Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. April 2003
Aktenzeichen: 20 W (pat) 16/02
(BPatG: Beschluss v. 09.04.2003, Az.: 20 W (pat) 16/02)
Tenor
Der Beschluß des Patentamts vom 6. Dezember 2001 wird aufgehoben.
Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
Patentansprüche 1 bis 7, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Spalten 1 bis 3 mit 1 Blatt Einschub in Spalte 1 nach Zeile 47, überreicht in der mündlichen Verhandlung, 1 Blatt Zeichnung (Figuren 1 und 2) wie Patentschrift.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Das Patentamt hat das Patent in vollem Umfang aufrechterhalten.
Die Einsprechende und Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent gemäß den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen aufrechtzuerhalten.
Der in der mündlichen Verhandlung überreichte Patentanspruch 1 lautet:
"Vorrichtung zum optischen Erfassen von Fremdkörpern (17) oder eines Belags auf der Oberfläche einer optisch transparenten Scheibe (16), mit wenigstens einem Strahlungssender (12) und wenigstens einem Strahlungsempfänger (13), die einen Sensor (10) bilden, wobei sich zwischen der Scheibe (16) und dem Sensor (10) eine Zwischenfolie (18) befindet, dadurch gekennzeichnet, daß die Zwischenfolie (18) im Bereich des oder der Strahlungssender (12) und des oder der Strahlungsempfänger (13) aus einem optisch transparenten Material besteht, daß im jeweiligen Meßbereich eine Totalreflexion der Strahlung möglich ist, und daß die Zwischenfolie (18) im übrigen Bereich auf den dem Sensor (10) und der Scheibe (16) zugewandten Seiten Klebeeigenschaften aufweist, wobei die Zwischenfolie (18) derart ausgebildet ist, daß im Bereich des oder der Strahlungssender (12) und des oder der Strahlungsempfänger (13) optisch transparente Folienstücke (24) vorgesehen sind, die in Aussparungen (21, 23) einer die Klebefunktion übernehmenden Folie (20) eingesetzt sind."
Der nebengeordnete Patentanspruch 7 hat folgende Fassung:
"Verfahren zur Herstellung einer Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß in eine Folie (20) mit Klebeeigenschaften Aussparungen (21, 22, 23) eingebracht werden, daß in die Aussparungen (21, 23), in deren Bereiche der oder die Strahlungssender (12) oder der oder die Strahlungsempfänger (13) angeordnet sind, Folienstücke (24) aus optisch transparentem Material eingesetzt werden, daß die Folie (20) an dem Sensor (10) angeklebt wird, daß eine Schutzschicht der Folie (20) abgezogen wird, und daß die Folie (20) auf der Scheibe (16) aufgeklebt wird."
Zum Wortlaut der Patentansprüche 2 bis 6 wird auf die Akte verwiesen.
Im Verfahren sind folgende Druckschriften:
(1) US 4 620 141 A
(2) US 4 701 613 A
(3) EP 0 299 606 A1
(4) DE 23 54 100 B2
(5) DE 24 20 594 A1
(6) DE 35 38 553 A1.
Die Einsprechende führt in der mündlichen Verhandlung aus, der Gegenstand des neuen Patentanspruches 1 beruhe im Hinblick auf die Druckschriften (1) und (3) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Patentinhaberin ist der Auffassung, die beanspruchten Gegenstände seien neu und erfinderisch.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie führt zur beschränkten Aufrechterhaltung des Patents.
1. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 7 sind unbestritten zulässig. Die Merkmale des neuen Patentanspruchs 1 sind in den ursprünglichen und erteilten Patentansprüchen 1 und 2 als zur Erfindung gehörend offenbart. Aus der ursprünglichen Beschreibung (OS Sp 1 Abs 2) entnimmt der Fachmann, dass es beim Einsetzen der Folienstücke in die Aussparungen der die Klebeeigenschaften übernehmenden Folie nicht darauf ankommt, dass die dadurch gebildete Zwischenfolie eine einheitliche Dicke aufweist, denn dort wird ein entsprechender Hinweis nicht gegeben. Die Angaben zu einer einheitlichen Dicke in der ursprünglichen Beschreibung (OS Sp 2 Z 18 - 18) und im ursprünglichen Patentanspruch 2 beziehen sich lediglich auf ein Ausführungsbeispiel. Die Vorrichtung nach Patentanspruch 1 ist daher - auch ohne das die einheitliche Dicke der Zwischenfolie betreffende Merkmal des ursprünglichen Patentanspruchs 2 - aus den ursprünglichen Unterlagen entnehmbar.
2. Stand der Technik Aus Druckschrift (1) ist eine Vorrichtung zum optischen Erfassen eines Belags (Regentropfen) auf der Oberfläche einer optisch transparenten Scheibe 38 bekannt, die wenigstens einen Strahlungssender 23 und wenigstens einen Strahlungsempfänger 36 aufweist. Zwischen dem durch den Strahlungssender und den Strahlungsempfänger gebildeten Sensor und der Scheibe kann eine optisch transparente Zwischenschicht (acrylic or other clear plastic shim 48) angeordnet werden, deren Stärke abhängig von der Dicke der Scheibe so gewählt ist, dass das Licht nach Reflexion am äußeren Scheibenrand den Strahlungsempfänger erreicht (Sp 4 Z 34 - 40). Diese Zwischenschicht dient also dazu, unterschiedliche Stärken der Scheiben auszugleichen, wobei jedoch aus (1) nicht zu entnehmen ist, ob es sich um eine Platte oder eine Folie handelt. Sie besteht vollständig, also auch im Bereich der Strahlungssender und Strahlungsempfänger, aus optisch transparentem Material. Im jeweiligen Messbereich ist entsprechend der Darstellung in Figur 2 eine Reflexion der Strahlung möglich. Ob es sich dabei um Totalreflexion handelt, ist in (1) nicht ausdrücklich angegeben. Das Sensorgehäuse 12 ist direkt auf der Scheibe 38 aufgeklebt (Sp 4 Z 1 - 2: adhesively bonded), wenn keine Zwischenschicht eingesetzt wird. Für den Fall, dass eine Zwischenschicht 48 verwendet wird, sind aus (1) über die Art der Verbindung zwischen dem Sensor, der Zwischenschicht und der Scheibe keine ausdrücklichen Angaben zu entnehmen. Abweichend vom Gegenstand des Patentanspruches 1, bei dem optisch transparente Folienstücke in Aussparungen einer die Klebefunktion übernehmenden Folie eingesetzt sind, ist die Zwischenschicht einheitlich ausgebildet. Aus (1) ist daher auch kein Verfahren zur Herstellung einer Vorrichtung entnehmbar, bei dem optisch transparente Folienstücke in Aussparungen einer die Klebefunktion übernehmenden Folie eingesetzt werden.
Die Druckschrift (2) betrifft eine Vorrichtung zum optischen Erfassen von Regentropfen auf der Oberfläche einer optisch transparenten Scheibe 10. Dabei ist ein Sensor vorgesehen, der durch einen Strahlungssender 24 und einen Strahlungsempfänger 25 gebildet ist, außerdem eine durchsichtige Platte 21 und eine Reflexionsplatte 23 aufweist und mit einer Schicht aus transparentem Klebstoff 22 auf der Scheibe 10 befestigt ist. Um Lufteinschlüsse zwischen dem Sensor und der Scheibe zu vermeiden, befindet sich bei der Ausführungsform nach Figur 2 zwischen der durchsichtigen Platte 21 und der Scheibe 10 noch eine vollständig aus transparentem Material bestehende, einheitlich ausgebildete, elastische Platte 40, die auf der durchsichtigen Platte 21 mit Klebstoff 22 angeklebt ist, jedoch auf ihrer der Scheibe zugewandten Seite keine Klebeeigenschaften aufweist, sondern stattdessen mittels einer Schraubbefestigung am Dach des Kraftfahrzeugs gegen die Scheibe gedrückt wird. Im Unterschied zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 befindet sich keine Folie zwischen der Scheibe und dem Sensor. Ein Verfahren zur Herstellung einer Vorrichtung, bei der sich zwischen einem Sensor und einer Scheibe eine Folie befindet, ist aus (2) daher ebenfalls nicht entnehmbar.
Die Druckschrift (3) zeigt eine Vorrichtung zum optischen Erfassen von Feuchtigkeit auf der Oberfläche einer optisch transparenten Scheibe 12. Die Vorrichtung weist einen Sensor auf, der aus wenigstens einem Strahlungssender 18 und wenigstens einem Strahlungsempfänger 20 gebildet ist. Der Sensor befindet sich in einem Gehäuse (support means 22), das mit Hilfe eines Rahmens (Fig 4; adhering means 28) aus Schaumstoffband (foam tape Sp 6 Z 58 - Sp 7 Z 2) auf die Scheibe geklebt ist. Eine Zwischenfolie zwischen der Scheibe und dem Sensor ist abweichend vom Gegenstand des Patentanspruches 1 nicht vorgesehen. Auch ein Verfahren zur Herstellung einer Vorrichtung, bei der sich zwischen einem Sensor und einer Scheibe eine Folie befindet, ist aus (3) nicht entnehmbar.
Die Druckschriften 4 bis 6 haben in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt und bringen hinsichtlich der Beurteilung der Patentfähigkeit keine neuen Gesichtspunkte.
3. Neuheit Die zweifelsfrei gewerblich anwendbaren Gegenstände der Patentansprüche 1 und 7 sind neu, denn keine der Druckschriften zeigt alle ihre Merkmale, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zum Stand der Technik ergibt.
4. Erfinderische Tätigkeit Der Gegenstand des Patentanspruches 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Ausgehend von dem Gegenstand nach Druckschrift (1) bietet es sich dem Fachmann, einem auf dem Gebiet der optischen Sensortechnik tätigen Diplomphysiker, an, die geometrischen Verhältnisse so zu wählen, dass im Messbereich Totalreflexion auftritt. Denn dann führen Fremdkörper auf der Scheibe zu einer deutlicheren und damit im Lichtempfänger besser nachweisbaren Änderung der Lichtintensität im reflektierten Lichtstrahl. Auch liegt es für den Fachmann nahe, die Zwischenschicht mit Klebeeigenschaften auf ihren dem Sensor und der Scheibe zugewandten Seiten auszustatten. Einen Hinweis auf eine Klebeverbindung erhält er nämlich aus (1), da dort für den Fall, dass das Gehäuse direkt, d.h. ohne Zwischenschicht, auf die Scheibe aufgebracht ist, eine Klebeverbindung bereits angesprochen ist (Sp 4 Z 1 - 2). Für den Fachmann mag es sich außerdem noch anbieten, als Zwischenschicht eine Folie einzusetzen, da diese flexibel ist und dadurch Unregelmäßigkeiten in der Scheibe und der Oberfläche des Sensors eher ausgleicht.
Aus keiner der Druckschriften erhält der Fachmann jedoch einen Hinweis darauf, eine Zwischenfolie derart auszubilden, dass im Bereich des Strahlungssenders und des Strahlungsempfängers optisch transparente Folienstücke vorgesehen sind, die in Aussparungen einer die Klebefunktion übernehmenden Folie eingesetzt sind. Denn die der Zwischenfolie entsprechende Zwischenschicht 48 bei der Vorrichtung nach (1) ist über den gesamten Bereich des Sensors einheitlich ausgebildet. Auch die zwischen dem Sensor und der Scheibe angebrachte elastische Platte 40 der Vorrichtung nach Druckschrift (2) (Fig 2) besteht aus einem Stück. Die Druckschriften (1) und (2) veranlassen daher den Fachmann auch unter Berücksichtigung seines Fachwissens und Fachkönnens nicht dazu, die Zwischenfolie aus mehreren Folienstücken zusammenzusetzen, um so durch Verwendung von verschiedenen Folien mit unterschiedlichen Eigenschaften eine festere Verbindung zwischen dem Sensor und der Scheibe zu erreichen. Die Druckschrift (2) führt sogar in eine andere Richtung, denn der Fachmann entnimmt ihr den Hinweis, dass eine sichere Befestigung des Sensors an der Windschutzscheibe eines Kraftfahrzeugs dadurch erreicht werden kann, dass der Sensor am Dach des Kraftfahrzeugs festgeschraubt wird.
Bei dem Gegenstand der noch weiter abliegenden Druckschrift (3) ist noch nicht einmal eine mit einer Zwischenfolie vergleichbare Zwischenschicht oder Platte zwischen dem Sensor und der Scheibe vorgesehen. Auch die dort in Figur 4 gezeigte rahmenförmige Schaumstoffschicht veranlasst den Fachmann nicht dazu, eine Zwischenfolie derart auszubilden, dass im Bereich des Strahlungssenders und des Strahlungsempfängers optisch transparente Folienstücke vorgesehen sind, die in Aussparungen einer die Klebefunktion übernehmenden Folie eingesetzt sind. Aus (3) sind nämlich keine Hinweise zu entnehmen, dass der Schaumstoff als Halterung für transparente Folienstücke geeignet sein könnte. Vielmehr dient der nur im Randbereich des Sensors angebrachte Schaumstoff in erster Linie als Dichtung, um das Eindringen von Feuchtigkeit und Schmutz in den Sensor zu verhindern (Sp 6 Z 58 - Sp 7 Z 2).
Auch das Verfahren nach Patentanspruch 7 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Wie die obigen Ausführungen zeigen, erhält der Fachmann auch unter Berücksichtigung seines Fachwissens und Fachkönnens aus keiner der Druckschriften einen Hinweis zu den Verfahrensschritten, in eine Folie mit Klebeeigenschaften Aussparungen einzubringen und in die Aussparungen, in deren Bereiche der Strahlungssender und der Strahlungsempfänger angeordnet sind, Folienstücke aus optisch transparentem Material einzusetzen.
5. Die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 haben mit dem Patentanspruch 1 Bestand. Sie betreffen über das Selbstverständliche hinausgehende Ausgestaltungen des Gegenstandes des Patentanspruches 1.
6. Die Beschreibung genügt den an sie nach § 34 PatG zu stellenden Anforderungen.
Dr. Anders Kalkoff Martens Dr. Zehendner Pr
BPatG:
Beschluss v. 09.04.2003
Az: 20 W (pat) 16/02
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