Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Dezember 2003
Aktenzeichen: 26 W (pat) 15/02

(BPatG: Beschluss v. 17.12.2003, Az.: 26 W (pat) 15/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die Eintragung der Marke 399 57 119 Mediterraneofür die Waren

"Biere; Mineralwässer, kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)"

ist Widerspruch erhoben worden aus der Marke 399 50 850 MEDERANO sowie aus der Marke 396 50 495 Mederranodie jeweils u.a. für die Waren

"Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)"

eingetragen sind.

Die Markenstelle hat die Widersprüche zurückgewiesen, weil trotz Identität der beiderseitigen Waren zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr bestehe. Klanglich seien sie deutlich unterscheidbar, weil sie eine abweichende Vokalfolge und eine unterschiedliche Silbengliederung aufwiesen. Es stünden sich eine sechssilbige und eine viersilbige Marke gegenüber. Die unterschiedliche Wortlänge werde sowohl in klanglicher als auch in schriftbildlicher Hinsicht nicht unbemerkt bleiben. Zu einem hinreichend sicheren Auseinanderhalten trage auch der beschreibende Charakter der angegriffenen Marke bei.

Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, zwischen den Marken bestehe unter Berücksichtigung der Identität der Waren und der durch Benutzung erworbenen überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken Verwechslungsgefahr. Es handele sich hier um relativ lange, mehrsilbige Wörter, bei denen Abweichungen in wenigen Buchstaben nicht entscheidend ins Gewicht fielen, weil sie von den Gemeinsamkeiten überlagert würden. Die Widerspruchsmarken seien zudem in der angegriffenen vollständig enthalten. Die Wortanfänge seien identisch, die unauffälligen Abweichungen fänden sich im Wortinneren. Da die Marken häufig nicht nebeneinander aufträten und somit das eher unsichere Erinnerungsbild entscheide und es sich bei den Waren um Massenartikel mit einem eher geringen Preis handele, bei deren Kauf der Verkehr keine besondere Aufmerksamkeit walten lasse, reichten die vorhandenen Unterschiede für ein sicheres Auseinanderhalten nicht aus. Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und wegen der Widersprüche die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde. Sie macht sich die Begründung des angefochtenen Beschlusses zu eigen. Weiterhin hat sie mit einem der Widersprechenden wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung zugegangenen Schriftsatz die rechtserhaltende Benutzung der Marke 396 50 495 bestritten.

Die Widersprechende hat bis zum Ende der mündlichen Verhandlung keine Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung der Marke 396 50 495 vorgelegt und beantragt insoweit, ihr unter Übergang ins schriftliche Verfahren eine Frist zur Stellungnahme auf die Nichtbenutzungseinrede einzuräumen.

II Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zwischen der angegriffenen Marke und den Widerspruchsmarken besteht, wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, nicht die Gefahr von Verwechslungen i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Die Frage der Verwechslungsgefahr i.S. der genannten Vorschrift ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl/Puma; GRUR 1998, 922, 923 - Canon). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken kann durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH aaO - Canon).

Hiervon ausgehend bedarf es angesichts der weitgehenden Identität und im übrigen großen Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren zwar eines deutlichen Abstandes der Marken. Dieser wird von der angegriffenen Marke jedoch in jeder Richtung eingehalten, selbst wenn zugunsten der Widersprechenden auch von einer durch intensive Benutzung gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken ausgegangen wird.

Zwischen den beiderseitigen Marken besteht unter Berücksichtigung des Erfahrungssatzes, dass es für den klanglichen Gesamteindruck einer Marke weniger auf die einzelnen Laute als vielmehr auf die Silbenanzahl, die Silbengliederung und die Vokalfolge ankommt (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdn 182), eine allenfalls geringe klangliche Ähnlichkeit. Obwohl sämtliche Buchstaben und einzelne Lautgruppen der Widerspruchsmarken auch in der angegriffenen Marke enthalten sind, weist diese infolge der Hinzufügung weiterer Buchstaben durch die veränderte Vokalfolge und die erhöhte Silbenanzahl ein hinreichend verändertes Gesamtklangbild auf. Dabei fällt insbesondere der deutliche Unterschied in der Wortlänge ins Gewicht, denn es stehen sich letztlich ein sechssilbiges Wort und zwei viersilbige Wörter gegenüber. Bereits auf Grund dieses Umstandes ist die klangliche Ähnlichkeit der beiderseitigen Marken, wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, als gering zu bewerten.

Für die Beurteilung der klanglichen Ähnlichkeit ist ferner von Bedeutung, dass bei der angegriffenen italienischsprachigen Marke davon ausgegangen werden muss, dass die mit ihr konfrontierten inländischen Verkehrskreise diese nicht immer in gleicher Weise betonen werden. Angesichts solcher auf "eo" auslautender Begriffe wie z.B. "Colosseo", die auch den inländischen Verkehrskreisen, z.B. aufgrund eines Urlaubs in Italien bekannt sind, und der generell in der italienischen Sprache bestehenden Regel, Wörter mit der Endung "eo" auf der vorletzten Silbe, also dem "e", zu betonen, ist auch bei der angegriffenen Marke in rechtserheblichem Umfang mit einer Betonung auf der vorletzten Silbe "e" zu rechnen, wodurch sich der Unterschied im klanglichen Gesamteindruck noch verstärkt.

Aber auch dann, wenn zugunsten der Widersprechenden weiterhin berücksichtigt wird, dass die angegriffene Marke "Mediterraneo" richtigerweise (dh entgegen der allgemeinen Regel) auf der übereinstimmenden Mittelsilbe "RA" betont wird und der Teil des deutschen Verkehrs, der über bessere Kenntnisse der italienischen Sprache verfügt, die angegriffene Marke demgemäß korrekt aussprechen wird, besteht nicht die Gefahr klanglicher Verwechslungen, denn die angegriffene Marke weist einen Begriffsgehalt auf, der einen etwa noch bestehenden Rest an klanglicher Verwechslungsgefahr entscheidungserheblich reduziert.

Der Umstand, dass eine Marke einen Begriffsgehalt aufweist, hat die Wirkung, dass bildliche oder klangliche Unterschiede vom Leser oder Hörer wesentlich schneller und besser erfasst werden, so dass es erst gar nicht zu Verwechslungen kommt (BGH GRUR 1959, 182, 185 - Quick; GRUR 2000, comtes/ComTel). Eines Bezugs des betreffenden Begriffs zu den einschlägigen Waren und Dienstleistungen bedarf es insoweit nicht (BGH GRUR 1992, 130, 132 - Bally/BALL). Voraussetzung für eine Reduzierung der Verwechslungsgefahr durch einen abweichenden Sinngehalt ist lediglich, dass dieser vom Verkehr auch bei flüchtiger Wahrnehmung sofort erfasst wird und keinen weitergehenden Denkvorgang erfordert.

Bei der angegriffenen Marke handelt es sich um ein Wort der italienischen Sprache mit der Bedeutung "mediterran". Auch wenn die Kenntnis der italienischen Sprache in Deutschland grundsätzlich nicht sehr weit verbreitet ist, werden die inländischen Verkehrskreise den Begriffsgehalt der angegriffenen Marke sofort und ohne weitergehenden Denkvorgang erfassen, weil der deutsche Begriff "mediterran" von dem italienischen Wort "mediterraneo" abgeleitet ist und mit diesem, abgesehen von der Endung, vollständig übereinstimmt. Da die Widerspruchsmarken einen entsprechenden Begriffsgehalt nicht aufweisen, werden die inländischen Verkehrskreise die beiderseitigen Marken auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich die Marken regelmäßig nicht gleichzeitig nebeneinander begegnen, klanglich nicht verwechseln.

Auch in schriftbildlicher Hinsicht besteht zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr. Insoweit fallen neben den unterschiedlichen Wortlängen zunächst die Abweichungen in der zweiten und dritten Silbe der Marken ins Auge, bei der Widerspruchsmarke 399 50 850 zudem der für die spanische Sprache typische "Akzent" über dem Buchstaben "N", den die angegriffene Marke nicht enthält, und der - angesichts seiner Unüblichkeit in der deutschen Sprache und den im Inland geläufigen Fremdsprachen - eine gewisse Einprägsamkeit besitzt. Eine weitere, entscheidungserhebliche Reduzierung der Verwechslungsgefahr wird auch in schriftbildlicher Hinsicht aus den bereits dargelegten Gründen durch den leicht erfassbaren Sinngehalt der angegriffenen Marke bewirkt, der in den Widerspruchsmarken keine Entsprechung aufweist.

Tatsächliche Anhaltspunkte für eine Verwechslungsgefahr in anderen Richtungen, wie z.B. für eine Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die angegriffene Marke mit ihrem eigenständigen begrifflichen Wortstamm "MEDITERRAN" passt insbesondere nicht in die "Serie" der Widerspruchsmarken (wenn man bei diesen weitgehend identischen Marken überhaupt von einer Markenserie sprechen kann).

Da die Beschwerde der Widersprechenden schon wegen fehlender Verwechslungsgefahr der Marken keinen Erfolg hat, konnte die Frage der von der Markeninhaberin bestrittenen rechtserhaltenden Benutzung der Marke dahingestellt bleiben. Schon aus diesem Grund bedurfte es, unabhängig davon, ob den entsprechenden Anträgen im übrigen hätte stattgegeben werden können, auch keines Übergangs ins schriftliche Verfahren und keiner Gewährung einer Frist zur Stellungnahme auf die erst kurz vor der mündlichen Verhandlung in bezug auf die Marke 396 50 495 erhobene Einrede der Nichtbenutzung.

Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.

Albert Kraft Reker Bb






BPatG:
Beschluss v. 17.12.2003
Az: 26 W (pat) 15/02


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