Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Oktober 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 52/03
(BPatG: Beschluss v. 22.10.2003, Az.: 28 W (pat) 52/03)
Tenor
Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 29 IR - vom 29. Mai 2001 und 9. Dezember 2002 aufgehoben, soweit der Widerspruch auch hinsichtlich der Waren "soupes, sauces (condiments), epices" zurückgewiesen worden ist.
Insoweit wird wegen des Widerspruchs aus der Marke 2R 190969 der angegriffenen IR-Marke 666 733 der Schutz für die Bundesrepublik Deutschland verweigert.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen der Klasse 29, 30, 31 und 42, darunter "soupes, sauces (condiments), epices", aber auch "plats prepares, conserves" uä international unter der Nummer IR 666 733 registrierten Wort-Bild-Markebegehrt Schutz für die Bundesrepublik Deutschland.
Dagegen ist Widerspruch erhoben aus der rangälteren, ua in den Klassen 29, 30 und 31 für "produits alimentaires" international registrierten Marke 2 R 190 960 MAGGI.
Die Markenstelle für Klasse 29 IR hat den Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Marken selbst vor dem Hintergrund einer großen Warenähnlichkeit noch einen ausreichenden Abstand in Klang und Bild einhielten, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die vor allem eine erhöhte Kennzeichnungskraft ihrer Marke geltend macht, die sich auf alle benutzten Waren (Würzmittel, Suppen, Soßen, Fertiggerichte, Kartoffel- und Reisprodukte, Dessertspeisen) erstrecke. Da schließlich die Markenwörter nach Silbenzahl und Vokalfolge sowohl in Klang und Bild starke Annäherungen aufwiesen, müsse vor dem Hintergrund identischer bis teilweise hochgradig ähnlicher Waren die Annahme einer Verwechslungsgefahr zwingend bejaht werden, so dass der angegriffenen Marke im Rahmen bestehender Warenähnlichkeit der Schutz für die Bundesrepublik Deutschland zu versagen sei.
Die Markeninhaberin hat Zurückweisung der Beschwerde beantragt. Sie bestreitet weiterhin die Benutzung und hält im übrigen den Abstand der Marken zueinander für ausreichend, zumal eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke als Wortmarke bestritten werde, da allenfalls dem Logo erhöhte Bekanntheit - und dann auch nur für Flüssigwürze - zukomme.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und auch teilweise begründet, da die Vergleichsmarken in dem im Tenor festgestellten Umfang verwechselbar ähnlich im Sinne von §§ 114, 32 Abs 2 Nr 1, 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG sind.
Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG ab von der Identität oder Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der von den beiden Marken erfassten Waren. Darüber hinaus sind auch alle weiteren Umstände zu berücksichtigten, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, insbesondere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke. Nach diesen Grundsätzen muß im vorliegenden Fall eine Verwechslungsgefahr für die im Bereich des erhöhten Schutzumfangs der Widerspruchsmarke liegenden Waren bejaht werden.
Was die Warensituation betrifft ist zunächst zu beachten, dass die Markeninhaberin in zulässiger Weise die Benutzung der Widerspruchsmarke für beide nach § 43 Abs 1 MarkenG relevanten Zeiträume bestritten hat. Nicht nachvollziehbar ist allerdings, weshalb die Markeninhaberin die Einrede weiter verfolgt, nachdem die Widersprechende umfassend und durch diverse eidesstattliche Versicherungen abgedeckt Material zu den Akten gereicht hat, die nach Art und Umfang eine ernsthafte und wirtschaftlich sinnvolle Benutzung der Widerspruchsmarke für die Waren "Suppe, Würzmittel, Saucen, Fertiggerichte, Kartoffel- und Reisgerichte und Dessertspeisen" zweifelsfrei belegen. Daß der Großteil der Benutzungshandlungen durch eine Tochtergesellschaft der Widersprechenden erfolgt ist, steht angesichts der Konzertverflechtung und der erteilten Markenlizenzen der Anerkennung der Glaubhaftmachung nicht entgegen.
Im Ergebnis können sich damit identische bzw hochgradig ähnliche Waren gegenüber stehen, wobei sich zusätzlich kollisionsfördernd auswirkt, dass von diesen Waren weitgehend Endabnehmer aller Altersschichten angesprochen werden, die auch als mündige Verbraucher im Umgang mit Kennzeichnungen erfahrungsgemäß nicht immer die notwendige Sorgfalt walten lassen, so dass bereits insoweit an den zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr erforderlichen Abstand der Marken erhebliche Anforderungen zu stellen sind. Diesen Anforderungen werden die sich gegenüberstehenden Markenwörter trotz aller Übereinstimmungen in Silbenzahl, Sprechrhythmus und Vokalfolge wegen des überragend bekannten Begriffsinhalts der angegriffenen Marke als christlich geprägter, weltweit bekannter weiblicher Vorname noch gerecht, so dass sich mit der Markenstelle eine Verneinung der Verwechslungsgefahr durchaus vertreten lässt. Allerdings ist die Markenstelle nur deshalb zu diesem Ergebnis gekommen, weil sie dem Umstand der schon im Verfahren vor dem Amt geltend gemachten erhöhten Bekanntheit der Widerspruchsmarke zu wenig Bedeutung beigemessen und deshalb den Schutzumfang der Widerspruchsmarke zu eng gezogen hat.
Nach der Aktenlage kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass auch dem bloßen Wort "Maggi" eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft und damit ein erhöhter Schutz zugebilligt werden muß. Das Vorbringen der Widersprechenden zu diesem Punkt ist in sich schlüssig und ausreichend belegt. Allerdings ist der Einwand der Markeninhaberin nicht von der Hand zu weisen, dass dieser Bekanntheitsgrad nicht für alle geltend gemachten Waren in gleicher Weise gilt, sondern dass jeweils Abstufungen vorzunehmen sind. So wird man die überragende Bekanntheit etwa für den Kernbereich der Markenverwendung, dh für Würzmittel, Suppen und Saucen, ohne weiteres schon als gerichtsbekannt unterstellen können, während hinsichtlich der Fertiggerichte und der sonstigen Produkte zwar sicherlich von einer überdurchschnittlich bekannten, aber nicht per se berühmten Marke gesprochen werden kann, auch wenn insoweit eine Tendenz zu erkennen ist, dass die Berühmtheit auch auf diese Bereiche ausstrahlt. Markenregisterrechtlich wirkt sich vorliegend im System der Wechselwirkung zwischen Waren- und Markenähnlichkeit sowie der Bekanntheit der Widerspruchsmarke angesichts des klaren begrifflichen Abstands der Marken zueinander nur der Kernbereich der erhöhten Kennzeichnungskraft aus, dh die für die bekannten Waren berühmte Marke, mit der Folge, dass die Widerspruchsmarke insoweit einen erheblich höheren Schutz beanspruchen kann, der angesichts der dann vorrangig zu berücksichtigenden Übereinstimmungen der Markenwörter von der angegriffenen Marke im Umfang der davon betroffenen identischen Waren aus Rechtsgründen tangiert wird. Bereits bei nur ähnlichen Waren oder bei einer nur überdurchschnittlichen Bekanntheit der Widerspruchsmarke (zB für Fertiggerichte, auch wenn diese im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke ebenfalls enthalten sind) wird dieser Schutzbereich jedoch wieder verlassen, so dass insoweit die angegriffene Marke neben der Widerspruchsmarke bestehen kann.
Die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle waren damit auf die Beschwerde der Widersprechenden in dem im Tenor genannten Umfang aufzuheben und die weitergehende Beschwerde zurückzuweisen. Für eine Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen bestand nach der Sach- und Rechtslage keine Veranlassung.
Stoppel Schwarz-Angele Paetzold Bb
BPatG:
Beschluss v. 22.10.2003
Az: 28 W (pat) 52/03
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/1d9193fb462a/BPatG_Beschluss_vom_22-Oktober-2003_Az_28-W-pat-52-03