Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 20. April 2009
Aktenzeichen: 2 VA (Not) 2/09

(OLG Köln: Beschluss v. 20.04.2009, Az.: 2 VA (Not) 2/09)

Tenor

Der Notar Q. wird beigeladen.

Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Bezug auf die Besetzung der Notarstelle in Heinsberg wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich notwendigen Auslagen des Antragsgegners.

Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wurde am 01.04.1985 zur Notarin bestellt und übte dieses Amt bis Anfang 2003 aus. Mit Wirkung zum 01.02.2003 hat sie das Amt der Notarin zunächst gemäß § 48b Abs. 1 Nr. 2, 3, 48c Abs. 1 BNotO niedergelegt und dann gemäß § 48b Abs. 1 Nr. 1, 2 BNotO vorübergehend niedergelegt.

Am 14.11.2008 hat sie sich auf eine ausgeschriebene Notarstelle in Heinsberg beworben. Mit Schreiben vom 22.01.2009 hat ihr der Antragsgegner mitgeteilt, dass er beabsichtige, die Stelle mit einem anderen Bewerber, dem weiteren Beteiligten, zu besetzen. In Übereinstimmung mit dem Votum der Rheinischen Notarkammer hält er die Antragstellerin im Hinblick auf ihre ungeklärten wirtschaftlichen Verhältnisse derzeit für persönlich ungeeignet.

Mit den ungeklärten Vermögensverhältnissen der Antragstellerin hat es folgende Bewandtnis: Die Antragstellerin ist mit dem Notar C. verheiratet. Die Eheleute, die seit dem Jahre 2001 getrennt leben, haben fünf gemeinsame Kinder; ein Scheidungsverfahren ist seit mehreren Jahren beim Amtsgericht Wuppertal (63 F 178/01) anhängig. Während der Zeit des Zusammenlebens mit ihrem Ehemann hat die Antragstellerin ihr gehörende Grundstücke in erheblichem Umfang mit Grundschulden belegt und jeweils in den Urkunden, in denen sie sich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, auch ein abstraktes Schuldversprechen abgegeben. Insgesamt gibt es 29 solcher Urkunden über einen Gesamtbetrag in Höhe von 4,4 Mio. DM. Jedenfalls ein Teil dieser Urkunden befindet sich im Besitz des Ehemannes der Antragstellerin, der diese eigenmächtig an sich genommen haben soll. Dieser verweigert die Herausgabe der Urkunden an die Antragstellerin, weil er - so der Vortrag der Antragstellerin - diese als „Druckmittel“ gegen sie in der familienrechtlichen Auseinandersetzung einsetzen will. Darüber hinaus besteht jedenfalls eine Forderung gegen die Antragstellerin der Nationalbank in Essen über 61.000 €. In einem vor dem OLG Düsseldorf anhängig gewesenen Rechtsstreit (I - 9 U 104/08) zwischen den Eheleuten hat der Ehemann der Antragstellerin am 26.01.2009 auf etwaige Rechte aus einer der vorbezeichneten Urkunden verzichtet; nachdem die Parteien den Rechtsstreit daraufhin übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, hat das Oberlandesgericht Düsseldorf dem Ehemann der Antragstellerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Die Antragstellerin beabsichtigt, Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Auswahlentscheidung des Antragsgegners bezüglich der ausgeschriebenen Notarstelle zu erheben. Zur Verhinderung einer Besetzung dieser Stelle begehrt sie einstweiligen Rechtsschutz. Sie meint, die im Besitz ihres Ehemannes befindlichen Urkunden seien bei der Beurteilung ihrer Vermögensverhältnisse nicht zu berücksichtigen. Dieser habe die Urkunden durch eine Straftat an sich gebracht, habe hieraus bislang nie die Zwangsvollstreckung gegen sie betrieben und werde dies auch in Zukunft nicht tun, weil es ihm im wesentlichen darum gehe, ihre erneute Bestellung zur Notarin zu verhindern.

Die Antragstellerin beantragt,

dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihre Einwendungen gegen die Auswahlentscheidung zu untersagen, die im Justizministerialblatt NRW vom 15.10.2008 ausgeschriebene Notarstelle in Heinsberg (xxxxx Heinsberg xx (x)) einer Mitbewerberin/einem Mitbewerber zu übertragen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er vertritt in Übereinstimmung mit dem Präsidenten der Rheinischen Notarkammer, die Auffassung, dass die Antragstellerin aufgrund ihrer unklaren wirtschaftlichen Verhältnisse persönlich ungeeignet sei für die Besetzung der ausgeschriebenen Notarstelle. Seit der Entscheidung des Senats über einen früheren Antrag der Antragstellerin bezüglich der Besetzung einer Notarstelle in Bonn-Bad Godesberg durch Beschluss vom 04.06.2008 (2 VA (Not) 8/08) sei keine wesentliche Änderung eingetreten.

II.

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht begründet. Es fehlt bereits an einem entsprechenden Anordnungsanspruch, denn die Entscheidung des Antragsgegners, die ausgeschriebene Notarstelle aufgrund fehlender persönlicher Eignung nicht mit der Antragsgegnerin zu besetzen, ist rechtmäßig.

Bei der Beurteilung der persönlichen Eignung eines Bewerbers um das Amt eines Notars handelt es sich um eine Prognoseentscheidung der Justizverwaltung. Diese unterliegt deshalb nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung (BGH NJW 1997, 1075, 1076). Es ist danach nicht Aufgabe des Senats, die Beurteilung der persönlichen Eignung eines Bewerbers durch den Antragsgegner durch seine eigene zu ersetzen, sondern lediglich, die Beurteilung der persönlichen Eignung durch den Antragsgegner daraufhin zu überprüfen, ob ihr ein zutreffendes Verständnis des gesetzlichen Auswahlmaßstabes zugrunde liegt, ob allgemeingültige Wertmaßstäbe beachtet und sachwidrige Erwägungen ausgeschlossen sind und ob schließlich der zu beurteilende Tatbestand verfahrensfehlerfrei festgestellt wurde (vgl. Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 5. Aufl., 2003, § 111 Rdnr. 89 m. w. N.).

Gemessen an diesen Voraussetzungen ist die Entscheidung des Antragsgegners, die Antragstellerin aufgrund ihrer ungeklärten Vermögenslage als persönlich ungeeignet für das Notaramt anzusehen, nicht zu beanstanden.

Aus § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO ergibt sich, dass geordnete wirtschaftliche Verhältnisse Voraussetzung für die Ausübung des Notaramtes sind. Fehlt es hieran, besteht eine nicht hinnehmbare Gefahr für die Interessen der Rechtsuchenden. Wenn es deshalb gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNOtO möglich ist, einen bereits im Amt befindlichen Notar, der immerhin einen gewissen Bestands- und Vertrauensschutz genießt, seines Amtes zu entheben, weil von seinen wirtschaftlichen Verhältnissen eine Gefahr für die Interessen der Rechtsuchenden ausgeht, so muss es erst recht möglich sein, einen Bewerber, bei dem entsprechende Umstände vorliegen, aufgrund mangelnder persönlicher Eignung vom Amt des Notars fernzuhalten. Dies zieht auch die Antragstellerin im Grundsatz nicht in Zweifel.

Die Auffassung des Antragsgegners, dass bei der Antragstellerin unklare wirtschaftliche Verhältnisse vorliegen, woraus sich eine Gefahr für die Interessen der Rechtsuchenden ergeben würde, ist sachlich zutreffend. Diese Feststellung wird allein schon durch die vollstreckbaren Schuldurkunden begründet, die sich zumindest früher im Besitz des Ehemannes der Antragstellerin befunden haben. Dies gilt unabhängig davon, ob dieser noch alle 29 oder nur noch einen Teil davon in Besitz hat. Auf die sonstigen Verbindlichkeiten der Antragstellerin gegenüber der Nationalbank Essen kommt es dabei gar nicht an.

Die im Besitz des Ehemannes der Antragstellerin befindlichen Schuldtitel eröffnen die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung gegen die Antragstellerin und zwar in einem Umfang, der ihre Leistungsfähigkeit deutlich übersteigt. Dies folgt unabhängig von der Zahl der im Besitz des Ehemannes befindlichen Schuldurkunden bereits daraus, dass sie in der Vergangenheit schon wegen der Forderung ihres Ehemannes aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss in Höhe von 24.000 € zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geladen werden musste, was das Fehlen pfändbaren Vermögens voraussetzt (§ 807 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Der Einwand der Antragstellerin, dass ihr Ehemann aus den Urkunden die Zwangsvollstreckung nicht betreiben könne, weil er sich den Besitz an diesen durch eine Straftat verschafft habe und die Vollstreckung hieraus eine weitere Straftat darstellen würde, ist aus folgenden Gründen unerheblich.

- Es handelt sich hierbei um materiellrechtliche Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Klauselerteilung bzw. der Zwangsvollstreckung. Die Beweislast für das Vorliegen der Tatsachen, die diese Einwendungen rechtfertigen, trägt die Antragstellerin. Es ist aber derzeit nicht absehbar, ob ihr der Nachweis in einem Rechtsstreit gelingen würde. Bislang hat sie lediglich erreicht, dass ihr Ehemann auf etwaige Rechte aus einer der 29 Urkunden verzichtet hat; es ist allerdings nicht erkennbar, ob der Ehemann der Antragstellerin noch im Besitz dieser Urkunde ist und diese an die Antragstellerin herausgeben wird.

Das Ergebnis des Rechtsstreits vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf lässt für den Senat auch keinen Rückschluss darauf zu, dass der Ehemann der Antragstellerin auch aus den weiteren 28 Urkunden die Zwangsvollstreckung nicht mit Aussicht auf Erfolg betreiben kann. Aus den vorgelegten Unterlagen aus diesem Verfahren lässt sich nämlich nicht entnehmen, warum der Ehemann der Antragstellerin auf seine Rechte aus der konkreten Urkunde verzichtet hat.

Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Ehemann der Antragstellerin gegebenenfalls das der Hingabe des Schuldanerkenntnisses zugrundeliegende Kausalgeschäft darlegen und beweisen müsste. Für den Senat ist offen, ob ihm dies nicht zumindest bei einem Teil der Schuldtitel gelingen könnte. Im Übrigen trifft diese Beweislast nur den Ehemann der Antragstellerin, nicht aber Dritte, an die diese Schuldtitel übertragen worden sind, was derzeit weder die Antragstellerin noch der Senat ausschließen können.

- Der Umstand, dass ihr Ehemann aus diesen Urkunden nicht die Zwangsvollstreckung gegen sie betreiben würde, schließt im Übrigen nicht aus, dass Dritte diese Urkunden erwerben bzw. bereits erworben haben und in Zukunft die Zwangsvollstreckung hieraus betreiben werden. Aus dem früheren Vortrag der Antragstellerin ergab sich, dass ihr Ehemann zwar über beträchtliches Vermögen verfügt - insoweit macht sie Zugewinnausgleichsansprüche geltend -, aber auch Schulden hat. Von daher kann nicht zuverlässig ausgeschlossen werden, dass Gläubiger ihres Ehemannes Ansprüche aus den Urkunden gegen sie pfänden und dann im Wege der Zwangsvollstreckung gegen sie vorgehen.

Der Senat sieht auch weiterhin keine besonderen sonstigen Umstände, die es geboten erscheinen lassen würden, die bekannten Umstände anders als geschehen zu werten. Diese ergeben sich nicht daraus, dass die Antragstellerin in den Jahren 2001 bis 2003 als Notarin tätig war, obwohl die Drohung der Zwangsvollstreckung durch ihren Ehemann bereits damals im Raum stand, und es in dieser Zeit nicht zu einer Gefährdung der Rechtsuchenden gekommen ist. Dies lässt nämlich nicht den Schluss zu, dass es hierzu auch in Zukunft nicht kommen würde. Solange die Vollstreckung aus den Urkunden nicht betrieben wird, besteht keine konkrete Gefahr. Es gibt aber weder eine Garantie noch auch nur eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Zwangsvollstreckung hieraus auch in Zukunft nicht betrieben werden wird; eine abstrakte Gefahr ist damit gegeben.

Auch aus den von der Antragstellerin im familiengerichtlichen Verfahren geltend gemachten erheblichen Ansprüchen auf Trennungsunterhalt und Zugewinnausgleich ergibt sich nicht, dass die Vermögensverhältnisse der Antragstellerin gleichwohl als geordnet angesehen werden können. Es ist völlig offen, in welcher Höhe ihr diese Ansprüche tatsächlich zugesprochen werden. Darüber hinaus ist sie auch noch mit dem Risiko der Durchsetzung der ihr zuerkannten Ansprüche belastet. Es ist derzeit nicht abschätzbar, inwieweit der Antragstellerin aufgrund der nunmehr geltend gemachten Ansprüche tatsächlich in Zukunft Vermögenswerte zufließen werden.

II.

Mangels hinreichender Erfolgsaussicht kann der Antragstellerin Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden.

III.

Die Entscheidung, den Mitbewerber Q. beizuladen, beruht auf entsprechender Anwendung des § 65 Abs. 2 VwGO. Es liegt ein Fall notwendiger Beiladung vor, weil die die Entscheidung auch unmittelbar den Beigeladenen betrifft. Der Umstand, dass in diesem Verfahren Umstände aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich der Antragstellerin zur Sprache kommen, ändert hieran nichts. Den berechtigten Interessen der Antragstellerin daran, dass ihre persönlichen Daten vertraulich behandelt werden, muss ggf. auf andere Weise Rechnung getragen werden.

III.

Der die Gerichtskosten betreffende Kostenausspruch beruht auf § 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO in Verbindung mit § 201 Abs. 1 BRAO. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten erfolgt gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 BNotO i.V.m. § 40 Abs. 4 BRAO. Es bestand keine Veranlassung, der Antragstellerin auch die notwendigen Auslagen des weiteren Beteiligten aufzuerlegen.






OLG Köln:
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