Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Januar 2002
Aktenzeichen: 33 W (pat) 357/01

(BPatG: Beschluss v. 08.01.2002, Az.: 33 W (pat) 357/01)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. Oktober 2001 aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die Anmeldung der Farbkombination "hellblau/weiß" (hellblau: Pantone 657 U) als Farbmarke in einer "sonstigen Markenform" für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35, 36, 42 durch Beschluß der Markenstelle für Klasse 36 vom 19. Januar 2000 gemäß §§ 8 Abs 2 Nr 1, 37 Abs 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluß ist unter Nennung der Anmelderin sowie des zutreffenden Aktenzeichens "Namens und in Vollmacht der D... AG" Erinne- rung eingelegt worden.

Die Markenstelle für Klasse 36 hat die "Erinnerung der D... AG" durch Beschluß vom 18. Oktober 2001 mit der Begründung als unzulässig verworfen, die Erinnerung sei unzulässig, da sie von einer nichtberechtigten Person eingelegt worden sei. Zur Einlegung der Erinnerung sei nur die Anmelderin als einzige Verfahrensbeteiligte befugt. Die Erinnerungsführerin, die D... AG, sei an dem Anmeldeverfahren in keiner Weise beteiligt. Der Erinne- rungsschriftsatz lasse keine andere Auslegung zu, als daß die Erinnerung von der D... AG eingelegt worden sei. Der insoweit klare und eindeutige Wortlaut erlaube auch keine Umdeutung in eine Erinnerung der Anmelderin.

Die Anmelderin hat gegen diese Entscheidung des Patentamts Beschwerde eingelegt. Sie beantragt, den Beschluß der Markenstelle für Klasse 36 vom 18. Oktober 2001 aufzuheben, und trägt zur Zulässigkeit der Erinnerung im wesentlichen vor, gegen den Beschluß der Markenstelle vom 19. Januar 2000 habe die Anmelderin und nicht die D... AG Erinnerung eingelegt. Da im Erinnerungsschriftsatz alle Angaben zum Aktenzeichen, zur Anmelderin und zum angefochtenen Beschluß eindeutig seien, könne es sich bei der Angabe "der D... AG" nur um einen Schreibfehler handeln. Außerdem sei der Anmelderin zur Frage der Zulässigkeit der Erinnerung kein rechtliches Gehör gewährt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf ihre Schriftsätze Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist hinsichtlich des Antrags auf Aufhebung des Beschlusses der Markenstelle vom 18. Oktober 2001 begründet.

Nach Auffassung des Senats ist die rechtzeitige Erinnerung gegen den Beschluß der Markenstelle vom 19. Januar 2000 im Wege der Auslegung des Erinnerungsschriftsatzes gemäß § 133 BGB ersichtlich für die Anmelderin eingelegt worden.

Auch Prozeßhandlungen sind auslegungsfähig und auslegungsbedürftig; bei offensichtlichem Irrtum (zB Verschreiben) ist auch eine berichtigende Auslegung möglich (vgl Zöller, Zivilprozeßordnung, 22. Auflage 2001, Vor § 128 Rdn 25; Thomas/Putzo, Zivilprozeßordnung, 23. Auflage 2001, Einl III Rdn 16; Schulte, Patentgesetz, 6. Auflage 2001, Vor § 34 Rdn 105, 106; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Auflage 2001, § 133 Rdn 4 ff). Nach § 133 BGB ist bei der Auslegung der wirkliche Wille zu erforschen. Der Empfänger einer Willenserklärung ist nach Treu und Glauben verpflichtet, unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit zu prüfen, was der Erklärende gemeint hat (Palandt, aaO Rdn 9). Bei verfahrensleitenden Anträgen ist davon auszugehen, daß die Partei das anstrebt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenslage der Partei entspricht (vgl Zöller, aaO; Thomas/Putzo, aaO; Schulte, aaO Rdn 105; Palandt, aaO Rdn 18).

Im Erinnerungsschriftsatz ist die angefochtene Entscheidung mit dem Aktenzeichen und den Daten des Beschlusses eindeutig bezeichnet; sogar die Anmelderin ist zutreffend benannt. Die Angabe "Namens und in Vollmacht der D... AG" steht dazu zwar im Widerspruch, es handelt sich hierbei aber offen sichtlich um ein Schreibversehen, das die Markenstelle ohne weiteres hätte erkennen müssen. Denn nur die Anmelderin hatte ein Interesse und die rechtliche Möglichkeit, gegen den Beschluß der Markenstelle vom 19. Januar 2000 Erinnerung einzulegen. Die Anmelderin geht aber aus den Kopfzeilen des Erinnerungsschriftsatzes klar hervor.

Außerdem ist der Markenstelle vor Erlaß des Erinnerungsbeschlusses vom 18. Oktober 2001 ein wesentlicher Verfahrensmangel unterlaufen, weil sie der Anmelderin zur Frage der Zulässigkeit der Erinnerungseinlegung das gemäß Art. 103 Abs 1 GG, § 59 Abs 2 MarkenG erforderliche rechtliche Gehör nicht gewährt hat (vgl auch Richtlinie Markenanmeldungen vom 27. Oktober 1995, III.7 lit. a Absatz 2, veröffentlicht in BlPMZ 1995, 378, 387). Dadurch ist die Anmelderin insbesondere auch daran gehindert worden, möglicherweise (vorsorglich) die Wiedereinsetzung gemäß § 91 MarkenG zu beantragen.

Da die Markenstelle des Patentamts in der Sache selbst noch nicht abschließend entschieden hat und das Verfahren vor der Markenstelle an einem wesentlichen Mangel leidet, hebt der Senat gemäß § 70 Abs 3 Nr 1 und 2 MarkenG die angefochtene Entscheidung auf, ohne in der Sache selbst zu entscheiden.

Aus Billigkeitsgründen wird gemäß § 71 Abs 3 MarkenG angeordnet, daß die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen ist.

Winkler Dr. Hockv. Zglinitzki Cl






BPatG:
Beschluss v. 08.01.2002
Az: 33 W (pat) 357/01


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