Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Februar 2010
Aktenzeichen: 26 W (pat) 39/09
(BPatG: Beschluss v. 22.02.2010, Az.: 26 W (pat) 39/09)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Gegen die für die Waren
"Möbel, insbesondere Bürostühle, Bürosessel, Bürobesucherstühle, Bürotische; Teile der vorgenannten Waren, soweit in Klasse 20 enthalten"
eingetragene Wortmarke 306 59 851 TENGO ist Widerspruch eingelegt worden aus der für die Waren
"Möbelteile aus Metall (soweit in Klasse 6 enthalten); Möbel und Möbelteile (soweit in Klasse 20 enthalten); Möbelzubehör (soweit in Klasse 20 enthalten)"
registrierten prioritätsälteren Wortmarke 304 71 014 TANGO.
Mit Beschluss vom 15. Oktober 2008 hat die Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patentund Markenamts die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Zur Begründung wurde ausgeführt, angesichts bestehender Identität der sich gegenüberstehenden Vergleichswaren bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke halte die angegriffene Marke keinen ausreichenden Zeichenabstand ein, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. In klanglicher Hinsicht seien sich die Vergleichsmarken als Kurzzeichen mit gleicher Buchstabenund Silbenzahl sowie jeweils der Betonung auf der ersten Silbe trotz der unterschiedlichen Eingangsvokale "E" bzw. "A" sehr ähnlich. Dies gelte vor allem bei unklarer oder englischsprachiger Aussprache des Wortes "TANGO". Der schriftbildliche Vergleich führe ebenfalls zu einer hochgradigen Ähnlichkeit der beiden Marken. Insbesondere bei Kleinschreibung der Marken fielen dem angesprochenen Verkehr die Unterschiede in den Vokalen "e" und "a" kaum auf. Aber auch bei Großschreibung bestehe erhebliche Zeichenähnlichkeit, da die Vergleichszeichen durchgängig gleiche Oberund Unterlängen aufwiesen.
Hiergegen richtet sich die Markeninhaberin mit ihrer Beschwerde. Ihrer Ansicht nach könne die Bezeichnung "TANGO" als beschreibender Hinweis auf einen Bürostuhl dienen, mit dem man im übertragenen Sinne "Tango tanzen könne". Dass ein beachtlicher Teil des angesprochenen Verkehrs, dem der Sinngehalt des Begriffs "TANGO" als argentinischer Paartanz geläufig sei, die Widerspruchsmarke englisch ausspreche, sei eher unwahrscheinlich. Der erhebliche sprachliche Unterschied in der ersten Silbe der Vergleichszeichen ("TEN-" bzw. "TAN-"), hervorgerufen durch den dunklen, offenen Vokal "A" in der Widerspruchsmarke im Gegensatz zum hellen, halb geschlossenen Vokal "E" der angegriffenen Marke, verhinderten eine klangliche Verwechslungsgefahr. Hierbei sei insbesondere die Kürze der sich gegenüberstehenden Marken zu berücksichtigen. Auch in schriftbildlicher Hinsicht bestehe keine zur Verwechslungsgefahr führende Zeichenähnlichkeit. Der Verkehr nehme ohne Weiteres die charakteristischen Unterschiede im Schriftbild der jeweils ersten Vokale "E" (aus ausschließlich horizontal bzw. vertikal verlaufenden Elementen bestehend) und "A" (geprägt durch die beiden diagonalen Elemente) wahr.
Die Markeninhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluss vom 15. Oktober 2008 aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Hilfsweise regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.
Zum weiteren Vorbringen wird auf die zwischen den Verfahrensbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin ist unbegründet. Die angegriffene Entscheidung des Deutschen Patentund Markenamts ist frei von Rechtsfehlern. Zwischen den sich gegenüberstehenden Marken besteht Verwechslungsgefahr im Sinne von § 42 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Die gegen diese Feststellung der Markenstelle erhobenen Einwände verhelfen der Beschwerde nicht zum Erfolg.
Nach den genannten Vorschriften ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken, der Identität oder Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2007, 1066, 1067/1068 -Kinderzeit; GRUR 2006, 859, 860 -Malteserkreuz; GRUR 2006, 60, 61 -cocodrillo; GRUR 2005, 513, 514 -MEY/Ella May).
Die sich gegenüberstehenden Vergleichswaren sind identisch. Das Wort "insbesondere" im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke enthält lediglich eine beispielhafte Aufzählung von Waren, die unter den Oberbegriff "Möbel" fallen.
Die Widerspruchsmarke "TANGO" genießt für die registrierten Waren der Klassen 6 und 20 durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Konkrete Anhaltspunkte für eine Schwächung der Kennzeichnungskraft bestehen nicht. Das von den eingetragenen Waren angesprochene breite Publikum verbindet mit dem Begriff "TANGO" einen südamerikanischen Tanz, bringt diesen aber entgegen der Auffassung der Markeninhaberin nicht in beschreibender Weise mit den für die Widerspruchsmarke registrierten Waren in Verbindung.
Bei dieser Sachlage sind strenge Anforderungen an den Zeichenabstand zu stellen, den die angegriffene Marke von der Widerspruchsmarke einzuhalten hat, um die Gefahr von Verwechslungen ausschließen zu können. Diesen Anforderungen wird die jüngere Marke jedenfalls in schriftbildlicher Hinsicht nicht gerecht.
Die Ähnlichkeit von Marken bemisst sich nach dem Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen, wobei das Publikum regelmäßig die Marke als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (st. Rspr., vgl. EuGH MarkenR 2007, 315, 318 -Limoncello/Limonchelo; BGH MarkenR 2007, 31, 34 -Goldhase; MarkenR 2004, 356, 358 -NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX). Beim Zeichenvergleich ist dabei mehr auf bestehende Übereinstimmungen der Marken als auf deren Unterschiede zu achten (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl. 2009, § 9 Rn. 178 m. w. N.). Eine Markenähnlichkeit kann in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht bestehen. Für die Feststellung der Verwechslungsgefahr genügt dabei, dass nur in einer dieser Richtungen ausreichende Übereinstimmungen bestehen (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O., § 9 Rn. 183 m. w. N.).
In schriftbildlicher Hinsicht weisen die Vergleichsmarken "TENGO" und "TANGO" Unterschiede nur hinsichtlich ihres zweiten Buchstabens "E" bzw. "A" auf. Neben den unter Verwendung von Großbuchstaben registrierten Markenformen sind beim Schriftbildvergleich aber auch andere verkehrsübliche Schreibweisen wie etwa die Wiedergabe der Marken in Kleinbuchstaben zu berücksichtigen (vgl. Jansen in HK-MarkenR, 2. Aufl. 2009, § 9 Rn. 110; Ströbele/Hacker a. a. O., § 9 Rn. 207). Insoweit weisen der Buchstabe "e" und der im Vergleich hierzu um 180 Grad gedrehte Kleinbuchstabe "a" erhebliche Ähnlichkeiten auf. Für eine Verwechslungsgefahr in schriftbildlicher Hinsicht spricht zudem, dass nahezu alle Buchstaben der sich gegenüberstehenden Marken übereinstimmen (vgl. BPatG GRUR 2007, 154, 155 -Chrisma/Charisma), die Konsonanten der Vergleichsmarken sogar vollständig identisch sind (vgl. BPatG GRUR 2005, 777/778 -NATALLA/nutella). Auch die weitgehend bildliche Übereinstimmung in den Oberund Unterlängen bei Verwendung von Großbuchstaben (vgl. Jansen a. a. O., § 9 Rn. 112) und die bei dieser Art der Darstellung gleiche Länge der beiden Zeichen (vgl. OLG Hamburg GRUR-RR 2008, 238, 239 -WOLFSKIN/WOLFgang; OLG München GRUR-RR 2008, 6, 7 -B.T.I und bti/BPI) sind in Verbindung mit den weiteren dargestellten Faktoren geeignet, die schriftbildlichen Unterschiede in den Marken in den Hintergrund treten zu lassen und von einer im Streitfall die Verwechslungsgefahr begründenden Zeichennähe auszugehen.
Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob eine Verwechslungsgefahr auch in klanglicher Hinsicht besteht. Angesichts der Übereinstimmungen im klangstarken Eingangsbuchstaben "T" und der Buchstabenfolge "-NGO" erscheint eine solche trotz der Kürze der Vergleichswörter und der unterschiedlichen Vokale "E" bzw. "A" nicht fernliegend, nachdem letztere in den Vergleichszeichen nur kurz betont werden und daher die Gefahr eines Verhörens nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden kann (vgl. BPatG a. a. O. -NATALLA/Nutella; Jansen a. a. O., § 9 Rn. 96).
Der Fall bietet keinen Anlass, vom Grundsatz, wonach jeder Beteiligte seine Kosten selbst zu tragen hat (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG), abzuweichen.
Dr. Fuchs-Wissemann Reker Lehner Bb
BPatG:
Beschluss v. 22.02.2010
Az: 26 W (pat) 39/09
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