und die angemeldete Marke einzutragen.
Die als Marke angemeldete Warenverpackung sei hinreichend unterscheidungskräftig, weil ihre Gestaltung in signifikanter Weise vom üblichen Formenschatz für die Behältnisse von Eiscreme und -zubereitungen abweiche. Auf dem Gebiet der Haushaltspackungen für Speiseeisprodukte gäbe es drei feststehende Grundformen, nämlich rechteckige, runde und ovale (unter Hinweis auf beigefügte acht Seiten Recherche-Ergebnisse aus dem Internet). Im Verhältnis zu diesen Grundtypen stelle die angemeldete Marke eine willkürliche charakteristische Gestaltung dar, der aufgrund ihrer länglichen Achteckform die Eignung zukomme, als Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Diese Form sei weder funktional vorgegeben - sie erschwere im Vergleich zu herkömmlichen Behälterformen eher das Verpacken, Transportieren, Stapeln und Lagern , noch handele es sich um eine bloße Verzierung.
II Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und begründet. Einer Eintragung der angemeldeten Marke in das Register stehen keine rechtlichen Hindernisse entgegen.
1. Dreidimensionale Gestaltungen, wie die vorliegend angemeldete, sind nach § 3 Abs. 1 MarkenG (abstrakt) markenfähig, und zwar auch dann, wenn sie - was hier für Speiseeis und Speiseeiszubereitungen zutrifft - die Form der Warenverpakkung wiedergeben. Dass diese Form, so wie sie sich aus der Abbildung ergibt, ausschließlich durch die Art der Ware bedingt bzw. zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist oder der Ware einen wesentlichen Wert verleiht (§ 3 Abs. 2 MarkenG), lässt sich nicht feststellen. Die Beschaffenheit des Materials, aus dem die Verpackung besteht (hier offensichtlich Kunststoff), hat dabei ebenso außer Betracht zu bleiben wie der Umstand, dass die Verpackung funktionsbedingt aus einer Schale (zur Aufnahme des Speiseeises usw.) und einem verschließbaren Deckel besteht. Die allein maßgebliche äußere Umrißform, dass längliche Achteck, steht in keiner Beziehung zur konkreten Ware und ist auch sonst nicht ausschließlich technisch bedingt.
2. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Marke jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt. Unter dieser versteht man die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber den Waren oder Dienstleistungen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden, wobei grundsätzlich von einem großzügigen Beurteilungsmaßstab auszugehen ist. Bei der Feststellung der Unterscheidungskraft von dreidimensionalen Marken, welche die Form der Ware oder deren Verpackung darstellen, ist im Grundsatz kein strengerer Maßstab als bei anderen Markenformen anzulegen (EuGH GRUR 2003, 514 - Linde, Winward und Rado; 2002, 804 - Philips/Remington; BGH GRUR 2001, 56 - Likörflasche). Eine besondere Eigentümlichkeit oder Originalität ist nicht erforderlich. Mithin ist zu prüfen, ob die als Marke beanspruchte Form nur in ihrer Eigenschaft als Behältnis wahrgenommen oder ob sie aus sonstigen Gründen nicht als Herkunftshinweis verstanden wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr in einer bestimmten Formgestaltung nur dann einen Herkunftshinweis sehen wird, wenn er diese Form nicht nur einer konkreten Funktion der Ware bzw. ihrer Verpackung oder ganz allgemein dem Bemühen zuschreibt, ein ästhetisch ansprechendes Produkt zu schaffen (BGH GRUR 2003, 332 - Abschlußstück).
In vielen Fällen wird der Verkehr zwar eine besondere Form nicht mit einem bestimmten Unternehmen verbinden, sondern er wird sie allein der funktionellen und ästhetischen Ausgestaltung der Ware selbst zuordnen (vgl. BGH - Abschlußstück, aaO). Derartige Unterschiede in der Vorstellung des Verkehrs hängen mit der Art der Ware zusammen, für die der Schutz beansprucht wird (BGH GRUR 2004, 329 - Käse in Blütenform).
Herkömmliche Formen, in denen (Kunststoff-)Behälter zur Verpackung von Speiseeis dem Verbraucher begegnen, sind - wie die Anmelderin durch Vorlage von Unterlagen belegt hat - rechteckig, oval oder rund. Derartige Behältnisse werden, sofern sie nicht besondere weitere Gestaltungsmerkmale aufweisen, im allgemeinen nicht als Herkunftshinweis verstanden, zumal der Verkehr Speiseeis (-zubereitungen) in Haushaltspackungen ohnehin meist nicht nach der äußeren Gestaltung der Ware oder Verpackung unterscheidet, sondern sich in erster Linie an der Produktbezeichnung und der Herstellerangabe orientiert (BGH GRUR 2001, 443 - Viennetta). Wenn es sich aber - wie hier, bedingt durch die ungewohnte und daher auffällige Achteckform - erkennbar um eine willkürliche Formgebung handelt, die sich von den üblichen Gestaltungen identitätsstiftend unterscheidet, wird ein rechtserheblicher Teil des Verkehrs dazu neigen, diese Gestaltung mit einer bestimmten betrieblichen Herkunft zu verbinden (BGH - Likörflasche, aaO, 58; - Käse in Blütenform, aaO, 330). Eine ganz einfache geometrische (Grund-)Form ("Kunststoffbehälter an sich") oder ein bloß schmückendes Element stellt das längliche Achteck wegen seiner Unüblichkeit nicht dar. Ein (noch) ausreichender Teil der angesprochenen Verbraucher wird dieser Verpackungsform daher auch dann einen Herkunftshinweis entnehmen, wenn sie ihm ohne sonstige Wort- und Bildbestandteile begegnet bzw. er diese - aus welchen Gründen auch immer - nicht auf Anhieb wahrnimmt.
3. Einer Registrierung der angemeldeten Marke steht auch kein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen, denn sie besteht nicht ausschließlich aus Zeichen oder Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes oder sonstiger Merkmale der betreffenden Waren dienen können. Angesichts der begrifflich und denklogisch vorgegebenen Differenz zwischen der Ware selbst und ihrer Verpackung kann letztere nur in Ausnahmefällen einen mittelbar beschreibenden Hinweis auf ihren Inhalt geben, etwa bei durch Norm und Üblichkeit feststehenden Flaschenformen für Bier und (Rot- oder Weiß-)Wein (vgl. BGH - Likörflasche, aaO, 57). Eine genormte Verpackung für Speiseeis ist nicht feststellbar. Vielmehr herrscht hier Formenvielfalt. Aus diesem Grund ist es auch nicht vorstellbar, dass künftig gerade die beanspruchte Verpackungsform Norm oder Typ für Speiseeis(-zubereitungen) wird.
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Abb. 1
BPatG:
Beschluss v. 31.03.2004
Az: 32 W (pat) 2/03
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