Landgericht Braunschweig:
Urteil vom 3. August 2005
Aktenzeichen: 22 O 1542/05
(LG Braunschweig: Urteil v. 03.08.2005, Az.: 22 O 1542/05)
Tenor
Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Braunschweig vom 13.05.2005 wird teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Dem Verfügungsbeklagten wird es untersagt, im geschäftlichen Verkehr für eine Haar-Mineralstoff-Analyse bzw. eine Haarmineralanalyse mit folgenden Ausführungen zu werben:
... Die Haare tragen aber auch Informationen über den Gesundheitszustand unseres Körpers in sich.
...Auf einfache Weise lässt sich durch die Untersuchung von Haarmaterial eine Unterversorgung mit Mineralstoffen und Spurenelementen sowie eine Überbelastung mit giftigen Schwermetallen feststellen. ...
Die Haar-Mineralstoff-Analyse (HMA) zeigt zuverlässig Mangelerscheinungen auf und hilft Bedrohliches von unserem Organismus abzuwenden, lange bevor die Schädigungen sichtbar und irreparabel geworden sind ...
Für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung wird dem Verfügungsbeklagten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.
Ein etwa weitergehender Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Der Verfügungsbeklagte trägt die weiteren Kosten des Verfahrens, §§ 91, 92 ZPO.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Bei der bisherigen Wertfestsetzung verbleibt es.
Tatbestand
Dem Arbeitskreis €...€ angeschlossene Apotheker bieten (u.a.) eine Haar-Mineralstoff-Analyse an. Der Verfügungskläger wendet sich gegen Äußerungen des Verfügungsbeklagten, einem Mitglied des Arbeitskreises €...€, zur Haarmineralstoffanalyse im Internet unter www.....de der Verfügungsbeklagte (Anlage A 2 Bl. 19ff.) wie folgt:
€Haar-Mineralstoff-Analyse
Das Haar - ein Spiegel der Gesundheit (Private)
Mit der Haar-Mineralstoff-Analyse (HMA) Umweltgiften im Körper auf der Spur
Zu allen Zeiten spiegelten die menschlichen Haare sowohl gesellschaftliche als auch Modetrends wieder. Nicht nur das: Die Haartracht steht bei vielen für Individualität, Selbstwertgefühl und Ausdruck eines eigenständigen Profils.
Die Haare tragen aber auch Informationen über den Gesundheitszustand unseres Körpers in sich.
Durch ihr stetes Wachstum führen sie uns quasi wie in einem Film unsere gesamte Umwelt- und Lebenssituation vor Augen: Wie wir uns ernähren, in welcher Umwelt wir leben und welche Konsequenzen sich daraus für unseren Organismus ergeben. Mit ihren Wurzelzellen ragen die Haare tief in stoffwechselaktives Gewebe. Von feinsten Blutgefäßen umgeben, werden sie dort mit Nährstoffen und auch Mineralien versorgt. Im Laufe ihres Absterbe- und Verhornungsprozesses konservieren sie auf diese Weise den Zustand tief im Inneren des Organismus und tragen ihn durch ihr Wachstum nach außen. Man könnte die Haare ein €chemisches Tagebuch€ nennen.
Auf einfache Weise läßt sich durch die Untersuchung von Haarmaterial eine Unterversorgung mit Mineralstoffen und Spurenelementen sowie eine Überbelastung mit giftigen Schwermetallen feststellen.
Spurenelemente wie Mangan, Kupfer oder Selen sind an fast allen Enzymfunktionen beteiligt und verhüten so eine vorzeitige Zellalterung. Mineralstoffe wie Calcium, Magnesium oder Kalium benötigt der Organismus für viele lebenswichtige Funktionen. Nerven, Herz und Muskeln können nur bei richtigem Zusammenspiel dieser lebensnotwendigen Mineralien ihre Aufgaben erfüllen. Die Haar-Mineralstoff-Analyse (HMA) zeigt zuverlässig Mangelerscheinungen auf und hilft Bedrohliches von unserem Organismus abzuwenden, lange vor die Schädigungen sichtbar und irreparabel geworden sind. Calciummangel kann zu Osteoporose, Magnesiummangel zu Herzerkrankungen, Chrommangel zur Zuckerkrankheit, Molybdänmangel zu Übergewicht, Zink- und Selenmangel zu erhöhter Infektanfälligkeit führen. Wissenschaftler bringen ein erhöhtes Krebserkrankungsrisiko mit Zink- und Selenmangel in Verbindung. Hautkrankheiten gehen oft mit Kalium- oder Manganmangel einher. Innere Unruhe ist häufig auf Magnesium- oder Kaliummangel zurückzuführen. Während allgemein bekannt ist, daß Eisenmangel zu Blutarmut führen kann, ist weniger bekannt, daß Kupfer- und Magnesiummangel für Schwäche, Schlafstörungen und Erschöpfung verantwortlich sein können.
Die Haar-Mineralstoff-Analyse (HMA) läßt aber auch ein brennendes Problem in unserer immer mehr belasteten Umwelt erkennen: Die unterschwellige Vergiftung mit Schwermetallen wie Blei, Cadmium und Quecksilber. Diese giftigen Schwermetalle bringen lebenswichtige Zellfunktionen zum Erliegen. Lange bevor Organschäden sichtbar werden, machen sich Schwermetallbelastungen durch allgemeine Befindlichkeitsstörungen bemerkbar: Müdigkeit, Kopfschmerzen, Migräne, Nervosität, Schlafstörungen, Infektanfälligkeit. Besonders im Zusammenwirken mit anderen Umweltgiften wie Holzschutzmitteln oder Kohlenmonoxid und Elektrosmog verstärken sich die Gefahren für unseren Organismus. Erst einmal mit einer HMA erkannt, können Spurenelemente und Mineralstoffe ergänzt und die giftigen Schwermetalle durch naturheilkundliche Verfahren aus dem Körper entfernt werden.€
Das zu untersuchende Haar wird (grundsätzlich) in der Apotheke (durch eine geschulte Kraft) entnommen. Der Kunde wird über Ernährungsgewohnheiten und Lebensumstände befragt. Die (eigentliche) Analyse wird in einem Zentrallabor (mittels ICP-MS Spektometrie) durchgeführt. Im Zentrallabor wird das Haar auf den Gehalt an Mineralstoffen und Spurenelementen sowie auf toxische Elemente untersucht. Gewonnene Werte an Mineralstoffen und Spurenelementen werden in die Kategorien niedrig, mittel und hoch eingeteilt. Bei toxischen Elementen wird nicht in eine Kategorie niedrig eingestuft. Laborergebnisse werden (später) in einem Beratungsgespräch mit dem Kunden von einem (geschulten) Mitarbeiter in der Apotheke ausgewertet.
Der Verfügungskläger, ein branchenübergreifend und überregional tätiger Wettbewerbsverband (Anlage A 1, Bl.17), beruft sich auf satzungsmäßige Aufgaben zur Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Einhaltung der Regelungen des lauteren Wettbewerbes. Er mahnte den Verfügungsbeklagten ab, der erwiderte. Er betont - unwidersprochen -, dass (einzelne) Grenzwerte für den Gehalt an Mineralstoffen und an Nährstoffen nicht bekannt sind. Der Verfügungsbeklagte weist darauf hin, dass bei der konkreten Analyse Normalbereiche durch das (die) Labor(e) festgelegt werden würden, medizinische Labore freilich keine einheitlichen Normwerte für die Bestimmung von Elementen aus Körperflüssigkeiten hätten.
Durch Verfügungsbeschluss vom 13.5.2005 ist dem Verfügungsbeklagten untersagt worden, im geschäftlichen Verkehr für eine sogenannte €Haar-Mineralstoff-Analyse€ zu werben: €Die Haare tragen aber auch Informationen über den Gesundheitszustand unseres Körpers in sich€. €Auf einfache Weise läßt sich durch die Untersuchung von Haarmaterial eine Unterversorgung mit Mineralstoffen und Spurenelementen sowie eine Überbelastung mit giftigen Schwermetallen feststellen.€ €Die Haar-Mineralstoff-Analyse (HMA) zeigt zuverlässig Mangelerscheinungen auf und hilft Bedrohliches von unserem Organismus abzuwenden, lange bevor die Schädigungen sichtbar und irreparabel geworden sind. Calciummangel kann zu Osteoporose, Magnesiummangel zu Herzerkrankungen, Chrommangel zur Zuckerkrankheit, Molybdänmangel zu Übergewicht, Zink- und Selenmangel zu erhöhter Infektanfälligkeit führen. Wissenschaftler bringen ein erhöhtes Krebserkrankungsrisiko mit Zink- und Selenmangel in Verbindung. Hautkrankheiten gehen oft mit Kalium- oder Manganmangel einher. Innere Unruhe ist häufig auf Magnesium- oder Kaliummangel zurückzuführen. Während allgemein bekannt ist, daß Eisenmangel zu Blutarmut führen kann, ist weniger bekannt, daß Kupfer- und Magnesiummangel für Schwäche, Schlafstörungen und Erschöpfung verantwortlich sein können.€
Dagegen wendet sich der Verfügungsbeklagte mit dem Widerspruch vom 27.6.2005 (Bl. 74), auf den vollen Wortlaut dieses Schriftsatzes und des Schriftsatzes vom 6.7.2005 (Bl. 165ff.) wird Bezug genommen.
Nach Ansicht des Verfügungsklägers sind zur Täuschung geeignete und daher irreführende Werbeaussagen gegeben. Bei der Haarmineralanalyse handele es sich nicht um ein seriöses und wissenschaftlich gerechtfertigtes Diagnoseverfahren. Der Verfügungsbeklagte messe der Haarmineralanalyse eine weit übertriebene und nicht nachvollziehbare Wirkung bei. Zwar könne die Aufnahme von Schadstoffen durch den Körper nachgewiesen werden, etwa im Rahmen gerichtsmedizinischer Untersuchungen. Der Verfügungsbeklagte gehe aber über bekannte Möglichkeiten einer Haaranalyse hinaus, indem er ihr eine Wirkung dahin beimesse, dass sie Ursachen vieler krankhafter Beschwerden aufdecken und zur Gesundheitsvorsorge beitragen könne. Real würden Haarmineralanalysen jedoch gar keinen Rückschluss auf den Mineralstoffhaushalt im Körper des Anwenders zulassen. Es könne so (also) keine verbindliche, exakte Diagnose zum Gesundheitszustand, keine Aussage über den allgemeinen Gesundheitszustand getroffen werden. Auch als Basis für eine (weitergehende) Ernährungsberatung könne die Analyse nicht dienen.
Der Verfügungskläger beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 13. Mai 2005 zu bestätigen
Der Verfügungsbeklagte beantragt,
den Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 13.Mai 2005 abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen
Der Verfügungsbeklagte nimmt Bezug auf die Darlegungen in einer Schutzschrift.
Der Verfügungsbeklagte bestreitet die Aktivlegitimation des Verfügungsklägers und ist der Ansicht, der in Frage stehende Markt der Apotheken sei räumlich auf den unmittelbaren Einzugsbereich des Verfügungsbeklagten begrenzt. Interessen der Mitglieder des Verfügungsklägers seien nur berührt, wenn der Verfügungskläger eine erhebliche Anzahl von Mitgliedern im räumlich unmittelbaren Umfeld des Verfügungsbeklagten habe. Die räumliche Begrenzung folge auch daraus, dass die Haar-Mineral-Analyse nicht auf einem Versandweg abgewickelt werde.
Der Verfügungsbeklagte stellt heraus: Die bei der Haar-Mineral-Analyse ermittelten Laborwerte würden Rückschlüsse auf Risikofaktoren für bestimmte Krankheiten zulassen. Es sei nicht etwa davon zu sprechen, dass die Haar-Mineral-Analyse €nicht anerkannt sei€ oder nicht verwendbare Ergebnisse liefere. Vielmehr sei wissenschaftlich untersucht und festgestellt, das die Haar-Mineral-Analyse zum Nachweis von Umweltbelastungen durch Schwermetalle geeignet sei und gegenüber einer Blutuntersuchung den Vorteile biete, einen längeren Zeitraum abbilden zu können. Darüber hinaus sei die Haar-Mineral-Analyse als diagnostische Möglichkeit bei der Einteilung autistisch veranlagter Kinder geeignet; an Haaren und Nägeln von Alzheimerpatienten seien erhebliche Unterschiede zu nicht erkrankten Patienten festgestellt worden, in einer Studie sei (u.a.) dargelegt worden, dass bei organisch gebundener Aufnahme von Magnesium ein deutlicher Anstieg des Magnesiumgehaltes im Haar beobachtet werden könne.
Im Ergebnis erhalte jeder Kunde eine Auswertung mit der Angabe des Normalbereichs, dem gefundenen Ergebnis und einer Bewertung. Eventuelle Störfaktoren wie Silizium- oder Selengehalte in Haarpflegeprodukten würden erläutert. Zeige sich in einem Auswertungsgespräch z.B., dass beim Kunden Eisenmangel bestehe und gebe der Kunde an, dass er zu wenig grünes Gemüse zu sich nehme, sei der Schluss darauf, dass der Eisenmangel darauf beruhe, gerechtfertigt und dem Kunden würde dann empfohlen, mehr grünes Gemüse (Brokkoli, Spinat) zu sich zu nehmen oder die Nahrung mit einem Eisenpräparat zu ergänzen.
Der Verfügungskläger bezieht sich auf verschiedene Veröffentlichungen, u.a. in medizinischen Fachpublikationen und im Internet. Der Verfügungsbeklagte bezieht sich zu Einsatzmöglichkeiten des Analyseverfahrens und Möglichkeiten zum Erkenntnisgewinn aus einer Haar-Mineral-Analyse auf verschiedene, mit der Schutzschrift vorgelegte Darstellungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird verwiesen. Die Akten 9 AR 375/05 LG Braunschweig sind zum Gegenstand der zeitgleichen mündlichen Verhandlung in 22 O 1541/05 LG Braunschweig gemacht worden, wobei alles Vorbringen in 22 O 1541/05 auch zum Gegenstand des Vorbringens in diesem Verfahren gemacht worden ist.
Gründe
Der Verfügungskläger verfolgt zu Recht wegen der Äußerung des Verfügungsbeklagten einen Unterlassungsanspruch gegen diesen und zwar in dem im Tenor ein- und abgegrenzten Umfang.
I. Der Verfügungskläger ist aktivlegitimiert, § 8 Abs. 3 Ziff. 2 und 3, Abs. 5 UWG; § 1 Ziff. 4 UklaV, § 13 Abs. 5 Nr. 2 UklaG. Räumlich bezieht sich die Aktivität des Verfügungsbeklagten im Internet (mindestens) auf das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Sachlich geht es um Marktverhältnisse mit Bezug zur Gesundheit.
II. Zum Streitfall ist auf die konkrete Form, Art und Weise sowie den konkreten Inhalt der Äußerung im Internet als Mitteilung im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken anzustellen. I.S.d. der §§ 8 Abs. 1 S. 1, 3, 5 Abs. 2 Ziff. 1 UWG, §§ 1 Abs. 1 Ziff. 2, 3 S. 2 Ziff. 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG, HeilWerbG) überschreitet der Verfügungsbeklagte insofern die Grenzen dessen, was ihm gestattet ist. Dabei hält sich die Formulierung des Verbotstenors einerseits im Rahmen des Antrags (§ 308 ZPO) und andererseits - ohne mit einer teilweisen Zurückweisung des Antrags verbunden zu sein - im Rahmen des § 938 ZPO, wobei bereits in dem Verfügungsbeschluss eine entsprechende Anpassung hätte vorgenommen werden können, wie es indessen in Abwesenheit des Unterzeichners nicht geschehen ist.
Bei der Haar-Mineralstoff-Analyse handelt es sich um ein Verfahren i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG, das sich nach den werbenden Worten des Verfügungsbeklagten auf das Erkennen von Krankheiten, Leiden oder krankhaften Beschwerden bei Menschen bezieht bzw. beziehen soll. Das Heilmittelwerbegesetz soll nun Gefahren begegnen, die der Gesundheit des Einzelnen und den Gesundheitsinteressen der Allgemeinheit durch unsachgemäße Selbstmedikation drohen, unabhängig davon, ob sie im Einzelfall wirklich eintreten. Darüber hinaus soll verhindert werden, dass durch eine mit Übertreibungen arbeitende, suggestive oder marktschreierische Werbung kranke und besonders ältere Menschen zu Fehlentscheidungen beim Arzneimittelgebrauch und bei der Verwendung anderer Mittel zur Beseitigung von Krankheiten oder Körperschäden verleitet werden, BGH NJW-RR 2003, 478 (Anlagebedingter Haarausfall). Die irreführende Werbung erklärt § 3 HWG für unzulässig und legt fest, dass eine Irreführung insbesondere gegeben ist, wenn Arzneimitteln, Medizinprodukten, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben, wenn fälschlich der Eindruck erweckt wird, dass ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann, bei bestimmungsgemäßem oder längerem Gebrauch keine schädlichen Wirkungen eintreten, die Werbung nicht zu Zwecken des Wettbewerbs veranstaltet wird, unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben über die Zusammensetzung oder Beschaffenheit von Arzneimitteln, Medizinprodukten, Gegenständen oder anderen Mitteln oder über die Art und Weise der Verfahren oder Behandlungen oder über die Person, Vorbildung, Befähigung oder Erfolge des Herstellers, Erfinders oder der für sie tätigen oder tätig gewesenen Personen gemacht werden.
Eine nicht eingeschränkte (Werbe-) Aussage über die Wirkung eines Arzneimittels missachtet z.B. § 3 Nr. 2a HWG, wenn fälschlich der Eindruck erweckt wird, ein Fettabbau sei mit Sicherheit (in jedem Fall zwingend) zu erwarten, OLG Hamburg GRUR 1999, 83 - Fucus-Tropfen.
1. Zu beurteilen ist nicht die Art und Weise einer Dienstleistung im Kontext einer Haarmineralanalyse, auch nicht die konkrete Durchführung einer Haarmineralanalyse oder ein solches (Diagnose-) Verfahren im Allgemeinen. Insbesondere steht kein Unterlassungsbegehren (und -anspruch) hinsichtlich konkreter Vorgänger bei einer Auswertung mit Bewertung(en) der Ergebnisse einer (von) Haar-Mineralstoff-Analyse(n) in Frage und zur Entscheidung. Es geht des Weiteren nicht um konkrete Empfehlungen (zum Ernährungsverhalten), es geht nicht um Vorschläge zur Verwendung bestimmter Präparate oder Nahrungsmittelergänzungsstoffe bzw. solche Präparate, nicht um die Zuführung von Mineralien und Spurenelementen auf bestimmte Art und Weise. Es geht nicht um (wettbewerbsrechtlich relevante Voraussetzungen) Angebote zur Gesundheitsberatung oder Ernährungsberatung, nicht um die (wettbewerbsrelevanten Abläufe oder/und Grenzen einer konkreten) Durchführung solcher Beratungen. Zugleich geht es nicht um eine rechtliche Beurteilung einer Haar-Mineralstoff-Analyse bzw. einer Haarmineralanalyse oder der rechtlichen Einschätzung von Risikofaktoren. Es geht zudem nicht um konkrete Aussagen über die individuelle Gesundheit eines bestimmten Menschen auf der Basis der Analyse. Es geht insofern aber um die Wertschätzung einer bestimmten Verfahrensweise (der einer Haar-Mineralstoff-Analyse bzw. einer Haarmineralanalyse, wie sie der Verfügungsbeklagte beschreibt und durchführen lässt) und um die Frage, in welcher Weise der Verfügungsbeklagte, der die Analyse der Allgemeinheit anbietet, um damit im Wirtschaftsleben (geschäftlichen Verkehr) günstigere Absatzmöglichkeiten zu haben, für die Analyse in seiner Apotheke werben darf. Ob und welches Entgelt der Verfügungsbeklagte für die Analyse, für ein Vorgespräch oder eine Anschlussberatung verlangt, ist dabei wiederum nicht ausschlaggebend. Es genügt, dass die Äußerung des Verfügungsbeklagten im Internet unmissverständlich und klar darauf zielt, dass Kunden seine Apotheke aufsuchen, um eine Analyse mit allen begleitenden Elementen durchführen zu lassen und zwar nicht in allen Bezügen unentgeltlich.
2. Was zur Haar-Mineral-Analyse €wahr€ und €unwahr€ (falsch) ist, zeigt sich im aktuellen Verfahrensstadium dieses Verfahrens - bei dem Vortrag der Parteien angesichts der beiderseits vorgelegten schriftlichen Unterlagen - nicht einmal andeutungsweise.
Wäre dies anders zu beurteilen, wäre daran der Erfolg oder Misserfolg des Verfügungsantrags zu orientieren. Denn zur Äußerung wahrer Tatsachen sind verfassungsrechtlich das Bedürfnis der Gesellschaft an freier Kommunikation und das Offenhalten der Entwicklung des wissenschaftlichen Fortschritts zu beachten. Unwahre Tatsachen (bzw. die Verbreitung unwahrer Tatsachen) überschreiten dagegen Grenzen des freien Diskurses. Dazu ist zugrundezulegen, dass bei reinen Tatsachenbehauptungen die objektive Beziehung zwischen einer bestimmten Äußerung und der Realität im Vordergrund steht. Die betroffene Tatsache ist der Rekonstruktion zugänglich, kann unter Einsatz von Beweismitteln geklärt werden. Insofern ist grundsätzlich derjenige darlegungs- und beweisbelastet, der die Unrichtigkeit einer Werbeaussage geltend macht. Eine Werbung, die dem Maßstab des § 3 Nr. 1 HWG unterliegt, ist jedoch bereits dann zu unterlassen, wenn von Wirkungen gesprochen wird, die nicht hinreichend gesichert sind. Wird bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck einer wissenschaftlichen €Unangefochtenheit€ erweckt, ist dies irreführend, wenn die Wirkung in Wahrheit umstritten und nicht nachgewiesen bzw. hinreichend abgesichert ist. Im Streit über die tatsächlichen Wirkungen beworbener Arzneimittel liegt auch dann die Beweislast zunächst beim Anspruchsteller (Verfügungs-Kläger). Trägt der Kläger das Fehlen einer wissenschaftlichen Grundlage einer gesundheitsbezogenen Werbeaussage substanziiert vor, ist es jedoch Aufgabe desjenigen, der sich dem Unterlassungsverlangen ausgesetzt sieht, die wissenschaftliche Absicherung der eigenen Werbeangabe zu beweisen, OLG Frankfurt a.M. GRUR-RR 2003, 295 (Roter Ginseng - Kapseln, Roter Imperial Ginseng -Extraktpulver) im Anschluss an BGH NJW-RR 1991 Heft 22 1391- Rheumalind II.
Darauf stellt im Prinzip zu einem im Kern vergleichbaren Fall das LG Leipzig im Urteil vom 29.4.2005, 5 HK O 1199/05, ab, das es für entscheidend und ausschlaggebend hält, ob (und inwieweit durch den Verfügungsbeklagten) eine Irreführung zu bejahen ist, weil einem Verfahren Wirkungen beigelegt werden, die (vom Verfügungsbeklagten) nicht hinreichend glaubhaft gemacht sind. Dagegen zieht sich das LG Aurich im Urteil v. 14.6.2005, 5 O 547/05, darauf zurück, der (dort vergleichbar verfolgte) Verfügungsantrag müsse erfolglos bleiben, weil die von beiden Seiten vorgelegten wissenschaftlichen Unterlagen ohne sachverständige Hilfe nicht ausgewertet werden können und dies zu Lasten des Verfügungsklägers gehe.
Die Ansicht des LG Aurich müsste aus hiesiger Sicht verfassungsrechtlich dahin fundamentiert werden, dass in einem wettbewerbsrechtlichen einstweiligen Verfügungsverfahren die sonst gegebene Möglichkeit, von Amts wegen Gutachten einzuholen, ausscheidet. Dies trifft indessen nicht zu, auch wenn die faktischen, praktischen Probleme in solchen Fällen nicht zu verkennen sind. Freilich ist auch der Ansicht des LG Leipzig bei der konkreten Art des Vorgehens des Verfügungsbeklagten nicht uneingeschränkt zuzustimmen. Die Veröffentlichung des Verfügungsbeklagten hat einen anderen Charakter als eine €schlichte Werbebotschaft€ in der Art einer Werbeanzeige. Zudem sind Auseinandersetzungen über - neue - Methoden frei und offen zu halten. Sie dürfen nicht übermäßig eingeengt und unverhältnismäßig mit Blick auf die Schuldmedizin, herkömmliche Methoden und Verständnisebenen eingeschränkt werden. Insofern darf nicht übergangen werden, dass sich der Schutz der Meinungsfreiheit auch auf kommerzielle Meinungsäußerungen und reine Wirtschaftswerbung bezieht und zwar immer dann, wenn es um eine wertenden, meinungsbildenden Inhalt geht. Wissenschaft ist dabei alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist. Die Qualifizierung einer Äußerung als wissenschaftlich hängt nicht von einem bestimmten Methodenverständnis und schon gar nicht von herkömmlichen schulmedizinischen Erkenntnissen und Wahrheiten ab. Jede wertende individuelle Äußerung des Verfügungsbeklagten zur Haarmineralanalyse als einem Diagnose-Verfahren hat deshalb Teil an dem Schutz durch Art. 5 GG und ist ihm als solche kraft Wettbewerbsrechts nicht zu untersagen. Alle Elementen seiner Äußerung, die durch ein €Dafürhalten€ oder €Meinen€ geprägt und bestimmt sind, dürfen ihm deshalb nicht untersagt werden.
Die Grenze zwischen Meinungen und tatsächlichen Äußerungen (Meinungsäußerung i.e.S. und Tatsachenbehauptungen) verläuft indessen fließend. Ist eine Äußerung mit der Mitteilung bzw. Behauptung einer Tatsache so verbunden, dass sich tatsächliche und wertende Bestandteile nicht trennen lassen, oder tritt der tatsächliche Gehalt der Äußerung gegenüber der in der Äußerung ausgedrückten Wertung in den Hintergrund, ist der grundrechtliche Schutz ungekürzt eröffnet. Überwiegen wertende, mit Tatsachenbehauptungen vermischte Elemente geht es Meinungsäußerungen. Bei mit Tatsachenbehauptungen verbundenen wertenden Äußerungen kann die Schutzwürdigkeit (und Freiheit) der Äußerung dagegen doch von der Richtigkeit bzw. Haltlosigkeit tatsächlicher Bestandteile abhängen. Bei Darstellung eines konkreten Sachverhalts kann bezogen auf ein tatsächliches Geschehen zumindest eine selbstständige Aussage oder ein selbstständiger Aussageteil gegeben sein, wozu dann die Kriterien für Tatsachenbehauptungen durchgreifen. Der Schutz durch Art. 5 GG muss sich in gewisser Weise aber auch dann materiell- bzw. beweisrechtlich niederschlagen und verwehrt es, durch einstweilige Verfügungsverfahren den freien Diskurs zu lähmen. Die klaren beweisrechtlichen Konturen zur Zulässigkeit gesundheitsbezogener Werbung für Lebensmittel, Arzneimittel und einschlägige Verfahren oder Behandlungen, die wegen der besonderen Schutzwürdigkeit der menschlichen Gesundheit geboten und streng zu handhaben sind, können und dürfen nicht angesichts vorläufiger Rechtsschutzbegehren und -verfahren einseitig denjenigen belasten, der sich neuen Entwicklungen und Verfahren verpflichtet fühlt.
Aus den vom Verfügungskläger vorgelegten wissenschaftlichen Veröffentlichungen folgt, dass Stimmen in der Wissenschaft die aus einer Haar-Mineralstoff-Analyse zu gewinnenden Erkenntnismöglichkeiten unterschiedlich beurteilen. Allgemein anerkannte bzw. verifizierte Richt-, Grenzwerte gibt es nicht. Der Verfügungsbeklagte sieht selbst diese Meinungsunterschiede der Wissenschaftler. Er spricht selbst davon, dass es in der wissenschaftlichen Diskussion, insbesondere unter den Verfechtern der Schulmedizin, Stimmen gibt, die der Haar-Mineral-Analyse nur eine geringe Aussagekraft zumessen. Er geht zudem darauf ein, dass die Festlegung von €Normalwerten€ (der Untersuchungen) durch die eingeschalteten Labore als deren ureigenste Aufgabe erfolge, und sagt damit selbst, dass es wissenschaftlich anerkannte Richtwerte nicht gibt. Nach herkömmlichem Verständnis ist der Verfügungsbeklagte bereits deshalb dem Unterlassungsbegehren im tenorierten Umfang ausgesetzt.
Wegen des offenen Diskurses und angesichts der Besonderheiten des einstweiligen Verfügungsverfahrens dürfen dem Verfügungsbeklagten indessen nur dann Äußerungen untersagt werden, wenn und soweit die Worte (Äußerungsteile) nach den Gegebenheiten des Einzelfalls eine Gefährdung, die das Heilmittelwerbegesetzt aus guten Gründen ausgeschlossen wissen will, intendiert. So verstanden ist dem LG Aurich a.a.O. - das keine Anklänge an die beweisrechtliche Ausnahmesituation bei/zur therapeutischen Wirksamkeit von medizintechnischen Mitteln (Wirksamkeitswerbung) gefunden hat - beizutreten. Dies gilt es freilich zu den verschiedenen Äußerungsteilen zu untersuchen.
Dabei zeigt sich hier zu Lasten des Verfügungsbeklagten, dass seine Worte - zielgerichtet - bei einem nicht wissenschaftlich kundigen Verbraucher (Kunden) den Eindruck erwecken, die Haarmineralanalyse sei grundsätzlich - bei jedem Menschen - dazu geeignet, durch über sie gewonnene Informationen einen Mangel an Spurenelementen und/oder Mineralstoffen im menschlichen Körper feststellen und/oder über die Ausgewogenheit der Ernährung der untersuchten Person sicher Auskunft geben zu können. Die Worte, dass €Haare aber auch Informationen über den Gesundheitszustand des menschlichen Körpers in sich tragen€, schließt an die Worte zwei Sätze zuvor an mit der Ausrichtung dahin, €Umweltgiften im Körper auf der Spur€ zu sein. Es wird der Eindruck einer Sicherheit zur Erkenntnis herausgestellt, wo es jedoch an realen Gewissheiten fehlt. Der Mangel an Mineralstoffen und/oder Spurenelementen durch die angebotene Dienstleistung wird ausdrücklich als nachweisbar hingestellt (lässt sich feststellen). Es wird mit den im Tenor genannten Worten im Gesamtkontext versucht, den Eindruck zu suggerieren, es gehe um eine wissenschaftlich akzeptierte Methode, jedenfalls um eine von mehreren €gleich sicheren€ Möglichkeit, ohne dass eine Basis für diese Sicherheit gegeben ist. Wissenschaftlich ist es derzeit nur für möglich zu halten, dass mittels der beworbenen Analyse ein Mangel von Magnesium, Zink, Selen oder Calcium oder die Aufnahmefähigkeit des menschlichen Körpers für Spurenelemente oder Mineralstoffe feststellbar sein kann. Dass eine Belastung des menschlichen Körpers mit Schwermetallen wie Blei, Quecksilber oder Cadmium durch eine Haar-Mineralstoff-Analyse festgestellt werden kann, wie der Verfügungskläger selbst kenntlich macht, ändert an dem ausgesprochenen Verbot nichts. Denn die Reichweite dieses Verbot richtet sich nach der konkreten inkriminierten Äußerung, wozu Tenor und Gründe im Einzelnen Aufschluss geben. Der Verfügungsbeklagte geht nicht - wie unschwer möglich - auf die Möglichkeit von Rückschlüssen auf den Gesundheitszustand durch eine Haaranalyse ein. Zur Unterversorgung mit Mineralstoffen und Spurenelementen wird der Eindruck von einem sicheren Nachweis (wo es allenfalls eine eventuelle Nachweismöglichkeit gibt) verstärkt durch den weiteren Aussageteil, die Haar-Mineralstoff-Analyse zeige €zuverlässig Mangelerscheinungen€ auf. Dass bei alledem aufgrund der vorgelegten Unterlagen nicht auszuschließen ist, dass einer Haarmineralanalyse Aussagen/Erkenntnisse entnommen werden können, die über die Erkenntnisse bei einer gewöhnlichen Blutanalyse hinausgehen, ändert nichts. Dass eine gewisse €Überbelastung€ mit €giftigen Schwermetallen€ durch eine Haar-Mineralstoff-Analyse festgestellt werden kann - wovon auch der Verfügungskläger ausgeht - steht der Fassung des Verbotstenors insofern nicht entgegen. Dann ist zwar für sich gesehen das entsprechende Wort (€feststellen€) oder sind die entsprechenden Worte (Überbelastung ...) richtig. Es bleibt aber die Verzerrung der Sichtbarmachung von Gefahren, der realen Erkenntniskraft einer Laboruntersuchung (Analyse) zu Lasten der in ihrer Gesundheit und ihrem Gesundheitsempfinden angesprochenen Empfänger der Äußerung des Verfügungsbeklagten. Auf die vom Verfügungsbeklagten danach aufgezählten Bedrohungen des menschlichen Organismus (Osteoporose, Herzerkrankungen, Zuckerkrankheit...) ist nicht gesondert abzustellen. Zu untersagen ist bloß die Ausrichtung auf eine Sicherheit zur Erkennbarkeit bei einem gewissen Gefährdungspotenzial, wo es eben keine Sicherheit (Informationen) gibt, sondern bloße Annahmen, Vermutungen, Hypothesen, Möglichkeiten. Der Schutz des Art. 5 GG geht bei alledem nicht soweit, dass dem Äußernden lediglich Worte und Äußerungen bezogen auf nachweisbar schädigende Methoden zu untersagen sind.
3. Wäre entgegen der hier zugrunde liegenden Ansicht der Rahmen des § 938 ZPO verlassen, bleibt dementsprechend der weitergehende Antrag des Verfügungsklägers erfolglos und ist zurück zu weisen, freilich ohne Kostennachteil zu Lasten des Verfügungsklägers und zwar gem. § 92 Abs. 2 ZPO.
LG Braunschweig:
Urteil v. 03.08.2005
Az: 22 O 1542/05
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