Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Juli 2007
Aktenzeichen: 30 W (pat) 266/04
(BPatG: Beschluss v. 09.07.2007, Az.: 30 W (pat) 266/04)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die für die Waren der Klasse 09 "kinematografisch belichtete Filme" eingetragene und am 31. Oktober 2001 veröffentlichte Wortmarke 301 39 949 THE SONS OF BUENA VISTA ist am 30. Januar 2002 Widerspruch aus der am 8. März 2000 unter der Nummer 000945519 eingetragenen europäischen Wortmarke
"BUENA VISTA SOCIAL CLUB"
eingelegt worden, die für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 09, 16, und 41 geschützt ist, u. a. für
"aufführungsbereite photografische Filme und Kinofilme, Ton- und Videoaufzeichnungen; Produktion, Aufzeichnung und Veröffentlichung von Audio-, Video- und Multimediaaufzeichnungen und Fernsehprogrammen".
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch durch Beschlüsse vom 15. November 2002 und 6. September 2004 zurückgewiesen mit der Begründung, selbst im Bereich identischer Waren sei der erforderliche Abstand zur Widerspruchsmarke gewahrt. Sowohl im klanglichen als auch im schriftbildlichen Vergleich fielen die Zeichenunterschiede hinreichend auf. Die mit der angegriffenen Marke identischen Wortbestandteile der Widerspruchsmarke dürften nicht isoliert herangezogen werden, da diese - wie die angegriffene Marke - einen Gesamtbegriff darstellten, der nicht auseinandergerissen werden könne; der unterschiedliche Sinngehalt beider Gesamtbegriffe diene den betroffenen Verkehrskreisen ohne Weiteres zur gedanklichen Abgrenzung. Für eine assoziative Verwechslungsgefahr lägen auch keine ausreichenden Anhaltspunkte vor, zumal der übereinstimmenden Bestandteil als beschreibender Hinweis auf den gleichnamigen Stadtteil von Havanna kennzeichnungsschwach sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die eine gesteigerte Kennzeichnungskraft aufgrund überragender Bekanntheit ihrer Marke geltend macht. Unter Berücksichtigung der Warenidentität könne die Widerspruchsmarke einen weiten Abstand beanspruchen, der ersichtlich nicht eingehalten sei. Jedenfalls sei zumindest eine mittelbare Verwechslungsgefahr zu befürchten. Der den Vergleichszeichen gemeinsame Bestandteil "BUENA VISTA" nehme in der Widerspruchsmarke eine dominierende Stellung ein, da die weiteren Worte glatt beschreibend seien. Der Verkehr werde diesen, falls er ihn nicht ohnehin nur als Fantasiebezeichnung einordne, kaum als Herkunftshinweis verstehen, da er sich nicht auf einen konkreten Ort beziehe, sondern nur "schöne Aussicht" bedeute, aber erst recht nicht mit einem Stadtteil in Havanna in Verbindung bringen. Nachdem auch die Anmeldmarke von diesem Bestandteil dominiert werde, müsse bereits eine unmittelbare Verwechslungsgefahr bejaht werden. Andernfalls liege zumindest eine Verwechslung aufgrund gedanklicher Verbindung vor, da der gemeinsame Bestandteil in beiden Zeichen besonders charakteristisch sei, der den Rückschluss auf einen Stammbestandteil nahelege, so dass sich die gedankliche Verbindung aufdränge.
Die Widersprechende beantragt, den Beschluss der Markenstelle vom 6. September 2004 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat den Antrag gestellt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die Zuerkennung einer gesteigerten Kennzeichnungskraft für den abgetrennten Teil "BUENA VISTA" der Widerspruchsmarke für unzulässig, zumal dieser durch häufige Drittverwendung in seiner Kennzeichnungskraft eher geschwächt sei. Zudem sei ihm die Eintragung in Alleinstellung wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltungsbedürfnisses vom Deutschen Patent- und Markenamt verweigert worden. Eine Verwechslungsgefahr könne somit weder unmittelbar noch wegen gedanklicher Verbindung angenommen werden, da der übereinstimmende Bestandteil aus dem jeweiligen Gesamtbegriff nicht herausgelöst werden dürfe, was sich insbesondere bei der mittelbaren Verwechslungsgefahr verbiete. Begrifflich beziehe sich die angegriffene Marke nicht auf Nachkommen oder Verwandte der Mitglieder des mit der Widerspruchsmarke bezeichneten Clubs, sondern auf Bewohner des Stadtteils von Havanna.
Ergänzend wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Markenstelle hat nach Auffassung des Senats die Gefahr von Verwechslungen zwischen den Marken zutreffend verneint und den Widerspruch zu Recht zurückgewiesen.
Die Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH in st. Rspr., vgl. WRP 2004, 1281 - Mustang; WRP 2004, 907 - Kleiner Feigling; WRP 2004, 1043 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).
Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, ist hinsichtlich der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen von der Registerlage auszugehen. Insoweit stehen der Ware der angegriffenen Marke, wie die Markenstelle zu Recht festgestellt hat, teils identische Waren, aber auch, was die "Produktion, Aufzeichnung und Veröffentlichung von Audio-, Video- und Multimediaaufzeichnungen und Fernsehprogrammen" ähnliche Dienstleistungen gegenüber (vgl. Richter/Stoppel, Warenähnlichkeit 13. Aufl. 2005, S. 97 f. - Stichwort "Filme").
Hinsichtlich der Kennzeichnungskraft kann der Widerspruchsmarke nach Auffassung des Senats kein über den Durchschnitt hinausreichender Grad zugebilligt werden. Auch wenn der Spielfilm gleichen Titels in Deutschland großen Erfolg gehabt hat, lässt sich daraus kein Rückschluss auf die Bekanntheit der Widerspruchsmarke insbesondere für die Ware "Filme" ziehen. Für derartige Waren werden in der Regel keine Filmtitel verwendet, es sei denn, dass eine Filmserie hergestellt wird, die eine Herstellung unter dem entsprechendem Namen nahelegt (etwa bei Fortsetzungsgeschichten, Krimireihen, Dokumentationen etc.), was vorliegend nicht der Fall ist. Im Übrigen ist zwischen der Herstellung von Filmen und ihrem Handel zu unterscheiden.
Aber auch bei Anerkennung einer gesteigerten Kennzeichnungskraft ist eine registerrechtliche Verwechslungsgefahr zu verneinen, weil die angegriffene Marke selbst den dann strengeren Anforderungen an den erforderlichen Markenabstand noch genügt.
Hierbei ist hinsichtlich der betroffenen Verkehrskreise auf die Abnehmer der angegriffenen Einzelware "kinematografisch belichtete Filme" abzustellen, die aufgrund ihrer Spezialität Filmhändler oder -vorführer betrifft, also enge Fachkreise, denen von vornherein höhere Aufmerksamkeit bei der Wahrnehmung von Marken unterstellt werden kann (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. 2006, § 9 Rdn. 112).
Bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit steht auch zwischen den Beteiligten im Grunde außer Streit, dass die Marken in ihrer Gesamtheit deutliche Unterschiede aufweisen, weil sie in ihren Bestandteilen unterschiedliche Länge, Buchstaben und Silbenzahl zeigen, was auch bei einem flüchtigen Verhalten weder überhört noch übersehen werden kann.
Eine die Verwechslungsgefahr begründende Markenähnlichkeit wäre nur denkbar, wenn man aus den gegenüberstehenden Marken die Bestandteile "BUENA VISTA" isoliert kollisionsbegründend gegenüberstellen könnte. Das verbietet sich zunächst deshalb, weil der Verkehr Zeichen regelmäßig so auffasst, wie sie ihm entgegentreten, d. h. als einheitliches und eigenständiges Gebilde (vgl. BGH GRUR 2004, 783 (784) - NEURO-VIBOLEX). Ohne Hinzutreten weiterer Gesichtspunkte wäre es rechtsfehlerhaft, eine Zeichenkollision schon deshalb feststellen zu wollen, weil sich eine Wortfolge der älteren Marke wie hier identisch in dem jüngeren Zeichen wiederfindet. Eine Ausnahme ist nur denkbar, wenn in Kombinationsmarken ein Bestandteil den Gesamteindruck der Marke allein prägt oder eine selbständig kennzeichnende Stellung einnimmt, indem etwa die weiteren Bestandteile wegen ihrer z. B. beschreibenden Bedeutung eindeutig nicht zur Kennzeichnungskraft der Gesamtmarke beitragen und damit schon aus Rechtsgründen bei der Kollisionsprüfung ausscheiden. Im vorliegenden Fall stehen sich jedoch einheitliche Wortfolgen gegenüber, die jeweils einen Gesamtbegriff bilden und auch nicht durch grafische Elemente zergliedert sind, so dass schon deshalb die Anwendung der Grundsätze über die Prägung von Markenbestandteilen ausscheidet (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. 2006, § 9 Rdn. 270 f. m. w. N.). Dies gilt für die angegriffene Marke, deren Charakter als Gesamtbegriff durch die Genitivform, die typischerweise eine begriffliche Klammer mit dem folgenden Zeichenbestandteil herstellt (vgl. BPatG Entsch. v. 5. Juni 2002, Az. 26 W (pat) 124/00 - Spirit of Havana/Havana Club; Entsch. v. 21. Februar 2001 Az. 28 W (pat) 45/00 - Angels of our time/Angels; vgl. Hacker a. a. O.). Aber auch die Widerspruchsmarke präsentiert sich als einheitlicher Gesamtbegriff, zumal wenn man der Argumentation der Widersprechenden folgt, dass er durch den gleichnamigen Film allgemeine Bekanntheit erlangt hätte. Aber auch andernfalls hat der (Fach)Verkehr keinen Anlass, die Wortfolge auf "BUENA VISTA" zu verkürzen, weil hierzulande "SOCIAL CLUB" nicht zwangsläufig als rein beschreibende Angabe aufgefasst wird. Insgesamt jedenfalls lässt der abweichende Begriffsgehalt der Vergleichsmarken ohne Weiteres eine Unterscheidung zu.
Auch eine assoziative Verwechslungsgefahr scheidet hier im markenregisterrechtlichen Kollisionsverfahren aus. Zum einen verlangt ein solcher Ausnahmefall eine entsprechend restriktive Anwendung, zum andern steht seiner Annahme im vorliegenden Fall entgegen, dass es sich bei beiden Marken um geschlossene Gesamtbegriffe handelt, die den Verkehr von der Vorstellung abhalten, es lägen Serienmarken eines einzigen Unternehmens vor (vgl. Hacker a. a. O. Rdn. 334 m. w. N.). Für eine mittelbar begriffliche Verwechslungsgefahr fehlt es bereits an einem gemeinsamen charakteristischen Aufbau, den die beiden Marken hierzu aufweisen müssten (vgl. Hacker a. a. O. Rdn. 336), abgesehen davon, dass ein solcher Verwechslungsfall registerrechtlich auch nur zurückhaltend angenommen werden darf. Schließlich scheitert die Annahme einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne schon daran, dass sich die ältere Marke nicht zu einem bekannten Unternehmenskennzeichen entwickelt hat, sondern allenfalls als Filmtitel Bekanntheit genießt.
Damit war die angefochtene Entscheidung der Markenstelle im vollen Umfang zu bestätigen und die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Bei der Kostenentscheidung, über die von Amts wegen zu entscheiden war und bei der die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze der Beteiligten nicht zu berücksichtigen waren, ist der Senat der allgemeinen Kostenregelung des § 71 MarkenG gefolgt, da eine einseitige Auferlegung der Kosten unter Billigkeitsgesichtspunkten nach § 71 Abs 1 MarkenG nicht veranlasst erschien. Eine solche ist nur dann gerechtfertigt, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfaltspflicht nicht zu vereinbaren ist. Hiermit sind aber grundsätzlich die Fälle gemeint, in denen ein Verfahrensbeteiligter in einer kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Verfahrenssituation sein Interesse etwa an der Geltendmachung seines Rechts aus einer Widerspruchsmarke durchzusetzen versucht (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker, a. a. O. § 71 Rdn. 11 m. w. N.). Davon kann hier jedoch keine Rede sein. Auch wenn die Widersprechende vor der Markenstelle unterlegen war, so resultiert daraus noch keine aussichtslose Rechtsverfolgung. Die von der Markeninhaberin in der mündlichen Verhandlung insoweit vorgebrachten Gesichtspunkte greifen nicht durch. Auch wenn die Ladung zur mündlichen Verhandlung auf Antrag der dann nicht erschienenen Widersprechenden erfolgt war, so ergibt sich daraus allein noch kein Billigkeitsgrund für die einseitige Kostenauferlegung; zwar kann unter diesen Umständen eine teilweise Auferlegung in Betracht kommen (vgl. Ströbele a. a. O. Rdn. 16), aber nicht, wenn sie ihre Beschwerde hinreichend begründet hat und diese nicht völlig aussichtslos ist (vgl. BPatG Mitt. 78, 76 f.); dies gilt im vorliegenden Fall auch für die Kosten der mündlichen Verhandlung, deren Durchführung die Widersprechende beantragt hatte. Denn die mündliche Verhandlung hätte der Senat auch ohne einen Antrag der Beteiligten für sachdienlich erachtet, insbesondere im Hinblick auf eine gütliche Einigung. Nachdem somit die mündliche Verhandlung nicht abgesetzt werden konnte, sondern gemäß § 69 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG durchzuführen war und das Verfahren durch Beschluss beendet werden konnte, erscheint es dem Senat noch nicht gerechtfertigt, der Widersprechenden die Kosten der mündlichen Verhandlung aufzuerlegen.
Nach alledem musste es bei der allgemeinen Kostenregelung des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG bleiben.
Dr. Vogel von Falckenstein Winter Paetzold Ko
BPatG:
Beschluss v. 09.07.2007
Az: 30 W (pat) 266/04
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