Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 8. Mai 2014
Aktenzeichen: I-20 W 48/14
(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 08.05.2014, Az.: I-20 W 48/14)
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 14. Februar 2014 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
Gründe
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 20. Februar 2014 ist zulässig, in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung des Inverkehrbringens nicht unter der Marke registrierter Elektrogeräte zu Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 ElektroG sind nicht erfüllt.
Gemäß § 4 Nr. 11 UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Der Beispielstatbestand des § 4 Nr. 11 UWG präzisiert die zu § 1 a.F. UWG entwickelte Fallgruppe des "Wettbewerbsverstoßes durch Rechtsbruch". Er ist vor dem Hintergrund der Schutzzweckbestimmung in § 1 UWG zu sehen. Es kann nicht Aufgabe des Lauterkeitsrechts sein, alle nur denkbaren Gesetzesverstöße im Zusammenhang mit geschäftlichen Handlungen auch lauterkeitsrechtlich zu sanktionieren (Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 4 Rn. 11.6; BGH, GRUR 2010, 654 Tz. 25 - Zweckbetrieb; jeweils m. Verw. a. Begr. RegE. UWG 2004 zu § 4 Nr 11, BT-Drucks 15/1487 S. 19;). Vielmehr liegt "der eigentliche Zweck des UWG darin, das Marktverhalten der Unternehmen im Interesse der Marktteilnehmer, insbesondere der Mitbewerber und der Verbraucher, und damit zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb zu regeln" (Köhler/Bornkamm, a.a.O., m. Verw. a. Begr. RegE. UWG 2004 zu § 1, BT-Drucks 15/1487 S. 15/16). Die Vorschrift muss das Marktverhalten folglich im Interesse der Marktteilnehmer regeln. Dem Interesse der Mitbewerber dient eine Norm dann, wenn sie die Freiheit ihrer wettbewerblichen Entfaltung schützt (BGH, GRUR 2010, 654 Tz. 18 - Zweckbetrieb). Steuerrechtliche Vorschriften stellen von daher grundsätzlich keine Marktverhaltensregelungen dar, da sich ihr Zweck im Normalfall darauf beschränkt, die Finanzierung des Gemeinwesens zu ermöglichen; sie bezwecken nicht den Schutz der Interessen der Marktteilnehmer (BGH, a.a.O., Tz. 19).
Auch wichtige Gemeinschaftsgüter unterfallen daher nicht notwendiger Weise § 4 Nr. 11 UWG. Die zu § 1 UWG a. F. ergangene Rechtsprechung, wonach der Wettbewerb nicht unter Missachtung wichtiger Gemeinschaftsinteressen betrieben werden solle, ist überholt. Sie berücksichtigte nicht hinreichend, dass das Lauterkeitsrecht nur den Wettbewerb im Interesse der Marktbeteiligten, insbesondere der Mitbewerber und Verbraucher schützen soll. Das Lauterkeitsrecht mit seinen spezifischen Sanktionen darf nicht zum Schutze anderer Rechtsgüter instrumentalisiert werden, mögen sie auch "gewichtige Allgemeininteressen" darstellen. Stets ist also zu fragen, ob das geschützte Rechtsgut auch ein Interesse der Verbraucher oder Mitbewerber repräsentiert. Ist dies nicht der Fall, kann der Schutz nur über die dafür vorgesehenen Sanktionen erfolgen (Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 4 Rn. 13.69).
Der Zweck des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes ist in § 1 Abs. 1 Satz 2 definiert. Danach bezweckt das Elektro- und Elektronikgerätegesetz vorrangig die Vermeidung von Abfällen von Elektro- und Elektronikgeräten und darüber hinaus die Wiederverwendung, die stoffliche Verwertung und andere Formen der Verwertung solcher Abfälle, um die zu beseitigende Abfallmenge zu reduzieren sowie den Eintrag von Schadstoffen aus Elektro- und Elektronikgeräten in Abfälle zu verringern. Die Formulierung "insbesondere ... und darüber hinaus" legt eine abschließende Ausrichtung auf die vorgenannten, dem Bereich des Umweltschutzes zuzuordnenden Zielsetzungen zumindest nahe. Für einen Schutz der Interessen der Marktteilnehmer wäre dann schon allein aufgrund dieser gesetzgeberischen Vorgabe kein Raum.
Soweit Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 4 Rn. 11.155b, die Auffassung vertritt, die Vorschrift des § 6 Abs. 2 ElektroG, wonach jeder Hersteller verpflichtet ist, sich unter Angabe der Marke registrieren zu lassen, bevor er Elektro- oder Elektronikgeräte in Verkehr bringt, diene daneben auch dem Schutz der Verbraucher, weil diese die Gewähr haben sollten, von der Entsorgungslast befreit zu sein, findet diese Auffassung im Gesetz keine Stütze. Sie entspricht zudem nicht der Realität, da derartige Geräte unabhängig von der Registrierung durch den Hersteller bei den nach § 9 Abs. 3 ElektroG von den öffentlichrechtlichen Entsorgungsträgern einzurichtenden Sammelstellen entgeltfrei abgegeben werden können.
Von daher vermag auch durch § 6 Abs. Satz 5 ElektroG begründete produktbezogene Absatzverbot den erforderlichen Wettbewerbsbezug nicht zu begründen. Der Bundesgerichtshof hat in der vom Oberlandesgericht München zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung (GRUR-RR [2011] 424, 425 - Elektrogeräteregistrierung) angeführten Entscheidung "Golly Telly" produktbezogene Absatzverbote nicht grundsätzlich als Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG qualifiziert, sondern nur insoweit, als die Verbrauchererwartung, ein allen im Interesse des Kunden bestehenden gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Produkt zu erhalten, enttäuscht wird (GRUR 2010, 754 Rn. 21). Das produktbezogene Absatzverbot muss folglich gerade der Einhaltung der im Interesse der Verbraucher (oder der Mitbewerber) bestehenden Bestimmungen dienen, ein anderen Interessen dienendes Absatzverbot genügt nicht.
Die Norm des § 6 Abs. 2 ElektroG dient der Erfassung der Hersteller und der diesen gleichgestellten Importeure, um die Finanzierung des Entsorgungssystems durch sie zu gewährleisten, also - insoweit vergleichbar einer steuerrechtlichen Vorschrift - der Sicherstellung einer hoheitlichen Aufgabe. Es kann vorliegend dahinstehen, ob das Interesse der Hersteller, dass ihre Mitbewerber im gleichen Umfang wie sie mit Abgaben belastet und durch säumige Mitbewerber verursachte Kosten nicht anteilig auf sie umgelegt werden, ein Interesse i. S. des § 4 Nr. 11 UWG begründet. So hat jeder gesetzestreue Anbieter von Waren oder Dienstleistungen ein Interesse daran, dass sich seine Mitbewerber nicht durch (Umsatz-) Steuerverkürzung einen Vorteil verschaffen. Auch kann eine massenhafte Steuerverkürzung zu Steuererhöhungen führen, um die Mindereinnahmen auszugleichen. Gleichwohl werden steuerrechtliche Vorschriften nicht als Marktverhaltensregelungen i. S. des § 4 Nr. 11 UWG betrachtet (BGH, GRUR 2010, 654 Tz. 19 - Zweckbetrieb).
Der Senat ist in älteren Entscheidungen zu § 6 Abs. 2 ElektroG wegen der Gefahr einer gesteigerten Belastung der gesetzestreuen Hersteller von einer Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts ausgegangen (Beschl. v. 19. Apr. 2007, Az. 20 W 18/07, BeckRS 2007, 10769; Urt. v. 3. Juni 2008, Az. 20 U 207/ 07, GRUR-RR 2009, 69 - Elektroaltgeräteregister). Ob hieran im Lichte der Entscheidung "Zweckbetrieb" des Bundesgerichtshofs festgehalten werden kann, bedarf vorliegend - wie schon im Urteil vom 22. November 2011, I - 20 U 144/11 - keiner Entscheidung. Gemäß § 3 Abs. 1 UWG sind unlautere geschäftliche Handlungen nur unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Es bedarf folglich einer spürbaren Beeinträchtigung, die vorliegend jedenfalls nicht gegeben ist.
Der Antragsteller behauptet nicht, dass die Antragsgegnerin als Herstellerin von Elektrogeräten generell nicht registriert sei, sondern er verneint lediglich die Registrierung für die Marken "m.p und "m.". Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 3. Juni 2008 bereits ausgeführt hat, ist die Verletzung allein der Markenregistrierungspflicht wettbewerbsrechtlich nicht relevant. Bei Zuwiderhandlungen gegen Normen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG hat sich die Frage der wettbewerblichen Relevanz am Interesse der Marktbeteiligten zu orientieren. Da dieses Interesse Voraussetzung für ein wettbewerbsrechtliches Vorgehen ist, kann der Wettbewerber auch nur den Schutz dieses Interesses geltend machen. Das Interesse der Marktbeteiligten, soweit ein solches überhaupt anzunehmen ist, erschöpft sich jedoch - wie ausgeführt - in der gleichmäßigen Belastung aller Wettbewerber und der Vermeidung einer gesteigerten Belastung gesetzestreuer Hersteller mit Kosten der Entsorgung.
Nach § 14 Abs. 5 ElektroG wird die Menge der von jedem registrierten Hersteller abzuholenden Altgeräte nach dem Anteil dieses Herstellers an der Gesamtmenge der Elektrogeräte bestimmt. Für diese Mengenberechnung ist die Markenbezeichnung der jeweiligen Altgeräte im Hinblick auf § 14 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 ElektroG nicht relevant; denn den Behörden bekannt sind der registrierte Distributor ebenso wie die Gerätemengen. Die zusätzliche Nennung der Marken mag die Arbeit der EAR-Stiftung erleichtern und die Zuordnung von Geräten zu einem bestimmten Hersteller einfacher machen. Ein damit direkt verknüpfter, darüber hinausgehender Schutz von Marktteilnehmern, insbesondere von Konkurrenten oder Verbrauchern, oder ein mit der Rechtsverletzung verbundener erheblicher finanzieller Vorteil sind nicht ersichtlich (Senat, GRUR-RR 2009, 69, 70 - Elektroaltgeräteregister). Es wird allenfalls die ohnehin bestehende Gefahr der Angabe einer zu kleinen Menge etwas erhöht. In Anbetracht der geringen Beträge, die für sehr leichte Produkte wie Kopfhörer anfallen, vermag die geringfügige Erhöhung dieses Risikos eine wettbewerbliche Relevanz nicht zu begründen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Beschwerdewert wird ausgehend von der unbeanstandet gebliebenen erstinstanzlichen Festsetzung auf 20.000,00 Euro festgesetzt.
Ergänzungsbeschluss vom 28.07.2014:
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 14. Februar 2014 in Ergänzung der Senatsentscheidung vom 8. Mai 2014 teilweise abgeändert.
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr beim Verkauf von Kopfhörern an Verbraucher zu Zwecken des Wettbewerbs, wie beim Kopfhörer Anlage FN 1, FN 2, Kopfhörer in Verkehr zu bringen, ohne dass diese mit dem Namen und der Kontaktanschrift des Herstellers oder, sofern dieser nicht im Europäischen Wirtschaftsraum ansässig ist, mit dem Namen und der Kontaktanschrift des Bevollmächtigten oder des Einführers auf dem Verbraucherprodukt oder dessen Verpackung gekennzeichnet sind.
Die Kosten des Verfahrens in erster Instanz werden dem Antragsteller zu 1/3 und der Antragsgegnerin zu 2/3 auferlegt, die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden in Abänderung der Kostenscheidung im Beschluss vom 8. Mai 2014 gegeneinander aufgehoben.
OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 08.05.2014
Az: I-20 W 48/14
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